Was Sie hier getan haben, ist etwas anders. Es verdient natürlich Anerkennung. Das habe ich hier schon während der Haushaltsdebatte gesagt. Es ist eine kleine historische Stunde, was dieses Haus wieder einmal nicht bemerkt, aber das liegt an diesem Haus und nicht an dem, was geschieht. Tatsächlich wird erstmals in einem Bundesland eine seinerzeit verschärfende Maßnahme aus dem Polizeirecht wieder gestrichen. Bevor es nicht geschehen ist, kann ich es immer noch nicht glauben.
Deswegen rede ich auch nicht lange. Ich will das nicht gefährden und will hier keine Eilt-Faxe oder Anrufe des Kollegen Innenministers Schily provozieren. Natürlich macht sich ein Innensenator damit keine Freunde in der herb-männlichen Innenministerkonferenz, das muss man auch sehen.
Man muss auch sehen, dass es ein gewisses Rückgrat und einen gewissen Widerspruchsgeist erfordert, bei dieser Linie zu bleiben. Es war auch ein weiter Weg, Kollege Zillich, denn die ersten Stellungnahmen zu unserem Antrag, die Schleierfahndung abzuschaffen, lauteten aus dem Hause der Innenverwaltung noch: Selbst wenn wir keine Erfolge haben, können wir nicht ausschließen, dass sie doch etwas bewirkt, weil wir nicht wissen, wer was unternommen hätte, wenn es die Schleierfahndung nicht gäbe, dieses „man weiß ja nicht, was ansonsten geschehen wäre“. Eine ähnliche Argumentation haben wir auch noch bei der Rasterfahndung.
Dennoch, obwohl oder gerade weil der Weg sehr weit war, ist diese Entscheidung eine mutige. Sie ist allerdings auch überfällig. Mit der Schleierfahndung wurde der rechtsstaatliche Rubikon seinerzeit deutlich überschritten. Sie war in Berlin auch deswegen völlig deplaziert, weil Berlin bekanntlich keine wegfallende Schengeninnengrenze hatte. Wir sind nur von einem Land umgeben, Herr Henkel, das ist das Land Brandenburg. Nur, anders als Sie vermuten, tragen wir dort noch nicht die Verantwortung für die Regierungspolitik. Deswegen ist auch Videoüberwachung in Potsdam nicht, wie Sie es eben gesagt hatten, uns anzulasten, da müssen Sie noch warten bis zum 19. September, dann wird sich das ändern.
Schließlich und endlich ist es notwendigerweise auch ein Anfang einer rechtsstaatlichen Besinnung darauf, was der Staat eigentlich darf, ob er – wie die CDU uns immer sagt – alles darf, weil er ja per se gut ist und rechtsstaatlich handelt oder ob wir nicht hier auch die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, die klassischen Bürgerrechte, in Abwägung bringen müssen.
Da gefällt uns die Einschränkung der Rasterfahndung deutlich weniger, denn wir hatten drei Dinge auf Grund der Erfahrungen mit der Rasterfahndung gefordert. Und, Herr Felgentreu, das waren nicht kleine Nicklichkeiten,
die man hier gemacht hat, man hat schlicht losgerastert ohne polizeiliche Anordnung, man lief jeden Tag mit einem anderen Antrag zum zuständigen Richter, der sie dann jeweils unterschrieben hat. Man fiel von einem Extrem ins andere mit dieser Rasterfahndung. Dem wollten wir durch dreierlei vorbeugen: Wir wollten die Entschei
dung einem Kollegialgericht überantworten, wir wollten den Datenschutzbeauftragten zwingend vorher einschalten, und wir wollten eine Benachrichtigungspflicht für alle, die von der Rasterfahndung umfasst werden. Dies haben wir nicht bekommen. Nur bei wohlwollender Betrachtung ist das Glas dessen, was Sie heute ändern, halb voll. Aber auch hier wird das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Denn auch für die Rasterfahndung gilt: Alles Rastern hat bundesweit keinen einzigen Treffer erbracht. Der Flurschaden war groß. Der bürgerrechtliche Flurschaden war immens. Der Ertrag war gleich null. In Zukunft wird man sich überlegen müssen, was man tut.
Ich schließe meinen Redebeitrag mit einem Zitat des Datenschutzbeauftragten, der gestern bei der Vorstellung seines Berichts gesagt hat:
Die Notwendigkeit der Bekämpfung von Terrorismus und Schwerkriminalität verschärft zusehends Forderungen nach neuen Maßnahmen zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr. Die flächendeckende Videoüberwachung auf Bahnhöfen, die Telefonüberwachung zu präventiven Zwecken und die Bewegungsverfolgung durch Nutzung stiller SMS sind nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zu vereinbaren.
