Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

Kurzsichtig war auch der Verzicht auf die Olympiabewerbung Berlins. Abgesehen davon, dass sich die Menschen auf Olympia gefreut hätten, wären die Spiele ein lohnendes Ziel sowohl für die Wirtschaft als auch für die sportbegeisterten Menschen in ganz Deutschland gewesen.

[Beifall bei der CDU]

Die gleiche Zaghaftigkeit beim Flughafen Berlin-Brandenburg: Dieser Flughafen ist nicht nur eine Jobmaschine für die gesamte Region, sondern er ist das wichtigste Infrastrukturprojekt der gesamten neuen Bundesländer.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Doering (PDS): Warum haben Sie ihn nicht gebaut?]

Wer im Schul- und Bildungsbereich so wie Sie mit dem Rotstift hantiert, der streicht unseren Kindern die Zukunft. Wenn Sie schon die PISA-Studie nicht überzeugt, dann sollten Sie sich wenigstens in diesem Punkt an Ihre eigenen Wahlplakate erinnern.

[Oh! von der SPD]

Sie wollen bei der Kultur sparen und offensichtlich drei Theater und eine Oper schließen. Aber wer die Axt an die Kultur legt, beschädigt die Wurzeln der deutschen Hauptstadt Berlin.

[Beifall bei der CDU]

Und ob die Menschenmassen künftig nach Berlin pilgern werden, um Ihr Rosa-Luxemburg-Denkmal zu besichtigen, wage ich ernsthaft zu bezweifeln.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sie, Herr Wowereit, haben darüber hinaus zwar nicht überraschend, aber bemerkenswert den letzten SED-Vorsitzenden zum Wirtschaftssenator vorgeschlagen. Und um noch einen daraufzusetzen, haben Sie eine in Moskau ausgebildete DKP-Funktionärin zur Sozialsenatorin vorgeschlagen.

[Heiterkeit bei der PDS – Zurufe von der PDS]

Herrn Strieder haben Sie gleich zweimal vorgeschlagen. Das haben Sie wahrscheinlich mehr gemusst als gewollt, denn ohne seine Strippenzieherei wären Sie heute nicht auf dieser Regierungsbank.

[Doering (PDS): Alles schon gelesen, nichts Neues!]

Aber dass Sie ihn als Fondsnutznießer bis heute nicht aus dem Aufsichtsrat der Bankgesellschaft abberufen haben, ist schlicht und ergreifend skandalös.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sie entscheiden entweder gar nicht oder auf falschen Grundlagen. Sie beschreiben die Probleme, geben keine Antworten. Ihr Einsatz rund um die Uhr für diese Stadt ist inzwischen Gegenstand vieler böser Kommentare. Sie zerstören mutwillig Vertrauen wichtiger gesellschaftlicher Gruppen. Sie legen Hand an die wichtigsten Zukunftsoptionen der Stadt: Sicherheit, Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Arbeitsplätze. – Sie stellen wichtige Zukunftsprojekte in Frage und vermindern damit die Entwicklungschancen Berlins und eine Steigerung der so dringend benötigten Einnahmen. Sie verantworten das erste Zusammengehen mit der SED, sind aber nicht einmal bereit, bei Senatoren die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei jedem einfachen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Handwerklich mangelhaft, unprofessionell – wie wir heute gehört haben –, visionslos und kurzsichtig! Diese Politik hat Berlin nicht verdient.

[Zurufe von der PDS]

Herr Dr. Steffel! Sie müssen zum Schluss kommen!

Sofort, Herr Präsident! – Zum härtesten Mittel, dem Misstrauensantrag – also der roten Karte –, greifen wir so kurz nach der Wahl natürlich noch nicht. Aber unser Missbilligungsantrag – also die gelbe Karte – soll dokumentieren, dass sich die Berlinerinnen und Berliner Sorgen machen, wenn Sie, Herr Regierender Bürgermeister, so weitermachen wie bisher.

[Heiterkeit bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen! Nehmen Sie Ihr Recht als Volksvertreter wahr, ein Zeichen der Mahnung zu setzen! Darum bitte ich Sie im Interesse der überwältigenden Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Das Wort hat nun der Herr Abgeordnete Nolte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Steffel! Sie brauchen sich nicht so viel Sorgen um Berlin zu machen, Sie sollten sich mehr Sorgen um den Zustand der größten Oppositionspartei in diesem Parlament machen! Dazu will ich nachher noch etwas sagen.

