Protokoll der Sitzung vom 19.02.2004

[Beifall bei den Grünen und der CDU – Liebich (PDS): Die Fragen haben Sie gar nicht gestellt!]

Bevor ich mich aber Ihrer Antwort zuwende, Herr Lindner, noch eine Anmerkung an Sie: Wenn Sie denken, jetzt den großen Rundumschlag machen zu wollen und zu können, dann tun Sie das! Aber bitte recherchieren Sie sauber! Wenn Ihnen schon bei den kleinsten Details Fehler passieren, dann ist auf den Rest auch nicht viel zu geben. Frau Klotz war nicht in der entsprechenden Senatssitzung anwesend. Herr Wieland hat seinen Wahlkreis nicht in Kreuzberg, sondern in Mitte. – Damit fängt es an. Sie sollten wenigstens in den Anfängen sauber recherchieren!

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Doering (PDS): Zu den anderen Punkten sagen Sie gar nichts!]

Der nächste Punkt: die Bank! – Wenn man sich Ihre Antwort bezüglich der Bürgschaften durch Frau Moessinger und Herrn Waehl so anhört, Herr Strieder, und sich auch in Erinnerung ruft, was beide in der letzten Woche erklärt haben: „Ja, ja, wir haben da Bürgschaften gemacht, aber wir haben doch gar kein Vermögen!“, so kommen einem dunkle Erinnerungen an Fonds der Bankgesellschaft,

[Krüger (PDS): Oh!]

wo irgendwelche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als Bürgen aufgeführt werden, obwohl jeder weiß, dass sie für nichts bürgen können, weil sie nichts haben.

[Over (PDS): Persönlich haftende Gesellschafter!]

Das zeigt, dass auch in diesem Fall sozusagen das alte System Berlin noch funktioniert hat, wer auch immer daran beteiligt war.

Zum Thema Baumaßnahme: Sie haben in Ihrer Schlussrunde noch einmal gesagt, dass das Tempodrom notwendigerweise auf der Baustelle entstehen musste – wegen des Zeitdrucks. Dieses Tempodrom ist planerisch bankrott gegangen. Es hat einen Baubeginn gegeben, als noch nicht einmal feststand, was wo gebaut werden sollte. Es gab unzählige Nachträge. Sie haben es eingeräumt, aber verteidigt. Diese Verteidigung ist nichts wert. Sie alle wissen, dass das Tempodrom nach der Räumung des Standorts am Bundeskanzleramt zwei Jahre am Ostbahnhof stand und eine lange Zwischenphase hatte. Wenn ich bedenke, Herr Strieder, dass in Ihrer Verwaltung jeder Antrag eines kleinen Sportvereins, der 50 000 € für eine Steganlage habe möchte, hin und her geprüft und wochenlang bearbeitet wird, dann ist die Vergabe von Lottomitteln, Bürgschaften und Krediten für eine nicht vorhandene Bauunterlage, für eine Vision, also für ein nicht beschriebenes Projekt, eine Verantwortungslosigkeit ersten Ranges. Das hat die Stadtentwicklungsverwaltung zu verantworten.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Wenn Sie dann als Hauptgrund für die Kostensteigerungen den Winter und den Baubeginn im Februar angeben, aber nicht dieses Chaos in der Baudurchführung und nicht diese Verantwortungslosigkeit bei Ihnen, liegen Sie falsch. Es hat unzählige Nachträge gegeben, Sie haben sie nicht geprüft, und das müssen Sie sich anrechnen lassen.

Ich gebe Ihnen an einem Punkt Recht, und damit komme ich zur Vergangenheitsbewältigung. Auch die grünen Senatsmitglieder der damaligen Zeit müssen sich Vorwürfe gefallen lassen. Sie haben gedacht, wenn ein Senator eine Vorlage schreibt, könne man glauben, was darin steht. Aber sie haben nicht das System Strieder erkannt, das wir auch im Parlament kennen: Jedes Wort, jedes Komma kann dazu dienen, den Inhalt einer Vorlage in sein Gegenteil zu verkehren. Da wird nicht bewusst gelogen, aber getäuscht, und da hofft man, dass es niemand merkt.

[Henkel (CDU): Tricky Peter!]

Das ist gelungen, das gebe ich gern zu.

