Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Nein! – Jetzt komme ich zu der zweiten Frage: Wenn wir also die Lottomittel nicht insgesamt in den Haushalt abführen, dann bleibt die Frage: Wer bestimmt über die Verteilung? –Da möchte ich gleich zu Beginn sagen, dass ich bei diesem Aspekt eine andere Position habe und auch die PDS-Fraktion immer eine andere Position vertreten hat. Ich sage es hier noch einmal ganz klar, dass ich persönlich und auch die PDS-Fraktion die Position haben, dass ein Grundmandat im Lottobeirat für alle im Parlament vertretenen Parteien meines Erachtens politisch geboten und auch richtig ist.

inhaltliche Fehlentscheidungen des Stiftungsrats gibt, die zu revidieren wären? – Ich habe das jedenfalls in einer Form, der es einer parlamentarischen Debatte wert gewesen wäre, nicht gehört und nicht gesehen. – Ihre Zwischenfrage sehe ich zwar, aber ich verzichte darauf, sie zu beantworten, und deswegen brauche ich sie mir auch nicht anzuhören.

Eine 75-prozentige Bindung der Mittel des Stiftungsrats – ich muss meiner Kollegin Spranger da völlig Recht geben. Der ehrlichere Weg wäre gewesen, zu sagen: Wir stellen die Mittel in den Haushalt ein. Nur, was passiert denn dann? – Dann sind diese Mittel – so sehr ich ein Freund davon bin, Mittel zu konzentrieren und Ressourcen vernünftig zu verwenden – weg. Sie wissen ganz genau, in welcher Form Haushaltskonsolidierung im Augenblick im Land Berlin betrieben wird. Meinen Sie denn, dass das Geld noch irgendeinem Projekt zugute kommt,

[Frau Ströver (Grüne): Ja!]

wo wir uns alle einig sein würden, dass es förderungsfähig und auch förderungswürdig ist? – Ich glaube nein, und deswegen halte ich es für richtig, dass wir auch in der Lage sein müssen – gerade ich solchen Situationen, wie wir uns in Berlin befinden –, außerordentliche Projekte auch auf einem außerordentlichen Weg – trotz allem demokratisch legitimiert und durch den Rechnungshof geprüft – zu fördern. Ich verstehe nicht, wo Ihr Problem ist. Das einzige Problem, das in der Tat von mir dabei zu erkennen ist, ist die Tatsache, dass Sie, Frau Ströver, gern mit dabei wären. Es tut mir Leid, da können wir Ihnen auch nicht helfen, und deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön! – Für die PDS-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Herr Nelken. – Bitte schön!

[Dr. Lindner (FDP): Der Verteidiger des Systems!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ströver, der vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Klassenlotteriegesetzes – da muss ich Ihnen widersprechen – ist meines Erachtens nicht gut, und zwar ist er in vielen Aspekten gesetzestechnisch nicht gut. Aber dieser Gesetzentwurf hat mehrere Aspekte. Auf die Vorschläge, die wir sowieso ablehnen – darüber haben wir schon hinreichend in den Ausschüssen diskutiert –, möchte ich nicht noch einmal eingehen, weil wir – Sie haben es schon geahnt – den Gesetzentwurf in seiner Gesamtheit ablehnen werden.

[Zuruf des Abg. Matz (FDP)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Ströver?

[Beifall bei der PDS – Matz (FDP): Warum haben Sie es dann nicht beantragt? ]

Und zwar nicht, weil die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse – da hat der Kollege Zimmer Recht – dann angemessen abgespiegelt wären, das ist bei der jetzigen Regelung nach d’Hondt natürlich angemessener. Das geschieht eben mit der Grundmandatsregelung nicht. Aber eine Einbeziehung aller im Parlament vertretenen Parteien bei der Entscheidungsfindung sorgt meines Erachtens für Transparenz und mindert wenigstens die Gefahr parteitaktisch motivierter Vergabepraktiken.

[Matz (FDP): Hat Ihre Fraktion kein Antragsrecht?]

Natürlich könnte man sagen, es dehnt den Klientelismus nur noch aus. Aber ich gehe erst mal von der Regel aus, dass eine größere Beteiligung der Parteien die Kontrolle wahrscheinlicher macht und nicht den Klientelismus ausdehnt.

