Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

Dass die Univerwaltungen sicher nicht mehr so aufgebläht sind, dass man dort 75 Millionen € rausholen könnte, weiß jeder – alles andere zeugt von glattem Realitätsverlust.

[Beifall bei der CDU]

Was jetzt ansteht, ist ohne Zerstörung der vorhandenen Strukturen nicht mehr zu machen. Ein flächendeckender NC, Abbau ganzer Fakultäten, keine Versorgung der Landeskinder, Kahlschlag in der Medizin, runter mit den ausfinanzierten Studienplätzen auf 65 000 – halb so schlimm, Herr Flierl, wie Sie mal in der Zeitung gesagt haben? Halb so schlimm ist auch noch schlimm genug. Wir können uns unter diesen Bedingungen leider auch nicht dazu aufraffen, den neuen Hochschulverträgen zuzustimmen – das ist das wichtigste Instrument in der Wissenschaftspolitik, aber mit solchen Einsparvorgaben und

Frau Grütters

Ja, Herr Dr. Lindner, wenn man mich hier falsch zitiert, dann müssen Sie schon ertragen, dass ich das klarstelle. Frau Grütters neigt ja dazu, überall selektive Zitate auszustreuen, ob in der „Abendschau“ oder hier im Parlament. Was ich gesagt habe, ist: Wissenschaftssenator Erhardt hat die Humboldt-Universität ohne Rücksicht auf Strukturplanung und die anderen Hochschulen ausgebaut. Dabei geht es nicht darum, die richtige Frage zu klären, wie sichere ich die Arbeitsfähigkeit die

ser zu DDR-Zeiten etwas vernachlässigten Institution, gerade was die bauliche und andere Ausstattungen angeht. Es geht darum, ob man zusammen mit den anderen Universitäten, also der FU und der TU, ein integriertes Angebot macht, was an welchem Standort vorhanden ist. Damals ist die Humboldt-Universität ohne Rücksicht auf Verluste mit hunderten von neuen Hochschullehrern ausgebaut worden. Die FU ist dabei genauso wie die TU vernachlässigt worden, und Sie, Frau Grütters, haben das als Pressesprecherin von Herrn Erhardt noch als positiv verkauft. Ich finde das ziemlich bigott, wenn Sie sich dann hier hinstellen und erklären, das sei die richtige Hochschulpolitik gewesen und gleichzeitig brauchten wir eine neue Strukturplanung.

So geht das nicht. Doppel- und Mehrfachangebote sind damals massiv aufgebaut worden, die wir jetzt auf den Prüfstand stellen. Das hat eine Menge Geld gekostet – allein die landwirtschaftlich-gärtnerische Fakultät ist unter Herrn Erhardt auf 45 Professuren ausgebaut worden.

Dann haben Sie dem Abgeordneten Flemming vorgeworfen, er würde Berlin mit Oldenburg und ähnlichem vergleichen. Herr Flemming hat Ländervergleiche angesprochen, Frau Grütters, das ist eine seriöse Zahl, die in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlicht war. Wenn Sie die nicht lesen, ist das Ihr Problem. Sie können aber nicht behaupten, wir würden unseriös arbeiten.

den daraus resultierenden Signalen aus den Unis kann man von uns keine Zustimmung erwarten.

Ich habe im Übrigen von allen Vorrednern nicht einen einzigen Vorschlag für Reformen an den Unis gehört. Ich wiederhole das, was ich schon häufig gesagt habe, Herr Flemming, wir sind die Einzigen, die wirklich konstruktive Vorschläge machen: Schaffen Sie als Erstes die ZVS ab, dann können sich die Unis zu 100 % ihre Studierenden selbst auswählen – das wäre ein Schritt gegen die Massenatmosphäre und die Anonymität. Werfen Sie keine Nebelkerzen in Bezug auf Studienkonten oder Langzeitstudiengebühren. Sie, die SPD, haben jahrelang die Diskussion über vernünftige Studiengebühren verweigert. Sehen Sie zu, dass sich die Unis nicht mit Abwehrkämpfen beschäftigen müssen, sondern Studienreformen umsetzen, d. h. Freischussregelungen, Modularisierung der Studienangebote, Prüfungsverfahren verkürzen. Es ist der Staat, der den Studierenden die wertvolle Lebenszeit klaut, es sind nicht die Studierenden, die gern 17 Semester an der Uni bleiben – das liegt vielmehr daran, dass in Berlin eine Staatsprüfung für das Lehramt über ein Jahr dauert, weil der Senat das nicht richtig geregelt kriegt. Credit points gehören ebenso dazu.

