Dies ist jedoch eine Scheuklappenpolitik, die sich dann entlarvt, wenn die Forschungserfolge und Drittmitteleinnahmen, die heute noch gefeiert werden, künftig ausbleiben, weil Infrastruktur, wissenschaftliche Exzellenz und damit Wettbewerbsfähigkeit sowie guter Ruf verloren gehen auf Grund mangelnder Investitionsfähigkeit des Landes Berlin. Und die ist vor dem Hintergrund einer drohenden Haushaltsnotlage des Landes Berlin unabweisbar gegeben.
Unbedingt vermieden werden muss aus Sicht des Wissenschaftsrates eine gleichmäßige und langfristige Unterfinanzierung aller hochschulmedizinischer Einrichtungen.
Zwingt die finanzielle Situation des Landes aber zu weiteren Einschränkungen, wäre die Sicherung der Aufgaben in Forschung und Lehre in allen Einrichtungen gleichermaßen gefährdet. Eine solche Entwicklung ist aus Sicht des Wissenschaftsrates unbedingt zu vermeiden.
Von denjenigen Fraktionen, die heute den Koalitionsbeschluss als kurzsichtig und verfehlt ablehnen, sind jedoch in den vergangenen Jahren so gut wie keine Vorschläge unterbreitet worden, wie die Befürchtungen des Wissenschaftsrats vermieden werden können. Das müssen alle zugeben, die sich ernsthaft und nicht nur aus Gründen von politischer Konjunktur für dieses
Thema interessieren – dazu zähle ich ganz objektiv den Kollegen Steffel und auch den Hochschul- oder Gesundheitspolitikexperten Wieland, der für die Grünen noch reden wird.
Stattdessen haben das Institut für Gesundheitssystemforschung Kiel GmbH, die Gewerkschaften ÖTV und DAG sowie meine Fraktion Konzepte zur Zukunft der Hochschulmedizin in Berlin bzw. zur Krankenhausplanung vorgelegt. Das Institut für Gesundheitssystemforschung unterbreitete den Vorschlag – ich zitiere,
das UKBF in ein Krankenhaus der Zentralversorgung umzuwandeln, zu privatisieren und dabei zu prüfen, ob die jetzige Struktur und Bettenzahl aufrecht erhalten bleiben muss oder ob die Anpassung an den Krankenhausbedarf eine veränderte Struktur mit einer reduzierten Bettenzahl erfordert.
dass Leistungen, die nicht im Universitätsklinikum vorgehalten werden, aber auch zur Ergänzung des Ausbildungsangebots für Studierende der Medizin in einem verstärkten Umfang Kooperationsverträge mit Krankenhäusern geschlossen werden sollten.
Die Gewerkschaften ÖTV und DAG veröffentlichten im Mai 2000 ein gemeinsames Positionspapier. Darin sprachen sich die Gewerkschaften dafür aus, zwei Fachbereiche und ein Klinikum Berlin-Brandenburg mit vier Standorten zu bilden, das als Anstalt öffentlichen Rechts der beiden Universitäten betrieben wird.
Meine Fraktion schlug im Sommer 2001 die Zusammenfassung der beiden Universitätsklinika in einer gemeinsamen Einrichtung der beiden Universitäten vor. Dabei wurde die Privatisierung der Krankenversorgung eines der beiden Klinika bzw. beider Klinika durch bloße Rechtsformänderung, Änderung der Trägerschaft mit einem Betriebsübergang auf einem Dritten oder der Übergang wesentlicher Teile der Betriebsführung auf einen Dritten als Betreiber durchaus einbezogen. Und viele, die die PDS-Politik in den vergangenen Jahren verfolgt haben, werden feststellen, dass das ein ziemlicher Sprung ist für eine Partei, der die Sicherung von öffentlicher Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand durchaus ein Anliegen ist, die aber gesagt hat, dass in einem so zentralen Bereich öffentlicher Daseinsvorsorge eine Privatisierung aus Gründen der Sicherung dieser Einrichtungen mit einbezogen werden kann. Trotzdem müssen wir feststellen, dass weitere Vorschläge für Strukturveränderungen bislang nicht vorgelegt worden sind, dass bis auf den Vorschlag des Kieler Institituts keiner der genannten Vorschläge geeignet war, die Struktur- und Investitionsprobleme zu lösen, und vor diesem Hintergrund nun die Entscheidung der Koalitionsfraktionen und die entsprechenden Formulierungen in der Koalitionsvereinbarungen zu prüfen sind.