Bei Projektförderung bin ich sowieso der Meinung, es dient der sachgerechteren Entscheidung, dass die Fachöffentlichkeit einen viel größeren Einfluss auf die Entscheidungen hat. Wenn wir das Grundmandat für richtig ansehen, warum haben wir dann in den Ausschüssen bei den Einzelabstimmungen nicht dafür gestimmt? Ich lasse jetzt mal die rechtstechnischen Probleme, die wir im Rechtsausschuss mit dem Agieren der Grünen hatten, weg

und auch das Agieren der Grünen selber, das mir zumindest den Eindruck erweckte, sie wollten, dass wir diesen Punkt auch wegstimmen. Das lasse ich mal alles weg, denn das ist Nebensache. Hauptsache ist, dass wir – das sage ich ganz offen – unseren Koalitionspartner nicht für das Grundmandat gewinnen konnten. Das wissen Sie alle besser, Sie waren alle mal selber in Koalitionen und wissen, wie in Koalitionen das Geschäft läuft. Das heißt, wenn man keine einheitlichen Positionen herbeiführen kann, dann kann man nichts ändern. Aber ich bin optimistisch, dass in den kommenden Jahren unsere Überzeugungsarbeit noch überzeugender wird und dass dann auch unser Koalitionspartner, wenn wir dann noch zusammen sind, sich unserer Position anschließen wird. – Ich danke!

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei SPD – Dr. Lindner (FDP): Ihr seid in Großform!]

Danke schön! – Für die FDP-Fraktion hat nunmehr der Abgeordnete Matz das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der letzte Satz von Herrn Nelken war der bemerkenswerteste an seiner Rede. Aber ich möchte gern, bevor ich auf das Thema hier noch mal in der gebotenen Deutlichkeit eingehe, am Anfang eines hervorheben, damit es nicht in Vergessenheit gerät: Die Lottomittel, das sind Mittel, die für gute Zwecke eingesetzt werden. Und was immer man an den derzeit geltenden Regelungen ändern wollte, dann müsste in jedem Falle durch Zweckbindung dafür gesorgt werden, dass auch in Zukunft diese Gelder auch für die bekannten guten Zwecke ausgegeben werden können. Es geht nur darum, dass wir heute eine Struktur der Entscheidung über diese Gelder haben, die aus vordemokratischen Zeiten stammt und die der parlamentarischen Kontrolle und dem Haushaltsrecht des Parlaments total entzogen ist. Das ist das eigentliche Thema, um das es hier gehen sollte.

[Beifall bei der FDP]

Die Lottomittel in Berlin sind Sinnbild von Filz und Korruption des alten Berlin. Sie verbinden sich mit dem Namen Landowsky und all den bekannten Geldflüssen, die hier in der Stadt gewesen sind, um sich einzelne Teile, einzelne Szenen in dieser Stadt gewogen zu halten. Aber jetzt wird es doch erstaunlich, wenn man sich heute die Debatte einmal anguckt und nachliest, was hier früher gewesen ist. Denn die Frau Ströver hat etwas beantragt, was die Fraktion der Grünen unterstützt, was aber auch die PDS-Fraktion mal unterstützt hat. Wenn ich Herrn Nelken eben so gefolgt bin, habe ich plötzlich das Gefühl, dass die PDS überhaupt gar kein Antragsrecht in diesem Parlament hat. Das wirkt geradezu so, als ob Sie ähnlich geknechtet und entrechtet wären wie Ihre beiden Kolleginnen im Deutschen Bundestag, die überhaupt nicht ihre parlamentarischen Rechte zur Geltung bringen können. Wenn Sie der Meinung sind, es müsste sich was ändern, dann bringen Sie einen Antrag in dieses Parlament ein, und schon wird alles besser. Wir haben nämlich von Ihnen schon ganz andere Dinge gehört.

[Beifall bei der FDP]

Der Abgeordnete Dr. Flierl zum Beispiel am 25. September 1997:

Die PDS-Fraktion tritt daher dafür ein, das jeglicher Kontrolle entzogene Machkartell der großen Koalition aufzubrechen und den Beirat der Lottostiftung endlich für die parlamentarische Opposition zu öffnen.

