Protokoll der Sitzung vom 07.11.2003

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – Es ist das Recht einer Opposition zu opponieren, es ist das Recht einer Opposition zu negieren, vielleicht meinen Sie auch das Recht zu haben, eine Showveranstaltung zu machen, es ist auch Ihr Recht, zu agitieren. Wer aber in die Regierung will, meine sehr verehrten Damen und Herrn von der Opposition, der darf nicht nur blockieren und nicht nur Nein sagen, sondern

Sie ziehen Ihre Vorschläge willkürlich und unzusammenhängend aus der Tasche – mal die Berliner Symphoniker, mal das Blindengeld –, und es ist Herrn Wowereit und Herrn Sarrazin egal, wer davon gerade betroffen ist und wie sich das alles zu einem Konzept zusammenfügt. Jetzt reicht das Quietschen aber nicht mehr, jetzt wird wahrscheinlich zum Jodeln übergegangen.

Handwerkliche Fehler und völlig unrealistische Sanierungsziele, das sind die Kennzeichen nicht nur dieser Koalition – SPD und PDS knüpfen nahtlos dort an, wo SPD und CDU aufgehört haben. Damit ist jetzt vorbei, und dafür sind wir dem Gericht auch dankbar. Die Märchen und Halbwahrheiten und die Schönfärberei sind mit dem Urteil des Verfassungsgericht beendet.

Wenn die Opposition nicht vor das Landesverfassungsgericht gezogen wäre, hätten Sie bis heute noch gar nicht die extreme Haushaltsnotlage erklärt. Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wäre bis heute nicht in Sicht.

[Liebich (PDS): Das ist doch Quatsch! – [Doering (PDS): Blödsinn! Unglaublich! – Unruhe]

Ich zitiere aus der ersten Regierungserklärung Ihres verehrten Regierenden Bürgermeisters:

Die Konsolidierung gelingt aus eigener Kraft bis zum Jahr 2006.

Das hat er dort verkündet. Es bestünde keine Haushaltsnotlage, hat uns Herr Wowereit lange Zeit versucht weiszumachen.

[RBm Wowereit: Waren Sie da zufällig mit in der Regierung?]

Ja, das ist wohl wahr, Herr Wowereit. Ich kann mich auch noch an die Auseinandersetzung erinnern. – Und er hat sich mit Händen und Füßen gegen einen Kassensturz gewehrt. Wer hören will, kann hören, Herr Gaebler, und nicht nur, was genehm ist. Darauf beriefen sich nur die Scharzmaler, unkte Frau Fugmann-Heesing in einer Rede zum Haushalt hier in diesem Haus. Deswegen begrüßen wir diese Urteil ausdrücklich. Das Urteil wird wieder ein Stück Ehrlichkeit in die Politik, in die Beratung und die Auseinandersetzung um den Haushalt zurückbringen.

Dieses Urteil ist eben gerade keine Lizenz zum Kahlschlag, wie uns hier viele weismachen wollen. Wer jetzt meint, mit dem Urteil einen haushaltspolitischen Katechismus bekommen zu haben, der alle Schweinereien rechtfertigt, der irrt und der missbraucht auch das Verfassungsgericht, Herr Wowereit, um von seinem eigenen Gestaltungsunwillen abzulenken. Das hat das Verfassungsgericht sich nicht angemaßt: Es hat das Primat der Politik weiter bestätigt und hat uns nicht in einen politiklosen Zustand versetzt. Das macht aber die FDP, wenn Sie hier zum Halali auf den öffentlichen Dienst bläst.

[Doering (PDS): Ihr Koalitionspartner!]

[Beifall bei den Grünen]

[Henkel (CDU): Muss die Verfassung achten!]

er muss Konzepte auf den Tisch packen, um die Alternativen zu benennen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Herr Lindner, wenn Sie sagen, Sie sind dazu nicht in der Lage, dann darf ich Sie daran erinnern, dass Sie einen Oppositionszuschlag für Ihre Arbeit bekommen. Wozu bekommen Sie denn viel mehr Geld als die anderen Fraktionen? – Damit Sie etwas auf den Tisch legen können!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Noch einmal zu Ihrem Dienstwagen, Herr Lindner. Also, ich gehe davon aus, dass, wenn Sie heute das Parlament verlassen, eine Kralle an Ihrem Dienstwagen ist, wenn Sie immer auf Dienstwagen anderer herumreiten.

