Protokoll der Sitzung vom 13.03.2003

Ihr Wirtschaftsminister soll gestern – ich habe es nicht gehört, gehe aber davon aus, dass es stimmt – über ein Sondergebiet Ost – für strukturschwache Gebiete – nachgedacht haben. Das ist eine Sache, mit der man sich anfreunden kann.

Wir könnten einmal darüber nachdenken, ob wir für Handwerkerleistungen und Leistungen in Gastronomie und Hotellerie einen halben Mehrwertsteuersatz einführen. Das müssten wir durchsetzen. Erfolgreiche europäische Modellversuche beispielsweise in Frankreich gibt es. Berlin als Modellversuch in Deutschland wäre vielleicht kein schlechter Ansatz. Auf jeden Fall würde das dazu beitragen, die Schwarzarbeit zu bekämpfen.

Dann brauchen wir Bürokratieabbau – für schnelle und sachorientierte Entscheidungen. Ich kann das nur ständig wiederholen, und die FDP wiederholt das auch immer wieder. Beispiel: In Baden-Württemberg wurden zwischen 1999 und 2001 insgesamt 1 581 von 4 303 Verwaltungsvorschriften abgebaut. Solch konsequentes Vorgehen verlangen wir auch vom Berliner Senat. Hier feiert aber der rot-rote Senat den Abbau von 72 Verwaltungsvorschriften bereits als Erfolg.

Wirtschaftspolitik, die uns die Bundesregierung liefert. Übrigens – das am Rande zum Sprecher der SPD-Fraktion – hat auch Herr Clement, Ihr Wirtschaftsminister, eine Lockerung des Kündigungsschutzes gefordert. Das ist also keine Forderung nur der FDP.

[Beifall bei der FDP – Frau Senftleben (FDP): Aber unsere schon lange! – Brauer (PDS): Dadurch wird sie auch nicht besser!]

Hausgemacht in Berlin ist aber die Tatsache – Herr Dr. Steffel hatte schon darauf hingewiesen –, dass wir Schlusslicht in der wirtschaftlichen Entwicklung sind. Wenn man sich das einmal vorstellt, wie das aussieht! Ich habe das hier dabei: Da liegen wir noch hinter Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen – hinter dem Schnitt der gesamten neuen Bundesländer. Wir liegen hinter Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. NordrheinWestfalen hat einen Wert von -0,3 % – eine Negativentwicklung – beim Bruttoinlandsprodukt. Wir haben einen Wert von -0,7 % und sind damit das abgeschlagene Schlusslicht, ohne Aussicht, dass wir das schnell verbessern können.

Was können wir dagegen tun? – Das Ziel heißt Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Verbesserung des Berliner Arbeitsmarktes. Hierzu gehört in erster Linie, Herr Wirtschaftssenator, die Verbesserung der Standortbedingungen, d. h. die Verbesserung der Voraussetzungen für Investitionsentscheidungen zugunsten Berlins. [Beifall bei der FDP]

Ermüdend sind inzwischen diese gesamten Arbeitsmarktkürzel. Ich muss gestehen, dass ich sie mir kaum merken kann. Ich weiß nicht, ob unser Fraktionsmitglied RainerMichael Lehmann das kann. Also, ich schaffe das nicht.

[Liebich (PDS): Warum reden Sie dann?]

Für mich gilt: Unternehmer – und das gilt für Kleinstbetriebe, für Mittelständler und für Großbetriebe – gehen in erster Linie dann ein Risiko ein, wenn sie auch etwas verdienen können. Sie haben nämlich eines klar im Auge: Sie möchten Gewinn machen, damit sie ihre Risiken in Grenzen halten können. Können sie das nicht, werden Sie sie auch nicht dazu bringen – über welche Kürzel auch immer –, mehr Leute einzustellen. So einfach ist das.

[Beifall bei der FDP – Liebich (PDS): Ja, einfach!]

Dazu könnte die Senkung der Gewerbesteuer von 410 auf höchstens 325 Punkte beitragen. Das ist eine seit langem erhobene Forderung der FDP. Damit wären wir beispielgebend in den deutschen Städten mit über 50 000 Einwohnern.

[Liebich (PDS): Steuern abschaffen und mehr ausgeben – ein toller Plan!]

Kleinstkredite helfen wirklich nicht. Die armen Menschen! Ich kenne einige Kleinunternehmer, die sagen: Was hilft mir der Kleinstkredit? – Er hilft mir vielleicht noch ein paar Monate weiter, aber insolvent bin ich trotzdem.

[Liebich (PDS): Sie haben keine Ahnung! Raten Sie mal, warum wir das eingeführt haben! – Weil sie es gewollt haben! – Weitere Zurufe]

[Beifall bei der FDP]

[Schruoffeneger (Grüne): Die sind noch gar nicht abge- baut! – Goetze (CDU): Keine einzige ist abgebaut!]