Herr Strieder, da kommen Sie auch nicht mit dem Hinweis auf die Nacht vom 1. zum 2. Oktober heraus: Es gab in der Senatssitzung am 2. Oktober zwei konkrete Bedingungen. Die eine hieß, wenn einer der Pächter pleite geht, müssen auch die anderen kündbar sein. Die zweite hieß, wir müssen weg von der umsatzabhängigen Pacht zu

Sen Strieder

festen Pachteinnahmen. – Sie haben das selbst in einer Vorlage an den Hauptausschuss bestätigt, als Sie gesagt haben: Ein Hintergrund der Vertragsänderung war genau die Forderung, von umsatzabhängigen Pachten wegzukommen. – Das war am 2. Oktober. Und am 8. Oktober kommen Sie mit einer Senatsvorlage, in der es heißt – das kann man mittlerweile zitieren, weil es die gesamte Berliner Presse schon veröffentlicht hat –: Die veränderten Verträge sind von den Pächtern unterschrieben worden. – Da musste und konnte jeder davon ausgehen, dass das die im Sinne der Besprechung der Vorwoche veränderten Verträge sind, dass diese Konditionen erfüllt waren. Nichts davon war jedoch der Fall. Damit haben Sie meiner Ansicht nach bewusst getäuscht.

[Beifall bei den Grünen – Gaebler (SPD): Sie täuschen hier!]

Sie haben auch dem Parlament gegenüber nicht die Wahrheit über die Anrechnung des Bankenbetrags gesagt. Sie haben uns im Parlament einen Haushaltsentwurf vorgelegt – der Kollege Zimmer ist darauf eingegangen –, in dem 50 Millionen Bankenbeitrag mit einer Zweckbindung für das Schulsanierungsprogramm standen. Sie haben aber der IBB – Sie schreiben, nach Rücksprache mit dem Finanzsenator – erlaubt, 5 Millionen davon abzuziehen, „auf den Bankenbeitrag anzurechnen“, heißt es in Ihrem Schreiben vom Oktober 2002. Wir haben im Parlament lange über den Bankenbeitrag diskutiert, und immer wieder haben wir gehört: Natürlich, der Eingang ist sicher, das wird kommen, das ist für das Schulanlagensanierungsprogramm. – Als wir das diskutierten, war das Geld längst mit Ihrer Zustimmung im Tempodrom „verbraten“; Sie ließen keinen Ton darüber verlauten. Sie haben uns an diesem Punkt hintergangen, alle Parlamentarier, die diesen Entschluss hier gefasst haben.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Somit haben Sie eben nicht nur mit IBB-Geldern gehandelt, sondern direkt in den Landeshaushalt gegriffen. Der Rechnungshof hat dazu sehr deutliche Worte gefunden. Er hat gesagt, das sei ein Verstoß gegen das Budgetrecht des Parlaments, und er hat gesagt, das sei unzulässig gewesen.

Ich möchte in der letzten Minute eine Anmerkung zur Rolle von Herrn Specker machen. Hier wird gesagt, das sei der völlig interessenlose Sponsor. Wenn Sie sich die Protokolle des Stiftungsrates ansehen: Am 21. Februar 2000 war Herr Specker als Gast anwesend. „Herr Specker schlägt vor, Herrn Klussmann zur fachlichen Beratung für das Tempodrom einzusetzen.“ – Herrn Klussmann, Vorstand einer Specker-Firma. Herr Specker ist derjenige gewesen, der mit allen Vorstandsmitgliedern der Landesbank die Gespräche über den Kredit führte. Er ist eine sehr wesentliche Person in diesem Geschäft. Herr Strieder, Sie wissen genau, was kommt: Wir werden in dieser Stadt nicht nur über das Tempodrom reden, sondern auch über Ihre Verflechtung mit Herrn Specker.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Wir werden über das Grundstück der Post reden, das heute im „Tagesspiegel“ erwähnt wurde. Wir werden

reden müssen über die Frage, warum Sie uns jahrelang den Investor „Areal“ für den Bereich Studentendorf Schlachtensee angebracht haben. Wir werden reden müssen über Ihre Rolle bei den sehr niedrigen Pachtverträgen für den Golfclub in Wannsee. Wir werden vielleicht auch über einige Grundstücke im Bezirk Mitte reden müssen. Sie wissen, dass das kommt. Sie wissen, dass sich diese Stadt über Monate damit beschäftigen wird, wie Ihr Verhältnis zu Herrn Specker ist. Tun Sie dieser Stadt einen Gefallen: Ersparen Sie uns das! Sie wissen, dass das nicht durchzuziehen ist. Ziehen Sie Ihre Konsequenzen! Packen Sie Ihre Sachen und gehen Sie!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Radebold das Wort. – Bitte sehr!

