Protokoll der Sitzung vom 19.02.2004

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Goetze das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier, glaube ich, eine der schlechtesten Abschiedsreden gehört,

[Beifall bei der CDU– Vereinzelter Beifall bei der FDP]

die jemals ein Senator aus dem linken Teil dieses Hauses von sich gegeben hat. Das war die vorgetragene Sprachlosigkeit. Neben den Fakten, die die Verwaltung ihm aufgeschrieben hat, hat Herr Strieder nicht ein einziges Wort zur Sache gefunden. Er hat dann auch noch bei den angeblich persönlichen Bemerkungen ein Zitat verwendet.

[Henkel (CDU): Und jetzt sagt er Tschüss beim Regie- renden!]

So haben wir Sie noch nie erlebt, Herr Strieder! Sie haben in den vergangenen Jahren mächtig ausgeteilt. Keine Beleidigung – insbesondere auch gegenüber der CDUFraktion –

[Och! von der PDS]

war Ihnen zu mies und zu schäbig, um sie in der politischen Auseinandersetzung nicht anzubringen.

[Beifall bei der CDU]

Und heute hat die Haustechnik erst einmal die Mikrofonanlage lauter stellen müssen, damit wir Sie überhaupt verstehen konnten.

[Heiterkeit bei der CDU und der FDP]

Das war schon bemerkenswert:

[Beifall bei der CDU]

eine vorgefertigte Rede ohne eigenen Beitrag,

[Klemm (PDS): Nicht schlecht war das Zitat von Herrn Hassemer!]

bei der Sie sich große Mühe gegeben haben, nicht auch noch falsch abzulesen – alles wahrscheinlich juristisch durchdekliniert, kein Risiko für Sie und insofern eine ganz miese Performance, die Sie hier abgegeben haben – ganz im Gegensatz zu Ihrem sonstigen Charakter.

[Beifall bei der CDU]

Der Kollege Müller hat vorhin die deutliche Mehrheit der CDU in der großen Koalition beschworen. Ich sage: Gut, dass wir sie hatten! Wir haben, was das Thema Tempodrom angeht, eine Entscheidung getroffen – die Herr Strieder mit seinem Zitat vom Kollegen Hassemer auch noch einmal unterstützt hat –, die auch vom übrigen Haus mitgetragen wurde, nämlich die Grundsatzentscheidung, das Tempodrom mit einer Anfangsfinanzierung so auf den Weg zu bringen, wie es dann auch tatsächlich gemacht worden ist. Das ist aber überhaupt nicht das Thema dieser politischen Auseinandersetzung,

[Klemm (PDS): Doch! Das ist der Anfang! Das ist genau das Thema!]

sondern das Thema dieser politischen Auseinandersetzung ist, wie in der Folge das Abgeordnetenhaus über den Tisch gezogen worden ist, desinformiert worden ist, was es für eine miese Bauausführung und -durchführung gab, wie bei der Projektsteuerung versagt und wie hier an der Verantwortlichkeit der Abgeordneten vorbei agiert wurde. Das ist das Thema

[Beifall bei der CDU – Anhaltende Zurufe bei der PDS]

Radebold

und nicht die Grundsatzentscheidung, dass das Tempodrom zu Beginn eine gute Förderung bekommen sollte.

Der Kollege Wechselberg hat es zwar vorhin bestritten, aber Sie von der PDS sind da raus.

[Heiterkeit und Zurufe von der CDU– Doering (PDS): Nein! Er hat es nicht gesagt!]

Lesen Sie Ihre eigene Rede nach! Sie brauchen sich dazu nicht weiter zu äußern. – Der Kollege Wechselberg hat hier eine Rede gehalten nach dem Motto: Wer nichts macht, macht keine Fehler. Wir als PDS haben noch nie etwas gemacht, also haben wir auch noch keine Fehler gemacht. – Unsere Vorstellung von Stadtpolitik ist eine andere, und deswegen war auch die Grundsatzentscheidung zum Tempodrom richtig,

[Beifall bei der CDU]

und das, was ab 2001 folgte, war ein Skandal,

[Doering (PDS): Und die Bürgschaften? – Klemm (PDS): Das ist unglaublich!]

