Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne) – Henkel (CDU): Ich habe mich nicht in der „B.Z.“ ablichten lassen!]

Es gibt immer Ausnahmen und auch in der eigenen Partei, Menschen, die das anders sehen. Das gebe ich zu. Die Mehrzahl sieht es aber nicht so.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Es ist nicht sinnvoll, der Bevölkerung zu suggerieren, dass es eine sogenannte Kiezpolizei gibt, die die Aufgaben der Polizei übernimmt, für Sicherheit und Ordnung sorgt und schlagstockschwingend durch die Gegend geht. Viele erinnern sich an die Freiwillige Polizeireserve. Das ist von uns nicht gewollt und wird es hier auch nicht wieder geben.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Die Bürger sind verunsichert. Sie fragen, was jetzt ist und ob es nur noch diese Kiezpolizei gibt. Sie wollen wissen, ob es diese in allen Kiezen gibt und ob sich die übrige Polizei zurückzieht. Das führt zur Verunsicherung und nicht zu einem Sicherheitsgefühl, das wir für die Menschen wollen.

[Beifall bei der SPD]

Wir wollen stattdessen, wie es hier schon von vielen ausgeführt worden ist – ich kann mich nur wiederholen –, Mitarbeiter in den Ordnungsämtern – man kann sie Ordnungsstreifen nennen –, die freundlich, kompetent, rechts- und sachkundig sind und ihre Arbeit im Gespräch mit dem Bürger verrichten und dort, wo es notwendig ist, auch Bußgelder verhängen und die auch in der Lage sind, Dinge schnell zu erkennen.

Die Bezirksbürgermeister haben sich auf einen Kompromiss geeinigt – Herr Henkel, hier bitte ich Sie, einmal zuzuhören und dies nicht zu verfälschen –, nicht nur darüber, was die Ordnungsamtsmitarbeiter können, sollen und dürfen, sondern auch darüber, wie die Ausstattung anzuwenden ist. Sie haben von dieser Ausstattung gesprochen. Ich gebe zu, es haben viele in den Bezirken Handschellen, Schlagstöcke und Pfefferspray gewünscht. Es wurde letztendlich der Kom

wurde letztendlich der Kompromiss erzielt, dass diese Ausstattung nur der Selbstverteidigung dienen soll und zu nichts anderem. Auch Ihr Kollege Zeller hat das so gesagt, obwohl er gegen seinen eigenen Bezirksamtsbeschluss verstoßen hat.

[Beifall bei der SPD]

Für mich hätte Pfefferspray zur Selbstverteidigung gereicht, dass sage ich hier auch so. Ich kann mir für Ordnungsamtsmitarbeiter, die im Außendienst tätig sind, vorstellen, dass diese Handys und ein Datenerfassungsgerät benötigen. Es ist wichtig, dass sie eine Uniform mit dem Bezirkswappen tragen. Das führt zur Identifikation der Bürger. Was ich mir wünsche ist, dass wir den Bezirksämtern schnell helfen, diese Ordnungsämter einzurichten. Die Bürger warten darauf!!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön! – Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Ritzmann das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede von Herrn Senator Körting habe ich etwas als Vernebelungsrede wahrgenommen, weil er sie in erster Linie als Angriff auf die CDU genutzt, aber wohl vergessen hat, dass die Bezirksbürgermeister, die durch die Medien geistern und sich ein Sondereinsatzkommando für ihre Bezirke wünschen, in der Regel SPD-Parteibuch haben.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Also schien es eher ein Appell an die eigenen Parteifreunde zu sein. Ich scheue mich nicht, mich mit der CDU kritisch auseinanderzusetzen. Aber hier ist sie nur eine Stimme im Chor. Die SPD-Kollegen singen doch mindestens genauso laut. Die geschundene Seele der Bezirkspolitiker ist auch nachvollziehbar: Es gibt immer weniger Geld, Kompetenzen werden auf der einen Seite weggenommen, auf der anderen Seite gibt es welche, die aber keiner haben will. Nun gibt es die Möglichkeit, ein wenig Macht auszuüben mit Angestellten, die ein Bezirkswappen tragen und die sozusagen Streife laufen. Der Bürgermeister kann sich immer schön ablichten lassen, im Bezirk wird etwas getan. Das ist menschlich nachvollziehbar, bezirkspolitisch aber absurd und wirklich an der falschen Stelle. Deswegen gibt es das auch nicht.

