Frank Steffel
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle sind über diesen Krieg im Irak zutiefst besorgt und betroffen. Wir alle erleben traurige Tage und Stunden, und wir alle haben gehofft und vielfach gebetet, dass wir diesen Krieg nicht erleben müssen.
gesamten Bundesrepublik Deutschland. Die Polizei hat sich auf diese Demonstrationen, auch auf mögliche Aktionen gegen die Einrichtungen der kriegsführenden bzw. kriegsunterstützenden Staaten, aber auch auf mögliche Gewaltaktivitäten links- oder anderer extremistischer Kreise dadurch eingestellt, dass die Polizeiorganisation stadtweit unter eine Führung gestellt wurde. Zusätzlich wurden örtliche Abschnitte in den Direktionen gebildet. Die Direktionshundertschaften wurden so eingesetzt, dass sie jederzeit zu geschlossenen Einsätzen herangezogen werden können. Für alle Dienstbereiche haben wir Rufbereitschaft.
Die Objektschutzmaßnahmen wurden an einer Vielzahl von Objekten hochgefahren. Wir hatten nach dem 11. September 2001 bisher schon eine hohe Zahl Objektschutzmaßnahmen. Seit Kriegsbeginn wurden diese durch zusätzliche Polizeivollzugsbeamte verstärkt. Zurzeit werden in Berlin 674 Objekte durch Objektschutzmaßnahmen geschützt. Daneben haben wir an der amerikanischen Botschaft rund um die Uhr durch Polizeibeamte des Bundesgrenzschutzes Unterstützung.
Wir haben darüber hinaus effektive Eigensicherungsmaßnahmen mit den Wirtschaftsunternehmen und den Berliner Versorgungsunternehmen besprochen. Wir haben die Möglichkeit, Kontrollstellen einzurichten, und zwar in der Planung 13, die bei einer weiteren Eskalation stadtweit eingerichtet werden können. Und wir haben ein Raumschutzkonzept, das zentrale Raumschutzbereiche vorsieht.
Die Berliner Polizei hat zusätzlich Personenschutzmaßnahmen verstärkt. Sie hat Verbleibs- und Abpasskontrollen erweitert. Sie hat im Bereich der stadtweiten Aufklärung und der dezentralen Aufklärungsmaßnahmen dafür gesorgt, dass alle Quellen zur Erkenntnisgewinnung durch Polizei und Verfassungsschutz ausgeschöpft werden. Es gibt mit Polizei und Nachrichtendiensten ein Informationboard. Wir haben zum 31. Januar eine Arbeitsgruppe „Irak“ beim Landeskriminalamt eingerichtet, bei der alle im Zusammenhang mit dem Irakkrieg stehenden Informationen und Hinweise gesammelt und bewertet werden. Die Polizei führt ferner Gefährderansprachen durch, das heißt, sie spricht mit Menschen, die sie für potentielle Gefährder hält. Und es gibt eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit der Polizei.
Die von der Polizei und der Innenverwaltung vorgenommene Einschätzung der Sicherheitslage und die daraufhin getroffenen Maßnahmen haben sich bisher als haltbar erwiesen. Ich benutze die Gelegenheit, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei, des Verfassungsschutzes und meiner Verwaltung für die bisher geleistete Arbeit zu danken.
Wir alle sind in diesen Stunden mit unseren Gedanken bei dem so leidgeprüften Volk im Irak. Und wir alle hoffen auf wenig Tote bei den Soldaten der Allianz und trauern mit den Angehörigen der verstorbenen Soldaten. Wir alle hoffen, dass die Kämpfe möglichst bald beendet werden und die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung und den Soldaten auf beiden Seiten möglich gering sein wird. Und selbstverständlich sind wir alle für Frieden.
Unser Dank gilt den Sicherheitsbehörden hier in Berlin, unseren Polizistinnen und Polizisten, unseren Feuerwehrleuten und auch Ihnen, Herr Innensenator Körting.
Polizei und Feuerwehr leisten bei der Begleitung der Demonstrationen sowie dem erhöhten Personen- und Objektschutz eine hervorragende Arbeit. Und obwohl wir vieles in Ihrer Innen- und Sicherheitspolitik, insbesondere die vielfach falschen Kürzungen und die Behandlung der Auszubildenden bei der Polizei, für falsch halten, können Sie, Herr Innensenator, sich weiterhin auf die verantwortungsbewusste und konstruktive Unterstützung der CDUFraktion in diesen schwierigen Wochen verlassen.
So wichtig innere Sicherheit hier in Berlin ist, greift Ihre Rede, Herr Innensenator, zum Thema Irak insgesamt doch etwas zu kurz. Der Diktator Saddam Hussein steht für Diktatur, Unterdrückung, Menschenrechtsverletzung, Folter, Mord und Hinrichtung. Die Gesellschaft für bedrohte Völker und auch Amnesty International haben in einer aufschlussreichen Chronologie die Grausamkeiten
Der Riss durch die transatlantische Allianz hat drei der wichtigsten politischen Nachkriegsschöpfungen ins Mark getroffen. Die Europäische Union steht in einer selbst verschuldeten Krise, die NATO hat an Bedeutungslosigkeit weiter zugenommen, und die Vereinten Nationen sind auf dem Weg – wie ihr Vorgänger, der Völkerbund –, in der Versenkung zu verschwinden. All dem entgegenzusteuern ist die große Herausforderung, der wir hoffentlich gemeinsam gegenüberstehen.
Wer die europäische Einigung als Alternative zur atlantischen Partnerschaft oder gar als Gegengewicht zu den Vereinigten Staaten von Amerika versteht, wird Europa nicht einen, sondern spalten. Unsere osteuropäischen Nachbarn verstehen die europäische Einigung eben nicht nur als Wirtschaftsgemeinschaft, sondern zuerst und vor allem als Sicherheitsverbund. Wenn sie vor die Alternative Europa oder atlantische Gemeinschaft gestellt werden, werden sie sich für die atlantische Gemeinschaft und damit gegen Europa entscheiden. Deshalb darf gerade die deutsche und gerade die Berliner Politik diese Alternative atlantische Gemeinschaft oder Europa niemals zulassen.
des Diktators zusammengetragen – eine einzige Bilanz des Schreckens. Dieser Diktator hat die hässliche Fratze seiner Unmenschlichkeit erneut unter Beweis gestellt, indem er Kopfgelder auf getötete US-amerikanische und britische Soldaten ausgesetzt hat.
In der internationalen Ordnung ist es wie im Staat: Am Ende brauchen Recht und Demokratie immer auch die Macht zu ihrer Durchsetzung. Recht ohne die Fähigkeit zur Durchsetzung schafft keine Ordnung, schafft keine Gerechtigkeit, schafft keine Demokratie, schafft keine Stabilität und schafft auch keinen Frieden.
In der Nachkriegszeit, in der Ordnung des alten OstWest-Gegensatzes haben wir mit großen Schwierigkeiten, mit vielen Risiken, aber am Ende außerordentlich erfolgreich die Fähigkeit hoch entwickelt, militärische Gewalt so einzusetzen, dass die bloße Drohung ihrer Anwendung ausgereicht hat, das Ziel zu erreichen, nämlich militärische Gewalt niemals anwenden zu müssen. Das hat trotz vieler Sorgen und großer Emotionen am Ende fast perfekt funktioniert.
Ich habe großen Respekt vor den Demonstranten gegen den Krieg, aber ich verstehe auch die Frage der irakischen Opposition, warum die Friedensbewegung angesichts einer Million Toten im Irak durch den Diktator jahrelang geschwiegen hat.
Die Bundesregierung hat durch ihre unnötige vorzeitige Festlegung entscheidend dazu beigetragen, dass die internationale Drohkulisse gegen Hussein geschwächt wurde.
Dieses Verhalten hat weder den Inspektoren geholfen noch den Krieg verhindert. Der irakische Diktator hätte zu jeder Zeit den Krieg verhindern können, indem er den Forderungen der Vereinten Nationen in den vergangenen 12 Jahren nachgekommen wäre.
Bis heute hätte er die Möglichkeit, durch den Gang ins Exil den Krieg sofort zu beenden. Aber auch diese letzte Chance auf eine friedliche Lösung des Konflikts lässt er unvermindert und unverändert verstreichen. Möglicherweise wäre von all den vielen Übeln, zwischen denen am Schluss zu wählen war, das demütigende Scheitern der Vereinigten Staaten von Amerika für den Frieden in der Zukunft und für die Stabilität in der Welt ein noch größeres Risiko gewesen als der Krieg, den wir jetzt leider erleben.
Selbst wenn dieser Krieg auch mir ohne einen neuen Beschluss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ein großes Risiko zu sein scheint, könnten die langfristigen Auswirkungen bei einem demütigen Scheitern der Verei
nigten Staaten von Amerika für den Weltfrieden dramatischer gewesen sein.
Die deutsche Regierung nennt den Irakkrieg illegitim, weil er ein Präventivkrieg ist. Aber muss das Völkerrecht nicht weiterentwickelt werden, weil Terroristen ihre Kriege im Geheimen vorbereiten und nicht mehr Staaten gegeneinander Kriege führen? Das Präventivargument wurde von den USA überdehnt – keine Frage. Grundsätzlich falsch ist es trotzdem nicht. Wer an der Zukunft des Völkerrechts interessiert ist, muss Kriterien für präventive Maßnahmen aufstellen, anstatt Prävention kategorisch abzulehnen. Es mag sein, dass amerikanische Regierungen und deren Präsidenten Entscheidungen treffen, die wir nicht für richtig halten – ich glaube, dass man über die jetzt getroffene Entscheidung sehr wohl äußerst unterschiedlicher Meinung sein kann, in einer Demokratie wohl sein muss. Aber das ändert nichts daran, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eine der verlässlichsten und größten Demokratien in der Geschichte und der verlässlichste und stärkste Partner der Deutschen sind
und dass wir in unserem eigenen Interesse auch in Zukunft alternativlos – ich betone ausdrücklich: alternativlos – auf die enge und unverbrüchliche und von Vertrauen getragene Partnerschaft mit Amerika angewiesen sind und dass wir den Amerikanerinnen und Amerikanern und deren Regierungen gerade in Berlin unendlich viel verdanken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ein überragendes Interesse daran, dass sich Amerika weiter in Europa, weiter in Deutschland und auch weiter hier
CDU-Chefin Angela Merkel hat sich sehr viel deutlicher als bisher auf die Seite der USA und Großbritanniens gestellt. In der ARD nannte sie den Krieg gegen den Irak „unvermeidbar“. Wörtlich sagte Merkel: „Man hat einen Punkt erreicht, an dem der Krieg unvermeidbar geworden war. Bei einem Nichthandeln wäre der Schaden noch größer gewesen.“
Gott sei Dank gibt es auch in der CDU und der CSU Menschen, die sich von diesem Wortgehabe distanzieren. Herr Stoiber geht auf Distanz, Herr Müller aus dem Saarland ist gegen den Krieg – zu Recht! Meine Damen und Herren von der CDU! Wenn es um Krieg oder Frieden geht, sind keine Ergebenheitsadressen gefragt, Herr Henkel, sondern Ehrlichkeit und Klarheit.