Sie machen sich lustig über Stiftungsunis, weil das unser Vorschlag war. Bei der Kultur klappt das merkwürdigerweise mit PDS und SPD neuerdings auch, und unter unserer Regie hat das auch funktioniert. Warum eigentlich nicht bei den Unis? Die Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf macht das jetzt vor, Niedersachsen auch, Berlin kommt mal wieder zu spät, weil Sie nichts Besseres zu tun haben, als sich darüber lustig zu machen. Wenn wir alle diese Vorschläge umsetzten, könnten in Kürze 40 statt nur 30 % eines Jahrgangs studieren. Sie wollen die Bildung besser stellen, tatsächlich haben Sie mit der Koalitionsvereinbarung hauptsächlich bei der Bildung gekürzt, bei der Unimedizin und den Schulen in freier Trägerschaft, so sehen die nackten Wahrheiten Ihrer Bildungspolitik aus. Passen Sie nur auf, dass Ihnen das die Studierenden nicht noch länger vorführen, ziehen Sie sich warm an, ohne die Unis, ohne die vielen jungen Menschen in der Stadt wird es um viele Grade kälter in Berlin. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin Grütters! – Das Wort zu einer Kurzintervention erhält nun der Herr Kollege Gaebler. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

[Oh! von der CDU – Dr. Lindner (FDP): Eine reicht doch pro Tag!]

[Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

[Zuruf der Frau Abg. Oesterheld (Grüne)]

Jetzt sagen Sie mir mal, ob das richtig und notwendig für den Wissenschaftsstandort ist.

[Wieland (Grüne): Natürlich!]

Dass Sie sich, liebe Frau Professorin Grütters, für die Belange der Hochschullehrer einsetzen, kann ich nachvollziehen. Aber es ist ja wohl noch legitim, eine Erhöhung des Lehrdeputats von acht auf neuen Stunden zur Diskussion zu stellen, um zu sehen, ob man damit die Präsenz der Hochschullehrer vor Ort und die Studienbedingungen verbessert. Dass Sie das einfach vom Tisch wischen, ist aus Ihrer persönlichen Sicht verständlich, aber unredlich.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Frau Grütters, Sie haben Ihre Rezepte für den Umbau der Berliner Hochschullandschaft leider wieder verschwiegen. Sie sagen, was Sie alles nicht wollen, aber Sie sagen nicht, was Sie wollen. Weil einige Studierende hier zuhören, sage ich es klar und deutlich: Sie wollen eine Privatisierung der Hochschulen,

[Dr. Lindner (FDP): Ja!]

Einstieg durch die Stiftungsuniversität. Sie wollen eine Selektion der Studierenden durch Auswahlgespräche; Sie wollen, dass die Hochschulen über die Professoren selbst entscheiden dürfen, wer bei ihnen studiert; Sie wollen Studiengebühren einführen, und zwar für alle Semester; Sie wollen Zwangsexmatrikulation und anderes, um die

Gaebler

Als Honorarprofessorin kann ich Sie beruhigen. Nicht mein Lehrdeputat ist das Problem. Ich mache seit 14 Jahren einen braven Unterricht mit einem Ostgehalt – und übrigens nur der Hälfte davon. Wenn Sie mein Beispiel nähmen, hätten alle hier kein Problem.

Dass sie mit dem Lehrdeputat die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Berlin verschlechtern, das sollten Sie aber zu Kenntnis nehmen. Herr Gaebler! Die Studienreform kommt dadurch zu Stande, dass man den Zugang verbessert, dass man die Abschlüsse verbessert und dass man die Studienbedingungen verbessert. Die Schließung der ZVS, Herr Gaebler – Sie grinsen schön, weil Sie wenig Interesse dafür zeigen –, ist mindestens der entscheidende Punkt für zügige Hochschulreformen. – Schönen Dank!