[Beifall bei der PDS]

Herr Dr. Zotl lobt immer den Diskurs und freut sich über die Modellierung der Prozesse. Herr Dr. Zotl, Sie sind wirklich sehr prozessverliebt. Anders kann ich mir nicht erklären, dass Sie sich hier hinstellen und es als Erfolg feiern, dass über die wesentlichen Fragen diskutiert wird. Das ist kein Erfolg, sondern die absolute Notwendigkeit. Es ist nicht zu huldigen, sondern muss so sein. Wir müssen auf der anderen Seite – –

[Sen Dr. Körting: Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment!]

Herr Dr. Körting, gern! – natürlich auch einmal fragen, wie es mit den Ergebnissen aussieht. Das Abgeordnetenhaus hat doch mit Einvernehmen den Terminplan beschlossen und nicht gegen ihn. Wenn es hier um Blauäugigkeit bei einer Zielvereinbarung geht, bei der beide zustimmen, können wir das nicht auf uns nehmen, sondern müssen den Senat fragen, ob er das richtige Verfahren gewählt hat. Eine Art Koalitionsverhandlung, also alle, die nur irgendetwas damit zu tun haben, werden in ein Boot geholt, alle Bezirksbürgermeister; jeder möchte etwas anderes. Der Senat geht in die Verhandlung ohne eigenes Konzept und wundert sich dann hinterher, dass ein Tohuwabohu dabei herauskommt. Dann bleibt Ihnen von der Koalition nichts anderes übrig, als den Prozess zu loben, in den alle anderen Beteiligten eingebunden waren. Das Ergebnis ist aber wirklich kümmerlich.

[Beifall bei der FDP]

Eine wichtige Frage zum kurzen Draht ist auch für uns entscheidend. Wenn es um Selbstverteidigung geht, wenn es wirklich brenzlig wird, kann es nicht den gleichen Zeitraum beanspruchen wie bei einem Verkehrsunfall, bei dem ich eine dreiviertel Stunde auf die Kollegen von der Polizei warten muss. Es muss eine Art Hotline geben. Dazu hätte ich mir gern eine klarstellende Äußerung gewünscht. Nur ein Handy dabei zu haben, um bei der Polizei anzurufen, würde sicherlich nicht funktionieren.

Wir haben bisher vom Tempo gesprochen. Wenn ich das Tempo Ihrer Deregulierungsansätze nehme, zweieinhalb Jahre sind wir hier zusammen. Es gibt inzwischen einen Gesetzentwurf zur Deregulierung, der 15 konkrete Vorschriften, Anordnungen und Gesetze abschaffen möchte. Wenn Sie mit dem Tempo auch hier weitermachen, haben wir nicht nur ein Problem mit einem nicht vorhandenen Mentalitätswechsel. Vielmehr brauchen wir für diesen Senat einen Tempowechsel. Hängen Sie sich einmal herein. Ansonsten müssten wir bei Daten, wenn wir vom 1. April oder 1. September sprechen, immer noch das Jahr dahinter festlegen, sonst kämen wir nie voran!

[Beifall bei der FDP – Doering (PDS): Offen lassen!]

Danke schön! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Kubala das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am heutigen Tag sollten die Ordnungsämter ihre Arbeit aufnehmen. Das haben auch schon Vorredner erwähnt. Es ist aber nichts daraus geworden. Wir werden wieder einen Sommer mit Bildern mutwilliger Zerstörung in den Parkanlagen, mit wilden Grillfeten, die ihre Schäden hinterlassen, erleben. Wir klagen den Senat an, dass er an dieser Stelle seine Aufgaben nicht gemacht hat. Er hat sich nicht frühzeitig bemüht, mit den Bezirken gemeinsam eine Lösung für dieses Problem zu finden. Insbesondere haperte es am Personal, das Präsenz in den Grünanlagen zeigen soll.

Wir fordern den Senat deshalb auf, jetzt umgehend die 22 Mitarbeiter aus dem Stellenpool zur Verfügung zu

stellen, damit sie in den Parkanlagen – wie auch immer ausgestattet – ihre Runden drehen können. Aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes – und da muss ich meiner Vorrednerin deutlich widersprechen: Das Thema ist sehr wohl eines für die Fachpolitiker und Fachpolitikerinnen, die sich hier deutlich in die Diskussionen einbringen müssen – möchte ich noch zwei Aspekte erwähnen.