Der Papst, dem Sie mit Ihrem C im Parteinamen bekanntlich näher stehen als wir, hat in einer seiner Botschaften eindeutig gesagt: Krieg ist immer eine Niederlage für die Menschheit. Und ich möchte noch hinzufügen – Herr Steffel, Sie haben vorhin demokratische Verhältnisse in der Region des Iraks angemahnt –: Demokratie lässt sich nicht herbeibomben!
bei uns in Berlin engagiert. Und eigentlich müssten die Amerikaner stolz darauf sein, was sie in Sachen Frieden, Freiheit und Demokratie in fast 60 Jahren bei ihren deutschen Schülern erreicht haben. Die einst kriegerischen Deutschen sind friedfertig geworden, bewachen und schützen den Frieden in Europa. Die einst nationalistischen Deutschen sind aus tiefer Überzeugung Mitglieder der Europäischen Union und der NATO. Unser Amerikabild ist generationsübergreifend überwiegend positiv. Von John. F. Kennedys „Ich bin ein Berliner!“ und von Ronald Reagans „Mr. Gorbachev! Tear down this wall!” sind wir geprägt. American way of life ist seit Generationen für junge Europäer und junge Deutsche eine nachahmenswerte Lebensweise. Aber trotzdem verbinden gerade wir jungen Deutschen mit Amerika eher Manhattan, Hollywood oder Woodstock als Westpoint. Wir müssen wieder lernen – Deutsche und Amerikaner, Regierungen und Bürgerinnen und Bürger beider Länder –, aufeinander zuzugehen. Als es um den Krieg ging, haben wir das bedauerlicherweise nicht geschafft. Vielleicht schaffen wir es, wenn es hoffentlich möglichst bald um den Frieden geht. Es wird schwer genug, Frieden zu schaffen, solange sich die Kriegsparteien anmaßen, im Namen Allahs oder im Namen Gottes zu handeln. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Zahlen und Fakten sind richtig genannt. Wir beklagen gemeinsam einen historischen Höchststand mit 320 000 Arbeitslosen. Das sind 20 % bzw. fast 55 000 Personen mehr als zum Amtsantritt des Regierenden Bürgermeisters. Darüber hinaus sind 60 000 Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, und rund 1 Million Berlinerinnen und Berliner – also fast ein Drittel der Bevölkerung – lebt von sozialen Transferleistungen und ist ohne staatliche Unterstützung nicht überlebensfähig.
Nicht nur diese 55 000 neuen Arbeitslosen und ihre Familien, ich glaube, die meisten Berlinerinnen und Berliner haben den Mentalitätswechsel anders erlebt, als vom Regierenden Bürgermeister angekündigt. Sie spüren einerseits, wie sich in Berlin Unsicherheit, Enttäuschung und Resignation breit macht, und andererseits die Hilflosigkeit, die Ideenlosigkeit und eine unglaubliche Passivität des Regierenden Bürgermeisters und seines Wirtschaftssenators.
Wenn man in Berlin mit Unternehmern spricht, mit Arbeitnehmervertretern spricht, dann wird immer gesagt: Der Wirtschaftssenator hört zu, und er richtet zumindest keinen Schaden an. Wenn das das Kriterium für die Auswahl eines Wirtschaftssenators ist, erweist es sich im Nachhinein doch als ein großer Fehler der SPD, dass man dieses wichtige und bedeutende Ressort in diesem Berliner Senat auf dem Altar der Koalition der PDS geopfert und heute eine Besetzung hat, die diesen Aufgaben nicht gewachsen ist.
Unsere Stadt ist eben kein rosaroter Luftballon, der von selbst wieder aufsteigt, wenn Sie nur genug Sandsäcke abgeworfen und ein bisschen heiße Luft produziert haben. Ihre Wirtschaftspolitik, Herr Wolf, im Bund mit dem Herrn Regierenden Bürgermeister ist eine einzige ABM für Arbeitsrichter und Insolvenzverwalter.
Berlins Gegenwart und Zukunft ruht – und damit komme ich zum wesentlichen Teil, weil es um Vorschläge geht – nach meiner festen Überzeugung auf den kleineren und mittleren Unternehmen hier in Berlin. 80 % der Arbeitsplätze in Berlin bestehen eben bei diesen kleineren und mittleren Unternehmen, und in diesem Bereich, in den zurzeit tagtäglich Arbeitsplätze vernichtet werden, können und müssen wir zuallererst Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen:
von der Hinterhofwerkstatt in Kreuzberg bis zum Händler in Wilmersdorf oder der Kneipe im Prenzlauer Berg.
Deshalb brauchen wir ein Soforthilfeprogramm für diese Unternehmen und ihre Arbeitnehmer, hier im Berliner Mittelstand. Diese Soforthilfe ist machbar. Es reicht nicht aus, Herr Wolf, ausschließlich Reformen der Bundesrepublik anzumahnen, auch wenn ich nicht bestreite, dass die Politik der Bundesregierung nach unserer Auffassung in der Steuer-, Abgaben-, Wirtschafts- und Sozialpolitik die wesentlichen Probleme des Landes nicht löst und auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaftspolitik keine Effekte auslöst. Ich glaube auch, Frau Klotz, dass die reine Reduzierung von Wirtschafts- und
Arbeitsmarktpolitik auf bessere Vermittlung und damit
Wir fordern darüber hinaus, dass über die Ausschreibungs- und Vergabepolitik vor allem Arbeitsplätze aus der Region berücksichtigt werden. Ich habe mich über Ihre Initiative, Herr Kollege Müller, außerordentlich gefreut. Wir fordern seit langem, beschränkte Ausschreibungen durch öffentliche Auftragsvergabe bis zur Grenze von 250 000 € zu ermöglichen. Nach dem Motto, der
Billigste ist nicht immer der Preiswerteste, fordern wir eine unterstützende Vergabepolitik, Fach- und Teillose sowie eine Beschränkung der Vergabe an Generalunternehmen. Das können Sie tun, Herr Wirtschaftssenator. Tun Sie es endlich für Berlin!
2. Retten Sie unsere kleinen und mittleren Unternehmen aus ihrer Liquiditäts- und Eigenkapitalproblematik. Das Hauptproblem, das wissen Sie alle, sofern Sie sich damit beschäftigen, gerade bei den kleinen und mittleren Unternehmen ist zunehmend mehr die dünne Kapitaldecke. So bestätigt sich bei den Masseninsolvenzen der vergangenen Monate und Jahre, dass die Unternehmen vielfach nicht mehr auf Grund ihrer schlechten Jahresergebnisse in die Insolvenz getrieben werden, sondern auf Grund fehlender Liquidität Insolvenz anmelden müssen.
Ebenfalls erleben immer mehr Unternehmer kleiner und mittlerer Betriebe, dass die Geschäftsbanken sie nach Hause schicken, auch wenn es um vergleichsweise kleine Kredite geht. Die Banken lehnen auf Grund zu geringer Margen und fehlender Sicherheiten eine Kreditvergabe ab. Das können sie bedauerlicherweise tun, denn sie sind offensichtlich betriebswirtschaftlichen und nicht volkswirtschaftlichen Kriterien verpflichtet. Das ist ein Trend, den wir für verheerend halten. Ich sage auch sehr ausdrücklich, dass sich die deutschen Großbanken immer mehr den Analysten der Wallstreet, aber nicht dem deutschen Mittelstand verpflichtet fühlen. Das ist ein Fehler, der sich langfristig nach meiner festen Überzeugung rächen wird.
marktpolitik auf bessere Vermittlung und damit auf die Frage, wie wir mit Arbeitslosen besser umgehen, das Problem zwar an der einen Stelle aufgreift, die Ursachen des Problems aber nicht beseitigt.
Aber, Herr Wirtschaftssenator, sagen Sie nicht, wir könnten nichts tun. Wir können! Wenn Sie der Meinung sind, Sie können nichts tun, dann sollten Sie Ihr Amt zur Verfügung stellen. Wir glauben sehr wohl, dass wir etwas tun können – auch in Berlin.
Schauen Sie sich einmal die Entwicklung der anderen deutschen Bundesländer an, dann werden Sie feststellen, dass die Arbeitslosenquote in den SPD-geführten Ländern über ein Drittel höher liegt als im Durchschnitt der CDUgeführten Bundesländer. Dies kann man jeder Statistik entnehmen, und die Ursachen dafür sind auch hinreichend bekannt. Wir haben deshalb ein Soforthilfeprogramm für Arbeitsplätze in unserem Mittelstand vorgelegt.
Kümmern Sie sich zuerst um die kleineren und mittleren Unternehmen hier in Berlin. Ich bin davon überzeugt, dass, wenn wir dies heute nicht tun, noch mehr dieser Unternehmen dieses Jahr nicht überleben und weitere Arbeitsplätze in Berlin damit vernichtet werden. Wir fordern Sie neben Bürokratieabbau und der Abschaffung von Gesetzen und Verordnungen für die Arbeitsplätze im Berliner Mittelstand auf, sofort drei Zielgruppen zu helfen:
1. Helfen Sie unseren Handwerkern, dem Bauhaupt- und dem Baunebengewerbe. Heben Sie endlich diese unselige, endlose Haushaltssperre auf, die den Betrieben keine Planungssicherheit ermöglicht. Wir brauchen dringend diese Investitionen. Frau Klotz hat zu Recht auf die Kofinanzierung der GA-Mittel hingewiesen. Wir brauchen dringend diese Investitionen und Beschäftigung im Handwerk, im Bauhaupt- und -nebengewerbe, vor allem in unseren kleinen und mittleren Unternehmen hier in Berlin.
Machen Sie den Kampf gegen Schwarzarbeit endlich effektiver! Dafür brauchen wir eben eine personelle Aufstockung bei den Sonderermittlungsgruppen. Wir brauchen eine bessere Ausstattung der Wirtschaftsstrafkammern. Wir brauchen eine bessere Ausstattung unserer Gerichte. Wir müssen die Kontrollmöglichkeiten durch Chipkarten auf den Baustellen, auf den Großbaustellen wie auf den kleinen Baustellen, deutlich verbessern und verschärfen.
