Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

Wir haben damit übrigens alle gemeinsam bei der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses angefangen und haben das Lehrerbildungsgesetz novelliert und hoffen einfach, dadurch Verbesserungen zu erhalten. Dazu haben Sie genauso gestanden wie wir auch.

Die Vorschläge der Universitäten zur Umsetzung der geplanten Einsparungen sind sicher aus der Sicht der Präsidien nachvollziehbar. Aber sie berücksichtigen natürlich nicht primär die Interessen der Gesellschaft. Nicht die des Wissenschaftsrats, der Wirtschaft, des umgebenden Bundeslandes, der Bundespolitik, der Fachhochschulen, der außeruniversitären Einrichtungen. Nicht zuletzt die der Studierenden. Das muss und wird in die Planung Einlass finden und sichtbar werden.

[Zuruf der Frau Abg. Grütters (CDU)]

Ein Beispiel dazu: Wenn man die Semesterwochenstunden eines Professors an der Universität von acht auf neun erhöhen würde, hat man 12 % mehr Lehrleistung. Das ist genau die Kürzung, über die wir finanziell jetzt reden. Es gibt also Varianten zu sparen,

[Ratzmann (Grüne): Und bei der schlechten Qualität bleiben!]

effizienter zu sein, ohne dass Studienplätze daran glauben müssen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Proteste, die wir seit einigen Wochen in der Stadt erleben, sind richtig. Die Studierenden haben Recht. Sie wehren sich gegen rot-rote Politik. Das ist richtig, und das ist in Berlin schon fast zur Bürgerpflicht geworden, denn dem, was Sie nicht nur in diesem Bereich, sondern auch in anderen Bereichen an konzeptionsloser, an zerstörerischer Politik an den Tag legen, dem muss tatsächlich entschlossen entgegen getreten werden.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die Ursache für die Proteste ist schnell benannt. Es geht um die Streichung von 75 Millionen € für die Hochschulen. – Was bedeutet das im Ergebnis?

[Over (PDS): Die Ursachen liegen doch ganz woanders! – Oi! von der CDU – Zurufe von der CDU]

Das ist hochgradig interessant, von denjenigen, die mit ihrer Stimme ermöglichen, dass an der TU 80 von 353 Professorenstellen, an der FU 80 von 364 Professorenstellen, an der Humboldt Universität 90 von 383 Professorenstellen abgebaut werden. Dass Ihnen nichts besseres einfällt, als sich mit solchen Zwischensprüchen zu rechtfertigen.

[Beifall bei der CDU]

Rechtfertigen Sie sich lieber vor den Studierenden!

[Zurufe von der PDS]

Rechtfertigen Sie sich vor den Studierenden für das, was Sie ihnen antun!

[Beifall bei der CDU]

Dann kommt noch eines in gewohnter Art und Weise hinzu: Genauso, wie die Kollegen im Parlament offen

Wenn es beispielsweise um das Verbot von Studiengebühren geht, muss ich Ihnen sagen, dass es schwierig ist zu begründen, warum wir beispielsweise für Kindertagesstätten Gebühren erheben, ein Hochschulstudium aber kostenfrei sein soll.

Aber auch dieses muss man an Bedingungen knüpfen. Ich glaube, dass wir einen sozialen Ausgleich brauchen, dass wir Leistungskriterien brauchen, nach denen auch in einem Stipendiensystem Hochbegabte wegen der Studiengebühren nicht daran gehindert werden dürfen, ein Studium aufzunehmen.

Vor allem müssen die Studierenden auch eine Gegenleistung bekommen, für das, was sie dort zahlen. Sie brauchen bessere Bedingungen an den Universitäten. Deswegen ist eine zwingende Voraussetzung, dass diese Gelder in der Tat in die Universitäten fließen und dort auch verbleiben. Nur Studiengebühren zu verlangen, um den maroden Berliner Landeshaushalt zu finanzieren, wird es mit der CDU-Fraktion in diesem Haus nicht geben.

sichtlich nicht in der Lage sind, sich sachgerecht mit dem Thema auseinanderzusetzen, drückt sich der Senat hervor. Es war ein ganz bequemer Auftritt: Herr Wowereit im Schonwaschgang mit Frau Christiansen und einer Studentenvertreterin aus Hannover. Wenn ihm die Demonstranten einmal leibhaftig begegnen, flüchtet er sich in ein Restaurant, damit er mit ihnen auch gar nichts zu tun bekommt.

[Beifall und Heiterkeit bei der CDU Henkel (CDU): Ein begnadeter Showstar!]

Dann haben wir noch den Herrn Sarrazin, der heute auch nicht anwesend ist und sich in gewohnter Weise sowohl mit den Studierenden auseinandersetzt als auch mit der Problematik selbst. Man hört merkwürdige Statistiken, es wird von Bildungsexport gesprochen, wofür man tatsächlich noch Geld haben will. Die Wiedergabe mancher Dinge, die man von ihm noch vernimmt, ist dermaßen unparlamentarisch, dass ich sie heute nicht zitieren möchte.

