Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

[Heiterkeit – Gaebler (SPD): Bleiben Sie beim Thema!]

Wir missbilligen das, und leider haben Sie, Herr Gaebler, mit Ihren Freunden von der PDS es für richtig befunden, unseren Missbilligungsantrag an das Ende der Tagesordnung zu setzen.

[Abg. Gaebler (SPD) meldet sich zur Geschäftsordnung.]

Herr Kollege! Erstens sind die fünf Minuten Redezeit um. Zweitens weichen Sie nun völlig von der Begründung der Aktualität ab. – Bitte!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Nein, nein! Die Aussage von Herrn Sarrazin hat große Aktualität, wie man bemerkt, wenn man in den letzten Tagen die Zeitungen gelesen hat.

[Beifall bei der CDU – Gaebler (SPD): Dann müssen Sie dieses Thema beantragen!]

Und diese Aussage ist im Zusammenhang mit der Erhöhung der Kitagebühren gemacht worden, Herr Präsident! Das ist für uns die aktuellste Sache, die wir heute besprechen wollen. Deshalb sind wir froh, Herr Gaebler, dass die SPD-Fraktion und hoffentlich auch die PDS-Fraktion das genauso sehen wie wir und wir über die explodierenden Kitagebühren und die familienfeindliche SPD-PDSSenatspolitik im Anschluss reden. – Schönen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Das Wort hat nun Herr Eßer. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

[Brauer (PDS): Jetzt müssen Sie sich Mühe geben, um das zu toppen!]

Machen wir! – Nichts könnte aktueller sein – so weit scheinen wir uns einig zu sein –, als über den grandiosen Wahlbetrug zu diskutieren, den SPD und PDS begangen haben, als sie versprachen, Kitas, Schulen und Universitäten – also der Bildungsbereich – würden nicht als Sparschwein für die Haushaltskonsolidierung benutzt.

[Niedergesäß (CDU): Recht hat er!]

[Niedergesäß (CDU): So sind die Sozis!]

Schließlich könnte nichts aktueller sein – das hatten wir eben –, als darüber zu debattieren, was einen Finanzsenator dazu berechtigt, Eltern, die gegen die Erhöhung der Kitabeiträge protestieren, als Leute zu bezeichnen, die so tun, als ob man – so Herr Sarrazin – ihre Kinder in das Konzentrationslager stecken würde.

[Beifall bei den Grünen]

Man kann diese Fragen – Erhöhung der Kitagebühren, Selbstbedienung von Herrn Bielka und Nazi-Vergleiche von Herrn Sarrazin – selbstverständlich auseinanderdividieren. Dann diskutieren wir in der Aktuellen Stunde über Kitas und Familienpolitik, in der Fragestunde hören wir eine Entschuldigung von Herrn Sarrazin – ohne Gelegenheit zur weiterführenden Diskussion –, und unter Tagesordnungspunkt 10 behandeln wir die Frage, welche Lehren aus dem Fall Bielka zu ziehen sind. So sieht es für heute das Drehbuch der Regierungskoalition vor. Das Wesentliche wird dabei aber verfehlt. Die Themen gehören zusammen, und wir sollten zusammen debattieren, was zusammen gehört.

[Beifall bei den Grünen]

Denn die alles überwölbende Frage lautet doch: Wie kann ein Senat, der den Berlinern Wasser predigt und selbst Schampus trinkt, die Menschen noch für den Mentalitätswechsel gewinnen, der zweifellos nötig ist, wenn die Stadt aus ihrer Finanzkrise herauskommen soll? Wie kann der große Fisch die vielen kleinen Fische noch vom Sparen überzeugen, wenn er selbst vom Kopf her stinkt?

[Beifall bei den Grünen]

Kann man die Bevölkerung noch für Einschränkungen gewinnen, wenn der Finanzsenator bei Protest die Protestierenden mit KZ-Vergleichen traktiert – in der Hoffnung,

Als Dringlichkeit liegt Ihnen der Antrag der Fraktion der CDU über Missbilligung des Senators für Finanzen – Drs 15/2023 – vor, den ich als Tagesordnungspunkt 25 A aufrufen werde. Eventuelle weitere Dringlichkeiten rufe ich an der entsprechenden Stelle unserer Tagesordnung auf. Eine Dringlichkeitsliste liegt Ihnen also heute nicht vor.

Ich habe Ihnen folgende Abwesenheit von Senatsmit

gliedern mitzuteilen: Senator Dr. Sarrazin wird zeitweilig abwesend sein, um bei der Finanzministerkonferenz zu sein. Zu den Tagesordnungspunkten, die ihn oder sein Haus betreffen, wird er aber anwesend sein, z. B. Frage Nr. 1 der Fragestunde, und die Große Anfrage unter TOP 12. Dies wurde im Ältestenrat so zugesagt. Gegebenenfalls müssen wir noch schieben, aber ich hoffe, es wird ohne dies abgehen.

Dann habe ich Ihnen aus der Ältestenratssitzung noch Folgendes mitzuteilen: Am Dienstag haben wir im Ältestenrat unter anderem auch die möglichen Maßnahmen im Zusammenhang mit den so genannten Rosenholz-Akten besprochen. Zur Erörterung kam auch die Auslegung des Abgeordnetenhausbeschlusses zu Beginn dieser Wahlperiode über die Einsetzung eines parlamentarischen Ehrenrates, wobei es unterschiedliche Auffassungen gab. Inzwischen wurde festgestellt, dass es hierzu zwei verschiedene Fassungen aus der Sitzung gab, wie wir auf dem schnellen Weg überhaupt erst herausgefunden haben, Frau Dr. Klotz.

die Leute durch solche Vergleiche mundtot zu machen? Welche Autorität kann ein Finanzsenator noch beanspruchen, wenn er allen gebotenen Respekt vor den tatsächlichen KZ-Opfern vermissen lässt und dieser Respekt gewissermaßen als Kollateralschaden sarrazinscher Maßlosigkeit auf der Strecke bleibt?

