Die Hochschulmedizin ist damit nicht nur Motor für innovative Unternehmensgründungen in unmittelbarer Nachbarschaft der Standorte, sondern darüber hinaus auch Katalysator für die gesamte biomedizinische Region Berlin-Brandenburg.
Und er hat Recht. Allein durch die durch Sie zu verantwortende Debatte, Herr Wowereit, ist ein Rufmord an dem Uniklinikum entstanden, der dazu führt, dass Fördermittel und Professuren schon heute woandershin gehen und nicht mehr nach Berlin gelangen.
Sie haben mit ihrem unsensiblen öffentlichen Vorgehen schon heute einen unverantwortlichen Schaden für den Standort Benjamin Franklin und die Freie Universität angerichtet.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen! Selten ist eine vom Berliner Senat beschlossene Maßnahme so einhellig abgelehnt worden wie die Abwicklung des FU-Klinikums.
Die Professoren und Studenten sind dagegen, die Ärzte, Krankenpfleger und viele Hundert Mitarbeiter sind dagegen, die Existenzgründer im Umfeld sind dagegen, die Mitarbeiter in diesen Betrieben sind auch dagegen, der Wissenschaftsrat in BerlinBrandenburg ist dagegen, die überwältigende Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner ist dagegen, die Brandenburger sind dagegen, und zwar quer durch alle politischen Parteien. In der PDS gibt es bereits erste leise Absetzbewegungen, ja selbst in der Sozialdemokratie sind offensichtlich von Senator Böger bis zu Herrn Benneter bis hin zu Ihrem eigenen Fachausschuss viele dagegen.
Wenn Sie schon nicht auf den Rest der Welt hören wollen, Herr Regierender Bürgermeister, dann hören Sie doch wenigstens auf Ihre eigenen Parteigenossen. Es sollte Sie nachdenklich machen, dass die Fachleute in der SPD in ihrer Stellungnahme am 7. Januar 2002, also vor wenigen Tagen, von einer, so wörtlich, „gravierenden Fehlentscheidung“ sprechen, und das übrigens mit folgender Begründung:
Die Entscheidung beschädigt den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Berlin. Die Entscheidung bringt in den nächsten vier Jahren ohnehin keine Einsparungen. Die Entscheidung behindert nachhaltig eine Entwicklung der Freien Universität zu einem Zentrum moderner biowissenschaftlicher Grundlagenforschung und ihrer Anwendungen.
Deshalb wende ich mich sehr ernsthaft an Sie, Herr Regierender Bürgermeister. Wer seine Pläne gegen alle Widerstände durchsetzt, mag zeitlich befristete Macht haben. Weise ist aber derjenige, der seine Ziele im Auge behält und wenn nötig auch die Kraft aufbringt, Entscheidungen von gestern morgen zu korrigieren. Und ich gebe zu, dass es aus dem Blickwinkel des Oppositionsführers verlockend wäre, Ihnen dann Wankelmut und Inkonsequenz zu unterstellen. Aber ich sage Ihnen hier und jetzt für mich und meine Fraktion zu, dass wir dieser Verlockung widerstehen werden. Wenn Sie bereit sind, Herr Wowereit, diese für Berlin schädliche Entscheidung zurückzunehmen, werden wir Sie loben und nicht mit Häme begleiten.
Denn, Herr Wowereit – es freut mich, dass Sie nicken –, es ist zwar richtig, dass nicht jede vernünftige Entscheidung populär sein muss, aber Ihr Umkehrschluss ist offensichtlich falsch, dass eine Entscheidung nur dann vernünftig ist, wenn sie unpopulär ist.
Glauben Sie mir, die Entscheidung zur Schließung des Universitätsklinikums Benjamin Franklin ist weder populär noch vernünftig.
Sollten Sie dennoch auf diesem Beschluss beharren, sollte die rot-rote Koalition in Berlin auf diesem Beschluss beharren und ihn durchsetzen, dann bleibt wohl nur noch der Ausweg, dass wir uns an Bundeskanzler Schröder wenden. Bundeskanzler Schröder hat sich gerade für 720 Arbeitsplätze in Ammendorf stark gemacht. Wir erwarten dann, dass sich der Bundeskanzler auch für über 5 000 Arbeitsplätze in Berlin stark macht.
In meinen Augen, Herr Regierender Bürgermeister, würden Sie mit einer Rücknahme dieses Beschlusses keineswegs das Gesicht verlieren, sondern im Gegenteil sogar nachhaltig an Format gewinnen. Dumm ist nicht, wer Fehler macht, sondern dumm ist, wer aus Fehlern nichts lernt.