Deshalb fordern wir die Auflage eines Liquiditäts- und Kapitalhilfeprogramms für Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten. Dabei übernimmt das Land Berlin nach einer Plausibilitätsprüfung der Marktfähigkeit des Unternehmens die Bürgschaft für bis zu 10 000 € pro neu geschaffenem Arbeitsplatz. Diese Bürgschaft versetzt den Unternehmer in die Lage, bei seiner Bank weitere Kreditlinien zu erhalten, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Der Unternehmer selbst muss diese Landesbürgschaft persönlich verbürgen.
Die Vorteile dieses Instruments liegen auf der Hand. Die Zinsen für Kredite für die Unternehmen sinken, die Kapitalbeschaffung wird erleichtert, die Abhängigkeit von Banken wird reduziert. Gleichzeitig können wir auf diese Weise Sozialleistungen verringern und Steuereinnahmen erhöhen. Das Risiko der öffentlichen Hand ist durch die persönliche Bürgschaft des Unternehmers begrenzt.
Mit diesem Programm, das Sie ganz schnell umsetzen müssen, können Sie verhindern, dass in diesem Jahr noch mehr Unternehmen sterben und noch mehr Arbeitsplätze vernichtet werden. Darüber hinaus erhöhen Sie doch bitte, Herr Wirtschaftssenator, nicht die Wasserpreise um 20 % bis 30 %, sondern senken sie in einer solchen Situation die Gewerbesteuer um 25 %.
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Wäre es aber nicht notwendig, Berlin als unser Unternehmen zu sehen und zu sagen, „Berlin macht auf“? Lassen Sie uns da aufmachen, wo besonders viel dichtgemacht wird, bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen. Wir müssen ihnen Chancen eröffnen, weil sie und ihre Mitarbeiter unsere Chance sind. Wir wollen
Berlin aufmachen und appellieren an Sie, im Interesse aller Berliner, unser Soforthilfeprogramm für Arbeitsplätze bei den kleinen und mittleren Unternehmen hier in Berlin umzusetzen! – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute insgesamt 11 Anträge zur Aufarbeitung und den Konsequenzen der Bankenaffäre vorliegen. Sechs davon stammen aus der CDU-Fraktion, fünf von der Fraktion der Grünen. Ich gebe offen zu, dass ich
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Es ist nicht nur so, dass die Politik und der Steuerzahler ein Recht auf zügige Beurteilung und möglicherweise auch Verurteilung haben, sondern auch möglicherweise die Angeklagten ein ganz menschliches Recht auf zügige juristische Behandlung ihres Sachverhalts haben.
Es laufen Menschen durch diese Stadt, denen man öffentlich kriminelle Machenschaften unterstellt und die seit zwei Jahren keine Chance haben, das Gegenteil vor irgendeinem Gericht in dieser Stadt auch zu beweisen. Auch das gehört zur zweiten Seite der Medaille. Ich sage dies in aller Sachlichkeit und völlig losgelöst von Einzelverfahren, die ich ohnehin nicht beurteilen kann.
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Auch das ist ein einmaliger Vorgang. Ich hätte mir beim Thema Verkauf gewünscht, dass der Senat von Berlin irgendwann einmal die Verpflichtung empfunden hätte, die drei Oppositionsfraktionen in aller Vertraulichkeit in eine solch bedeutendes Geschäft im Vorfeld einzubinden und nicht lediglich in den Ausschüssen irgendwann mit den Ergebnissen zu konfrontieren. Auch das war lange Jahre in Berlin anders üblich, wie mir diverse Regierende Bürgermeister der vergangenen Jahrzehnte bestätigten.
mir vor zwei Jahren, als das Thema erstmals im Parlament diskutiert wurde, nicht vorstellen konnte, dass zwei Jahre später CDU und Grüne gemeinsam Konsequenzen und Aufklärung einfordern müssen, weil offensichtlich die Sozialdemokratie jegliches Interesse an der Aufklärung und an den Konsequenzen nach dem Regierungswechsel verloren hat.
Es ist schon bemerkenswert, wie passiv die PDS – bei denen wundert mich schon gar nichts mehr – und insgesamt die Regierungsfraktionen mit diesem doch wohl vermeintlich größten, zumindest folgenreichsten Skandal der Berliner Politik und Berliner Wirtschaftsgeschichte umgehen.
Sie werden sich wundern, aber ich wundere mich unverändert, meine Damen und Herren von der PDS, dass Sie dieses Spiel der Sozialdemokratie mitmachen. Ich könnte Ihnen die Reden von 2001 und 2002 zitieren, die Ihre Vertreter hier gehalten haben.
Natürlich hat die CDU die Konsequenzen zu tragen. Natürlich ist offensichtlich den Sozialdemokraten das gelungen, was ihnen wichtig war. Sie haben die CDU aus dem Senat, aus dem Amt des Regierenden Bürgermeisters entfernt und die Schuld allein bei der CDU abgeladen. Diese Legendenbildung lassen wir nicht zu!
Wir lassen es auch nicht zu, dass die bis heute einzige Organisation im Land Berlin, die sich für Ihren Teil an der Affäre, am Skandal, entschuldigt hat, die CDUFraktion des Abgeordnetenhauses ist. Wir haben uns hier bei den Berlinern entschuldigt, während Aufsichtsräte, Vorstände und viele andere Beteiligte, Senatoren und andere offensichtlich nicht einmal ein Wort des Bedauerns finden.
Wir reden heute aber nicht intensiv zur Sache, sondern sprechen in aller Kürze beginnend für die Ausschussberatung, wohin die Anträge überwiesen werden sollen. Ich möchte deshalb einige kurze Anmerkungen machen. Dabei werde ich mich nicht zum Verkauf äußern, Herr Finanzsenator, bei dem sich der Eindruck aufdrängt, dass durch falsche Vorgaben, durch schlechte Verhandlungsführung, durch völlige Passivität des Regierenden Bürgermeisters und des Wirtschaftssenators sowie durch Uneinigkeit zwischen Herrn Strieder und Herrn Sarrazin offenkundig der Verkauf mit allen Konsequenzen, die auch das wieder für die Stadt und den Steuerzahler haben wird, scheitern wird.
Ich äußere mich auch nicht zur Justizsenatorin, die außer großen Ankündigungen, welche großartige Leistungen die Staatsanwälte nun bereits vollbracht hätten, und permanenten Mitteilungen, dass in wenigen Tagen endgültig mit Anklageerhebung zu rechnen sei, seit 1 ½ Jahren auch nichts Positives zu vermelden hat.
Ich äußere mich vielmehr zu den heute vorliegenden Anträgen. Diese Anträge haben keinen vorverurteilenden Charakter, sondern haben vor allen Dingen eine rechtsbefriedende und damit klarstellende Funktion. Ich bin den Grünen – Herr Wieland, ich vermute, dass dies von Ihnen kommt – außerordentlich dankbar auch für den 5. Antrag mit dem Engpass bei den Wirtschafts- und Strafkammern, den Sie heute noch nachgereicht haben.
Ich möchte zu zwei Dingen, die mich maßlos ärgern, etwas sagen. – Herr Strieder, es ist nicht verwunderlich, dass ausgerechnet Sie bei diesem Thema dazwischenrufen; Sie kennen gar keine Scham! Sie haben wirklich keine Scham. Sie sitzen in den Aufsichtsräten, haben alles mitgemacht, stellen sich heute hin und machen schlaue Zwischenrufe! Wo ist denn Ihr Beitrag zur Aufklärung, Herr SPD-Landesvorsitzender? Wo ist denn Ihre Entschuldigung bei den Berlinern?
Mich ärgert maßlos, dass ich bis heute überhaupt nicht erkennen kann, dass die Bank einen ernsthaften Versuch unternommen hat, den Schaden aus einem Teil der Fondsgeschäfte – es gibt sehr unterschiedliche, das weiß ich –, denen ohne Risiko und mit garantierter Verzinsung, zu reduzieren. Ich kenne viele Fondszeichner
und habe heute noch mit einigen gesprochen. Ich habe nie ein Angebot bekommen und keinen Fonds gezeichnet. Ich
Im Antrag I wird gefordert, dass sich die möglichen Erwerber der Bank verpflichten, weiterhin zur Aufklärung der Berliner Bankenskandals beizutragen. Das ist im Prinzip richtig. Aber das reicht uns nicht aus. Sie wollen doch jetzt Aufklärung! Manchmal habe ich den Eindruck, Herr Dr. Steffel, dass bei den Verantwortlichen der Bankgesellschaft die Meinung vorherrscht, dass es für die Erholung des Konzerns besser wäre, man redete in der Öffentlichkeit nicht darüber. Das kann allerdings nicht die Auffassung des Parlaments sein.
Die Anträge der CDU-Fraktion sind in der Presse gelobt worden. Man hat das Gefühl, der notwendige Mentalitätswechsel sei eingetreten, aber das gilt leider nur auf den ersten Blick. Denn in der Realität hat die CDUFraktion nicht die Initiative ergriffen, um etwas voranzubringen, sondern hat das, was im Unterausschuss „Vermögen“ des Hauptausschusses oder im Untersuchungsausschuss längst beschlossen oder verabredet ist, in eine allgemeingültige Form von Anträgen gesetzt. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses haben neulich im Lauf der Pressekonferenz etwas locker gesagt, dass sie sich alle nicht vorstellen können, dass Herr Zimmer die Anträge formuliert hat!
Durch die vorgesehene Überweisung in den Hauptausschuss wird Gelegenheit gegeben sein, die Spreu vom Weizen zu trennen und jene Teile der Anträge, die neu sind, herauszuarbeiten und jene, die bereits Beschlusslage des Hauses sind, als das zu behandeln, was sie sind, nämlich: erledigt.
kenne nicht diejenigen, die Sie meinen, sondern ganz normale Bürger, die mir sagen, dass sie den Fonds nicht gezeichnet hätten, wenn sie gewusst hätten, worum es sich handelt, und ihn sofort zurückgeben und auf die Zinsen verzichten würden. Es gibt viele anständige Menschen unter den Fondszeichnern, zu denen Sie offensichtlich nicht gehörten, Herr Strieder. Dass Sie nun selbst bei diesem Thema dazwischenrufen, ist der Gipfel!
Wohin haben Sie eigentlich Ihren Fonds verkauft? Klären Sie uns doch einmal auf! Wer hat denn Ihren privaten Fonds?