Der Abgeordnete Brauer, 9. März 2000:

In Berlin entscheiden lediglich sechs Politikerinnen und Politiker, allesamt aus dem Kreis der Koalitionsparteien, über wen und in welcher Höhe das Füllhorn ausgeschüttet und wer am Jackpot beteiligt wird – um im Bild zu bleiben.

Das Erstaunliche daran ist nicht nur, dass Sie Ihre Haltung von damals nicht mehr konsequent weiterverfolgen, sondern sich das nur in lauen Beiträgen, aber nicht in Anträgen im Parlament widerspiegelt. Das Erstaunliche, wenn Sie die Formulierung genau unter die Lupe nehmen, ist, dass man da herauslesen kann, dass es Ihnen die ganze Zeit nicht darum gegangen ist, dieses System abzuschaffen; es ist Ihnen die ganze Zeit nur darum gegangen, dass Sie bei diesem Filzsystem selber mitmischen dürfen und dass Sie selber eine Gelegenheit bekommen, mit zu entscheiden, wo die Gelder hinfließen sollen.

[Beifall bei der FDP – Brauer (PDS): Das ist doch Quatsch!]

Es geht nämlich auch ganz anders, und Berlin ist keine Insel mehr, wenn ich mal darauf hinweisen darf für diejenigen, die Berlin noch als Insel erlebt haben. Es geht nämlich auch ganz anders. Man kann nämlich das Geld auch komplett in den Landeshaushalt überführen. Das macht Bayern, das macht Hamburg, das macht Sachsen, das macht Mecklenburg-Vorpommern. Das ist überhaupt gar kein Problem, man muss es nur wollen. Man kann mit gesetzlichen Regelungen in Euro und in Prozent oder auch Cent entscheiden, wohin das Geld fließt. Das macht Hessen, das macht Niedersachsen, das macht Thüringen, das macht Bremen. Das ist überhaupt gar kein Problem, wenn man es nur will. Wenn man aus den alten Berliner Filzstrukturen herausfinden will, dann kann man es. Andere Länder machen es vor, und die haben es teilweise auch in den letzten Jahren erst wegen der Erfahrungen, die sie gemacht haben, geändert. In Rheinland-Pfalz haben SPD und FDP zusammen die filzverdächtige Struktur abgeschafft. In Sachsen-Anhalt haben CDU und FDP jetzt in ihrer Koalition vereinbart, es für die Zukunft zu tun. In Nordrhein-Westfalen wird das Geld zumindest im Haushalt nachgewiesen. In Berlin tut sich aber überhaupt nichts. Nur in anderen Bundesländern ist man in der Lage, diese Strukturen endlich abzuschaffen und dem Haushaltsrecht des Parlaments zum Durchbruch zu verhelfen.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Ich möchte jetzt schließen. Damit Sie nicht glauben, ich hätte mir das alles ausgedacht, schließe ich mit einem Zitat aus dem Lehrbuch von Hans Willi Weinzen aus dem

Die Satzung der Klassenlotterie legt 50 % für Sport und Jugend bereits fest. Im Grünen-Antrag ist zu verwerfen – Entschuldigung, tut mir außerordentlich Leid –, dass man aus dem Stiftungsbereich, der eine rechtsfähige Gesellschaft ist, in den Haushalt überleitet. Es wird nicht in ein Kontrollorgan des Parlaments eingeführt, sondern in die zuständigen Verwaltungen. Es geht von der Stiftung in die zuständigen Verwaltungen – 25 %, 25 %, 15 % und 10 % –, es bleiben 25 % übrig. Die Stiftung muss in sich selbstständig bleiben. Sie muss auch in der Verteilung selbstständig bleiben. Wenn die Lex Landowsky, die immer beschworen wird, einen Sinn hat, dann doch den, dass dort zu viel Politik enthalten war. Jetzt diese Stiftung weiterhin zu politisieren, ist kontraproduktiv. Wenn wir uns überlegen sollen und wollen, dass dort ein anderes, übersichtlicheres Verfahren zu Stande kommt, sollte man sich mit Vorstand, Verwaltungsrat und Stiftungsrat zusammen setzen und eine andere Übersichtlichkeit zu Stande bringen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber es ist schon zu viel politisiert worden. Gerade diejenigen, die von weniger Staat reden, schreien jetzt plötzlich, wo es um Geld geht, nach mehr Staat. Ich bin glücklich, dass

sich abzeichnet, dass dieser Antrag der Grünen – es tut mir sehr Leid – abgelehnt wird. Ich halte das auch für richtig.