Lassen Sie mich etwas ansprechen, was mich heute sehr geärgert hat. Dem Parlamentspräsidenten wurden stellvertretend für das Berliner Abgeordnetenhaus heute Listen mit 161 000 Unterschriften gegen die Schließung des Universitätsklinikums Benjamin Franklin übergeben.
Der Beschluss der rot-roten Koalition wird nicht revidiert, und eine Expertenkommission wird es nicht geben.
Ich sage ausdrücklich, der Parlamentspräsident hat hiermit nicht für das Berliner Parlament die Meinung des gesamten Hauses wiedergegeben, wie es seine Aufgabe wäre. Er hat den parlamentarischen Beratungen vorgegriffen und sein Amt nachhaltig missbraucht.
Nach dem übereinstimmenden Urteil nationaler und internationaler Fachleute – das sind die Experten, die Sie als Berater ablehnen – nimmt heute die Berliner Hochschulmedizin in Deutschland einen absoluten Spitzenplatz ein. Sie trägt mit den zentralen, wirtschaftlich relevanten Zukunftsthemen und Zukunftstechnologien wie Genomforschung, Proteomforschung, Biotechnologie, Bioinformatik und Medizintechnik entscheidend zur Standortsicherung und zur Sicherung von Arbeitsplätzen in Berlin bei. Durch die enge Vernetzung mit anderen universitären, aber auch außeruniversitären Forschungseinrichtungen und anderen kleinen und mittelständischen Betrieben sichert sie Tausende von Arbeitsplätzen und die Wirtschaftskraft einer ganzen Region. Niemand bestreitet ernsthaft, dass auch das Universitätsklinikum Benjamin Franklin durch noch engere Kooperation mit der Charite´, durch Evaluierung, weiteren Abbau von Doppelangeboten und Reformen im Krankenhausbereich sowie weitere Anstrengungen bei der Drittmitteleinwerbung seinen Anteil zur finanziellen Entlastung des Landeshaushalts beitragen kann und wird. Aber es wäre wissenschafts-, wirtschafts- und letztendlich auch finanzpolitischer Irrsinn, eine Säule der Medizinstadt Berlin und den größten Arbeitgeber – auch das bitte ich Sie zu bedenken – im Südwesten Berlins einfach abzuwickeln.
Ich bitte Sie, Herr Wowereit: Zerstören Sie nicht, was die Amerikaner vor 44 Jahren als Hoffnung an das damals neue Krankenhaus knüpften, nämlich dass das Klinikum der Freien Universität zum „Best-teaching-center in Europe“ werden möge, eine Zukunftsvision, der wir übrigens noch nie so nahe waren wie am Beginn dieses Jahrhunderts. Damals war es der Sozialdemokrat Klaus Schütz, der das Klinikum ein Symbol der deutsch-amerika
nischen Freundschaft nannte. Sie wollen sicher, Herr Wowereit, nicht als der Sozialdemokrat in Berlins Geschichte eingehen, der dieses Symbol der deutsch-amerikanischen Freundschaft und den Wissenschaftsstandort Berlin dem Untergang preisgegeben hat. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Steffel! – Für die Fraktion der PDS hat jetzt der Abgeordnete Hoff das Wort. – Herr Hoff, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die geplante Schließung der Medizinischen Fakultät der Freien Universität und die Umwandlung des Klinikums Benjamin Franklin in ein Krankenhaus der regionalen Versorgung hat seit dem 20. Dezember, als wir das in der Öffentlichkeit präsentiert haben, dazu geführt, dass dies ein ununterbrochenes Thema in der Stadt geworden ist, und auch zu Recht, denn es ist ein sehr harter und sehr bitterer Einschnitt. Die Demonstrationen, die Hunderte Faxe, E-mails und Briefe, die wir bekommen haben, die vielen Gespräche, die wir in den vergangenen Tage und auch Wochen geführt haben, haben das deutlich gemacht. Und trotzdem glaube ich, dass eine ganze Reihe von Redebeiträgen, wie auch jetzt hier beispielsweise vom Kollegen Steffel – er war sehr exemplarisch –, zwar viele wohlfeile Argumente bedienen, aber auf die Sachlage, vor deren Hintergrund diese Entscheidung getroffen wurde, nicht wirklich eingehen. Ich will in meinem Redebeitrag die Begründung deutlich machen, warum wir diese Entscheidung getroffen haben.