Das zweite Thema sind die Villen. Ich habe kein Verständnis dafür, dass wir zwar über alle möglichen Dinge reden, aber nicht handeln. Ich sage ohne Ansehen von Personen, dass ich es für eine Riesensauerei halte, wenn Menschen für Millionenbeträge Villen saniert oder renoviert bekommen haben und irgendein Vorstand ernsthaft versucht, dies zu begründen, und ein Aufsichtsrat es schützen will. Hier muss der Schadensersatz des Landes geltend gemacht werden. So geht es doch nicht!
Ich komme zum dritten Punkt. Es handelt sich um ein Thema, das mich nicht nur bei der Bank beschäftigt. Wir müssen sicherstellen, dass in Zukunft Transparenz auch in Tochtergesellschaften – das ist unser letzter Antrag – hergestellt wird. Es kann nicht sein, dass ein Vorstand die Probleme in eine eigene GmbH packt und im Aufsichtsrat dieser Problem-GmbH nur noch die Vorstände der Muttergesellschaft sitzen und keine Kontrolle durch die Aufsichtsräte, die Vertreter des Landes in der Regel, in solchen Landesbeteiligungen mehr stattfindet. Das ist ein strukturelles Problem, bei dem ich mich wundere, dass man 1 ½ Jahre in diversen Gesellschaften solche Praktiken akzeptiert. Herr Finanzsenator, statt rigoros zu sagen, dass aus den Fehlern gelernt und aufgeklärt werden soll und dass die nebulösen Verdächtigungen beendet werden sollen, sollte dafür gesorgt werden, den Menschen wenigstens das Gefühl zu vermitteln, wenn schon vieles andere nicht mehr korrigierbar ist, dass die Berliner Politik parteiübergreifend die Konsequenzen aus diesen empörenden Vorgängen gezogen hat. Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es tritt bei dieser Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus ein Stück weit das ein, was ich befürchtet habe,
und ich glaube, dass wir damit der Erwartungshaltung der Menschen, die uns zuhören, nur bedingt entsprechen. Denn die Menschen treiben zwei Sorgen um, nämlich zum einen die Sorge um den Frieden, um mögliche Tote und Elend und auch um viele amerikanische, britische und andere Soldaten, die möglicherweise im Irakkrieg zu Tode kommen könnten. Ich kann sehr persönlich sagen – und ich glaube, auch für die CDU-Fraktion: Wir haben außerordentlich großen Respekt vor den Menschen, die am Wochenende ihrem Friedenswunsch Ausdruck verliehen und in Berlin demonstriert haben.
Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass diese Demonstration entgegen anderen Erwartungen sehr friedlich verlaufen ist und sich z. B. die antiamerikanischen Plakate außerordentlich in Grenzen gehalten haben, wie es – hier besteht hoffentlich Konsens zwischen uns – der Respekt gegenüber beispielsweise dem Staat Israel oder der Bevölkerung, aber auch dem Präsidenten der Vereinigten Staaten verlangt.
Und ich sage zum Zweiten: Wir haben auch Menschen in der Stadt, die große Sorge haben, dass das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika – und das hat nichts mit Präsidenten zu tun; Präsidenten haben eine Amtszeit, und dann kommen neue Präsidenten, es sind solche und solche, gute und schlechte, erfolgreiche und weniger erfolgreiche, wie in Deutschland und wie in allen anderen Ländern auch – bleibenden Schaden nimmt. Das ist die Sorge, die viele Menschen umtreibt. Ich sage sehr deutlich, dass die Menschen, die am Wochenende demonstriert haben, wissen müssen, dass es diese Demonstrationen in Berlin niemals hätte geben können, wenn nicht 50 Jahre amerikanische Soldaten und amerikanische Präsidenten auch für die Demonstrationsfreiheit in Berlin eingetreten wären.
Ich glaube, dass nur der Druck auf Hussein und der gesamte Druck der freien Welt auf Hussein von UNO und allen beteiligten Ländern wirklich die Chance gibt, Krieg zu verhindern. Mir macht Sorgen, dass das deutschamerikanische Verhältnis nach meiner Einschätzung auf lange Sicht großen Schaden genommen hat und dass die Grundlage unserer eigenen Sicherheit, nämlich die atlantische Partnerschaft, aber auch das geschlossene und entschlossene Vorgehen der Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaft Schaden genommen hat.
Ich sage auch: Dass wir 50 Jahre lang in Deutschland – und meine Generation betrifft das allumfassend – in gesichertem Frieden leben konnten, verdanken wir mehr der amerikanischen Verlässlichkeit als den Reden von irgendwelchen Friedensbewegungen. Auch das gehört zur historischen Wahrheit.
Ich zitiere die „Süddeutsche Zeitung“ der vergangenen Woche, die wohl unverdächtig ist, hier CDU-Positionen oder amerikanische Positionen kritiklos zu übernehmen.
Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb:
Deutschland ist in einer Sackgasse angekommen und hat – anders als Frankreich oder Russland –
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach Ihrer letzten und bisher einzigen Regierungserklärung, Herr Wowereit, schrieb und kommentierte die „Berliner Zeitung“ – ich zitiere:
Die gutgelaunte Schläfrigkeit von Wowereit wirkt, als habe ein ermatteter Technokrat in der Mittagspause mit seinem Gummibaum beim Entstauben ein Schwätzchen gehalten. Wowereit sprach so lustlos, als könne er seine eigenen Worte schon nicht mehr hören. So lustlos hat selten eine Regierung begonnen.
Herr Wowereit, nach meiner Einschätzung hat sich an Ihnen und Ihrer Politik wenig geändert. Ich vermute, dass auch morgen, nach Ihrer zweiten Regierungserklärung, die Kommentare weitestgehend ähnlich sein werden.
Vor einem Jahr haben Sie vollmundig angekündigt, Sie wollten jetzt endlich nach langen Jahren Betroffene zu Beteiligten machen. Heute hat man den Eindruck, dass die meisten Beteiligten nur noch betroffen sind.
Von den Kulturschaffenden, von den Wissenschaftlern, Lehrern, Eltern und Schülern bis zu den Mittelständlern, Handwerkern, Polizeibeamten, Krankenschwestern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz ist man über Ihre Kaltschnäuzigkeit empört und empfindet Ihre Ankündigung, Betroffene zu Beteiligten zu machen, meist nur noch als zynisch. Und auch Ihre Rede war eine einzige Anklage gegen die rot-grüne Bundesregierung. Alle sind von den negativen Folgen Ihrer falschen Politik betroffen. Niemand fühlt sich in Berlin beteiligt. An welchen Stellen, meine Damen und Herren von der PDS, insbesondere Ihre beiden ersten Reihen heute bei dieser Rede applaudiert haben, das wird Ihre Basis und Ihre Wähler in den nächsten Monaten und Jahren noch ausführlich beschäftigen. Da bin ich sehr sicher.
Man stellt sich doch die Frage, warum Sie nach einjähriger Provokation – der Finanzsenator hat Sie meistens noch übertroffen; man könnte sagen: Beschimpfung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes – erst heute die Regierungserklärung abgeben, nämlich zu einem Zeitpunkt, wo nicht nur viel Porzellan zerschlagen ist, sondern wo man den Eindruck hat, das meiste ist nicht mehr kittbar und liegt schon auf dem Boden.
Ich sage sehr deutlich – und da sind wir uns sicherlich alle einig: Sparen tut Not!
Das ist unstreitig. Die Menschen wissen um die Notwendigkeit des sparsamen Wirtschaftens, und sie wissen vor allem um den schnellen Wandel der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse. Sie wissen um die Veränderungen der Arbeitswelt und um die Veränderung ihrer persönlichen Erwerbsbiographien durch Globalisierung und die Revolution der Informations- und Kommunikationssysteme. Deshalb sind die Menschen in Berlin und insgesamt in Deutschland aber auch wie niemals zuvor zu Veränderungen bereit.
Aber Sie brauchen Halt und Richtung, Herr Liebich,
denn Wandel schafft auch Verunsicherung. Wer in Panik gerät – das lehren doch die letzten Monate –, klammert sich fest. Deshalb sind Verlässlichkeit und Vertrauen die Grundlage und Voraussetzung für Reformen und dringend notwendige Innovationen gerade auch im öffentlichen Bereich.
Wortbruch und Substanzlosigkeit zerstören die dringend notwendige Reformbereitschaft, und sie zerstören auch die Integrationsfähigkeit von uns allen in der Gesellschaft. Deshalb brauchen die Politik – und das fehlt diesem Senat – und auch die Gesellschaft Maß und Mitte,
die Perspektive!
Haben Sie nicht immer mit den roten Fahnen vor den Werkstoren gestanden und dem im Wettbewerb stehenden Unternehmen, das ist doch der große Unterschied zum öffentlichen Dienst, vorgeworfen, dass es endlich die 30- und 35-Stundenwoche einzuführen hätte, weil das der einzig sozialverträgliche Weg wäre? Und wie erklären Sie dann diesen Menschen, dass Sie heute mit einem Federstrich die Arbeitszeit auf 42 Stunden verlängern und vorher mit den Betroffenen überhaupt nicht reden, geschweige denn zu einem gemeinsamen Abschluss mit den Gewerkschaften oder Personalräten kommen? – Und glauben Sie wirklich – ich sage auch das in Richtung PDS, mich beschäftigt übrigens das, was ich jetzt sage, sehr nachdrücklich, weil es auf Jahrzehnte fast nicht mehr zu korrigieren ist –, dass der Austritt aus dem Arbeitgeberverband und die Kündigung der deutschlandweit geltenden Tarifverträge wirklich dazu führt, dass die Schere zwischen Nord und Süd, aber insbesondere zwischen Ost und West geringer wird? Das Gegenteil wird der Fall sein! Für die Kaufkraft, für die Familien, für die Rente, für alles, was dazugehört: Wir werden das Elend in den neuen Ländern und in Berlin haben und die Stärke im Süden der Republik, die sich die besten Beamten suchen und uns die hier lassen, die für 70, 80 oder 90 % gerade noch in Berlin arbeiten wollen, damit sie irgendwo überleben können. Das ist
Freiheit und Verantwortung, Vielfalt und Ausgleich. Dazu müssen wir die Kräfte der Menschen nutzen, ihre Leistungsbereitschaft abrufen, ihren Fleiß, ihre Hingabe und ihre Tüchtigkeit nutzen, ihre Verantwortlichkeit und Zuwendung zum Nächsten genauso wie ihre Phantasie, ihre Kreativität, ihre Hilfsbereitschaft und die – Gott sei Dank! – immer stärker zunehmende Flexibilität. Das Potential, Herr Regierender Bürgermeister, ist vorhanden, und wenn wir uns über Werte und Ziele verständigen könnten, könnten wir es auch nutzen. Sie aber spalten und verunsichern die Stadt, Sie verunsichern die Menschen, und das Ergebnis ist Stillstand, Resignation statt des dringend notwendigen Mutes zur Zukunft gerade hier in Berlin.