Das möchte ich nunmehr im zweiten Teil meiner Rede tun und damit auf einige Argumente eingehen – das habe ich am Anfang dargestellt –, die in der vergangenen Zeit gebracht und in die Diskussion geworfen wurden.
Argument 1: Wegfall von Drittmitteln. Die FU argumentiert – auch in einem Schreiben, das wir heute bekommen haben – damit, dass mit der Umwandlung des UKBF ein erheblicher Anteil an Drittmitteln wegfallen werde. Das ist in der Tat ein Risiko, mit dem wir als Gesetzgeber umgehen und wo wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, dass genau dies in so geringem Maße wie möglich passiert. Auszuschließen ist es nicht, und fahrlässig wäre, das zu behaupten. Aber man muss auch dort sehen – Politik ist nicht nur schwarz und weiß, sondern eben auch grau, das habe ich vorhin auch dargestellt –, dass nicht investieren in den Universitätsmedizinbereich, wie es hier droht und wie ich es dargestellt habe, auch dazu führen würde, dass wissenschaftliche Exzellenz und Drittmitteleinewerbung und die Chancen dafür verloren gingen. Aus diesem Grunde haben wir hier eine Güterabwägung zwischen zwei Risiken und eine Strukturentscheidung vorzunehmen. – Mit anderen Worten: Wenn ich nicht in die Grundausstattung investieren kann, gehen ebenfalls Drittmittel verloren. Aus diesem Grund müssen Strukturveränderungen her.
Argument 2: Wegfall von Personal. Das Ziel dieser Koalition besteht generell darin, hier in Berlin nicht nur die Beschäftigtenzahlen zu halten, sondern Ausbau von Beschäftigung und einen Wirtschaftsentwicklung dieser Stadt vorzunehmen. Wenn Strukturveränderungen getroffen werden, hat das aber natürlich Auswirkungen auf das Personal, zweifellos. Aber wir müssen uns die Zahlen anschauen.
Nach Angaben der FU sind zurzeit von 110 Professorenstellen rund 80 besetzt. Von diesen scheiden bis 2006 ca. 35 % aus, so dass im Jahr 2006 noch 52 Stellen besetzt sein werden. Da an der Charite´ bis 2006 ebenfalls etwa 30 % der Professuren wegfallen und dort zurzeit etwa 160 Stellen besetzt sind, wäre – nur zahlenmäßig betrachtet – eine Integration theoretisch möglich. Entscheidend wird hier die fachliche Zuordnung sein. Aber das Argument ist abzuwägen. Das wissenschaftliche Personal der Kliniken ist in der Regel nur befristet beschäftigt. Die Vertragslaufzeiten liegen zwischen drei und sieben Jahren. Betriebsbedingte Kündigungen können demnach ausgeschlossen werden. Beim Versorgungs- und Pflegepersonal muss darüber hinaus die Fluktuation von jährlich bis zu 10 % einbezogen werden. Insofern ist das Argument zwar ein gewichtiges, aber keines, das bis zum Ende als ein Grund durchhaltbar ist, weshalb man einen solchen Schritt nicht gehen sollte, sondern es geht darum, wie die Rahmenbedingungen gestaltet sind.
Das Argument der Pensionszahlungen, das der Kollege Steffel benutzt hat, ist keines, denn die Kosten entstehen so oder so. Die Professuren gibt es schon. Die Pensionslasten fallen so oder so an. Wir haben sie in den Hochschulverträgen berücksichtigt. Dieses Argument müsste wegfallen bei der Abwägung: Wie realistisch ist das, was ich sage?