Senkung von Gebühren und Abgaben! Staatswirtschaft abbauen! Das ist die Devise: Wettbewerb zulassen! Ausschreibungen zur Auflösung staatlicher Monopole! Privatwirtschaftliches Engagement fördern! – Der Staat oder das Land sind mit der Kontrolle ihrer Monopole überfordert. Wir sehen das z. B. bei dem Gebührenskandal bei der BSR. Der Senat hat kein klares Koordinatensystem zur Entflechtung der Berliner Staatswirtschaft. Die FDP legt den Fahrplan vor. Mit der BSR haben wir im Januar bereits begonnen. Ziel ist ein sukzessives, losweises Ausschreiben verschiedener Leistungen der BSR – Straßenreinigung, Hausmüllentsorgung, Verwertung. Damit fördern wir Wettbewerb, und damit fördern wir Arbeitsplätze.

[Beifall bei der FDP – Brauer (PDS): Erst mal wollen Sie rausschmeißen!]

Sie trauen dem Wettbewerb nicht. Das ist das Problem. Ich komme noch darauf.

Wasserbetriebe: Investitionshemmend kann ja wohl nur wirken, wenn eine Verteuerung des Wasserpreises um 30 % vorgesehen ist.

[Bm Wolf: Machen wir ja nicht!]

Das machen Sie nicht? Da höre ich aber anderes. Sie fordern eine Konzessionsabgabe, und die Wasserwerke verweisen noch darauf, dass sie zusätzlich die Wasser

Ich sehe, ich habe nur noch 60 Sekunden. Ich möchte kurz darauf eingehen, wo die Magnete sind, die die Stadt hat. Das haben aber schon vor mir einige betont, das ist der Tourismus, das ist Kultur. Machen Sie endlich Schluss mit diesem Ladenschluss. Fangen Sie nicht an herumzudoktern und weiter untransparente Ladenschlussgesetze zu machen; heben Sie den Ladenschluss einfach auf, lassen Sie die Leute auf- und zumachen, wann sie wollen.

Pflegen Sie die Wissenschaften. Ihnen sind allein durch die Ankündigung zu Benjamin Franklin so viele namhafte und wichtige Professoren abhanden gekommen, nicht nur in der Medizin, sondern in allen möglichen anderen Bereichen auch.

Pflegen Sie die Messe. Wir haben Anfang der 90er Jahre darüber nachgedacht, ob die IAA nach Berlin kommen könnte. Inzwischen denken wir darüber nach, wie wir die AAA halten. Das ist das Problem dieser Stadt.

preise erhöhen müssen, weil sie das über Jahre nicht getan haben. Übrigens, den Vertrag für die Rendite der Privatbeteiligten an den Wasserwerken haben Ihre Vorgänger bereits eingerührt.

[Doering (PDS): Eben!]

Und da die eine feste Rendite versprochen bekommen haben, haben wir die Situation, dass die Wasserwerke sagen, wir müssen leider die Wasserpreise erhöhen. Insgesamt wird sich das in einer Größe von ca. 30 % abspielen, so ist es zu erfahren. Außerdem brauchen wir vielleicht bei den Wasserwerken mal die Überlegung, ob man nicht für Großabnehmer andere Preise liefert. Dieses Tarifsystem der Wasserwerke ist auch nicht gerade überzeugend. Letztlich ist das alles Abzocke der Bürger und eine schwere Beeinträchtigung der gewerblichen Wirtschaft.

[Beifall bei der FDP]

Die Unternehmensverbände sagen dazu:

Berlins Haushalten und Betrieben droht mit der Einführung der Konzessionsabgabe eine Erhöhung der Wasserpreise um bis zu 32 Cent pro Kubikmeter, das sind 18 %. Die Einführung der Konzessionsabgabe erfolgt aus rein fiskalischen Erwägungen und ist weder umweltpolitisch noch wirtschaftspolitisch begründet. Die Wirtschaft fordert den Senat auf, die Politik der kontinuierlichen Verteuerung der Wasserpreise der vergangenen 10 Jahre zu beenden. Allein seit 1990 sind in Berlin die Wasserpreise um 250 % gestiegen. Insbesondere sollte auch das Grundwasserentnahmeentgelt, welches 1990 mit Ressourcenüberlastung im Bereich Wasser begründet wurde, ersatzlos gestrichen werden, da seitdem die in der Stadt verbrauchten Wassermenge um ein Drittel gesunken ist.

Ich kann Ihnen das mal darstellen. Hier gibt es so eine wunderbare Übersicht über die Staatsquote beim Wasser. 76,6 Cent, das sind 30 %, haben wir inzwischen als Staatsquote beim Wasser. Man stelle sich das nur mal vor – 30 % Staatsquote! Das passiert, wenn Sie Ihre Konzessionsabgabe einführen.

Dann kommen wir mal zur BVG. Verkehrspolitik ist kein Sanktionsspielfeld gegen Autoverkehr, sondern dient der Ertüchtigung des ÖPNV, damit Leute freiwillig umsteigen. Schaffen Sie Markt, Wettbewerb; lassen Sie es zu im ÖPNV, dann werden Sie sehen, dort entstehen neue Arbeitsplätze, weil die Angebote sich verbessern. Connex ist ein gutes Beispiel dafür. In dieser Richtung muss verstärkt gearbeitet werden. Interessanterweise kauft Connex auch eigene Züge. Das ist nämlich Wirtschaftskraft, die da gesteigert wird. Aber auch S-Bahn und BVG sollten untereinander in Wettbewerb gestellt werden. Notwendige Infrastrukturmaßnahmen sollten nicht aufgeschoben oder gänzlich gestrichen werden, sondern es sollte überlegt werden, ob man sie nicht durch Private realisieren lässt. Denn eine notwendige Infrastrukturmaßnahme ist besser durch Private realisiert als gar nicht.