[Dr. Lindner (FDP): Was heißt denn „herumreiten“?]

Sagen Sie doch einmal ehrlich, was Sie in diesem Haus alles verbrauchen! Das ist langsam lächerlich, was Sie hier anstellen.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Dr. Lindner (FDP): Das ist eine Unverschämtheit!]

Der parlamentarische Streit um bessere Konzepte soll und darf nicht vor Gerichten ausgetragen werden. Vor Gerichten ist das eine juristische Auseinandersetzung. Es muss im Parlament ausgetragen werden, wer die besseren Konzepte für die Republik hat und eine gute Regierung

RBm Wowereit

Es wäre allerdings nicht nötig gewesen, denn Sie wissen selbst, dass es so ist. So weit zur Frage der parlamentarischen Auseinandersetzung. Ich freue mich, dass wir uns heute inhaltlich streiten können über das, was vor uns liegt, und das ist in der Tat enorm.

Sie können – und da brauchen wir uns auch gar nicht aufzuregen, und das wird im Ernst hier niemand bestreiten, sonst hätte ich die Haushaltsdebatte auch anders verstanden – in einer Situation, in der wir gezwungen sind, 6,3 Milliarden € neue Kredite aufzunehmen, bei einem Investitionsvolumen von ungefähr 2 Milliarden € eine Differenz von 4,3 Milliarden € durch Einsparungen hier decken. Dann würde in der Tat in Berlin das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zerstört werden. Denn Sie müssen sich einmal vorstellen, was das bedeuten würde. Und das würde noch nicht einmal eine Opposition, die meint, daraus politischen Vorteil ziehen zu können, mit unterstützen können. Und insofern ist das hier keine Interpretation der Verfassung in dem Punkt, sondern in der Tat eine Notwendigkeit.

(D Darum ging es bei der Frage: Wie kann man aus dem laufenden Haushalt 4,3 Milliarden € herausstreichen. Ich habe damals erklärt – und das ist heute nach dem Urteil des Verfassungsgerichts noch richtig –: Das war nicht möglich, dann wäre diese Stadt nicht mehr die Stadt Berlin gewesen, wie wir sie nötig haben für die soziale Gerechtigkeit und den sozialen Ausgleich.

wie die Rot-Rote hat auch einen Anspruch darauf, eine gute Opposition zu haben. Zeigen Sie das endlich einmal!

[Beifall bei der SPD und der PDS – Unruhe bei der CDU und der FDP]

Herr Zimmer hat versprochen, dass noch Vorschläge kommen, da können wir noch warten. Herr Lindner, ich habe extra angefangen, mir Zettel anzulegen, als Sie anfingen, Ihr Sanierungsprogramm hier vorzutragen. Ich habe bei Punkt 6 aufgehört, weil es gar nicht mehr lohnte, die Tinte zu verbrauchen, für das, was Sie vorgetragen haben. Alles Sprechblasen, alles Hülsen, die überhaupt nicht die Seriosität beanspruchen können, die notwendig ist in der Lage, in der sich das Land Berlin befindet!

[Beifall bei der SPD – Niedergesäß (CDU): Das ist ja sehr überheblich! – Dr. Lindner (FDP): Werden Sie doch mal konkret!]

Und gegen alle Oppositionssprüche: Auf den Kern der Problemlage des Landes Berlin ist hier von Seiten der Opposition überhaupt nicht eingegangen worden, weil es nicht der Kern der Auseinandersetzung beim Verfassungsgerichtsurteil ist, dass die Begründung zur Beseitigung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht ausreichend war. Sondern der Kern, über den wir auch damals gestritten haben, war die Frage: Wie kann man 4,3 Milliarden € aus dem laufenden Haushalt herausstreichen, ohne diese Kreditobergrenzen zu verletzten. Das war doch der Kern der inhaltlichen Auseinandersetzung.

