Protokoll der Sitzung vom 28.08.2003

Reden wir über diese Ausstellung. Sie wird Bilder vermitteln, auch Bilder. Und, da knüpfe ich an das an, Herr Stölzl, was Sie im „Tagesspiegel“ gesagt haben: Dürfen wir es uns in Deutschland nicht erlauben, Bilder von Tätern zu zeigen, weil sie – das war Ihre Argumentation – den Opfern nicht zuzumuten sind? – Ich habe mit meinen Kindern über die RAF gesprochen. Der Begriff sagte ihnen nichts, obwohl sie politisch sehr interessiert sind. Ich weiß, wie schwierig es für die Angehörigen der Opfer ist, den Tätern ins Gesicht zu sehen, und ich komme da auf Ihr Bild zurück. Es wäre auch vermessen, die Angehörigen der Opfer dazu einzuladen. Aber sowohl die Unkenntnis der jungen Generation wie auch – das zeigt gerade die Debatte der letzten Wochen – die nicht ausge

tragene Kontroverse um die RAF, die heute noch die Wogen hoch schlagen lässt, zwingen uns, uns offensiv dieser Geschichte zu stellen. Ich war für die Wehrmachtsausstellung genauso, wie ich für eine Ausstellung über die RAF bin.

Gerade Sie Herr Stölzl als Historiker sollten wissen, dass das Thema RAF nicht erledigt ist und dass es auf absehbare Zeit auch nicht erledigt sein wird. Ich halte eine Unterstützung des Kampfes gegen den Terrorismus und eine Auseinandersetzung mit seinem Umfeld für dringend geboten. Die RAF war eine Terrororganisation, die geraubt, erpresst und gemordet hat. Ihre Mitglieder waren Verbrecher, die sich zu Herren und Frauen über Leben und Tod aufgeschwungen haben, die meinten, das Recht zu haben zu definieren, wer leben darf und wer nicht. Ist deshalb, weil wir dieses wissen, alles über die RAF gesagt? Haben Sie Recht, Herr Stölzl, dass alles Nachfragen überflüssig ist? – Ich bin erstaunt über dieses Geschichtsverständnis. Auch wenn, wie Sie es richtig formuliert haben, der Anteil des schieren Verbrechens überwältigend war, sind die gesellschaftlichen und die historischen Zusammenhänge wichtig. Terror lässt sich nachhaltig nur bekämpfen, wenn man sich mit seinen Ursachen auseinander setzt. In der Bundesrepublik haben wir gelernt, dass Schlussstrich ziehen, schweigen, verdrängen nicht der richtige Umgang mit historischen und gesellschaftlichen Fragen ist.

schauen, ab mit dem Ding in den Papierkorb, ein überflüssiges Ereignis. Wir wollen da auch nicht nachtreten. Die Kunstwerke sollen sich da rühren, wo sie sich auskennen. Und ich finde dieses rituelle Trotzverhalten einen Skandal. Eine Überflüssigkeit nun parteipolitisch im Pingpong aufzublasen, sollte hier unterbleiben. Warum? – Weil uns eines eint: In einer solchen entsetzlichen, grässlichen Geschichte sind wir den Opfern verpflichtet und sonst gar niemand anderem. Es gibt auch die Tugend des Schweigens. Baader und Meinhof, diese ganze psychotische, schreckliche Bande, gehört dorthin, wo sie hingehört: ins Kriminalmuseum der Bundesrepublik und was davon bleibt.

[Beifall des Abg. Krestel (FDP)]

Sonst soll die Wissenschaft tun, aber nicht mit sehr viel Berliner Steuergeld, das sehr viel besseren Zwecken zugewendet werden könnte. Es ist auch Berliner Steuergeld, denn es wird aus dem Bundeshaushalt in unsere Verantwortung überwiesen. Appell an den Kultursenator, hier strenge Wissenschaftlichkeit walten zu lassen und das Unternehmen dorthin zu tun, wo es hingehört: als Sommerepisode ins Jahr 2003. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat das Wort Frau Dr. Fugmann-Heesing. – Bitte sehr!

