Protokoll der Sitzung vom 27.03.2003

Beschlussempfehlung Haupt Drs 15/1436 Antrag der CDU Drs 15/1236

Ich rufe nun verabredungsgemäß den Senator für Finanzen zu einem mündlichen Bericht über die aktuelle Situation der Bankgesellschaft und hier zur Veräußerung beziehungsweise Nichtveräußerung auf. – Bitte, Herr Senator Dr. Sarrazin, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Bankgesellschaft, das ist mir wohl bewusst, geht weit über das Thema einer Beteiligung des Landes, über deren Verkauf wir entscheiden oder aber nicht, hinaus. Es hat auf Grund der Abläufe in der Vergangenheit einen tief symbolischen Wert. Ich weiß wohl, dass hier berechtigte Emotionen mitschwingen, die über den Sachverhalt weit hinausgehen. Ich habe immer gesagt, seitdem ich das Amt des Finanzsenators inne habe, dass aus meiner Sicht das Land Berlin als Eigentümer der Bankgesellschaft langfristig verbrannt ist, und dass wir uns zu einem geeigneten Zeitpunkt von dem Unternehmen lösen müssen. Das Abgeordnetenhaus hat vor einem Jahr bei der Abstimmung über die Risikoabschirmung auch entschieden und den Senat beauftragt, die Bankgesellschaft zu verkaufen, allerdings zu akzeptablen Bedingungen. Ich habe im vergangenen Jahr große zeitliche und sachliche Mühe auf den Verkauf verwandt. Mein persönlicher Arbeitseinsatz allein für dieses Thema hat durchschnittlich pro Woche einen bis eineinhalb Tage betragen.

darüber hinaus gehenden isiken auf das Land.

Der verbleibende Bieter, die Bietergemeinschaft Bonderman und Flowers, hatte von Anfang an deutlich gemacht, dass sie immer nur ein Angebot mit Risikobeteiligung abgeben will. In der Endphase der Verhandlungen ging es dabei um Folgendes: Wir haben darauf bestanden, wenn wir uns dem Thema Risikobeteiligung in Bezug auf bestimmte Kreditaktiva nähern, dass in diesem Fall zumindest der eigentliche Angebotspreis ohne weitere Risiken sein muss. In dem ursprünglichen Angebot von Mitte August, 80 Seiten stark, standen dem optischen Angebotspreis von 1,7 Milliarden € eine Reihe von Bedingungen gegenüber, die – wenn man intensiv rechnete und deren Implikation nachvollzog – bedeuteten, dass der Angebotspreis schon damals negativ war. Wir haben deshalb darauf bestanden und gesagt, wir akzeptieren grundsätzlich ein Angebot mit Risikobeteiligung, wir werden es auch ernsthaft auswerten, aber wir möchten dann, dass der uns gebotene Preis, also der so genannte Headlinepreis, auf der Basis der Bankbilanz 2002 erfolgt und keine weiteren Risiken mehr beinhaltet. An irgendei

nem Punkt müssen wir auch mit dem Angebot festen Boden unter den Füßen haben.

Wir haben dann im Verlauf des Januars – das habe ich persönlich getan – in mehreren Runden mit den Bietern alle denkbaren Modelle der Risikobeteiligung intensiv diskutiert. Dabei wurde mir deutlich – das will ich hier kurz darlegen –, worin das Angebotsmodell der Bieter besteht. Es sind finanzielle Investoren. Der Bieter war bereit, einen bestimmten Preis in das Unternehmen Bankgesellschaft hinein zu geben, sei es als unmittelbarer Preis für das Land, sei es als Kapitaleinlage in das Unternehmen. Aber dieser Preis war begrenzt – 400 Millionen €. Der Bieter hat sich am Ende entschieden, mit einem optisch niedrigen Preis dies in das Unternehmen zu geben. Es war aber immer klar, dass das Risiko des Bieters auf diesen Preis begrenzt sein würde, also keine weitere Einlage. Die Risikobeteiligung selbst sah dann wir folgt aus: 80 % der Kreditrisiken bis 3,5 Milliarden € werden getragen vom Land, 20 % vom Bieter. Die Risiken über den Betrag von 3,5 Milliarden € hinaus werden also, falls sie eintreten, allein vom Land getragen. Dies bedeutete im Endergebnis, dass sich die Bank an künftigen Kreditrisiken mit maximal 700 Millionen € beteiligt hätte, nämlich 20 % von 3,5 Milliarden €, der Bieter selbst ausschließlich mit der Einlage in die Bank, 400 Millionen €, und mit dem Kaufpreis von 10 Millionen €. Der Bieter machte auch deutlich, dass es von seiner Seite aus niemals einen Kapitalnachschuss geben würde. Es standen also einander gegenüber 400 Millionen € Einsatz von Seiten des Bieters und eine umfassende Ablastung aller