Natürlich müssen wir im öffentlichen Dienst sparen. Natürlich können wir darüber streiten, ob ein differenzierterer Tarifabschluss, der Geringverdiener, Pflegekräfte, Krankenschwestern, geringverdienende Polizeibeamte eben anders behandelt als höheren Dienst in der Verwaltung, nicht besser gewesen wäre – besser gewesen wäre für Berlin und für Deutschland. Und natürlich – – Übrigens, Sie als Senat können ja nun wirklich froh sein, dass in Deutschland der öffentliche Dienst nicht nach Leistung bezahlt wird. Stellen Sie sich das mal vor, Herr Regierender Bürgermeister, der öffentliche Dienst, Ihr Senat, würde nach Leistung bezahlt werden. Die meisten von Ihnen müssten Sozialhilfe beantragen.
Aber natürlich sind wir uns absolut einig darin, dass sich die Gewerkschaften in Deutschland bewegen müssen. Wer nimmt denn in jedem Wahlkampf die Gewerkschaften als Wahlkampflokomotive, als Unterstützung ziemlich schamlos und dem Gedanken der Einheitsgewerkschaft widersprechend in Kauf? Das sind doch Sie von der SPD und keine andere Partei hier im Parlament!
Und natürlich muss man den Gewerkschaften und ihren Funktionären sagen, dass sie aufpassen müssen, nicht nur die Interessen zu vertreten von Menschen, die in Beschäftigung sind, sondern auch Interessen zu vertreten von Menschen, die Beschäftigung suchen, insbesondere von jungen Menschen, die Beschäftigung suchen. Aber deswegen, Herr Wowereit, muss man sie doch nicht so bewusst provozieren und jede Gesprächsatmosphäre so zielgerichtet zerstören, wie Sie das über 12 Monate getan haben.
Haben wir denn nicht in den 90er Jahren, übrigens Christdemokraten und Sozialdemokraten gemeinsam, 70 000 Stellen sozialverträglich, ohne betriebsbedingte Kündigungen, ohne permanente Drohungen in Berlin abgebaut? Und halten Sie es wirklich für richtig, Herr Böger, ältere Lehrer bis zu 4 Stunden länger arbeiten zu lassen und auf die Neueinstellung von 1 400, ich wieder
hole: 1 400, jungen Lehrerinnen und Lehrern hier in Berlin zu verzichten? Das ist doch genau der falsche Weg in der Bildungspolitik. Und halten Sie es denn wirklich für richtig im Senat, Herr Körting, nur an die zu denken, die Arbeit haben, und nicht an die jungen Lehrer, an die jungen Krankenschwestern, an unsere Polizei-Azubis, die in Berlin bei uns Arbeit suchen und gern weiter in Berlin leben und arbeiten möchten?
Und glauben Sie nicht, Herr Regierender Bürgermeister, dass man einen Sparkurs, und sei es nur symbolisch, als Regierungschef auch vorleben muss, um wirklich glaubhaft Solidarität einfordern zu können? Und ist es wirklich Ihr Ernst, wie ich Ihrer Rede entnommen und heute gelesen habe, morgen nicht an den Verhandlungen mit der Spitze der Gewerkschaften teilzunehmen? – Das muss man sich wirklich mal überlegen! Der Bundesvorsitzende von Verdi kommt zu Verhandlungen nach Berlin. Es könnte entschieden werden. Wir könnten am Montag alle gemeinsam feststellen, dass auch in Berlin die öffentlichen Bediensteten eine klare Perspektive für die nächsten Jahre haben. Und was tut der Regierende Bürgermeister? Er nimmt an den Gesprächen gar nicht erst teil, womit eine Entscheidung ja wohl unmittelbar nicht stattfinden kann, weil die Vertreter des Senats dann sagen werden: Nun müssen wir erst mal gemeinsam, wahrscheinlich mit Parteien und Fraktionen, in irgendwelchen Runden, die sie permanent tagen lassen, ohne Ergebnisse, zusammensitzen, statt nun wirklich in den nächsten Stunden zu einem Ergebnis zu kommen. Herr Regierender Bürgermeister, die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben Anspruch darauf, dass Sie morgen als oberster
)
Oder sind wir nicht gemeinsam der Meinung, dass wir erst mal die Voraussetzungen für einen drastischen Abbau des öffentlichen Dienstes hätten schaffen müssen, näm
lich die Modernisierung der Verwaltung anpacken, Bürokratieabbau endlich ernst nehmen und nicht nur ankündigen, Herr Innensenator, die wirkliche Befristung und Abschaffung von Gesetzen hier im Parlament vereinbaren, dass wir endlich wirklich dereguliert hätten, dass wir endlich die Verwaltungsreform umsetzen, dass wir die Vorschläge der Scholz-Kommission umsetzen? Das ist die Grundlage dafür, dass wir weiterhin quantitativ im öffentlichen Dienst sparen können, und nicht Drohungen und Ankündigungen, wie sie hier heute wieder vom Regierenden Bürgermeister ausgesprochen wurden.
Und glauben Sie wirklich, dass ein weiteres öffentliches Arbeitsamt, Sie nennen das dann Stellenpool, außer Personalkosten in Höhe von 5 Millionen € irgendeinem öffentlich Bediensteten etwas bringt?
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Wir brauchen weniger Staat und weniger Bürokratie und mehr Dynamik. Und das gilt für die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, übrigens vom Niedriglohnsektor, den Sie zerstört haben, bis zu den Existenzgründern, über die ich kein Wort höre von Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, übrigens seit 18 Monaten. Sie scheinen den Begriff überhaupt nicht zu kennen, sondern Sie kennen sich nur im öffentlichen Dienst aus, wo Sie auch her kommen, wo Sie Ihr Leben verbracht haben. Aber Sie wissen gar nicht, was in dieser Stadt wirklich nötig ist, damit wir wirtschaftliche Dynamik und Arbeitsplätze kriegen. Das ist die Grundlage für Berlin!
Dienstherr an diesen Gesprächen teilnehmen und sich nicht um Ihre Verantwortung drücken!
Und ich sage Ihnen noch eins, und ich weiß, was gleich für Reden gegen die CDU, die nun auf einmal ganz reaktionär die Interessen der öffentlich Bediensteten vertritt, gehalten werden. Ich weiß das. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Der Applaus für Ihr Rumprügeln auf dem öffentlichen Dienst, der mag Ihnen kurzfristige Erfolge, vielleicht auch gerade in bürgerlichen Kreisen, verschaffen. Aber unser Verständnis, das Verständnis der christlichdemokratischen Union, von einer solidarischen, gerechten und miteinander verlässlich und vertrauensvoll umgehenden Gesellschaft ist ein anderes. Und das wird sich langfristig auszahlen. Das sage ich Ihnen heute bereits voraus.
Und, Herr Regierender Bürgermeister, können Sie sich wirklich vorstellen, dass irgendein großes Unternehmen, im Mittelstand ist das eh Gott sei Dank alles ganz anders – ja, dort gibt es wirklich Gemeinschaft zwischen Arbeitnehmer und Unternehmen, das ist eine Selbstverständlichkeit in den kleinen und mittleren Unternehmen.
Dass Sie von der PDS davon nichts verstehen, ist mir klar. Aber fragen Sie doch mal die Handwerker, fragen Sie doch mal die Mittelständler, fragen Sie doch mal die Dienstleister: Da wird miteinander zum Wohle des Unternehmens gearbeitet.
Ja, ja, Sie kennen die Kombinate. – Können Sie sich wirklich vorstellen, dass in irgendeinem Kombinat, in irgendeinem großen Konzern in Deutschland, so bewusst und nachhaltig der Betriebsfrieden zerstört wird, wie dieser Senat das in anderthalb Jahren unter der Verantwortung von Herrn Wowereit in Berlin getan hat? Ich habe das für unvorstellbar gehalten, was Sie hier in anderthalb Jahren angerichtet haben.
Und glauben Sie wirklich, dass sich Ihre Mitarbeiter noch mit vollem Engagement und größter Motivation für Vorgesetzte wie Sarrazin und Körting engagieren und einsetzen? Ich glaube das nicht. Ich halte das für unvorstellbar. Wer so einen Chef hat, der braucht eigentlich gar keinen Arbeitsplatz mehr. Dass da Arbeit keinen Spaß mehr macht, dass es da keine Motivation mehr im öffentlichen Dienst gibt, das ist völlig normal, und jedes andere Unternehmen im Wettbewerb wäre lange pleite, wenn es so eine Unternehmensleitung hätte wie dieser Senat.
Und ich habe, und die meisten Berlinerinnen und Berliner wahrscheinlich auch, Verständnis dafür, dass Sie nach einem Jahr Rot-Rot, was übrigens normal wäre, sich hier nicht hinstellen und unter der Überschrift „Neue Arbeitsplätze und Wirtschaftwachstum für Berlin – 1 Jahr Rot-Rot, eine Bilanz des Erfolges“ hier vor uns treten. Denn dieser rot-rote Senat hat ein Jahr keine Erfolge vorzuweisen. Dieser rot-rote Senat hat im Jahr 2002 in Berlin ein verlorenes Jahr produziert, und er hat in Berlin keine Perspektive und keine Ideen am Beginn seiner Amtszeit entwickelt. Das Einzige, Herr Wowereit, und das ist in der Tat bleibend, was den Berlinern in Erinnerung bleibt, ist Ihr Foto mit Champagner und Damenpumps
und der Verfassungsbruch des Regierenden Bürgermeisters als amtierender Bundesratspräsident, der wirklich ein einmaliger Vorgang in 50 Jahren Bundesrepublik Deutschland ist.
Aber, Herr Regierender Bürgermeister, Sie hätten heute hier die Gelegenheit gehabt, Ihre erste Regierungserklärung nach Ihrem Amtsantritt zu nutzen, um über die Ursachen und Probleme Deutschlands zu reden. Sie hätten auch über die Ursachen für die katastrophale Lage der öffentlichen Haushalte reden
Sie haben trotz all dieser Maßnahmen – und spätestens das müsste Ihnen zu denken geben, auch wenn Sie in vielem mit mir nicht einer Meinung sind – im Jahr 2002 die höchste Nettoneuverschuldung in der Geschichte Berlins zu verantworten.