[Pewestorff (PDS): Haben Sie es nicht eine Nummer kleiner?]

Das sind Fragen, die uns alle, fraktionsübergreifend, bewegen, denn diese Regierungskrise – und um eine solche handelt es sich in der öffentlichen Wahrnehmung – stellt die von allen als notwendig erkannte Haushaltskonsolidierung in Frage. Den Weg aus der Finanzkrise kann die Politik nur gemeinsam mit den Bürgern und nicht gegen sie finden.

[Beifall bei den Grünen]

Wir haben das Thema extra so formuliert, dass der Regierende Bürgermeister nach vorn treten und wie weiland Gerhard Schröder sagen könnte: Okay, Leute, wir haben verstanden. – Wir haben verstanden, würde heißen: Die Kitagebühren werden nicht erhöht, Staatssekretär Bielka wird nicht Vorstandsvorsitzender der DEGEWO, und Senator Sarrazin kann sich keine weitere Entgleisung mehr leisten, wenn doch, dann fliegt er endgültig. – Das wäre ein Befreiungsschlag, aber dazu scheint Klaus Wowereit nicht die Kraft und nicht die Einsicht zu haben.

[RBm Wowereit: Nicht mal das Recht!]

Deshalb präferieren SPD und PDS eine Aktuelle Stunde, bei der sie hoffen, in eine kleinteilige Debatte über Gebühren, Schulbücher, Musikschulen und Sportförderung flüchten zu können. Wir werden ja sehen. Ich sage Ihnen voraus: Daraus wird nichts. Heute geht es um Wahlbetrug, Selbstbedienung und Publikumsbeschimpfung. Wenn Sie genug Mumm haben, sich dieser überfälligen Debatte zu stellen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und PDS, dann geben Sie wenigstens im Rahmen der Kitadebatte auf die von mir genannten Fragen eine Antwort. – Danke!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Eßer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann lasse ich über das heutige Thema der Aktuellen Stunde abstimmen. Ich lasse zuerst über den CDU-Antrag abstimmen. Wer dem CDU-Antrag – Stichwort Kitagebühren usw. – seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Ersteres war die Mehrheit der Regierungsfraktionen, der CDU und der FDP. Gibt es Enthaltungen? – Bei Enthaltung der Grünen ist das so beschlossen. Die anderen Anträge haben damit ihre Erledigung gefunden.

Ich möchte sie noch auf die Ihnen vorliegende Kon

sensliste hinweisen. Wenn es bis zum Aufruf des entsprechenden Tagesordnungspunktes keinen Widerspruch gibt, gelten die Vorschläge als angenommen.

[Wieland (Grüne): Wie kann denn so etwas passieren?]

Es soll nicht passieren, aber es passiert eben, Herr Wieland, wie das so im Leben und leider auch im Abgeordnetenhaus ist. Aber wir haben es ja mit Hilfe Ihrer Fraktionsvorsitzenden gemerkt. – Durch einen Übertragungsfehler wurde nicht nur ein Fehler in der Nummerierung der Abschnitte festgestellt, sondern auch das Fehlen eines letzten Satzes unter der Ziffer 9. Dieser lautet:

Werden nach Abschluss der Überprüfung des Ehrenrates neue Tatsachen bekannt, befasst sich hiermit der Ehrenrat.

Frau Dr. Klotz hatte sich also richtig erinnert. – Der Beschluss wurde inzwischen neu ausgefertigt. Wir werden erwägen, was daraus für den Präsidenten in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ehrenrates resultiert. Wir wollten das nur klarstellen und bedauern natürlich diesen Fehler. Ich weise darauf hin, dass die gedruckte Fassung des Fünf-Fraktionen-Antrags vom 16. Januar 2002 mit der Drucksachennummer 15/99 den korrekten Text und damit den Beschluss in der zutreffenden Form wiedergibt. – So weit diese Korrektur.

Ich rufe jetzt auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gem. § 51 der Geschäftsordnung

Präsident Momper

Danke! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Zimmer! Es handelte sich bei der Besetzung dieser Position um ein übliches Auswahlverfahren, welches zusammen mit einem bekannten Personalberatungsunternehmen durchgeführt wurde. Ich habe keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verfahren nicht nach objektiv nachvollziehbaren und üblichen Maßstäben erfolgt ist.

Zur Frage 2, welche Personen mitgewirkt haben: Die Auswahlentscheidung wurde durch den Aufsichtsrat der DEGEWO getroffen. Die Zuständigkeit ergibt sich aus der Satzung der DEGEWO. An dieser Entscheidung waren alle Mitglieder des Aufsichtsrates beteiligt, und es war ein einstimmiger Beschluss. Im Hinblick auf die gebotene Vertraulichkeit verzichte ich hier auf

Im Übrigen darf ich darauf verweisen, dass diese Fragen bereits in der sehr ausführlichen Antwort auf die Kleine Anfrage „DEGEWO III“ von Frau Oesterheld im Juli beantwortet wurden.

Herr Kollege Zimmer hat eine Nachfrage. – Bitte schön, Herr Zimmer!

Das Wort zur Mündlichen Anfrage Nr. 1 hat nunmehr Herr Abgeordneter Michael Müller, der Vorsitzende der SPD-Faktion, über

Äußerungen des Finanzsenators zur Erhöhung der Kitagebühren