Vielen Dank für die Replik! – Es folgt die PDS-Fraktion in Gestalt des Kollegen Hoff. Er hat das Wort, und ich bitte um Hörsaalstille, damit wir Herrn Hoff lauschen können. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beitrag, der mich am meisten überrascht hat, ist der von Frau FugmannHeesing. Ich würde Sie an einer Stelle beim Wort nehmen. Sie haben gesagt, es wäre schön, wenn in wir Niedersachsen, Hessen und Thüringen rot-rote Regierungen hätten. Tun Sie mir den Gefallen, rufen Sie nach der Wahl in Thüringen im nächsten Jahr den heutigen Bildungsstaatssekretär im Bundesbildungsministerium an, dass Sie auch als kleinerer Koalitionspartner in eine rot-rote Landesregierung in Thüringen gehen. Ich fand das wirklich nett, und es hat mich überrascht. Ich würde mich freuen, wenn Sie das machen würden.

Studienzeit zu kontrollieren. Wenn Sie diese Rezepte bei den Streikvorlesungen vortragen würden, dann wären Sie wirklich ehrlich. Das machen Sie nicht, und deswegen sind Sie unseriös.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Frau Grütters wird selbstverständlich replizieren. Sie hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Gaebler! Ich weiß nicht, wo Sie vor zehn Jahren waren. Das weiß ich wirklich nicht.

[Zuruf von der PDS: An der TU!]

Eines ist jedoch klar: Ohne Rücksicht auf die Strukturen die Humboldt-Universität aufgebaut zu haben, würde in erster Linie bedeuten, dass Ihre Kollegen, die damals mit uns in der großen Koalition waren – Sie waren damals nicht dabei, Sie haben in Wilmersdorf gesessen, das kann sein –, einfach nur mitgemacht haben, einfach nur blind waren, nicht hingesehen haben und – weil sie dem Experten Erhardt wahrscheinlich getraut haben – zugesehen haben, wie die Humboldt-Universität wieder aufgebaut wurde. Ich kann mich gut daran erinnern, was die Hauptprobleme der Humboldt-Universität waren – nämlich die Altlasten aus einer sehr traurigen DDR-Vergangenheit abzubauen. Frau Dürkop kann davon ein traurig, ein garstig Lied singen. Wir haben uns mit dem ersten Präsidenten dort herumgeplagt, Ulf Fink, der jetzt PDSAbgeordneter ist.

[Heiterkeit und Beifall bei der PDS]

Ach, Entschuldigung! Heinrich Fink! Sie wissen, Ulf Fink ist unverdächtig, mit der Stasi etwas zu tun zu haben. Das war der andere Fink, und der ist jetzt PDSAbgeordneter im hohen Norden. – Das waren die Probleme, mit denen wir in den Anfangsjahren der HumboldtUniversität gekämpft haben. Die beste und erfolgreichste Uni-Einrichtung – Herr Gaebler, ich reagiere übrigens gerade auf Sie! –, die Humboldt-Universität war die beste und erfolgreichste Universität in Deutschland. Dass Sie das heute nicht mehr gern sagen, weil Sie nicht mehr den Senator stellen, kann sein. Tatsache ist aber, dass die FU im selben Umfang, in dem Geld in die HumboldtUniversität geflossen ist, leider dafür bluten musste. Das waren unsere Probleme, die wir dabei hatten. Sie dagegen behaupten heute, wir hätten das überhaupt nicht miteinander abgestimmt. Im Gegenteil! Ganz im Gegenteil! Vielleicht ist die FU damals übrigens zu sehr herangenommen worden. Das würde ich heute eher so sehen. Dass eine loyale Pressesprecherin die Politik ihres Senators vertritt, ist wohl das Mindeste, was Sie erwarten können. Ich weiß nicht, wie Sie mit Ihren anderen Kollegen umgingen. Die SPD jedenfalls, Herr Gaebler, war die gesamte Zeit mit dabei.

Die landwirtschaftlich-gärtnerische Fakultät gehört – nur zu Ihrer Information – zu den Fusionsfachbereichen und ist deshalb etwas größer aufgebaut. Dass sie die teu

erste Fakultät ist, ist der Grund dafür, warum Herr Mlynek sie sich jetzt vorgenommen hat.