Meine Damen und Herren! Herr Stölzl! Zunächst einmal bin ich beruhigt, dass Sie in Ihren Ausführungen hier nicht das wiederholt haben, was im Antrag der CDU steht.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Denn die Unterstellungen, die in Bezug auf die Ausstellung, deren Konzeption noch nicht einmal abschließend feststeht, in der Begründung dargestellt werden, spotten jeder Beschreibung.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Zweiter Punkt: Ich habe Sie jetzt in Ihren Ausführungen so verstanden, dass Sie zumindest nicht sagen, die Ausstellung an sich darf nicht sein. In den Ausführungen, die Sie im „Tagesspiegel“ gemacht haben, war auch das anders zu verstehen.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Hat nicht gerade auch der vorige Woche in der ARD ausgesendete Dokumentarfilm von Lutz Hachmeister, den sicher viele von uns gesehen haben, über Hanns Martin Schleyer in einem, wie es die „Frankfurter Rundschau“ formulierte, „gelungenen Dreiklang aus historischer Schärfe, Gesellschaftskritik und Achtung vor dem Leben“ einen wichtigen Beitrag geleistet?

[Goetze (CDU): Die „Frankfurter Rundschau“!]

Sie können auch die FAZ dazu lesen. Bis auf die „Welt“ und die „Welt am Sonntag“ war das Echo eindeutig. Gleich gute Dokumentarfilme wünsche ich mir zur Rolle der Stasi als Unterstützer und Schützer der Terroristen. Ich fürchte nach wie vor eine Idealisierung, einen Einzug der terroristischen Bilder und Symbole in die Popkultur. Baader statt Che Guevara im Zimmer unserer Kinder –

[Krestel (FDP): Che Guevara hat da auch schon nichts zu suchen!]

dem kann man nur mit Information und Entmythologisierung begegnen. Wir sollten darauf achten, dass auch diese Ausstellung dazu einen Beitrag leistet.

Der Anspruch, den die Ausstellungsmacher sich selbst stellen, ist hoch, und es gibt eine große Erwartungshaltung, der sie gerecht werden müssen. Sie wollen der Mythenbildung entgegenwirken, das Thema wissenschaftlich aufarbeiten und es historisch einordnen. Es geht eben weder darum, wie die CDU polemisch in ihrem Antrag formuliert, die RAF zu einer Abenteuerbande zu romantisieren, noch geht es ihnen darum, gegen die freiheitlich

Machen wir es doch einfacher! Der Hauptstadtkulturfonds hat wirklich dringende Aufgaben, die Kunst Berlins zu fördern: Opern, Sänger, Theater, Off-Theater, Literatur usw. Lassen wir ihn doch das tun, und überlassen wir das schwierige, schmerzliche Thema, das nicht verdrängt, sondern nur dort verortet wird, wo die hohe Kompetenz vorhanden ist, jener! Dafür plädiere ich. Ich habe nichts dagegen, wenn wir hier appellieren an die Vertreter des Landes Berlin im Aufsichtsrat sowohl der Deutsches Historisches Museum-GmbH als auch des Hauses der Geschichte. Berlin ist dort vertreten und kann sofort die Stimme erheben, damit man dieses Thema zur Geschichte der Bundesrepublik aufnimmt, aber dort, wo wir eine Garantie dafür haben, dass das in penibler wissenschaftlicher Objektivität gemacht wird. Es hat allen Berliner Institutionen, sowohl den Museen als auch der Topographie des Terrors als auch der Wannseevilla als auch der Stauffenberg-Straße sehr gut getan, dass sie auf ehernen, nüchternen wissenschaftlichen Gremien gelagert sind und ihre Arbeit eben nicht auf der „grünen Wiese“, per Antrag mit zusammengewürfelten Teams, ihre Arbeit tun. – Herzlichen Dank!

demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu agieren und geschichtsverfälschende Darstellungen öffentlich zu propagieren. Ich weiß nicht, was in diesem Antrag Ihnen Anlass dazu gibt, dieses den Ausstellungsmachern, den Antragstellern, zu unterstellen. Ich kann das dem Antrag nicht entnehmen.

[Zuruf von der CDU: Andere Welt, kann ich nur sagen!]

In Zusammenarbeit mit dem Historiker Wolfgang Kraushaar vom Hamburger Institut für Sozialforschung wird das endgültige Konzept erarbeitet. Dieses Konzept muss dem Anspruch genügen, der hier formuliert worden ist. Das ist doch selbstverständlich.