Sie haben, aus welchen Gründen ist mir nicht eingängig, 19 Monate Stillstand bei der Vermögensaktivierung, 19 Monate Stillstand bei der Privatisierung zu verantworten. Sie haben in 19 Monaten nichts für das Berliner Handwerk getan. Sie haben in 19 Monaten zum Berliner Mittelstand nicht einmal etwas gesagt. Dass Sie kein Herz für den Berliner Mittelstand haben, das haben unsere Mittelständler schon lange gemerkt, aber dass Sie nicht einmal den Anschein erwecken, deren Probleme ernst zu nehmen in einer unglaublich schwierigen Phase, ist nicht nur politisch fahrlässig, sondern wirtschaftspolitisch verheerend.
öffentlichen Haushalte reden können. Sie hätten in Ihrer Regierungserklärung beispielsweise erklären können, warum im Jahr 2002, wie heute veröffentlicht wurde, das katastrophale Wirtschaftswachstum von 0,2 % durch Ihre SPD-geführte Bundesregierung in Deutschland zu verantworten ist. Sie hätten erklären können, warum die öffentlichen Kassen unter Herrn Eichel mit 3,7 % das Defizitkriterium der Europäischen Gemeinschaft mit Pauken und Trompeten verfehlt haben. Dazu haben Sie aber kein Wort gesagt.
Sie hätten auch sagen können, warum Sie im Bundesrat die 48 Steuererhöhungen der Schröder-Bundesregierung, die am 1. Januar in Berlin gegriffen haben, als Regierender Bürgermeister von Berlin nicht verhindert haben, sondern den meisten dieser Gesetze zugestimmt haben. Auch das hätte die Berlinerinnen und Berliner in der ersten Sitzung im neuen Jahr interessiert.
Herr Wowereit, Sie hätten sich mit einem Zitat des IHK-Präsidenten Gegenbauer beschäftigen können, der wörtlich gesagt hat:
Über den Start der wieder gewählten Bundesregierung herrscht Fassungslosigkeit im ganzen Land – planlos, kopflos, kurzsichtig Haushaltslöcher stopfend, auf der Jagd nach dem schnellen Euro damit die wirtschaftliche Stagnation verschärfend und Jobs vernichtend. Das ist das einhellige Urteil, das der Regierung entgegen schlägt.
Herr Regierender Bürgermeister, zu dieser Politik hätten die Berlinerinnen und Berliner heute Ihre Regierungserklärung erwartet, und nicht zu einer Facette dessen, was Sie beschäftigt, nämlich die Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Dienst.
Sie werden – und das macht bitter – als Erfolg Ihrer Politik in wenigen Tagen, ich vermute in diesen Stunden, erstmalig in der Geschichte Berlins über 300 000 Arbeitslose zu verantworten haben. Sie haben in Berlin in den 19 Monaten Ihrer Regierungszeit die höchsten Zahlen an Insolvenzen nach dem Zweiten Weltkrieg zu verantworten. Sie haben die höchsten Sozialbeiträge für Arbeitnehmer und Unternehmer zu verantworten, zugegebenermaßen sind die größten Dinge davon Folgen der Politik der rot-grünen Bundesregierung.
Und Sie haben in Berlin 19 Monate Haushaltssperre zu verantworten. 19 Monate, in denen kein Unternehmen planen kann, es keine Investitionen gibt, und an Einfallslosigkeit ist Politik, die nur von einer Haushaltssperre zur nächsten lebt, nun wirklich nicht zu überbieten. Im Grunde genommen müsste dieses Parlament die nächsten Haushaltsberatungen ablehnen. Sie machen ohnehin keinen Sinn, da Sie am Tag des Inkrafttretens dieses Haushalts wahrscheinlich die nächste Haushaltssperre verkünden.
Sie haben bis heute keinen Nachtragshaushalt vorgelegt, den Sie uns lange ankündigen, der das Jahr 2002 korrigiert und für das Jahr 2003 überhaupt erst eine vernünftige Grundlage schafft. Gibt Ihnen das alles nicht zu denken, Herr Regierender Bürgermeister?
Sie kennen die Worte Existenzgründer und Jungunternehmer offensichtlich überhaupt nicht.
Entgegen Ihrer vollmundigen Ankündigungen im Wahlkampf geben Sie Bildung eben keine Priorität. Sie streichen nicht nur die Neueinstellung von 1 400 Lehrerinnen und Lehrern, sondern heute teilt Herr Sarrazin quasi nebenbei mit, dass das Schulstättensanierungsprogramm, das Sportstättensanierungsprogramm, das die große Koalition auf Druck der CDU eingeführt hat, von diesem Senat einfach gestrichen wird. Dann verfallen die Schulen, verfallen die Sportplätze: Viel Spaß den Berlinerinnen und Berlinern in ihrer Stadt! Das ist die Lebensqualität, die Sie zu verantworten haben.
Auf die schöpferische Kraft der Menschen zu setzen, das heißt eben genau Bildung und Ausbildung, Forschung und Wissenschaft, Kultur und Innovation zu stärken und nicht zu schwächen. Die Wachstumskräfte stärken, mehr Wohlstand und soziale Gerechtigkeit schaffen, das war und bleibt der Erfolg versprechende Weg der Union für die Zukunft der nächsten Jahre. Wir müssen dem rot-roten Stillstand in Berlin positives Lebensgefühl und Aufbruchsstimmung entgegensetzen.
Berlin braucht Optimismus und Zuversicht. Berlin braucht Mut. Die Berlinerinnen und Berliner brauchen
Wir stellen uns gern dem Wettbewerb um den besseren Weg in eine Zukunft von freiheitlicher Gesellschaft, sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit. Vier Jahre, in denen Sie noch in diesem Haus die Mehrheit haben und deshalb Regierungsverantwortung tragen, sind eine zu lange Zeit, als dass es so weiter gehen kann wie bisher. Das haben die Menschen in Berlin nicht verdient.
Deshalb, Herr Regierender Bürgermeister: Fangen Sie an mit einer Politik der Ernsthaftigkeit! Fangen Sie an mit einer Politik der Wahrhaftigkeit, der Berechenbarkeit und der Verlässlichkeit, die auf Eigenverantwortung und Solidarität setzt und die den Menschen in Berlin wieder etwas zutraut! Zutrauen und Vertrauen gehören zusammen. Ohne Substanz, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition und Herr Regierender Bürgermeister, so wie bisher, geht es nicht weiter. Damit fahren Sie Berlin an die Wand und machen das kaputt, was die Berlinerinnen und Berliner in den Jahren nach 1990 aufgebaut haben und unter großem Verzicht in den großartigen Chancen dieser Stadt versucht haben, zu realisieren – nicht immer mit der Politik, aber immer für Berlin. Das ist unser Wunsch und unsere Aufforderung an Sie: Machen Sie eine Politik für Berlin und nicht gegen die Menschen, die hier in Berlin leben!
einen Regierenden Bürgermeister, der ihnen Mut macht. Sie wollen endlich wissen, wofür sie den Gürtel enger schnallen sollen. Herr Wowereit, beenden Sie doch endlich eine Politik, die nur Risiken beschreibt, aber keine Chancen nutzt. Dieser Weg ist eine Sackgasse. Sie sind wie ein Autofahrer, der auf den Abgrund zufährt und niemals nach dem Weg fragt, vielmehr immer weiter geradeaus fährt, Hauptsache man lässt sich nicht dazwischen reden. Sie fahren diese Stadt gegen die Wand. Sie machen die Stadt Berlin mit dieser Politik kaputt. Wenn Sie uns das nicht glauben, dann fragen Sie die Menschen auf der Straße.
Die Unruhe bei der PDS verstehe ich ja, aber ich mache Ihnen einmal einen ganz freundlichen Vorschlag: Sie müssen nicht darauf warten, dass Bundeskanzler Schröder seine nächst Wahllüge begeht und natürlich der IrakResolution in den Vereinten Nationen zustimmt, um die Koalition zu verlassen. Wenn Sie Ihrer Partei, Ihrer Basis, Ihren wenigen Wählern, die Sie noch haben, einen Gefallen tun wollen, verlassen Sie die Koalition und lassen uns Neuwahlen in Berlin machen. Danach gibt es wieder eine ordentliche Regierung, und Sie können Basisdemokratie und vieles andere wieder vernünftig üben.
Gerade ein Jahr im Amt, man glaubt es kaum, hat diese rot-rote Regierung Vertrauen verspielt wie keine Regierung vor ihr. Die Substanzlosigkeit Ihrer Politik ist entlarvt, Ihre Anhänger sind entsetzt und die Wählerinnen und Wähler laufen Ihnen davon. Aber Sie haben die Mehrheit.
Sie müssen regieren. Sie müssen regieren, meine Damen und Herren von der SPD, nicht reden, sondern handeln.
Die Vorbereitung auf den nächsten Wahlkampf reicht nicht aus.
Wir, die Union, haben unseren Oppositionsauftrag angenommen. Wir üben Kritik, übrigens gemessen an der Wirklichkeit in dieser Stadt ist diese Kritik außerordentlich zurückhaltend.
Gemessen an der Realität in Berlin ist unsere Kritik außerordentlich zurückhaltend, und wir setzen Sie – das mag Ihnen nicht passen – unter den Druck besserer Alternativen.
Wir werden im Parlament keine Obstruktion leisten. Darauf können Sie sich verlassen. Denn im Gegensatz zum Bundesratspräsidenten Wowereit ist uns das Land wichtiger als die Partei.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Liebich! Ich nenne Ihnen kurz die Argumente, die ich für wichtig halte – es gibt noch viele andere:
Noch ein drittes Argument: Die besondere Problematik Berlins liegt darin, dass es Bundes- und Landesbedienstete gibt. Was soll ein Berliner Beamter oder Angestellter denken, der nur deshalb, weil er beim Land beschäftigt ist, 80 oder 90 % verdient, wenn er mit der gleichen Tätigkeit beim Bund – neben bestimmten anderen Vorteilen – 100 % verdienen kann? Was wollen Sie eigentlich in den Bezirken tun? Tragen Sie es mit, dass unsere Bediensteten in den Bezirken in Zehlendorf 100 % bekommen und in Marzahn-Hellersdorf nur 70 %? – Das ist der entscheidende Unterschied zwischen einem Wettbewerbsunternehmen und dem öffentlichen Dienst. Ich bin mir sicher, dass Ihre nächste Vollversammlung Sie von diesem völlig verkehrten Weg für den öffentlichen Dienst zurückpfeifen und deutlich machen wird, dass es so nicht geht, weil es dazu führt, dass der Standortfaktor des öffentlichen Dienstes in einem Land positiv und in einem anderen nachteilig wird.
