Protokoll der Sitzung vom 27.11.2003

Insgesamt ist dieses Stellenpoolgesetz ein leicht verkrüppeltes Wesen geworden. Es ist im Ansatz immer noch richtig. Das streiten wir nicht ab. Deswegen werden wir auch nicht dagegen stimmen, aber wir können uns maximal enthalten. Mehr können Sie uns nicht zumuten. Das ist nur Ihrem ursprünglich ganz netten Willen geschuldet, mal etwas zu tun. Mehr ist es nicht. Wir tun das auch deshalb, damit Sie erkennen, wie konstruktiv die Opposition zumindest in Teilen ist,

[Heiterkeit bei der SPD-Fraktion]

welche ergänzenden Vorschläge sie macht, wie bereit sie ist, Ihnen bei der Lösung der großen Probleme des Landes entgegenzukommen.

Der grüne Zusatzvorschlag – lfd. Nr. 4 b – bringt die richtige Ergänzung. Wir haben im Hauptausschuss daran noch ein bisschen herumgeschraubt. Jetzt ist er insgesamt stimmig. Dem werden wir zustimmen.

Wir haben ein verlottertes System des Personalüberhangmanagements, und zwar sind daran beide Seiten schuld. Es sind sowohl die Verwaltungen schuld, die die vorhandenen Instrumente nicht ordnungsgemäß und sinnvoll nutzen. Es sind aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schuld, die nicht bereit sind, mit der notwendigen Flexibilität auf die Umstrukturierungen der Berliner Verwaltung zu reagieren. Ein Beispiel dafür zeigte sich gestern in der Diskussion des Hauptausschusses: Das Bezirksamt Mitte hat bei 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Überhang angefragt, ob sie bereit wären, im Fallmanagement der Sozialämter zu arbeiten. Die meisten davon waren noch nicht einmal bereit, zu einem Termin im Bezirksamt Mitte zu erscheinen und darüber zu reden. Das ist sicherlich ein verwerflicher Umgang. Aber was passiert denn dann? Warum lässt sich eine abgebende Verwaltung, die diese Leute auf dem Überhang hat, das

gefallen? Warum wird nicht zu den anderen tarifvertraglich vereinbarten Instrumenten gegriffen, um eine Umsetzung vorzuschlagen? Warum wird nicht über die Personalräte und die Einigungsstelle gegangen und im Wiederholungsfall mit verhaltensbedingten Kündigungen gedroht? – All das wird von der Verwaltung nicht getan. Beide Verweigerungshaltungen spielen ineinander. Letztlich bewegt sich gar nichts.

Auf der anderen Seite hat Herr Böger, die Sportverwaltung, seit 1995 eine zweistellige Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Überhang, die für die Betreuung von Sportplätzen in den zentralen Sportanlagen zuständig sind. Wenn man ihn fragt: Was hast du seit 1995 getan, um diese Überhangkräfte loszuwerden und sie in andere Tätigkeiten zu vermitteln? – dann sagt er offen und ehrlich: Das will ich doch gar nicht. Die brauche ich, um die Sportplätze zu betreuen. – Das ist wieder ein Mangel in der Verwaltung. Es wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Überhang gesetzt, die man gar nicht loswerden kann, weil man sie braucht. So funktioniert das System natürlich nicht.

Deswegen braucht man ein anderes System. Aber das, was Sie uns vorgelegt haben, ist leider so chaotisch in der Organisation, dass es unserer Ansicht nach scheitern muss. Es gibt keine Vermittlung an Dritte. Diese soll nur freiwillig erfolgen. Es gibt bisher kein Anreizsystem dafür. Der notwendige Personalabbau in der Berliner Verwaltung wird aber nicht nur intern erfolgen können, sondern die Möglichkeiten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Dritte zu vermitteln, z. B. auch an bisherige Zuwendungsempfänger, müssen genutzt werden. Dafür muss man Modelle entwickeln.

Wir werden immer wieder – Stellenpoolgesetz hin oder her – zu dem Thema systematische Deregulierung kommen. Witzigerweise hat auch Herr Schimmler gerade die Baumschutzverordnung angesprochen. Ich dachte, ich hätte etwas an den Ohren. Dazu gibt es einen Antrag von uns. Dem brauchen Sie nur zustimmen. Weg mit der Baumschutzverordnung! Das ist ganz einfach. Das ist eine Deregulierungsmaßnahme.