Wir haben unverzüglich nach der Verabschiedung des Gesetzes über die Risikoabschirmung das Verfahren noch einmal neu aufgesetzt – als ich in das Amt kam, gab es zwei unentschiedene indikative Angebote, zwei Bieter –, und haben nochmals international ausgeschrieben. Es haben auf der Basis dieser internationalen Ausschreibung Mitte August vier Bieter Angebote eingereicht. Drei davon als indikative Angebote, einer als indikative Interessenbekundung, das war der Bereich Sparkassen. Dieses Angebot konnte dann nicht mehr weiter berücksichtigt werden, weil es nicht den Anforderungen entsprach. Von den übrigen drei Bietern haben wir dann mit zweien weiterverhandelt und gingen in die zweite Phase. In dieser zweiten Phase, in der in einem Datenraum der Bank weitergehende Informationen zur Verfügung gestellt wurden, ist ein Bieter, Lone Star, Anfang Dezember ausgeschieden. Lone Star hatte von Anfang an geplant, das kam unseren Interessen entgegen, ein Angebot abzugeben ohne Risikobeteiligung, allerdings dann auch mit der Notwendigkeit, die Aktivseite der Bank intensiv anzuschauen. Lone Star ist aus der Datenraumphase ausgestiegen,

[Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

nicht aus dem Verfahren, weil sie der Meinung waren, dass die Informationen im Datenraum der Bank nicht ausreichten, um ihnen die für ihr Angebot notwendigen Informationen zu geben. Mit dieser Einschätzung hatten sie auch Recht. Wir als Eigentümer haben uns ebenfalls die Unterlagen im Datenraum intensiv angeschaut und ausgewertet. Es ist richtig: Anhand der Datenraumunterlagen – aber so war und so ist die Datenlage – ist es nicht möglich, alle Darlehen mit hinreichenden Sicherheit zu beurteilen, was die Risiken angeht. Auch wenn man sich den einen oder anderen Ablauf innerhalb der Bank und in der Zusammenarbeit mit der Bank damals hätte besser und anders vorstellen können, war es ganz klar – für mich auch noch im Nachhinein –, dass es niemals möglich gewesen wäre, auf der Basis dieser Datenlage ein Angebot ohne Risikobeteilung abzugeben.

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Nun ist jenseits des politischen Gebots auch für mich unverzichtbare Notwendigkeit, dass wir das Unternehmen Bankgesellschaft verkaufen. Die ökonomische Ratio des Verkaufs ist aus zwei Aspekten gegeben: Erstens dass man aus einem Kaufpreis zumindest einen Teil der gewaltigen Kosten abdeckt, die dem Land bereits entstanden sind; und zweitens, dass man Risiken, die immer noch vorhanden sind und auch jetzt noch beim Land verbleiben, an den neuen Eigentümer abgeben kann. Das kann man sich notfalls auch etwas kosten lassen. Ich sage ausdrücklich: Auch ein Angebot von 1 € wäre für mich nicht von vornherein unakzeptabel gewesen, wenn es mit einer Übernahme der verbleibenden Risiken durch den neuen Bieter Hand in Hand gegangen wäre. Dies war aber nicht der Fall. Und damit war das Angebot unsymmetrisch.

[Eßer (Grüne): Das war auch nicht der Kern der Kritik!]

Ich will Ihnen sagen, was es tatsächlich bedeutet: Da wir uns an allen künftigen Kreditrisiken der Bank hätten beteiligen müssen, auch an denen, für die in der Mittelfristplanung der Bank Vorsorge getroffen ist, hätte das Angebot bedeutet, dass selbst dann, wenn sich das Unternehmen unter dem neuen Eigentümer genau so entwickelt hätte, wie im Augenblick seine Mittelfristplanung ist, wir einen sehr hohen Betrag an negativem Kaufpreis gehabt hätten. Dieser wäre noch weiter gestiegen, wenn die Bank die Erwartungen, die wir in sie setzen, nicht erfüllt hätte.