Frau Präsidentin!Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich zuerst, dass wir heute wirklich einmal ein aktuelles Thema besprechen und auch das Thema besprechen, das die Menschen in der Stadt am meisten interessiert.
Ich will ausdrücklich, Herr Krug, Ihrer sachlichen Analyse zustimmen. Ich glaube allerdings, dass Sie und der Senat aus dieser sachlichen Analyse die politisch falschen Konsequenzen ziehen, wobei ich ausdrücklich attestiere, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland und auch hier in Berlin außerordentlich kompliziert sind.
Lassen Sie mich eingangs auf Ihre Frage bezüglich der Fusion der Bundesländer Berlin-Brandenburg antworten. Ich nutze die Gelegenheit gerne, noch einmal darauf hinzuweisen, dass ich sehr bewusst auf einer Klausurtagung in Anwesenheit des stellvertretenden Ministerpräsidenten Schönbohm und meiner Fraktionsvorsitzendenkollegin Blechinger einen Beschluss der CDU-Fraktion in Berlin herbeigeführt habe, der sich klar und eindeutig für die Fusion der Länder Berlin-Brandenburg ausspricht, und daran wird auch nicht gerüttelt. Ich würde mir wünschen, dass sich auch Ihr Koalitionspartner, die PDS, in Berlin und Brandenburg ähnlich zu dieser – aus meiner Sicht – notwendigen und gerade wirtschaftspolitischen sinnvollen Fusion der Bundesländer klar und verbindlich äußert.
Es geht heute nicht um Wahlkampf. Der liegt – Gott sei Dank, kann man sagen – hinter uns. Es geht auch nicht um Parteipolitik, sondern es geht um Berlin, und es geht insbesondere um die Sorgen und Probleme vieler Berlinerinnen und Berliner, von Rentnern, von Schülern, von Arbeitnehmern, von Unternehmern und von vielen Menschen in der Stadt.
Wenn wir uns die Zahlen und die Rahmenbedingungen anschauen, dann ist auch nachvollziehbar, warum so viele Menschen große Sorgen haben. Wir hatten im Jahre 2001 0,6 % Wachstum in Deutschland. Wir werden in diesem Jahr voraussichtlich 0,2 % Wachstum in Deutschland haben. Berlin ist bei diesem zu geringen Wachstum, um daraus heraus Arbeitsplätze zu schaffen, noch unverändert Schlusslicht in der Republik.
Und wir haben in diesem Jahr über 40 000 Insolvenzen in Deutschland, d. h. alle 13 Minuten schließt in Deutschland ein meistens mittelständisches Unternehmen seine Türen ab. Im nächsten Jahr müssen wir davon ausgehen, dass die Insolvenzen weiter zunehmen und möglicherweise bis zu 50 000 Insolvenzen insbesondere unseren Mittelstand schwer treffen werden.
Wir haben in den sozialen Sicherungssystemen ein Defizit von 15 Milliarden €, obwohl schon heute die Beiträge für Krankenversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung und der Anteil der Ökosteuer, der in die Rente fließt, insgesamt 45 % Lohnnebenkosten ausmachen. 45 % der Kosten eines Arbeitsplatzes in Deutschland werden bereits heute in die sozialen Sicherungssysteme bezahlt, und trotzdem ist das unverändert – ich sage das etwas volkstümlich – ein Fass ohne Boden, und keiner weiß, wie das in den nächsten
Jahren weitergehen soll. Kein junger Mensch weiß, welche Rente er wann in welcher Höhe einmal bekommt und in welchem Rahmen er sich privat absichern muss, was auch eine Ursache dafür ist, dass Konsumzurückhaltung, Kaufzurückhaltung und vieles andere zu den ungeklärten Problemen dieses Landes gehören.
Wir haben eine Überschreitung des EU-Defizits, nicht knapp, wie uns bis zur Bundestagswahl angedeutet wurde, sondern in einer Größenordnung von voraussichtlich 3,8 % in diesem Jahr und wahrscheinlich 3,3 % bis 3,4 % im nächsten Jahr, also unverändert den Zwang bei allen öffentlichen Haushalten, nachhaltig und konsequent zu konsolidieren und zu sparen.
Und dann hat diese Bundesregierung an einem Tag im Deutschen Bundestag mit der rot-grünen Mehrheit, Sie wissen das, 48, ich wiederhole, 48 Steuer- und Abgabeerhöhungen mit Beginn vom 1. Januar 2003 an beschlossen. Die deutschen Steuerzahler werden im nächsten Jahr 17 Milliarden € zusätzlich an Steuern aufzubringen haben. Die deutschen Unternehmen und Arbeitnehmer werden über 8 Milliarden € für die Erhöhung der sozialen Sicherungssysteme aufzuwenden haben. Mit diesen Rahmendaten, meine Damen und Herren, Herr Wirtschaftssenator, ist nachzuvollziehen, dass die Stimmung in Deutschland, aber natürlich insbesondere auch die Stimmung in Berlin bei Arbeitnehmern, bei Konsumenten und insbesondere beim Mittelstand außerordentlich schlecht ist. Ich habe die große Befürchtung, dass vor uns nicht nur ein kalter und harter Winter liegt, sondern wahrscheinlich ein historisch – was den Arbeitsmarkt betrifft – dramatischer Winter.
Sie sollten das ernst nehmen, Herr Pewestorff!
Ich habe die Befürchtung, dass die Politik der Bundesregierung, die Politik des Senats – bei schwierigen Rahmenbedingungen, ich sage das ausdrücklich! – dazu führt, dass wir im Januar, Februar, März des nächsten Jahres eine Arbeitslosenzahl in Berlin und Deutschland haben werden, die alles bisher da Gewesene in den Schatten stellen wird.
Dann stellen wir fest, dass der Senat, diese rot-rote Koalition der Wirtschaftspolitik nach allgemeiner Einschätzung sehr wenig Beachtung schenkt. Der Regierende Bürgermeister äußert sich seit 18 Monaten zu wirtschaftspolitischen Fragen zumindest in meiner Wahrnehmung überhaupt nicht. Der Wirtschaftssenator hat außer einer One-Stop-Agency, zu der ich die Bewertung ähnlich sehe wie der Kollege Lindner – eine never ending story –, sich nicht dazu geäußert, wie er sich vorstellt, Arbeitsplätze in Berlin zu erhalten und zu schaffen, wie er wirklich unseren Mittelstand entlasten will. Ich höre nichts zur dramatischen Lage unseres Handwerks. Wir haben von 50 000 Arbeitsplätzen in Berlin mittlerweile nur noch 16 000 im Baugewerbe. Wir haben dramatische Arbeitsplatzverluste
in ganzen Branchen, die fast nicht mehr stattfinden – übrigens mit allen Konsequenzen, insbesondere für die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vielfach am Ende ihres Berufslebens völlig perspektivlos vor den Scherben einer Wirtschaftspolitik stehen und fassungslos wissen, dass sie in ihrem Leben keine Chance mehr erhalten werden.
Ich höre nichts vom Senat zur Situation der Krankenkassen in Berlin, die unverändert ein dramatischer Standortnachteil für den Standort in Berlin sind.
Ich höre nichts zu der Fragestellung: Was machen wir mit Schülerinnen und Schülern, die keinen Ausbildungsplatz finden, was machen wir mit Azubis, die nicht übernommen werden von den Unternehmen? Welche Perspektive, welche Chance bieten wir vielen Menschen?
Ich höre auch keine Vorschläge, wie wir den strukturellen Krisen – das sind keine konjunkturellen Krisen mehr! – beispielsweise des Berliner Taxigewerbes, beispielsweise des Berliner Einzelhandels in weiten Bereichen der Vororte und zunehmend stärker auch in der City begegnen.
Ich höre keine Vorschläge, was wir mit unserer Hotellerie machen. In den nächsten Monaten und Jahren steht ein Massensterben der Berliner Hotellerie bevor. Es wird ein Massensterben gerade bei den mittelständischen Pensionen und Hotels geben, und es wird dazu führen, dass es zwar in Mitte und um Mitte herum noch ein paar große Hotels gibt, aber vieles, was in den Bezirken zur Sozialstruktur, zur Attraktivität gehört, in wenigen Jahren nicht mehr existent sein wird.
Ich höre keine Vorschläge, wie dieser Senat die Situation ändern will. Ich höre stattdessen eine Haushaltssperre, statt One-Stop-Agency eine Non-Stop-Haushaltssperre!
Seit 18 Monaten Investitionsstopp der öffentlichen Hand und vor allen Dingen: Keine Planungssicherheit für Unternehmen, Herr Kollege! Kein Berliner Handwerker kann heute einen Arbeitsplatz schaffen, weil er immer noch nicht weiß, ob es am 3. Januar oder am 5. Februar nächstes Jahr noch irgendeinen Auftrag der öffentlichen Hand gibt. All das ist die konzeptlose Politik dieses Senats.
Ich höre keine Initiative zum Ladenschluss, damit wir mit den wirklich großen Metropolen liberalisiert, zumindest im innerstädtischen Bereich, mithalten können. Ich höre keine Initiative zum Bürokratie-TÜV, zur Befristung von Gesetzen, zur Deregulierung, zur Umsetzung der
Vorschläge der Scholz-Kommission, zur Verwaltungsreform.
Ich höre keine Initiative, sondern Rumgeeiere, was den Großflughafen betrifft. Die einen reden von Regionalflughafen, die anderen reden von gar keinem Flughafen, und dann wundern wir uns, dass Sony sich die Frage stellt, warum sie in Berlin noch richtig aufgehoben sind, wenn es auch in den nächsten 20 Jahren keine Flüge nach Amerika und keine Direktflüge nach Asien gibt.
Ich höre keine Konzeption zur Messe, weder ein kraftvolles: Wir behalten die Messe öffentlich und geben ihr Geld, damit sie akquirieren kann, noch – was wir für richtig halten –: Lasst sie uns privatisieren, lasst uns privates Kapital in die Stadt holen und lasst uns dafür sorgen, dass die Messe aus sich heraus für den Kongress-, Messe- und Tourismusstandort Berlin vernünftig arbeiten kann.
Ich höre, Herr Wirtschaftssenator, keine Bereitschaft, die vollständige Kofinanzierung der GA-Mittel wieder aufzunehmen. Ich stelle fest, dass Bundesmittel und EUMittel in Berlin nicht verwendet werden, dass sie nicht für die Infrastruktur, nicht für unsere Berliner Unternehmen eingesetzt werden. Ich habe den Eindruck, dass Sie bei der Schwarzarbeit mittlerweile resigniert haben und auch bei Ihrer Ausschreibungs- und Vergabepolitik nicht den Interessen der kleinen und mittleren Handwerksbetriebe in Berlin Rechnung tragen.