Weiter haben wir noch Herrn Flierl, der der zuständige Senator ist, sollte man zumindest laut Geschäftsverteilungsplan annehmen. Herr Flierl, Ihr großes Problem ist es, dass Sie möglicherweise von einem guten Sinn beseelt sind. Das möchte ich Ihnen einmal an dieser Stelle unterstellen. Ich weiß zwar nicht genau, was Sie eigentlich wollen, weil man von Ihnen so wenig hört, aber Sie sind nicht durchsetzungsfähig!

[Beifall bei der CDU]

Sie sind nicht durchsetzungsfähig innerhalb des Senats und innerhalb der Regierungskoalition. Das Einzige, das Ihnen einfällt, ist, dass Sie die Studierenden zu Kaffee und Kuchen bei Ihnen einladen. Wenn Sie Ihnen zu lange bleiben, sind es plötzlich keine Gäste mehr. Dann wird die Polizei geholt und wieder nach Hause geschickt. Herr Flierl, bei allem Respekt, Sie sind der schwächste Wissenschaftssenator, den dieses Land je gesehen hat!

[Beifall bei der CDU – Doering (PDS): Lesen Sie Mickey-Mouse-Hefte? – Liebich (PDS): Lächerlich!]

Nun geht es um die Frage, was man in der Hochschulpolitik will. Ich kann Ihnen sagen, worum es uns geht. Es geht uns darum, in der Tat im Minimum die Ausfinanzierung der 85 000 nominell bestehenden Studienplätze sicherzustellen. Es geht uns aber auch mittelfristig darum – ich halte das auch für richtig –, dass mehr Studienplätze in der Stadt ein Gewinn für die Stadt wären. Deswegen ist die Forderung auch, auf eine Zielgröße von 100 000 oder 110 000 innerhalb eines mittelfristigen Zeitraumes im Rahmen der Ausfinanzierung zu kommen, völlig korrekt und richtig.

[Liebich (PDS): 200 000! – Doering (PDS): 250 000!]

Nun können wir uns die Forderung der Studenten noch weiter anschauen, weil ich nicht verhehlen will, dass ich nicht mit jeder Forderung einverstanden bin. Nicht jede Forderung kann ich teilen. Auch das gehört mit dazu,

wenn man sich miteinander auseinandersetzt. Wir reden wenigstens mit den Studierenden im Vergleich zu Ihnen.

[Hoff (PDS): Im Unterschied zu wem?]

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD, den Grünen und bei der FDP]

[Beifall des Abg. Wansner (CDU)]

[Beifall bei der CDU]

Ein weiteres Ziel ist die Verbesserung der Ausstattung. Das ist völlig korrekt. Wenn Sie sich den Zustand bei den Professoren im akademischen Mittelbau anschauen, haben Sie in der Tat in der Vergangenheit einen Abbau gehabt, der den Studienbedingungen nicht wirklich gut getan hat. Es gibt zu große Gruppengrößen, in Seminaren, in Vorlesungen und Übungen. Das ist eindeutig ein Problem, die technische Ausstattung an vielen Stellen auch. Sehen Sie sich die Bibliotheken an. Wenn ich die Bibliothek im Fachbereich Jura an der Freien Universität, an dem ich im Jahr 1995 mein 1. Staatsexamen gemacht habe – das ist nun schon ein paar Jahre her –, besuche, treffe ich dort viele alte Bekannte. Es sind nicht die Grauen-Panther-Langzeitstudenten, sondern die Bücher. Es sind die gleichen Bücher, mit denen ich zum guten Teil schon gelernt habe. Das zeigt, wo das Problem liegt.

[Doering (PDS): Wer hat denn die Grundlagen geschaffen? Das ist doch nicht erst seit gestern so!]

Das Problem liegt darin, dass wir nicht einmal mehr in der Lage sind, dort das Niveau zu halten, das es in der Vergangenheit einmal gab. Wir müssen uns inzwischen darauf verlassen, dass Studenten selbst nach ihrem Staatsexamen entsprechende Kommentare spenden. Ich finde es zwar gut, dass sie das tun, aber ihre Aufgabe ist es mit Sicherheit nicht.