Argument 3 – Rückzahlung von Hochschulbaugeldern des Bundes: Hier kann ich mich kurz fassen, weil der Kollege Gaebler schon dazu gesprochen hat. Es ist zutreffend, dass nach § 12 Absatz 3 des Hochschulbauförderungsgesetzes an den Bund zurückgezahlt werden muss, wenn das Land Flächen und Einrichtungen nicht mehr für Zwecke der Wissenschaft und Forschung nutzt. Dazu muss die Hälfte des Verkehrswertes, jedoch nicht die Hälfte der Investitionskosten gezahlt werden. Die Feststellung des Verkehrswertes erfolgt am seriösesten in einem offenen Bieterverfahren. Das haben wir in Berlin auch schon erlebt, nämlich bei der Umwandlung des Klinikums Westend. Die Hälfte der gebotenen Summe verbleibt dann beim Land Berlin. Die andere Hälfte wird an den Bund abgeführt. Der künftige Nachnutzer zahlt demnach neben den Investitionskosten auch den überwiegenden Teil der Bundesforderung gegenüber Berlin.
Damit bin ich bei einem Argument, das der Kollege Steffel brachte, dem Argument der Investitionskosten bei Umwandlung des Universitätsklinikums. Es ist doch so – und Kollege Steffel wird sich daran erinnern, weil er der großen Koalition damals angehörte –: Das Land Berlin hat keine städtischen Krankenhäuser mehr, sondern hat sie in die Vivantes überführt. Es wäre wahrscheinlich, sollte sich dieser Plan durchsetzen und es keine anderen Argumente geben, die dazu führen, dass die Koalition von ihrem Plan abweicht, auch nicht sinnvoll, ein weiteres städtisches Klinikum aufzumachen, sondern es gäbe einen anderen Investor. Zu argumentieren, dass die Kosten damit beim Land Berlin anfielen, sollten Sie, Kollege Steffel, künftig fallen lassen. [Beifall bei der PDS und der SPD]
Argument 4 – Auswirkungen auf den regionalen Wirtschaftskreislauf: Das ist nun ganz interessant. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das ich sehr schätze, hat eine Berechnung vorgelegt, nach der am UKBF eine Nachfrage von 187 Millionen Euro induziert wird. Es wird der Eindruck erweckt, dass diese Gelder dem Wirtschaftskreislauf Berlins durch die Umsetzung der Koalitionsentscheidung verloren gingen. Es erscheint sinnvoll, diese Zahlen genauer anzusehen. Ich will das bei zwei Beispielen tun. Die erste Zahl: Die ca. 4 000 Studierenden am UKBF induzieren eine Nachfrage von 34 Millionen Euro. Wenn die jetzt alle wegfallen, dann ist auch diese Nachfrage von 34 Millionen Euro weg. Das ist Unsinn, richtiger Unsinn! Bereits 1995 ist im Universitätsmedizingesetz festgelegt worden, dass
die Zahl der Studierenden sinken soll. Ich habe die Zahlen genannt, 600 in der Humanmedizin und 120 in der Zahnmedizin. Das heißt, die Zahl von 4 000 Studierenden am UKBF nimmt in den nächsten Jahren ohnehin planmäßig ab.
Bei den Studierenden, die übrig bleiben – liebe Kollegin Paus, als Wirtschaftsexpertin werden Sie das wissen und werden sich das genau angesehen haben –, bleiben genau – das hat die Koalitionsvereinbarung gesagt, ich nehme Ihren Zuruf auf – die 600 Studienanfänger pro Jahr erhalten. Damit bleiben auch die Zahl, die 1995 im Universitätsmedizingesetz festgelegt war, und die entsprechende studentische Nachfrage erhalten. Das heißt, die Rechnung des DIW müsste neu aufgemacht werden, und zwar: 200 Studienanfänger an der FU mal sieben Jahre Studienzeit mal 8 500 Euro Nachfrage im Jahr, und dann berechnet man die Zahl, die dem Land Berlin durch die Festlegung in der Koalitionsvereinbarung erhalten bleibt.