Das eigentlich wirkliche Asset, das wir haben – ich dachte bisher immer, gemeinsam –, Kultur, Wissenschaft und Bildung, wird konsequent von diesem Senat in Frage gestellt, verunsichert und mit immer neuen Vorschlägen aus dem Hause Sarrazin dazu gebracht, dass die guten Leute nicht mehr kommen und die wenigen Guten, die wir haben, die Stadt verlassen und keine Lust mehr haben, sich in Berlin unter ungeklärten Planungssituationen weiter künstlerisch, wissenschaftlich oder bildungsseitig zu engagieren.
All das ist die Politik von zwei Parteien, von denen ich dachte, sie bemühten sich zumindest darum, Arbeiter- und Arbeitnehmerinteressen in Berlin zu vertreten.
Deshalb fordere ich den Senat auf, einen Kurswechsel vorzunehmen. Ich fordere Sie auf, keine weiteren Abgaben- und Gebührenerhöhungen, keine weiteren Steuererhöhungen zu schaffen,
denn das vernichtet Arbeitsplätze statt neue zu schaffen.
Ich fordere den Senat und insbesondere die PDS auf, Herr Liebich, da bin ich sehr gespannt, im Bundesrat den 48 Steuererhöhungen der rot-grünen Bundesregierung nicht zuzustimmen und sich zumindest an ihre Wahlversprechen zu erinnern, wenn der Herr Bundeskanzler seine schon permanent bricht.
Ich komme sofort zum Schluss, Frau Präsidentin! – Ich bitte Sie darum, Herr Wirtschaftssenator, Herr Regierender Bürgermeister, sich mit unseren 13 Punkten, mit unserem Sofortprogramm für Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum wenigstens auseinander zusetzen, sich die Zeit zu nehmen, über die Vorschläge anderer nachzudenken und dann im Ergebnis die Zeit zu nutzen – soviel haben wir nicht mehr –, die Chancen in Deutschland, aber insbesondere die Chancen hier am Standort Berlin im Interesse der Arbeiter, der Arbeitnehmer, unserer mittelständischen Unternehmen, aber vor allem auch der jungen Generation, unserer Schülerinnen und Schüler, unserer Studenten, unserer Azubis in Berlin zu nutzen. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit einem Antrag, der Aussagen des CDU-Landesvorsitzenden Christoph Stölzl unmittelbar nach Abschluss des Bundestagswahlkampfes bewerten soll. Sie alle kennen Christoph Stölzl, zum Teil seit langen Jahren, mindestens seit zwei Jahren hier in Berlin im Parlament. Er ist eine Persönlichkeit, die von der Mehrzahl der Abgeordneten über Parteigrenzen hinweg respektiert und geschätzt wird. interjection: [Zuruf von der SPD: Wurde!]
Und viele Berlinerinnen und Berliner halten ihn unabhängig von ihrer persönlichen parteipolitischen Orientierung für eine Bereicherung der Berliner Politik.
Das liegt sicherlich auch daran, dass Christoph Stölzl Sachverhalte in einem wissenschaftlichen, kulturellen, vielfach historischen Zusammenhang jenseits der Tagespolitik sieht und beschreibt.
Es zeugt nicht von großer Souveränität, dass Sie, ohne zu wissen, was ich sagen will, bereits dazwischenrufen, gerade bei einem solchen Thema. –
obwohl er zweifelsfrei ein politischer Mensch ist, zum respektierten Kommentator von Politik gemacht. Er ist ein freimütiger, manchmal provozierender Denker. Er hat gerade durch diese Art zu Recht viel Sympathie und Anerkennung gefunden. Und er hat im Eifer der Gefühle einer Wahlnacht seine Gedanken nicht so präzise formuliert, wie wir das von ihm gewohnt sind.
In seiner Enttäuschung über das Wahlergebnis hat Christoph Stölzl einen Zusammenhang hergestellt, den er mit ausdrücklichem Bedauern zurückgenommen und für den er sich mittlerweile mehrfach entschuldigt hat. Er hat erlebt, dass Aussagen, die in einem historischen Seminar streitig zu diskutieren wären, eine falsche, für ihn persönlich schmerzhafte politische Wirkung entfalten können.
Christoph Stölzl hat sich aufrichtig und glaubhaft entschuldigt und mehrfach erklärt, dass ihm seine Aussagen herzlich Leid tun. Das unterscheidet ihn übrigens von Frau Däubler-Gmelin, Herrn Stiegler und anderen Politikern.
Er hat auch ausdrücklich bedauert, sein eigenes Ideal des fairen Dialogs verletzt zu haben. Die Auseinandersetzung mit Christoph Stölzl in den letzten Tagen war vielfach verkürzt, heftig und für ihn persönlich schonungslos. Für die weitere Debatte wird es selbstverständlich Zeit und Raum in Foren in den Parteien, auf den Podien dieser Stadt geben. Dazu bedarf es aber keiner Abstrafung durch eine vorhandene linke Mehrheit hier im Abgeordnetenhaus von Berlin und auch keines weiteren Auskostens Ihres Wahlsiegs vom vergangenen Sonntag, Herr Gaebler! Vielleicht wäre auch eine selbstkritische Diskussion über Ihre Form
des Wahlkampfs und die außenpolitischen Konsequenzen der wertvollere Beitrag für die deutsche Demokratie.
Es gibt im politischen Leben Missverständnisse, es gibt verzeihliche und es gibt auch unverzeihliche Fehler. Wer aber aus Missverständnissen und auf Missverständnisse und verzeihliche Fehler unangemessen reagiert, muss sich fragen lassen, wie glaubwürdig seine Empörung ist. Er muss sich fragen lassen, ob es ihm tatsächlich um kritische, aber auch menschlich anständige Bewertung einer Persönlichkeit oder um den parteipolitisch kurzfristigen Erfolg geht. Wer moralische Bewertungen vornimmt, sollte darauf achten, dass sich aus seiner Vorgehensweise keine Doppelmoral ableiten lässt.
Christoph Stölzl ist als Demokrat über Parteigrenzen und weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus respektiert und akzeptiert. Der Versuch, einem so moralisch integren Mann die demokratische Lauterkeit abzusprechen, wird scheitern. Es würde für das Augenmaß und das politische Format dieses Abgeordnetenhauses von Berlin und das der Fraktionen von SPD, PDS und Grünen sprechen, eine Entschuldigung nicht nur einzufordern, sondern eine aufrichtige Entschuldigung auch anzunehmen.
Diese Verweigerung, die Ihrem Entschließungsantrag zu Grunde liegt, soll eine politische Persönlichkeit beschädigen, die über Ihre Zweifel erhaben ist. Ihr Entschließungsantrag zielt auf einen parteipolitischen Triumph und auf die Beschädigung des politischen Gegners. Ihre Weigerung, die Entschuldigung von Christoph Stölzl anzunehmen, zeigt, dass es Ihnen mehr um parteipolitische Auseinandersetzung als um Arbeit zum Wohle unserer Stadt geht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von SPD, PDS und Grünen, ich bitte Sie deshalb: Überprüfen Sie die Angemessenheit Ihrer Entschließung! Überdenken Sie Ihre Position! Sie haben richtig gehandelt, als Sie eine Erklärung und eine Entschuldigung von Prof. Stölzl eingefordert haben. Handeln Sie auch heute richtig! Stellen Sie Ihr Augenmaß und Ihre Fairness unter Beweis, und nehmen Sie die aufrichtige Entschuldigung von Christoph Stölzl an! – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Parlamentssitzung ist notwendig geworden, weil ein Teil der vom Finanzsenator lange angekündigten Sparliste seit einigen Tagen auf dem Tisch liegt
und den Berlinerinnen und Berlinern Verunsicherung und Angst einjagt. Wie die SPD-Fraktion angesichts der Debatten in Berlin, Herr Müller, und der Berichterstattung über diese Sparliste zu der Einschätzung kommen kann, dass es sich heute hier bei der Sitzung des Berliner Parlaments um eine Showveranstaltung handelt ist, zumindest mir völlig schleierhaft und angesichts der Reaktionen aller gesellschaftlichen Gruppen in Berlin geradezu zynisch.
Man hat den Eindruck, dass Sie, meine Damen und Herren von der SPD, die Kommentare der Betroffenen und die Überschriften der großen Berliner, aber auch überregionalen Tageszeitungen kalt lassen. Der DGB spricht von einem „finanzpolitischen Amoklauf“. Der IHK-Präsident schreibt sofort an den Regierenden Bürgermeister und stellt „massive Verunsicherung“ fest. Der Präsident des Landessportbundes sagt, dass Berlin „diesen Finanzsenator nicht verdient hat“. Der „Tagesspiegel“ kommentiert: „Gift für Berlin“. Die „Berliner Morgenpost“ kommentiert, dass „die Tage des politisch instinktlosen Finanzsenators gezählt sind“.
Die „Berliner Zeitung“ spricht von „Sarrazins Geiselnahme“. Die „BZ“ spricht von „einem schonungslosen Schlag ins Gesicht der Berliner“. Selbst das „Neue Deutschland“ – immerhin – vermeldet „Entsetzen über diese Vorschläge“.
Eine Wahlkampfshow, meine Damen und Herren von der SPDFraktion, veranstaltet Ihr Spitzenkandidat und Bundestagspräsident Thierse, der vollmundig verspricht, dass eine rot-grüne Bundesregierung nach einem Wahlsieg Berlin endlich das große Geld gibt. Er hat sich zwar sofort eine Absage vom Finanzminister Eichel eingefangen, aber der Regierende Bürgermeister erklärt heute, nachdem er aus dem Hamburger Nachtleben –
(A) (C)
(B) (D)
herzlich willkommen! – zurückgekehrt ist, er verklage den Bund – egal, wer nach der Wahl regiere. Das ist eine Wahlkampfshow, und das ist vor allen Dingen konzeptlos.
Die lange angekündigte Sparliste aus dem Hause des Finanzsenators ist kein Versehen, sondern ein wichtiges Dokument für die Zukunft Berlins. Über dieses Dokument müssen wir dringend sprechen, und zwar hier im Abgeordnetenhaus von Berlin – in aller Sachlichkeit und vor den Augen der Berliner Öffentlichkeit.
Weshalb halten wir diese Sparliste für ein so aufschlussreiches Dokument?