Aber auch eines ist klar: Die Förderung von Kunst und Kultur darf nicht Kontrolle über Kunst und Kultur bedeuten.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir werden uns im Ausschuss von Frau Goehler das Konzept erläutern lassen. Wir werden im Ausschuss auch um Beantwortung der Fragen bitten, die im Antrag der FDP formuliert sind. Ich denke, wir sollten diese Debatte in der Heftigkeit und mit der Vorstellung, das Thema verdrängen zu können, endlich beenden. – Vielen Dank!

Das Wort für eine Kurzintervention hat der Abgeordnete Dr. Stölzl. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Frau Fugmann-Heesing hat mich gefragt, was ich meine. Ich sage es ganz klar: Ich halte dieses Konzept von diesen Trägern für vollkommen überflüssig und finde, dass sie überfordert sind. Es ist bisher hier keines der in der kulturellen Gewaltenteilung an sich dafür vorgesehenen und von unserer Republik mit gewaltigen Summen erhaltenen Institute eingeschaltet, weder das Institut für Zeitgeschichte in München – ein öffentliches im Gegensatz zum Hamburger, das, wie wir wissen, einen anderen Hintergrund hat – noch das Haus der Geschichte in Bonn, das die RAF in seiner Dauerausstellung durchaus würdigt – so, wie sie eben gewürdigt werden muss –, noch das um die Ecke liegende Deutsche Historische Museum. Das ist keine Kleinkrämerei. Wenn wir uns nicht darauf verständigen, dass schwierigste Themen von denen gemacht werden, die darauf Jahre lang hinarbeiten, Kompetenz sammeln, sich vernetzen, und stattdessen sagen: Jeder stellt einen Antrag beim Hauptstadtkulturfonds, das gibt Lärm und Krach – Selbstverständlich hat es Lärm und Krach gegeben; das ist dann Kultur. –, dann halte ich das für dilettantisch. Dieser Hauptstadtkulturfonds hat seine Statuten. Darin steht, dass die junge, die revolutionäre, die unbekannte Kunst, das Bedeutende, gefördert werden soll, das sonst keine Chancen hat bei den großen Institutionen. Daran gemessen sind die Kunstwerke mit ihrem Einehalbe-Million-€-Etat eine sehr große Institution. Und bisher habe ich nicht herausfinden können, was dafür spricht, warum ausgerechnet die Kunstwerke jenseits ihrer eigenen Zweckbestimmung sich in die politische Didaktik hineinfügen wollen. Dabei muss ich deutlich sagen, das ist nachgeschoben. Erst als der Krach da war,

kamen diese Nebelkerzen, die sagen: Wir wollen nur die Jugend immunisieren gegen das Poprecyceln dieser Dinge.

[Zuruf des Abg. Krestel (FDP)]

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Frau Abgeordnete Fugmann-Heesing! Sie können erwidern. Bitte sehr! Sie haben dazu das Wort.

Herr Stölzl! Sie mögen diese Ausstellung für überflüssig halten. Das ist Ihr gutes Recht. Aber das begründet noch nicht den Antrag der CDU.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir haben einen Hauptstadtkulturfonds. Wir haben ein Organ, das die Fördermittel vergibt. Und ich habe der Debatte noch nicht entnehmen können, dass irgendwelche Rechte, irgendwelche Grundüberzeugungen verletzt worden wären. Nur das gäbe uns das Recht zu sagen: Lasst uns in diese Entscheidung eingreifen! – Wie wollen wir zukünftig Kulturförderung in dieser Stadt betreiben, wenn die einzelnen Förderentscheidungen in Frage gestellt werden, weil jemand meint: Ich halte das für überflüssig!?

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zuruf des Abg. Goetze (CDU)]

Wie soll zukünftig das Verhältnis von Kultur und Politik sein?