[Niedergesäß (CDU): Erst kommt Berlin, dann kommt die Partei!]

Es ist gut so, dass Ihre Partei bei der Wahl auch nur ein Prozent mehr bekommen hat als der kleinere Partner in dieser Regierung. Und das, glaube ich, bewahrt uns davor, uns Sorgen um die Stadt machen zu müssen.

[Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU]

Ich möchte Ihnen gleich vorweg sagen: Die SPD-Fraktion hält Ihre Missbilligung des Regierenden Bürgermeisters im Stil für anmaßend und in der Sache für unbegründet. Wir werden Ihren Antrag, der in der Begründung auch noch mit persönlichen Verunglimpfungen gespickt ist, deshalb ablehnen.

[Beifall bei der SPD und PDS]

Herr Steffel, eine Sache möchte ich noch persönlich hinzufügen: Sie haben doch im Wahlkampf selbst erfahren, wie schlecht es für die demokratische Kultur ist, wenn man verunglimpft wird und wenn Dinge aus der persönlichen Vergangenheit herausgekramt werden. Aber Sie sind, glaube ich, wirklich ein Mensch, der nicht hinzulernt. Ansonsten müssten Sie sich eigentlich an die Spitze derjenigen stellen, die gegen die persönliche Verunglimpfung von Politikern auftreten. Aber Sie machen das Gegenteil.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ich habe mich natürlich gefragt, welche Gründe Sie haben, dem Regierenden Bürgermeister, bevor er überhaupt seine Regierungserklärung abgegeben hat, das Misstrauen auszusprechen. Was veranlasst Sie, gegen solche guten parlamentarischen Bräuche zu verstoßen?

Ich sehe drei mögliche Gründe: Erstens – und das halte ich in Ihrem eigenen Interesse für den Hauptgrund – meinen Sie die Missbilligung selbst nicht ernst. Einen Hinweis darauf gibt das Datum Ihres Antrags: Es war der 8. Februar, der Freitag vor Rosenmontag. – Sie, Herr Steffel – das wissen wir aus dem Wahlkampf –, sind ja bayerisch-österreichischen Traditionen ohnehin stärker verbunden als protestantisch-preußischen.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der PDS]

Deshalb vermute ich, dass Sie mit Ihrem Antrag eher der Verbreitung der Faschingsidee in Berlin einen Schub geben wollten denn der sachlichen politischen Auseinandersetzung. Herr Steffel als Vorsitzender eines Elferrates der Gegenregierung im Fasching in Berlin – das hätte allerdings auch einen gewissen Charme.

[Dr. Steffel (CDU): Gehen Sie auf die Sache ein!]

Zweitens – und hier wird die Sache schon ernster, Herr Steffel: Sie werfen dem Regierenden Bürgermeister in Bezug auf seine Wahlaussagen Betrug und Täuschung vor. Ich bin deshalb diese Wahlaussagen noch einmal Punkt für Punkt durchgegangen – sie sind im Wahlkampf verteilt worden, und darauf können Sie sich ja auch nur beziehen –, und tatsächlich wird man fündig, aber in einem völlig anderen Sinn, als Sie in Ihrem Antrag behaupten. Die Wahlaussagen beginnen mit:

Geordnete Finanzen entscheiden über die Zukunftsfähigkeit Berlins.

Das habe ich auch schon von der CDU gehört. Ich denke, hier gibt es allgemeine Zustimmung. – Dann geht es weiter:

Durch die Bankenkrise hat sich die finanzielle Situation des Landes Berlin dramatisch verschärft.

Mal unabhängig von Schuldfragen sind wir da wohl auch noch einig. – Und nun kommt es, und da beginnt möglicherweise Ihre Kritik:

Die CDU-Spendenaffäre in Verbindung mit der Bankenkrise belastet Berlin zusätzlich mit mindestens 600 Millionen DM jährlich.

„Mindestens 600 Millionen DM jährlich“, aber in der Tat, der Schaden, den Leute wie Herr Landowsky angerichtet haben, ist voraussichtlich höher und in seinen Ausmaßen immer noch nicht völlig geklärt.

[Niedergesäß (CDU): Du redest nur herum! – Zuruf des Abg. Wansner (CDU)]

Sie sagen, Herr Steffel, dass der Regierende Bürgermeister als langjähriger Fraktionsvorsitzender und haushaltspolitischer Sprecher es hätte besser wissen müssen. Aber mal ehrlich: Wer hat denn im Sommer des letzten Jahres, als Wahlkampf war und

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