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Der Rechtsausschuss wie auch der Hauptausschuss empfehlen mehrheitlich gegen die Stimmen der Grünen bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP die Ablehnung dieses Antrags. Wer der Drucksache 15/250 jedoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser Gesetzesantrag mehrheitlich abgelehnt.

Der Abgeordnete Hoff bittet jetzt nach § 72 unserer Geschäftsordnung um das Wort für eine Erklärung zu seinem Abstimmungsverhalten und hat damit jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist im Abgeordnetenhaus nicht immer üblich – manchmal tut man es, an bestimmten Punkten, die man für wichtig hält –, Erklärungen zum Abstimmungsverhalten abzugeben. Ich habe mit den Stimmen der Koalition diesen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Ich habe in der Fraktionssitzung der PDS vom 26. November dieses Jahres erklärt, dass ich die Entscheidung der Koalition mittragen werde, weil ich mich an die Vereinbarung der Koalition halte, dass es in Ausschüssen und im Parlament keine wechselnden Mehrheiten gibt – weil ich auf dem Landesparteitag dieser Koalitionsvereinbarung zugestimmt habe und mich auch an diese Erklärung gebunden fühle –, mich aber gleichwohl vorbereitet, eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten abzugeben.

Jahr 2000, „Berlin und seine Finanzen“. Gar nichts polemisch, einfach nur ganz sachlich:

Die Verwendung von Lottomitteln ist in anderen Bundesländern durchaus auch anders als in Berlin geregelt.

Dann kommen in etwa die Dinge, die ich eben aufgezählt habe. Und dann heißt es zum Schluss:

Das Berliner Konstrukt ist ein Unikat. Wenn in Zahlerländern des Finanzausgleichs die Lottoüberschüsse ganz oder zumindest überwiegend dem Landeshaushalt zufließen, dann sollte dies im finanzkraftschwächsten Nehmerland erst recht so sein. Lotterieüberschüsse in den notleidenden Landeshaushalt einzustellen gelingt nicht nur anderswo. Selbst in Berlin wird der Anteil des Landes am Überschuss der Nordwestdeutschen Klassenlotterie in Kapitel 15 30 unter Titel 121 22 veranschlagt. Gute Zwecke lassen sich auch aus dem Haushalt finanzieren.

Und das ist gleichzeitig auch mein Schlusswort. – Herzlichen Dank! – Die FDP-Fraktion wird einen entsprechenden Antrag hier im Hause einbringen.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Danke schön! – Das Wort hat der fraktionslose Abgeordnete Herr Jungnickel. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Stiftungen haben ein eigenes Gesetz. Beinahe, Herr Matz, hätte ich gedacht, ich könnte Sie loben, aber der letzte Teil, nämlich das Verfahren, die überschüssigen Lottomittel in den Landeshaushalt einzustellen, ist das Falscheste von allem. Da ist der Antrag der Grünen beinahe noch ideal.

[Beifall bei der PDS]

[Dr. Steffel (CDU): Nehmen Sie sich doch nicht so ernst! So wichtig sind Sie gar nicht!]

Aus diesem Grunde möchte ich hier erklären, dass ich, obwohl ich den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt habe und ihn auch in weiten Teilen für ablehnungsbedürftig halte, an zwei Punkten eine andere Meinung als die Mehrheit der Koalition vertrete.

Ich vertrete die Auffassung, dass die Gelder, die über den Lottostiftungsrat vergeben werden, in den Landeshaushalt eingestellt werden sollten. Sofern dies nicht geschieht, habe ich auch in der Fraktionssitzung deutlich gemacht, dass ich meine, dass in dem Stiftungsrat das Grundmandat, so wie von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen, durchgesetzt werden sollte. – Vielen Dank!