Außerdem sollten wir vielleicht anfangen, die Investoren zu umwerben. Es gibt da das eine oder andere Beispiel, wo Investoren in die Stadt kommen und letztlich beim Wirtschaftssenator von niederen Bediensteten bedient werden und nicht, wie es sich gehört, vom Wirtschaftssenator selbst.

[Beifall bei der FDP]

Machen Sie sich Gedanken über die EUOsterweiterung. Das ist ein großes Feld. Mit dem können Sie Punkte machen. Überlegen Sie die Zielgenauigkeit von Förderprogrammen und –

Jetzt ist Schluss!

– richten Sie die Stadt darauf aus, dass sie eine Magnetfunktion bekommt.

Jetzt zum Ende möchte ich doch noch mal auf das Wolf-Modell der neuen Planwirtschaft zurückkommen, kurz.

Bitte, Herr Kollege!

Ganz kurz, zwei Sätze. – Herr Wolf hat den Bogen geschlagen von der Ich-AG zur WirAG, wahrscheinlich dann weiterführend zur Wir-alle-AG. Das würde für uns verkürzt heißen: Mit der ehemaligen SED wieder zurück zum VEB. Nein, mit uns von der FDP geht das nicht. Wir vertrauen auf Freiheit, Markt und Wettbewerb. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden. Die Große Anfrage Drucksache 15/1289 wurde begründet, beantwor

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als im Oktober des vergangenen Jahres die Expertenkommission ihr Gutachten abgegeben hat, das allerdings im Mai schon hätte fertig sein sollen, gab es eine breite Zustimmung von allen politischen Parteien dieses Hauses. Das war ebenfalls so, als der Wissenschaftsrat Ende Januar dieses Jahres auch sein Votum abgegeben hat. Dazu muss man bemerken, dass die an verschiedenen Stellen kongruent waren, bei anderen Entscheidungen waren sie nicht kongruent. Die Aufgabe der Koalitionsfraktionen war es, in einer kurzen Zeit, da die Zeit in diesem Fall eine Rolle spielt und von Experten

kommission und Wissenschaftsrat auch angemahnt wurde, eine Lösung zu finden, die folgende Bedingungen erfüllen sollte: Es sollte eine Fakultät gebildet werden. Es sollte ein Klinikum gebildet werden, das als Gliedkörperschaften von zwei Universitäten gilt. Das ist ungewöhnlich. Es gibt in Deutschland bisher noch kein Beispiel dafür. Des Weiteren sollten in dieser Gliedkörperschaft die Universität, die Fakultät auf der einen Seite, das Krankenhaus, das Klinikum miteinander kooperieren und gemeinsam auch bei getrennten Mittelzuflüssen miteinander arbeiten können. Das hier vorliegende Gesetz versucht, genau diese Dinge miteinander zu kombinieren. Es ist ein Vorschaltgesetz, kein endgültiges, da sowohl der Wissenschaftsrat als auch die Expertenkommission festgestellt haben, das die vorliegenden Wirtschaftsdaten nicht ausreichen, um eine endgültige Entscheidung zu treffen. Aus diesem Grund hat auch dieses Haus einstimmig mit allen Fraktionen beschlossen, dass ein Gutachten erstellt wird, das die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit einbezieht. Dieses ist ausgeschrieben. Wenn es vorliegt, können wir das endgültige Gesetz beraten.

Was sind die Besonderheiten dieses Gesetzes? Im Artikel I wird geregelt, dass diese Gliedkörperschaft gebildet wird. Im Artikel II geht es darum, das BerlHG entsprechend anzupassen, damit dieses möglich ist. Im Artikel III findet dann die eigentliche Gründung statt. – Woraus besteht diese Gliedkörperschaft? Sie unterscheidet sich grundsätzlich von anderen universitären Einrichtungen. Wir haben das erste Mal einen Aufsichtsrat. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und seine Einrichtung entsprechen exakt den Empfehlungen der Expertenkommission und des Wissenschaftsrats.

tet und besprochen. Der Ältestenrat empfiehlt folgende Überweisungen: Die Anträge Drucksache 15/1414 bis 15/1416 und 15/1408 gehen an den Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen. Die Anträge Drucksache 15/1417 und 15/1423 bis 15/1425 gehen an den Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen – federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie. – Widerspruch höre ich zu diesen Vorschlägen nicht, dann verfahren wir so.

Der dringliche Antrag der Koalitionsfraktionen Drucksache 15/1448 soll an den Arbeitsausschuss überwiesen werden. Auch dazu höre ich keinen Widerspruch, dann wird so verfahren.

Ich rufe auf die