[Wegner (CDU): Sagen Sie jetzt, wer SPD- Landesvorsitzender wird? – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP]

Ich kandidiere nicht für den SPDLandesvorstand.

[Weitere Zurufe von der CDU]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, so weit wagt sich noch nicht einmal die Gerüchteküche der Berliner Medien, die in dem Fall, den wir hier diskutiert haben, durch zahlreiche Widerrufe nicht unbedingt dazu beigetragen haben, ein Bild objektiver Berichterstattung zu geben.

Ich bedauere es ein bisschen, Herr Schruoffeneger, dass Sie für Ihre Fraktion die Diskussion so auf sich fokussieren, weil ich mit Herrn Wieland wirklich nicht das Bild von Filz verbinde. Aber die Rechtfertigungsversuche sind mir umso unerklärlicher. Herr Strieder hat hier in einer für seinen Charakter ungewöhnlich sachlichen Weise genau die Fragen – –

[Gelächter und Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen]

Ich hätte nicht geglaubt, dass Herr Strieder für seinen Beitrag einen so umfangreichen Beifall bekommt. – Er hat die Fragen der Grünen beantwortet, die sie hatten. Wenn Sie andere Fragen, z. B. zum Golfplatz, haben, dann hätten Sie sie aufschreiben sollen. Dann hätten wir darüber hier eine Auskunft erhalten.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Das finde ich hochgradig emotional belastend und nicht im Sinne einer sachlichen Debatte am Vorabend der Entscheidung für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses.

Herr Schruoffeneger, Sie sind ja immer ein so besonders sauberer Moralist. Was steht in der roten Nr. 1230, und wie lange haben Sie sie? – Sie haben sie im Hauptausschuss seit 9. Februar.

[Gaebler (SPD): 2003!]

Schruoffeneger

Ja, 2003! – Darin stehen genau die Erläuterungen zu den Bürgschaften der privaten Personen. Warum debattieren wir das ein Jahr später? – Oder wenn Sie die Debatte schon auf sich ziehen: Haben Sie, Herr Wieland, jemals unmittelbar nach den Sitzungen vom 2. und 9. Oktober die Gelegenheit genutzt, sich davon zu überzeugen, was im Vertrag steht?

Wirtschaftspolitisch verstehe ich eines grundsätzlich nicht: Nach meiner Meinung gab es damals von PriceWaterhouse ein Wirtschaftsgutachten, das rosige Einnahmen versprach. Warum sollte man, wenn man glaubt, dass es rosige Einnahmen gibt, Angst vor einer umsatzabhängigen Pacht haben? Herr Lindner, sie kann doch auch mehr bringen! Wenn ich mehr einnehme als einen Grenzwert, bekomme ich auch mehr.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Zahlen Sie denn Miete nach Ihrem Gehalt?]

Entweder hat man an den Inhalt dieses Wirtschaftsgutachtens schon damals nicht mehr geglaubt oder vor einer Entscheidung gekniffen. Soweit ich weiß, ist das später alles ausgeräumt worden.

[Wieland (Grüne): Nein, leider nicht!]

Na selbstverständlich! Wir werden das im Ausschuss zu beurteilen haben.

[Henkel (CDU): Sie wissen nicht viel!]

Ich fürchte, dass unser Ausschuss nur begrenzt erfolgreich sein kann, denn sowohl die Grünen als auch die CDU, Herr Zimmer, sind mit ihrem Urteil fertig. Nun kann das dazu führen, dass die CDU wie auch in anderen Positionen, wenn sie mit einem Urteil fertig ist, sich auch im Ausschuss so verhält. Sie wissen, wir diskutieren gegenwärtig in den Ausschüssen den Haushaltsentwurf 2004/2005. In „bedeutender Wahrnehmung ihrer Verantwortung“ haben sich die Herren von der CDU dort gestern alle insoweit verzogen, dass nur noch ein Kollege der CDU dort war. Wenn wir darüber reden, wie wir Verantwortung wahrnehmen und das Urteil der CDU dazu fertig ist, dann sind wir vielleicht auch mit dem Untersuchungsausschuss schnell fertig.

[Doering (PDS): Wollen wir ja auch!]

Das wäre wirklich ein positiver Ausblick. – Ich danke Ihnen, meine Herren!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Goetze das Wort. – Bitte sehr!