[Beifall bei der FDP – Zuruf der Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne)]

Das bringt die Grünflächenämter dazu, rapide Stellen abzubauen. Dadurch bekommen Sie gleich eine ganze Menge Leute zusätzlich in den Stellenpool.

Herr Dr. Lindner!

Ich komme zur Schluss, Frau Präsidentin! – Ob eine solche Verordnung existiert oder nicht, ist nach aller Erfahrung in Gemeinden, die eine haben oder keine, von keiner Relevanz. Mit der Verordnung wird getrickst, die Bäume werde gefällt, bevor sie den Umfang erreicht haben. Ohne die Verordnung gibt es ein paar Idioten, die fällen. In der Summe ist es egal. Es ist eine riesige Beschäftigungstherapie. Von diesen Dingen müssen wir uns lösen, um systematisch, radikal und an die Wurzel gehend zu einem Abbau des riesigen Personalkörpers zu kommen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion der Grünen hat Herr Schruoffeneger das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, alle Redner hatten Recht, wir brauchen den Stellenpool. Das wussten wir schon vor sechs Jahren. Herr Doering hat dankenswerterweise die damalige Antragsbegründung von Herrn Müller-Schoenau zitiert. Wir haben damals einen entsprechenden Antrag eingebracht. Der war damals so richtig, wie er es heute immer noch ist.

[Beifall bei den Grünen]

Es gibt keine Einbindung des Stellenabbaus und des Überhangmanagements in langfristige Personalentwicklungskonzepte und in die Verwaltungsreformvorhaben. Daraus ergeben sich juristische Probleme. Im Einzelfall kann nicht nachgewiesen werden, dass der Arbeitsplatz der betroffenen Person wegfällt, dass die Arbeit nicht mehr zu leisten ist und deswegen eine Überstellung in den Stellenpool unvermeidlich ist.

Es gibt keine – Herr Wambach sagte das schon – Herauslösung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Räumen und ihrer abgebenden Verwaltung. Angst vor der Presse war das Argument. Wie soll man verkaufen, dass die dann frei hätten? – Genau diese Herauslösung wäre aber nötig, denn wir alle wissen: Wer noch da ist, der schafft sich auch eine Aufgabe. Die eigentlich notwendige Entschlackung der Verwaltung wird nicht funktionieren, weil da jemand sitzt, den man noch in die Prozesse einbinden muss, da er sonst nichts zu tun hätte. Damit wird ein weiterer Mitarbeiter, ein weiterer Schreibtisch mit jedem Vorgang belastet. Das geht zu Lasten von Bürgerinnen und Bürgern, die länger auf Bescheide oder Antworten auf Anfragen warten müssen.

Zum Schluss noch einmal zu Ihrer Absicht, die neuen Stellen umgehend zu besetzen: 83 neue Stellen sollen es sein plus eine Stelle B 3, also eine sehr hoch dotierte für die Leitung, die von außen besetzt werden soll. Ihre Gesetzesvorlage enthält den Passus über die finanziellen Auswirkungen. Dort sind Kosten von über 5 Millionen € verbucht. Das Verfassungsgerichtsurteil zwingt Sie, offenzulegen und darzulegen, warum Ausgaben unverzichtbar sind und warum bestimmte Leistungen nicht kostengünstiger erbracht werden können. Sie haben diese Darlegung bisher verweigert. Sie haben das auch gestern verweigert. Wir behaupten, das gleiche Ziel oder ein besseres kann man mit anderen Modellen billiger erfüllen. Wir haben vier Fragen gestellt, die Sie gestern nicht beantwortet haben. Warum gehen Sie davon aus, dass eine Reduzierung des Stellenpools auf maximal 30 bis 40 Stellen und dann unser Modell – 12 oder 6 Monate in der abgebenden Verwaltung – zu schlechteren Ergebnissen führt? – Dies wäre rund zweieinhalb Millionen billiger. Warum haben Sie intern ein Verhältnis von Leitungskräften, Gruppenleitungskräften zu Sachbearbeitern von 1:6 geplant, nicht wie in der öffentlichen Verwaltung üblich von 1:12 oder 1:15? Warum halten Sie die Besetzung der Leitungsstelle mit einer B-3-Dotierung für unverzichtbar? Warum ist es Ihnen nicht möglich, Personal, das dadurch

frei wird, dass 3 000 oder 4 000 Mitarbeiter aus den Verwaltungen herausgelöst werden, Sachbearbeiter aus den jeweiligen Personalverwaltungen umzusetzen? Warum müssen Sie neue Stellen besetzen und schaffen? – Diese vier Fragen sind unverzichtbar. Ohne diese vier Fragen lässt das Verfassungsgerichtsurteil die Einrichtung dieses Pools nicht zu.