Da hat er Recht. An diesen Dingen werden wir weiter arbeiten. Sie werden weitere Anträge von uns bekommen, Herr Ritzmann, zu mehr Liberalität in Berlin. Heute wurde ein Schritt gemacht, weitere sollten folgen.
Vielen Dank, Herr Wieland! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, so dass wir zu den Abstimmungen kommen können.
Zu dem Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1827 – die Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes – empfiehlt der Ältestenrat mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU-Fraktion die Ablehnung. Wer dem Antrag jedoch seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDU. Danke schön! – Die Gegenprobe! Das sind sämtliche anderen Fraktionen. – Enthaltungen? Keine. Dann ist das abgelehnt.
Die Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 15/1818 – Schleierfahndung abschaffen – und 15/1833 – Rasterfahndung eingrenzen – sowie der Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 15/2373 – Änderungen des ASOG – wurden im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung mehrheitlich gegen die Fraktion der CDU gemeinsam in neuer Fassung angenommen. Wer so gemäß Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2637 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Regierungsfraktionen, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. – Die Gegenprobe! Das ist die Fraktion der CDU. – Dann ist das mehrheitlich gegen die Stimmen der
Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der fünf Artikel zu verbinden und höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis V, Drucksache 15/1919. Eine Beratung ist nicht vorgesehen, so das wir zur Abstimmung kommen können. Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die Fraktion der Grünen die Annahme der Vorlage mit Änderungen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist das so in der veränderten Vorlage mehrheitlich beschlossen.
Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Sondervermögens Immobilien des Landes Berlin
Ich eröffne die II. Lesung, schlage vor, die Einzelberatungen der zwei Artikel miteinander zu verbinden und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II, Drucksache 15/2572. Eine Beratung ist wiederum nicht vorgesehen, so dass wir zur Abstimmung kommen können. Der Ausschuss empfiehlt einstimmig die Annahme der Vorlage. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.
Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten
zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der FDP, Herr Kollege Thiel hat das Wort. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man in diesen Tagen angesichts Haushaltskrise und Urteil des Landesverfassungsgerichtshofs mit Berlinerinnen und Berlinern über die Auswirkungen der praktischen Politik redet – und das außerhalb des Parlaments –, dann kriegt man das ganze Spektrum ab von Resignation – „Die machen ja sowieso was sie wollen“ –, Ablehnung –„ Typisch“ – oder aber Beschimpfungen zu hören. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Politik und die politischen Entscheidungen nicht transparent und auch schwer nachvollziehbar sind für jeden, der sich für Politik interessiert, aber nicht – so wie Sie – täglich mit Politik zu tun hat.
Da werden in Berlin etwa 3 Milliarden € an Steuergeldern für Subventionen ausgegeben, und auf der anderen Seite werden Bereiche, die durchaus Subventionen verdienen würden, radikal gekürzt.
Ich gebe Ihnen drei Beispiele, um die Widersprüchlichkeit dieser Politik zu illustrieren: Wir haben gerade in den letzten Wochen in diesem Hause intensiv darüber diskutiert, ob die Schulen in freier Trägerschaft weitere Kürzungen verdienen oder nicht. Wir wissen, sie sind kostengünstiger als öffentliche Schulen, wir wissen, dass ihre Leistungsfähigkeit durchaus im oberen Bereich, wenn nicht gar darüber liegt, und sie haben einen Nebeneffekt, den wir alle sehr begrüßen: Sie fördern bürgerschaftliches Engagement, was in anderen Bereichen nicht selbstverständlich ist. Doch was wird von Seiten des Senats gemacht? – Diese Schulen werden zur Ader gelassen.
Ein anderes Beispiel verdeutlicht das genaue Gegenteil – die BVG. Sie kassiert etwa 500 Millionen € an Subventionen im Jahr von diesem Senat. Es ist leider kein Aprilscherz, dass ausgerechnet am heutigen Tag die Fahrpreise nach außen hin gesenkt, gleichzeitig aber die Leistungsfähigkeit des einzelnen Fahrscheins um 50 % reduziert wird. Die Preissenkung hätte ich gerne mal erklärt. Ehrlicher ist man da schon bei den Monatskarten, die hat man gleich durchschnittlich im Preis erhöht.
Ich nenne ein drittes Beispiel, das uns noch länger beschäftigen wird. Leider sehe ich den zuständigen Senator nicht, aber Herr Flierl wird sich freuen, Stichwort: Berliner Symphoniker. Auch da hat der Senat klare Entscheidungen getroffen: Subventionen weg zu Gunsten einer ideologischen Politik. All das führt bei den Betroffenen und bei den Interessierten zu Ärger, zu Verärgerung und fördert auf keinen Fall das, wogegen wir gemeinsam anarbeiten, nämlich zu mehr Politikverständnis.