nämlich schlechte Projektsteuerung und vor allen Dingen ein sehr merkwürdiges Gebaren im Zusammenhang mit allem, was im weitesten Sinn mit Zuwendungsrecht zu tun hat. Wir kennen viele Beispiele – auch aus dem Hause Strieder, aus der Stadtentwicklungsverwaltung –, wie kleine Zuwendungsempfänger drangsaliert werden, wie sie einen umfangreichen Katalog von Nebenbestimmungen bekommen, wie sie kontrolliert werden, wie die Abrechnungen eingefordert werden usw. Das ist aber offensichtlich ein Verfahren, das schätzungsweise ab einer Grenze von einer halben Million oder einer Million Euro nicht mehr greift. Da kann man mit einem Federstrich plötzlich durch Senatsvorlagen Millionenbeträge herausreichen – mit welchen Tricks und Kniffen auch immer. Und dass man für das Tempodrom, das eigentlich Flächenverbrauch verursacht und als Baukörper ökologisch immer negativ zu betrachten ist, auch noch Umweltfördermittel herausreichen muss, das spielt alles gar keine Rolle. Man hat es so gemacht, und deswegen ist auch alles, was mit dem Zuwendungsrecht und der Kontrolle der Herausreichung der Mittel zu tun hat, hier offensichtlich schief gelaufen.

Die Frage, die wir aber auch noch betrachten müssen, ist die, wie es mit dem Sponsoring oder der Spende aussieht, die die SPD hier verbucht hat bzw. offensichtlich nicht verbucht hat – da gab es ja unterschiedliche Aussagen aus dem Hause der Landes-SPD. Dass das für die SPD ein echtes Problem ist, machte schon Frau FugmannHeesing am vergangenen Montag im SFB deutlich. Sie versuchte, die Deutungshoheit über das Parteiengesetz zurückzuerlangen, und erfand das Sponsoring, das nicht über eine Parteikasse laufen muss, wo man auch keinen Nachweis bringen muss und das ein Begriff ist, den das Parteiengesetz erstaunlicherweise gar nicht kennt. Das ist eine interessante Sache, und es lohnt sich sicherlich, sich damit etwas intensiver zu beschäftigen.

Was sagt uns das alte Parteiengesetz, das 2001, zu dem Zeitpunkt des Sponsoringbetrags, gültig war? – Es sagt:

Der Rechenschaftsbericht ist nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes zu erstellen.

Mit dieser allgemeinen Formulierung wollte man nämlich all diese Unschärfen erschlagen. Was ist der Gesetzeszweck? – Der Gesetzeszweck ist Transparenz und das Laufenlassen von Zuwendungen über die Bücher. Dieses Sponsoring, das hier zu betrachten ist, oder besser gesagt: die nicht verbuchte Spende ist weder transparent gewesen, noch scheint sie über die Bücher gelaufen zu sein. Deswegen ist das ein wesentlicher Punkt, mit dem sich der Untersuchungsausschuss auch zu beschäftigen hat, wesentlich zur Transparenzherstellung.

[Beifall bei der CDU]

Wenn die Landes-SPD Probleme mit der Verbuchung der Spende hatte, dann kennt § 24 Abs. 2 neben den Spenden auch noch die Einnahmen aus Veranstaltungen und die sonstigen Einnahmen. Darüber wollte man es auch nicht laufen lassen, weil die Einnahmen aus Veranstaltungen eine Steuerpflicht begründen, und da war der Kämmerer der SPD offensichtlich auf Sparsamkeit angewiesen.

Und wir haben den § 25 Abs. 1:

Ausgenommen von den Spenden sind solche, die erkennbar in Erwartung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden.

ein wichtiger Satz. Auf diesen Satz werden wir im Ausschuss zurückkommen, und zwar auch in der Summe dessen, was an angeblichem Sponsoring oder nicht verbuchten Spenden in der Vergangenheit von der SPD erlangt worden ist. Für den letzten Wahlkampf musste man bereits eine zweite Zahlung zugestehen, die jetzt überprüft wird. Allerdings sollen wir erst im März das Ergebnis bekommen, das ist auch nicht sonderlich flott. Insofern wird sicherlich das eine oder andere in diesem Bericht vielleicht auch noch auftauchen. Nachfassen lohnt sich hier ganz sicher.

Untersucht werden muss also, ob diese rund 5 000 € als Spende einzuschätzen sind – ich meine: ja –, und untersucht werden muss in diesem Zusammenhang auch, wie sich der Bundestagspräsident an dieser Stelle verhalten hat. Wir haben die merkwürdige Situation – natürlich widersprochen von den Sozialdemokraten –, dass in dem einen oder anderen Fall, der mit Parteienfinanzierung zu tun hat, der Bundestagspräsident Herr Thierse in der Vergangenheit immer wieder in den Verdacht kam, nicht so ganz unparteilich zu agieren.