Dazu ist es sinnvoll, einen kleinen Blick zurückzuwerfen, denn die Strukturprobleme in der Hochschulmedizin sind nicht nur in den vergangenen drei, vier Jahren aufgetreten, sondern sie haben eine etwas längere Geschichte. Der Kollege Steffel beschloss ja seine Redebeitrag mit der Benennung eines Klinikums in einem Teil der Stadt, aber als 1990 Ost- und Westberlin eins wurden, besaß diese Stadt drei Universitätskliniken an vier Standorten und baute gerade ein viertes Klinikum an einem fünften Standort. Die FU verfügte über das Universitätsklinikum Charlottenburg, das Universitätsklinikum Steglitz und baute gerade das Universitätsklinikum im Wedding, wodurch dann Charlottenburg überwiegend aufgegeben wurde. Die HU verfügte über die Charite´ in Mitte und zwei kleinere Kliniken in Berlin-Buch.
Diese Struktur war Produkt sowohl der Teilung als auch der unhinterfragten Finanzausstattung der beiden privilegierten Stadthälften. Mit dem viel zu rasanten Abbau der Bundessubventionen für die Stadt waren Strukturveränderungen und Abbau von Kapazitäten notwendig, die in beiden Hälften der Stadt – das muss betont werden – umgesetzt wurden. Genannt seien die Zuordnung der Kliniken in Buch zum Weddinger Universitätsklinikum, das dann Virchow-Klinikum hieß 1992, das Zahnmedizingesetz 1994, das Universitätsmedizingesetz 1995. Allein zwischen 1992 und 1996 wurden 1 385 universitäre Krankenhausbetten abgebaut. Die Zahl der Studienplätze in der Humanmedizin sollte bereits auf Grundlage des Hochschulstrukturplans 1993 und dann noch einmal auf Grundlage des Universitätsmedizingesetzes 1995 von 1 100 auf 600 und in der Zahnmedizin von rund 270 auf 120 absinken.
Und tatsächlich haben diese Strukturentscheidungen, die vielfach schmerzhaft gewesen sind, zu einer Absenkung der Ausgaben in der Hochschulmedizin beigetragen. Zwischen 1994 und 2001 wurden insgesamt 205 Millionen DM eingespart. Diese Einsparungen verdienen – und das sage ich nicht, weil ich jetzt Beifall heischen möchte, sondern weil aus meiner Sicht das gesamte Parlament hier Beifall klatschen kann – große Anerkennung und bekommen sie auch.
Meine Fraktion und ich gehören deshalb nicht zu denjenigen, die behaupten, es sei in den vergangenen Jahren nicht gespart worden und das sei die Grundlage für die Umstrukturierung, die wir in der Koalitionsvereinbarung geplant haben. Dennoch müssen wir konstatieren, dass trotz aller bisherigen Sparbemühungen weiterhin große Probleme bestehen, die ich hier stichpunktartig benennen möchte.
Die Zahl der Immatrikulationen liegt bis heute auf Grund einschlägiger Verwaltungsgerichtsurteile erheblich höher als im Universitätsmedizingesetz von 1995 festgelegt. Gleichwohl ist die Tendenz abnehmend. Im Zuge der Krankenhausplanung 1999 wurde ein Abbau um 530 universitäre Betten sowie Budgeteinsparungen von 80 Millionen Euro festgelegt. Die Krankenkassenverbände fordern seit Jahren vehemente Einsparungen bei den Krankenhauskosten. Die Einführung des neuen Fallpauschaensystems DRG wird zu einem weiteren universitären Bettenabbau mindestens im hohen dreistelligen Bereich führen. Werden diese Betten nicht abgebaut, droht ein hohes Haftungsrisiko bei den Kliniken und beim Land Berlin. In der Hochschulmedizin müssen in den kommenden Jahren die restlichen 150 Millionen Euro für die Sanierung der Charite´ aufgebracht werden. Das damals beschlossene 800-Millionen-DM-Sanierungsprogramm kann und wird nicht fristgemäß abgewickelt werden können, da die Mittel dafür nicht vorhanden sind. Die dringend notwendige Sanierung des UKBF mit Kosten von ca. 127,8 Millionen Euro ist bislang nicht ansatzweise in der Investitionsplanung festgeschrieben, was ein Problem ist; und das sehen, glaube ich, alle so. Ungesichert ist, wie mittelfristig das Niveau für Zuschüsse an alle Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen gehalten werden kann, ohne Strukturveränderungen vorzunehmen. Bereits für 2002 gibt es nach Angaben der Wissenschaftsverwaltung eine befürchtete Unterfinanzierung des Wissenschaftsetats.
Mit anderen Worten: Diese Stadt schaut seit Jahren auf eine strukturelle Unterfinanzierung der Hochschulmedizin, die durch die genannten Rahmenbedingungen verschärft werden wird. In der altbekannten „Sekt statt Selters“-Laune retten sich die politischen Akteure bislang über die Erkenntnis und die damit verbundenen Konsequenzen durch hartes Doping. Erfolgsmeldungen bei den Drittmitteleinnahmen ersetzen Konzepte für die notwendige Umstrukturierungen.