Zum Abschluss noch folgende Bemerkung: Gerade wenn man weiß, dass man die Bank verkaufen will und dass man sie aus Beihilfegründen verkaufen muss, und wenn man weiß, was der Berliner Steuerzahler schon für die Bank opfern musste und was uns das Abenteuer Bankgesellschaft in den nächsten Jahren noch kosten wird, gerade dann muss man mit diesem Gegenstand verantwortungsbewusst umgehen.

Das verantwortungsbewusste Umgehen bedeutet in dem Fall, Herr Kollege Lindner, dass man nicht einem Investor, der sich selbst nur mit einem vergleichsweise marginalen Betrag engagiert und darüber hinaus jedwede Haftung ablehnt, ein Unternehmen übergibt, wo man dann, wenn sich das Unternehmen günstig entwickelt, noch einmal sehr viel Geld geben müsste, als einen negativen Kaufpreis. Das kann nicht rational sein.

Man konnte also ausrechnen – das haben wir intensiv unter unterschiedlichen Annahmen und Entwicklungsszenarien für die Bank geprüft und berechnet –, dass unter allen nur denkbaren Alternativen das Angebot des Bieters ungünstiger für das Land war als die Ablehnung des Angebots. Damit führte an der Ablehnung kein Weg vorbei.

Ich möchte an dieser Stelle sagen: Das Land hat im letzten Jahr alle nur denkbaren Anstrengungen unternommen, den Markt breit abzufragen, alles, was an denkbaren Bietern da sein könnte, zu aktivieren, und dies war das Ergebnis. Der Test des Marktes war negativ. Die Bank ist gegenwärtig unverkäuflich.

[Dr. Lindner (FDP): Das glauben Sie doch selbst nicht!]

Die Bank wird wieder verkäuflich sein,

[Dr. Lindner (FDP): Wenn Sie weg sind!]

wenn sie in ihrem Sanierungskonzept weitergekommen ist, wenn vorhandene Risiken abgearbeitet sind und wenn sie im Jahr 2005/2006 das augenblickliche Sanierungsprogramm abgeschlossen haben wird.

Auf die unterschiedlichen Zwischenrufer sage ich: Auch Sie, wenn Sie in diesem Amte wären oder Verantwortung tragen würden – niemand von Ihnen würde ernsthaft vorschlagen, dass wir eine Bank verkaufen, indem sämtliche Risiken bei uns verbleiben, während der Käufer seine Risiken auf 400 Millionen € begrenzt,

[Beifall bei der SPD und der PDS]

weil das absolut irrational ist und wir selbst in dem Fall, wo die Bank – was der eine in diesem Saal glauben und was der andere nicht glauben mag – ihre augenblickliche Planung vollständig erfüllt, immer noch mit einem riesenhaft negativen Kaufpreis dabei wären.

[Dr. Lindner (FDP): Da gab es doch noch andere Bieter!]

Nicht einmal Sie hätten das gemacht, Herr Kollege Lindner, wenn Sie darüber nachgedacht hätten;

[Dr. Flemming (SPD): Das weiß man nicht genau!]

vielleicht der Kollege Eßer, und deshalb steht er hoffentlich auch nie hier. Das ist der Sachstand.

[Zurufe von den Grünen]

Gleichwohl gilt für den Senat: Die Bank wird verkauft werden, und zwar dann, wenn sie hinreichend ansaniert ist, und das ist der Zeitpunkt 2006.

Ich war gestern in Brüssel und habe den gegenwärtigen Stand des Beihilfeverfahrens wie auch den Stand der Verkaufsbemühungen mit Herrn Monti erörtert, zusammen mit dem Bundesfinanzministerium. Das Gespräch erbrachte, dass die Europäische Kommission unsere Entscheidung, jetzt so nicht zu verkaufen, vollumfänglich akzeptiert. Wir waren uns beide darüber einig, dass der Verkauf weiterhin auf der Tagesordnung steht und dass der optimale Zeitpunkt des Verkaufs gekommen ist, wenn das gegenwärtige Sanierungsprogramm abgeschlossen ist.