Letzte Anmerkung zur vorläufigen Haushaltsführung nach Artikel 89 der Verfassung: Sie schaffen 83 neue Stellen, 5 Millionen Kosten. Sie haben gestern gesagt, das seien keine Mehrkosten, weil die sowieso da seien. Diesen Begriff der Sowieso-Kosten sollten wir uns abgewöhnen, Herr Sarrazin! Sie sind bisher im Stellenpool, d. h. sie werden weitervermittelt. Ihre Stellen werden nicht neu besetzt, wenn sie ausscheiden. Das ändern Sie. Und Sie besetzen von außen eine B-3-Stelle, obwohl eine entsprechende Dotierung und Qualifikation im Stellenpool vorhanden ist. Auch das ist unserer Ansicht nach zurzeit nicht zulässig. Wir wollen einen Pool, aber einen, der funktioniert, nicht einen, der bewusst oder aus handwerklicher Unfähigkeit unweigerlich scheitern muss.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, so dass wir zu den Abstimmungen – – Herr Sarrazin bittet um das Wort. – Bitte schön, selbstverständlich!

Sie schaffen einen überbürokratisierten Apparat mit 84 Stellen, und Sie haben keine Terminierung der individuellen Zuordnung von kw-Stellen in Ihrem Gesetz vorgesehen. Das ist ein großer Fehler. Wir wissen, dass es z. B. beim Jugendaufbauwerk – keine direkte Verwaltung, aber eine landeseigene Einrichtung – bis zu drei Jahre gedauert hat, bis kw-Stellen auch individuellen Personen zugeordnet wurden.

Wir haben in unserem Änderungsantrag ein anderes Modell vorgeschlagen. Es ist das Modell, das wir auch schon 1997 vorgelegt haben. Dieses Modell erkennt an, dass zwischen 75 und 80 % der Überhänge in den letzten Jahren problemlos von den jeweils abgebenden Verwaltungen innerhalb von wenigen Monaten bearbeitet werden konnten. Das ist zügig und gut erfolgt. Die Motivation aller Beteiligten war hoch, und das hat die Planungen erleichtert. Lediglich 20 % der Überhangkräfte sind Problemfälle geworden. Dies liegt an zwei Gründen: Das sind teilweise Berufsgruppen, die es in der öffentlichen Verwaltung nicht mehr gibt. Da ist es schwierig, sie entsprechend ihrer Qualifikation zu vermitteln. Und es fehlte an Weiterqualifikation und Fortbildung. Für diese 20 % brauchen wir einen zentralen Stellenpool. Der ist dann aber wesentlich kleiner und damit auch billiger als dieses Monster, das Sie jetzt schaffen, wo alle hingeschickt werden sollen, auch die, die schon genau wissen, dass sie in ihrer abgebenden Verwaltung in drei bis vier Monaten einen neuen Job finden könnten. Warum die erst durch den Pool gejagt werden müssen, bleibt ein Rätsel. Wir wollen die Pflicht einer jährlichen Personalentwicklungsplanung und die Darlegung der Aufgabenerfüllung ohne dieses Personal. Ich habe es eben schon gesagt. Das dient der juristischen Absicherung des ganzen Verfahrens.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

[Gaebler (SPD): Was soll denn das?]

Ich ernte Kopfschütteln des Regierenden Bürgermeisters. – Genau, sagt er auch noch. – Ich mache es deshalb ganz kurz.

[Beifall des Abg. Zackenfels (SPD)]

Nur zu einem Punkt, und zwar zur Zusätzlichkeit: Das muss schon richtig gestellt werden. Da haben alle hier im Hause eine gewisse, wenn auch unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeit, logisch zu denken. Jetzt werden wir uns einmal mit dem Begriff der Zusätzlichkeit auseinander setzen: Zusätzlich ist das, was zusätzlich ist.