Nun gibt es noch eine Forderung, die ich ganz interessant und diskussionswürdig finde. Es geht um die Frage, wie die Qualität der Lehre an der Universität verbessert

Man könnte jetzt einiges zu den volkswirtschaftlichen Effekten sagen, die Bildungs- und Hochschulpolitik in

dieser Stadt haben, den auch die eingesetzten Mittel haben. Zur Einnahmeseite, ein beliebtes Streitthema zwischen Opposition und Regierung, kann man in der Tat auf den DIW-Bericht 39/01 – für diejenigen, die einmal nachfragen wollen – verweisen, den Sie alle kennen. Frau Kollegin Paus hat schon darauf hingewiesen, inwieweit Sie mit jedem eingesetzten Euro auch tatsächlich 3 bis 4 € generieren können. Denken Sie daran – auch das muss man an dieser Stelle sagen –, dass jeder Studierende, der in die Stadt kommt, auch im Wege des Länderfinanzausgleichs auf Grund des Stadtstaatenprivilegs für die Stadt auch dort einen Mehrwert bedeutet, und vor allen Dingen die Studierenden in Berlin wohnen und leben. Sie konsumieren, sie mieten, sie gehen essen, sie gehen trinken, sie bringen Geld in die Stadt. Sie tun etwas für diese Stadt, indem sie Nachfrage produzieren. Schon allein deswegen sind sie mir herzlich willkommen.

Last but not least gibt es dort auch Spill-over-Effekte, was den wirtschaftlich-technologischen Fortschritt in der Stadt angeht. Tatsächlich ist auch das Geld, das wir in unsere Hochschulen investieren, angewandt in praktischer Wirtschaftförderung.

Wenn Sie Ihre Hochschulpolitik so weiter betreiben, werden unsere juristischen Fakultäten bald nur noch solche staatsrechtlichen Koryphäen wie Herrn Wowereit produzieren. Ihnen würde es helfen, wenn keiner mehr in Lage ist, eine Verfassung richtig zu lesen. Aber ich sagte es schon: Bildung ist die Investition mit der höchsten Rendite, denn sie bringt verantwortungsbewusste und kreative Menschen hervor. Wenn ich mir diesen Senat ansehe, brauchen wir diese heute nötiger denn je. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

werden kann, oder zumindest das, was Professoren dort tun. Ob man jeden Professor zum Angestellten machen muss, weiß ich nicht. Man muss aber darauf achten, dass eine regelmäßige Evaluation stattfindet, Leistungskriterien auch dort eine Rolle spielen und tatsächlich der überwiegende Aufwand dessen, was Professoren an den Universitäten tun, in ihre eigentliche Berufung, nämlich in die Lehre der Studierenden, einfließen lassen; das dürfte selbstverständlich sein.

Nun muss man zu den Universitäten aber noch eines sagen: Auch dort muss man Verantwortung tragen. Vor allen Dingen müssen die Präsidenten ihrer Verantwortung gerecht werden, sicherlich auch die Studenten, wobei sie dieses tun, indem sie sich tatsächlich nicht nur in einen einfachen Streik begeben, sondern sich auch kreativ – an vielen Stellen vielleicht etwas zu kreativ – mit dem Problem auseinandersetzen.

Es ist nicht der richtige Weg, sich darüber zu unterhalten, Studiengänge zusammenzulegen, solange wir nicht daran gehen, Verwaltungen zusammenzulegen. Schauen Sie sich die Kostenanteile an, wie viel in den Bereich der Lehre geht und wie viel im Bereich dessen verbleibt, was einfach Overheadkosten sind. Da gibt es ein krasses Missverhältnis. Das sind Verpflichtungen der Universitäten, aber auch Verpflichtungen der Berliner Wissenschafts- und Hochschulpolitik, dort auch entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich habe kein Problem damit, dass Sie den Verwaltungsbereich – angefangen von der Hochbauabteilung bis zur Personalpersonalverwaltung – zu einem Service-Profitcenter zusammenfassen und nur noch eine Differenzierung dort vornehmen, wo es darauf ankommt, nämlich im Bereich der Lehre. Das wäre ein richtiger Schritt!

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Dr. Flemming (SPD)]

Richtig ist auch, dass die Universitäten eine steuerfinanzierte Institution sind. Deswegen haben die Berliner auch einen Anspruch darauf, dass diese möglich effizient organisiert wird. Das bedeutet nicht nur Produktivität im Sinne von: Studierende möglichst schnell durch die Universitäten schleifen, schleppen, ziehen oder treiben, sondern auch, darauf zu achten, dass die Qualität der Ausbildung so ist, dass man damit am Ende auch etwas anfangen und sein Leben selbst in die Hand nehmen kann.

Der Berliner Landeshaushalt wird häufig als Begründung auch in diesem Zusammenhang herangezogen. Allerdings bin ich der Meinung, dass man ein paar Dinge voneinander trennen muss. Das Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofes macht eine relativ klare Vorgabe, denn es versucht, Ihnen deutlich zu machen, dass diese Stadt ein Zukunftskonzept und Zukunftsinvestitionen braucht. Dass die Bildung die Zukunftsinvestition schlechthin ist, dürfte doch völlig unstreitig sein.