Das Angebot war stets eine extrem ungünstige Alternative, unabhängig davon, ob sich die Bank planmäßig entwickelt oder nicht.

[Gelächter des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Das wird auch im Ernst niemand vom Land verlangen.

Ich bin mit dem Verfahren gleichwohl zufrieden,

[Gelächter des Abg. Dr. Steffel (CDU)]

und zwar, weil die Frage, ob wir die Bank verkaufen oder nicht, intensiv am Markt ausgetestet wurde und damit das Thema – erstens für das Unternehmen, zweitens für das Land – im Augenblick entschieden ist. Ein neues formales Bieterverfahren muss aufgesetzt werden, wenn die Bank saniert ist. Das wird im Jahr 2005/2006 der Fall sein. Bis dahin bleibt das Land offen für alle Angebote, die von anderer Seite kommen können. Es wird aber ein neues Verfahren jetzt nicht beginnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Vielen Dank, Herr Senator Dr. Sarrazin, für diesen Bericht! – Zur Aussprache über den Bericht des Finanzsenators wird eine Redezeit von bis zu 10 Minuten pro Fraktion vorgeschlagen. Die Besprechung beginnt mit der Fraktion der CDU. Kollege Zimmer hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was wir heute dokumentiert bekommen, Herr Sarrazin, das ist eine Geschichte des Scheiterns, des Misserfolgs und vor allen Dingen eine Geschichte des vorprogrammierten Scheiterns eines Verfahrens, das Sie als Senat nicht ernsthaft betrieben haben. Und das ist das Traurige an dem Vorgang.

Es gibt eine positive Nachricht, und zwar die, dass dpa gemeldet hat: Herr Strieder verlässt den Aufsichtsrat der Bankgesellschaft.

Nun muss man sich die Frage stellen, wie es dazu kommen konnte. Ist es wirklich nur die Entwicklung der Bankgesellschaft gewesen? – Sicherlich, dass die Banken in Deutschland nicht unbedingt in einer Hochphase sind, kriegt jeder mit, der die Wirtschaftsteile der Zeitungen liest.

Das liegt auch an den Risiken, die im Übrigen – das ist ein ganz interessanter Punkt, Herr Gaebler – nun weiterhin im vollem Umfang beim Land Berlin liegen werden, und das über die 21 Milliarden € Risikoabschirmung, oder wie viel es tatsächlich sein werden, hinaus. Das muss man in aller Deutlichkeit sagen. Um diese Risiken ging es nie im Veräußerungsverfahren. Falls sich irgendjemand der Illusionen hingibt, man hätte bei einer Veräußerung der Bankgesellschaft das Land Berlin davon entlasten können: Das war gar nicht geplant. Darüber ist mit keinem Bieter verhandelt worden. Darum geht es nicht.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Lindner (FDP): Bravo! – Dr. Steffel (CDU): Ein Lichtblick!]

Wenn das das Ergebnis Ihrer Bemühungen ist, dann haben Sie wenigstens einen Teilerfolg erreicht, dass dieser Mann nicht mehr Verantwortung in dieser Bank trägt. – Aber die Begründung von Herrn Strieder ist sehr interessant. Er begründet dies damit, dass er nach dem Abschluss des Privatisierungsverfahrens seine Aufgabe als erfüllt ansehe.

[Gelächter des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Herzlichen Dank, Herr Strieder, da waren Sie offensichtlich sehr erfolgreich, wenn die Beendigung des Privatisierungsverfahrens zum einen festgestellt ist. Schön, das haben Sie auch gesagt, Herr Sarrazin, bis 2006 werden Sie da wohl nichts mehr tun. Und Herr Strieder, bei dem ich immer den Eindruck hatte, dass er die treibende Kraft dabei war, die Bankgesellschaft beim Land Berlin zu erhalten, kann einen weiteren Erfolg gutschreiben im Senat. Das liegt möglicherweise auch daran, dass der heute nicht anwesende Regierende Bürgermeister, Herr Wowereit, sich offensichtlich nicht einmal in dem Umfang engagiert hat, wie das manch andere getan haben. Sicherlich, Herr Sarrazin, ist das Ihre Aufgabe als Finanzsenator, sich darum zu kümmern, aber die Bankgesellschaft wäre Chefsache gewesen. Das es da einen substantiellen Beitrag gegeben hätte, ist mir nicht bekannt.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]