Zweite Zahl – 26 Millionen Euro Drittmitteleinnahmen: Ich habe darüber bereits gesprochen. Angestrebt ist, soviel wie möglich von den Drittmitteleinnahmen zu erhalten. Klar ist aber auch, es ist fahrlässig zu argumentieren, dass 26 Millionen Euro Drittmittel einfach wegfielen. Das stimmt nicht!
Argument 5 – der Kollege Steffel hat es wieder aufgenommen – die befürchtete Einstellung des Studiengangs Bioinformatik: In der Koalitionsvereinbarung – Herr Steffel hat sich als ein intensiver Leser der Koalitionsvereinbarung ausgezeichnet – ist festgehalten, dass die Quantität und Qualität der Ausbildung in den Fächern Human- und Zahnmedizin erhalten bleiben soll.
Insofern wollen wir – es wäre doch wiederum fahrlässig, hier anders zu handeln – die wichtigen Institutionen – den Studiengang Bioinformatik ebenso wie den Reformstudiengang Medizin an der Charite´ oder das sehr wichtige und hochqualifizierte Benjamin-Franklin-Kolleg – weiterführen.
Ich habe deutlich gemacht, was für die Koalitionsparteien Hintergrund der Entscheidung in der Koalitionsvereinbarung gewesen ist, welchen Abwägungsprozess wir vorgenommen haben, welche Risiken wir einkalkuliert haben und was für uns die großen Probleme gewesen sind, die dazu geführt haben, so eine wissenschaftspolitisch bittere Entscheidung zu fällen. Aber diejenigen, die diese Koalitionsvereinbarung jetzt kritisieren, die bitte ich darum, ehrlich zu sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, hättet ihr
oder hätten Sie, meine Damen und Herren von der FDP, wenn die Koalitionsvereinbarung bis zum Ende gekommen wäre, so eine Entscheidung ebenfalls getroffen oder nicht?
Wenn Sie sie nicht getroffen hätten, dann sagen Sie doch bitte: Wie hätten Sie diese Strukturprobleme anders lösen wollen? – Und zwar mit dem Zahlenmaterial, das ich hier dargelegt habe. Es geht darum, die großen Probleme dieser Stadt vor dem Hintergrund einer drohenden Haushaltsnotlage zu lösen. Dazu haben wir einen – wie gesagt – bitteren Vorschlag gemacht. Wir sind an Alternativen interessiert. Der Senator wird das darstellen. Der Senator wird auch seine Überlegung, wie der Diskussionsprozess weiterlaufen soll, darlegen – im Vorfeld des entsprechenden Senatsbeschlusses, den er vorbereiten soll. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoff! – Für die Fraktion der Freien Demokraten hat nun Herr Dr. Lindner das Wort. – Bitte schön, Herr Lindner!
Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Wenn man die Regierungsvertreter zum Thema UKBF hört, dann glaubt man, dass es sich hier um ein regionales Problem handele. Es ginge um ein „regionales Versorgungskrankenhaus“, was aus dieser Universitätsklinik gemacht werden soll.
Es ginge um die medizinische Versorgung von Steglitz. Dem Regierenden Bürgermeister ist es letztlich egal. Tatsächlich aber geht es um nichts mehr und nichts weniger als um das Renommee der Berliner Wissenschaft insgesamt, um den Standort Berlin, um Arbeitsplätze, um die Frage, ob Berlin in seinen Problemen erstickt oder eine Zukunft hat, eine Zukunft jenseits vom Schuldenabtragen.
Und die Zukunft – Herr Gaebler, das tut mir Leid –, die steht nicht im Gesetz. Die Zukunft muss man gestalten und nicht verwalten. [Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]
Es ist nun einmal so und daran können wir hier nichts ändern, nicht im Parlament und auch nicht draußen, dass wir hier in Berlin keine Ölquellen haben, die wir ausbeuten könnten.
Hier gibt es auch keine Gold- und Silberminen, keine riesigen Weizenfelder. Das einzige Kapital dieser Stadt sind die Menschen, [Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]