[Zuruf von der CDU: Auch ein Parteipräsident!]

Und in dieser Frage wird der Landes-SPD sofort sekundiert – jedenfalls nach Presseberichterstattungen –, indem eine Mitarbeiterin des Bundestagspräsidenten ihr sofort zur Seite springt und sagt: Ja, wir haben es hier mit einem

Sponsoring zu tun. Das ist etwas ganz anderes. Es steht zwar nicht im Gesetz drin – ich füge mal hinzu: wird jetzt aber so neu interpretiert von Frau Fugmann-Heesing und der Landes-SPD –, da brauchte man aber nichts zu machen. Wichtig ist nur, dass dem Spender gedankt wird! – Das gibt ja eine ganz neue Möglichkeit, kreativ mit den gesamten Parteienfinanzen umzugehen. Man muss also nur dem Spender einmal öffentlich danken, dann braucht man es nicht mehr über die Bücher laufen zu lassen, und dann ist man aus dem Schneider. Ich glaube, so geht es nicht, und deswegen müssen wir hier nachfassen.

[Beifall bei der CDU und der PDS]

Kommen wir noch einmal zum Thema der Projektsteuerung. Wir haben in der „Berliner Zeitung“ am 14. Februar in einem Interview mit Herrn Strieder die Frage lesen können: „Warum sind die Baukosten so explodiert? Wer hat da versagt?“ – In der Tat die richtige Frage. Herr Strieder: „Das kann ich auch nicht erklären. Aber ich bin im Nachhinein stinksauer auf einige Projektbeteiligte. Das Tempodrom war schließlich nie ein Unternehmen mit riesigen Profiterwartungen.“ Aha, das hätte man schon beim Entwurf beachten müssen.

Hier kommen wir zum Kern einer Angelegenheit: entweder einem eklatanten Versagen in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung oder einer Desorganisation. Wofür ist die Stadtentwicklungsverwaltung verantwortlich? – Nach meinem Empfinden trägt sie die Verantwortung dafür, dass bei einem öffentlichen Mitteleinsatz auch sichergestellt wird, dass Zeit eingehalten wird, dass die Baukosten eingehalten werden, dass alles mit rechten Dingen zugeht, dass letztlich ein sicheres Bauwerk entsteht. Wie kann man sich da herausmogeln? – Man kann entweder seine Stadtentwicklungsverwaltung so umbauen, dass man an den entscheidenden Stellen viel zu wenig Personal und Sachmittel zur Verfügung hat, so dass man alles an private Dritte vergeben muss, oder man kann an dieser Stelle völlig versagen, weil die eigenen Leute es nicht packen oder packen sollen – beides zum Schaden des Landes Berlin! Wir können das nicht mehr hinnehmen, und die Liste von Fehlentwicklungen aus der Stadtentwicklungsverwaltung ist ja lang, die alle nach dem gleichen Schema laufen: Ich, Strieder, habe eigentlich nichts damit zu tun. Projektentwickler ist der, Bauüberwachung macht der, Steuerung macht der, und wenn der Pleite gegangen ist, macht das der, hat sich plötzlich angeboten – vieles ohne richtige Ausschreibung und in nicht wenigen Fällen unter dem so genannten Zeitdruck vergeben, bei dem man das landesübliche Vergabeverfahren umgehen kann. Dieser Aspekt ist bei den bisherigen Reden noch nicht allzu sehr beleuchtet worden. Wir kommen da aber zum Kern des Missmanagements dieser Verwaltung von Senator Strieder, und neben dem konkreten Projekt wird eine ganz wesentliche Konsequenz sein, dieses Versagen in der Verwaltung zu Lasten fast jedes Bauvorhabens des Landes, bei dem sich die Kosten verdoppelt haben, zu untersuchen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön! – Für die PDS-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Herr Hoff. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Herr Goetze, die Geschichtslosigkeit der CDU bei den Vorgängen der großen Koalition

[Dr. Steffel (CDU): Das sagt die PDS! – Henkel (CDU): „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“]

hat sich in Ihrer Rede noch einmal eindrucksvoll widergespiegelt. Diese Rede ist schlicht eine Ohrfeige für diejenigen, die für etwas mehr Ehrlichkeit in der Politik einstehen.