Ich halte es für berechtigt, die Grundsatzfrage zu stellen und sich darüber politisch auseinander zu setzen: Will man und hält man es für richtig, eine Ausstellung zum Thema RAF zu machen? – Aber dann lesen Sie bitte einmal den Antrag Ihrer eigenen Fraktion! Lesen Sie

Wir müssen vorsichtig sein, damit Kulturpolitiker sich nicht selbst zum Kulturkritiker machen. Das sind wir nicht, und das sollten wir nicht sein. Es darf uns nicht um eine künstlerische Berechtigung dieser Ausstellung oder eine Beurteilung der künstlerischen Inhalte gehen. Aber es ist unsere Verpflichtung zu gucken, ob wir nicht Rahmenbedingungen setzen müssen und ob es hier, gerade im Umgang mit der RAF und unserer jüngsten Geschichte, nicht eine besondere Verantwortung für uns gibt. Insofern ist es völlig unerlässlich – ich glaube, darin sind wir alle im Konsens –, dass die Angehörigen eingebunden werden müssen bzw. eine Ausstellung so positioniert sein muss, dass sie für die Angehörigen nicht als eine Zumutung zu verstehen ist.

Was mir als Zweites besonders wichtig erscheint, ist, dass gerade im Umgang mit der Geschichte der RAF entscheidend ist, dass wir eine Ausstellung haben, die eben nicht – wie dieser völlig falsch gewählte Arbeitstitel „Mythos RAF“ vermuten lässt – dazu beiträgt, eine RAF zu zeigen, die ein Mythos ist, eine RAF, die glorifiziert dargestellt wird als ein Club von vier jungen Leuten, ein bisschen langhaarig, damals, in den 70er Jahren, als wir auch noch alle viel, viel jünger waren, und es waren überhaupt ganz tolle Zeiten, und eigentlich war das doch alles ganz schön. – Es war nämlich überhaupt nicht schön. In der historischen Beurteilung hat Herr Stölzl recht, dass es um nichts anderes als um Terrorismus ging. Genau dort muss auch die Diskussion beginnen. Wie konnte es in Zeiten der Demokratie, in Zeiten, als es uns durchaus ganz gut ging, so schlecht waren die 70er Jahre nicht, zu einer terroristischen Bande in diesem Land mit einer nicht ganz kleinen Sympathiesantenszene – wenn wir einmal ganz ehrlich sind – kommen, die ziemlich lange gebraucht hat, um zu erkennen, dass es eben nicht mehr um eine kleine Hippie-Gruppe ging, sondern um blanken Terrorismus gegen den Staat?

einmal die Begründung dieses Antrags! Ich zitiere – gar nicht zu der inhaltlichen Frage:

Die Vergabepraxis über Beirat und Vergabekommission ist manipulationsanfällig und erscheint derzeit nicht zielführend. Zukünftig muss eine fachlich seriöse Beratung und ein effizientes Controlling gesichert werden.

Was ist damit gemeint?

[Zurufe der Abgn. Goetze (CDU) und Henkel (CDU)]

Herr Stölzl, Sie führen hier eine andere Debatte als die Debatte, die Ihre Fraktion führt. Wenn wir hier im Parlament über den Antrag einer Fraktion sprechen, spreche ich über die Begründung, die diese Fraktion dazu gegeben hat. – Darüber sollten wir uns sehr schnell verständigen können, dass dies nicht der Anspruch des Parlaments sein kann.

[Beifall bei der SPD, der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Für die FDP hat das Wort Frau Abgeordnete Meister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin den Worten von Frau Fugmann-Heesing sehr dankbar, weil sie noch einmal deutlich gemacht hat, dass wir erst einmal über den Antrag reden, der von der CDU vorliegt, über einen Antrag, der überschrieben ist: „Schluss mit der Finanzierung einer Ausstellung über die linksextremistische Terrorbande RAF“ – und der die Forderung stellt, die ausgezahlten Finanzmittel zurückzufordern, sowie nach einem ausgewogenen Kriterienkatalog und einer fachlich ausgewogenen Besetzung des Beirats.

Der Hauptstadtkulturfonds hat Kriterien, die vorliegen. Er hat ein Kuratorium, und er hat einen Beirat. Es ist jedem unbenommen, sich über diese Menschen seine persönlichen Gedanken zu machen. Aber davon auszugehen, dass alle in diesem Hauptstadtkulturfonds Beteiligten nicht fähig sind, eine fachlich ausgewogene Besetzung darzustellen, ist sehr tendenziös.

[Beifall bei der FDP]