[Brauer (PDS): Das dauert uns!]

[Beifall bei der CDU]

Ich möchte mich insbesondere mit dem Beitrag von Oliver Schruoffeneger auseinander setzen, weil ich finde – das muss man auch einmal zugeben –, dass sich in vielen Punkten beispielsweise Jochen Esser und ich viel näher sind als Jochen Esser und Dr. Lindner im Hauptausschuss oder der Kollege Zimmer im Hauptausschuss. In einem Punkt – dass muss man vielleicht nicht hier im Plenum, aber insgesamt einmal zugeben –, haben Sie sich, als Sie die Klage eingereicht haben, auf eine gemeinsame Klageschrift verständigt. Ehrlich gesagt, ist doch die grüne Fraktion ganz froh, dass sich die FDP-Position, die jede Konjunkturpolitik im Zusammenhang mit der Finanzpolitik gern für verfassungswidrig erklärt haben wollte, dass diese Position sich nicht durchgesetzt hat, dass das Landesverfassungsgericht sich für eine aktive Konjunkturpolitik ausspricht. Dann geht es um die Frage, wie man es macht. Das Verfassungsgerichtsurteil hat Ihnen – ehrlich gesagt – noch die Möglichkeit gegeben, eine Politik, bei der Sie sich sonst ziemlich hätten verbiegen müssen, weiterhin durchzusetzen, nämlich Haushalts

Lisa Paus! Mal zuhören! Einfach nur einmal zuhören, sich nicht gleich mitreißen lassen. Okay, sie kann es nicht! – Wenn ich mich hier hinstellte und sagte: „100 000 Studienplätze ist das mittelfristige Ziel von RotRot.“ – Ein richtiges Ziel! – Aber was würden Sie machen? Was würde Volker Ratzmann machen? Was würde Oliver Schruoffeneger machen? Was würde Lisa Paus machen? – Skandal! Skandal! rufen und sagen: „Sie behaupten 100 000 und werden mittelfristig möglicherweise nicht einmal mehr 85 000 Studienplätze sichern können.“ – Ich sage Ihnen, das Gleiche trifft auf Sie zu. Sie wissen heute nicht, wie Sie 85 000 Studienplätze mit den eigenen

Finanzierungsvorschlägen sichern können. Sie sagen in der Öffentlichkeit, dass 100 000 Studienplätze angeboten werden müssen, sagen aber nicht, wie Sie diese finanzieren wollen. Aus diesem Grund ist die Forderung nach 100 000 Studienplätzen, wie Lisa Paus einmal sagte, ab dem Jahr 2009 nichts weiter als Zukunftsmusik. Ich setze mich mit Ihren 100 000 Studienplätzen jetzt nicht auseinander, weil es eine Zukunftsmusik ist. Diese Zukunftsmusik hilft heute niemandem der Studierenden, denen Sie als Alternative sagen, dass Sie 100 000 Studienplätze wollen. Denen hilft Ihr leerer Satz von 100 000 Studienplätzen nicht, weil Sie niemandem sagen können, wie Sie es realistisch umsetzen wollen.

Vielleicht hat er es auch nicht verdient. Stimmt! Das war ein sehr richtiger Hinweis. – Ich halte dafür lieber ein Versprechen aus meinem ersten Redebeitrag. Was haben wir eigentlich in den letzten Jahren gemacht? Wir haben Strukturreformen in der Hochschulmedizin gemacht. Der sogenannte Puddingsenator, Sie Oberschreihals Lindner, hat hier durchgesetzt, dass es zu einem rationalen Verfahren einer Strukturkommission gekommen ist. Wir haben die Sicherung der Tarife im Forschungsbereich. Wir haben Umstrukturierungen im Forschungsbereich realisiert, beispielsweise beim Heinrich-Hertz-Institut. Wir haben das politische Mandat verbessert. Wir halten es mehr für Bekenntnispolitik. Es ist Inhalt linker emanzipatorischer Hochschulpolitik, für die wir hier stehen.

politik mit Konjunkturpolitik zu verbinden, so wie RotRot es auch will.