[Mutlu (Grüne): Ach nee!]

Und nicht zusätzlich ist das, was nicht zusätzlich ist.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wenn Sie die öffentliche Verwaltung mit ihren 138 000 Stellen so nehmen, wie sie ist, und wir unterstellen, dass wir eine Außeneinstellung vornehmen, dann haben wir, nachdem der Prozess abgeschlossen ist, 138 000 Mitarbeiter plus 1, d. h. bei der Außeneinstellung von außen ist es okay, da gibt es Zusätzlichkeit. Beim Rest gibt es keine Zusätzlichkeit, denn es erfolgt alles intern. Das können wir auch wunderbar darlegen. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der PDS – Dr. Lindner (FDP): Das hat sich gelohnt!]

Sehr geehrter Herr Senator! Jetzt passiert das, was wohl auch der Regierende Bürgermeister erwartet hat, als er Ihnen das Zeichen gab. Jetzt steht den Fraktionen noch einmal Redezeit zu. Wir

Vizepräsidentin Michels

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der drei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis III Drucksache 15/1973. Eine Beratung ist nicht vorgesehen, so dass wir gleich zur Abstimmung kommen. Beide Ausschüsse empfehlen mehrheitlich – im Fachausschuss gegen FDP und Grüne, im Hauptausschuss gegen CDU, FDP und Grüne – die Annahme des Gesetzes mit Änderungen gemäß Beschlussempfehlung des Fachausschusses Drucksache 15/2219. Wer dem seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist das Gesetz mit den Änderungen gemäß Beschlussempfehlung durch die Regierungsfraktionen angenommen.

haben schon eine Meldung. Die Fraktion der Grünen beginnt. Fünf Minuten! – Herr Schruoffeneger, bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Keine fünf Minuten, genauso kurz! Ich glaube, Herr Sarrazin, darüber werden wir noch einmal länger diskutieren müssen, aber nicht jetzt und hier.

[Zuruf: Schade!]

Wenn Sie Stellen aus dem Stellenpool haben, Stellen, die automatisch bei Pensionierung der Betroffenen wegfallen, freiwerden, kein Geld mehr kosten, Stellen, wo die Betroffenen automatisch bei Freiwerden einer anderen Stelle irgendwo in der Verwaltung, für die sie ausreichend qualifiziert werden, versetzt werden und dann auch kein Geld mehr im Pool kosten, wenn Sie diese Stellen umwandeln in Stellen beim Stellenpool, wo genau diese Menschen natürlich ersetzt werden, wenn sie ausscheiden, und nicht mehr weitervermittelt werden, dann sind es nach unserer Interpretation 83 zusätzliche Stellen, die dauerhaft, solange der Pool existiert, finanziert werden müssen. Damit unterscheidet sich diese Belastung sehr deutlich von Überhangkräften im Stellenpool selber.

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Trapp (CDU)]

Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir jetzt zu den Abstimmungen. Beide Ausschüsse empfehlen zum Gesetz mehrheitlich – im Fachausschuss gegen die Fraktion der Grünen bei Nichtteilnahme der CDU und der FDP, im Hauptausschuss gegen die Fraktionen der CDU und der Grünen bei Enthaltung der FDP – die Annahme des Gesetzes mit den Änderungen gemäß der Beschlussempfehlung des Fachausschusses Drucksache 15/2218. Wer dem seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist das Gesetz mit den Änderungen gemäß Beschlussempfehlung so angenommen bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP gegen die Stimmen von CDU und Grünen.

Der Antrag der Fraktion der Grünen – Drucksache 15/2244 – wurde bereits vorab an den Hauptausschuss überwiesen. Ich stelle die nachträgliche Zustimmung fest. Uns liegt bereits jetzt die dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses – Drucksache 15/2284 – vor. Die FDP ist dem Antrag unter der Maßgabe von Änderungen, die sich aus der dringlichen Beschlussempfehlung ergeben, beigetreten. Der Hauptausschuss empfiehlt mehrheitlich – mit SPD und PDS gegen CDU, FDP und Grüne –, den Antrag abzulehnen. Wer dem Antrag unter Maßgabe der angesprochenen Änderungen dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Oppositionsfraktionen. Gegenprobe! – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5:

II. Lesung

Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz und zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes Berlin