[Dr. Lindner (FDP): Ihre Unfähigkeit ist das Problem!]

Insofern ist es auch gar kein Wunder, dass sich heute durch das Urteil des Landesverfassungsgerichts viele bestätigt fühlen. Die Opposition, weil sie einen tagespolitischen Punktsieg erzielt hat. Herr Sarrazin, der als erster sagt: Es bestätigt mich. Und ich sage: Es bestätigt in der Tat die Linie des Senats. Das wird Sie nicht freuen, Frau Klotz, weil Sie etwas anderes meinen. Herr Ratzmann hat gerade die Volten vollführt, was das bedeutet. Das ist der Kern der Auseinandersetzung

Ich darf aus meiner Rede von damals zitieren, weil das offensichtlich der Grund für Ihren Misstrauensantrag ist. Erstens kann sich eine Regierung immer freuen, wenn ihr ohne Not das Vertrauen ausgesprochen wird – wie das am Montag passieren wird.

[Dr. Lindner (FDP): Das ist albern! Das nennt man wahrnehmungsgestört!]

Ihre These ist doch: Wir haben das Vertrauen in diesem Hause nicht mehr. Sie werden spätestens am Montag sehen, was wir als Regierung allerdings schon wissen, dass wir das Vertrauen der Mehrheit dieses Hauses haben. Das wird am Montag noch einmal bestätigt. Herzlichen Dank für diesen Anlass, dass das noch einmal deutlich gemacht werden kann.

[Beifall bei der SPD]

Es ist zitiert worden, was ich nach der Rede von Herrn Sarrazin gesagt habe. Sie haben aber nicht weiterzitiert. Frau Klotz hatte interveniert, und dann ging es weiter. Ich zitiere:

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Der Konsolidierungskurs des rot-roten Senats ist erfolgreich. Er ist noch nicht zu Ende.

[Gelächter des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Dem einen oder anderen war ein falscher Schwerpunkt dabei. Das ist Ihr legitimes Recht. Wenn Sie uns dafür kritisieren, liebe Freunde von der CDU, als Gralshüter des öffentlichen Dienstes, dass wir es geschafft haben, einen Solidarpakt mit Verdi in sozialer Gerechtigkeit, Verantwortlichkeit für den Erhalt von Arbeitsplätzen, zu Lasten von Einkommen, mehr Freizeit zu geben, abzuschließen, einen Solidarpakt für zukünftige Generationen zu geben, Wenn Sie das kritisieren, ist das Ihr politisches Recht. Wir sind stolz darauf, dass wir das geschafft haben.

[Starker Beifall bei der SPD und der PDS – Zuruf des Abg. Hoffmann (CDU)]

Es hat 500 Millionen € Einsparungen gebracht. Nicht weil wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst quälen wollen, sondern weil sie auch erkannt haben, dass es notwendig für die Sanierung und Finanzierung von Zukunftsaufgaben für diese Stadt ist.

RBm Wowereit

Uns kann keiner nachsagen, diese Regierung tätige leichtsinnig Ausgaben und traue sich nicht, sich mit Inter- essengruppen anzulegen, um wichtige, notwendige strukturelle Veränderungen durchzuführen.

Wir sind einen klaren Konsolidierungskurs gegangen. Der jetzige Finanzsenator befindet sich in einer guten Tradition, und zwar auch mit Herrn Kurth. Der hat das auch schon gemacht. Auch seine Arbeit sollte man nicht mies machen. Aber er wurde von seinem eigenen Regierenden Bürgermeister nicht unterstützt. Das war das Dilemma von Herrn Kurth.

Warten Sie es ab, Frau Klotz. – Es macht mich in der Tat nachdenklich, welchen Spielraum dieses Parlament und diese Regierung bei der Aufstellung des Doppelhaushalts 2004/2005 noch haben.