Erstens: Die neu zu gründenden Ordnungsämter brauchen eine fachliche Steuerung. Wir begrüßen es grundsätzlich, dass die Ordnungsämter bürgernah sein wollen, aber Verwaltungsvereinfachung darf nicht auf Kosten fachlicher Einzelfallbetrachtung gehen. Der Fachverstand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Umwelt- und Naturschutzämtern muss erhalten bleiben und im Verwaltungsverfahren, im Genehmigungsverfahren Eingang finden. Die Vermeidung von Schäden steht immer vor der Bestrafung. Das Ordnungsrecht ist immer die „letzte Keule“, die wir herausholen. Wir müssen im Vorfeld immer sehen, dass Schäden vermieden werden.

[Beifall bei den Grünen]

Was heißt das jetzt konkret für die Neugründung der Ordnungsämter? – Es gibt zum einen einfache Standardverfahren, zum Beispiel die Meldung von Kiezfesten. Das kann sicher ganz unproblematisch im Ordnungsamt geschehen. Da braucht man unter Umständen nicht einmal mehr eine Genehmigung. Das kann vereinfacht werden. Darüber hinaus gibt es Verfahren, bei denen das Ordnungsrecht zu kurz greift. Da müssen die Fachleute aus den Umwelt- und Naturschutzämtern heran.

Einige Beispiele dazu: Das sind zum einen Großveranstaltungen in Grünanlagen. Da müssen Auflagen erteilt werden, um irreparable Schäden in den Grünanlagen zu verhindern. Ein weiteres Beispiel sind die Lärmbeschwerden, etwa in Mitte. Dort sind umfangreiche Lärmmessungen notwendig. Dort sind Mediationsverfahren zwischen Anwohnern und Geschäftstreibenden notwendig. Das muss unter Hinzuziehung von Fachleuten geschehen.

Ein weiteres Beispiel ist die Beurteilung und Genehmigung von Baumfällungen. Auch dies ist ein Fall für die Fachleute. Das kann nicht die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter am Tresen des Ordnungsamtes leisten. Dort ist fachliche Kompetenz erfahrener Experten aus den Verwaltungen gefragt. Diese Experten haben zudem auch die Gesamtsituation des Bezirkes im Blick. Sie können fachlich beurteilen, ob ein Fest in den Grünanlagen stattfinden soll oder nicht. Ziel der Ordnungsämter ist es nicht, möglichst viel Bußgeld einzunehmen, sondern Konflikte im Vorfeld zu vermeiden. Hier ist die Verbindung von Ordnungsrecht und Fachwissen in den Fachämtern unerlässlich.

In dem Zusammenhang möchte ich einen zweiten Aspekt erwähnen: Wer Schäden in Grünanlagen vermeiden will, muss frühzeitig auf Umweltbildung und Umweltinformation setzen. Das heißt, Präventionen, damit Schäden vermieden werden und damit auch die Arbeit von Ordnungs

ämtern zumindest erleichtert, wenn auch nicht überflüssig gemacht wird. Das heißt aber auch, konsequent auf Umweltbildung zu setzen, und zwar von frühester Kindheit an. Das heißt, den Kindern schon im Kindergarten die Verbindung von Umwelt und Natur zu vermitteln. Denn wer einen Zugang zu Umwelt und Natur hat, der geht in der Regel auch pfleglicher damit um.

Der Bildungssenator entzieht sich diesem Bildungsauftrag konsequent. Es werden Bildungseinrichtungen geschlossen, die genau dies zum Auftrag haben, auch wenn es bei den staatlichen Zuschüssen nur um Bagatellbeträge geht. Die Folge ist: Es findet keine Umweltbildung statt. Menschen, die den Wert von Natur und Umwelt nicht kennen, werden auch mit Grünanlagen nicht pfleglich umgehen können.

Die Ordnungsämter müssen umgehend eingerichtet werden, aber die Arbeit wird nur erfolgreich sein, wenn zum einen Mitarbeiter/-innen vor Ort sind und wenn flankierend dazu Umweltbildung und Umweltinformation stattfindet.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 3:

a) II. Lesung

Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) zur Ausweitung der Möglichkeiten der Videoüberwachung

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 15/2632 Antrag der CDU Drs 15/1827

b) Beschlussempfehlung

Mehr Liberalität in Berlin (I) – die Schleierfahndung abschaffen

Mehr Liberalität in Berlin (IV) – Rasterfahndung eingrenzen

Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG)

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 15/2637 Antrag der Grünen Drs 15/1818 Antrag der Grünen Drs 15/1833 Antrag der CDU Drs 15/2371

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der jeweiligen Artikel beziehungsweise Paragraphen der einzelnen Anträge zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch.