Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

Danke schön! – Nun hören wir den Vertreter der Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Henkel. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedauere sehr, dass unsere Aktuelle Stunde zu diesem Thema vorhin keine Zustimmung erhielt.

[Doering (PDS): Sie können ja jetzt reden!]

Zur Problematik selbst wurde bereits viel gesagt. Ich will noch einmal deutlich aus unserer Sicht sagen: Das Parlament ist hier in der Verpflichtung, korrigierend einzugreifen. Es ist übrigens sehr bemerkenswert: Der Regierende Bürgermeister streicht mit einem Federstrich die 23 Auszubildenden weg. Hier wird in den Ausschüssen, im Innenausschuss – im Hauptausschuss war es jedenfalls der Fall –, von den Koalitionsparteien ein Stück weit zurückgerudert. Das ist ein interessanter Politikstil: Zwei Schritte vor, einen Schritt zurück, so kann man Politik auch betreiben.

[Lorenz (SPD): Das war Lenin. Zwei Schritte vor, einen zurück! – Zuruf des Abg. Hillenberg (SPD)]

Ich weiß nicht, warum Sie sich aufregen, das ist doch völlig klar. Hat das Denken Schlagseite, greift es zum Schlagwort. Tun Sie das. Dort oben ist Ihr Publikum, das wird es Ihnen danken, wie Sie sich hier verhalten.

Die aktuelle Diskussion um die 23 Anwärterinnen und Anwärter sowie die damit verbundenen Einsparungen für den Haushalt des Landes Berlin sind einfach nur grotesk. Dies wird umso deutlicher, da diejenigen Nachwuchskräfte, die ihre Prüfung nicht bestehen, diese nach einem Jahr wiederholen dürfen und in dieser Zeit weiter beschäftigt sind, während andere mit der Prüfungsnote 1,3 beispielsweise nicht übernommen werden. Dies ist grotesk und leistungsfeindlich.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich habe vorhin gesagt, dass auch der öffentliche Dienst seinen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten muss, aber bitte nicht auf dem Rücken der Schwächsten. Zudem helfen Zahlenschiebereien bei der Ausbildungsquote für Berufe der öffentlichen Verwaltung und für Beamtenanwärter in der Hauptverwaltung überhaupt nicht und sind eher geeignet, die Öffentlichkeit über die tatsächliche Misere der Ausbildung zu täuschen.

Ich will hier noch einmal die Zahlen vergegenwärtigen. Für alle Senatsverwaltungen mit ihren nachgeordneten Behörden werden pro Jahr nur 30 Verwaltungsfachangestellte und Fachangestellte für Bürokommunikation als Nachwuchskräfte für rund 10 000 Angestellte in der Hauptverwaltung über drei Jahre ausgebildet. Das entspricht einer Ausbildungsquote deutlich unter einem Prozent. 23 Beamtinnen und Beamte des mittleren allgemeinen nichttechnischen Dienstes – also Regierungssekretärinnen und -sekretäre und Anwärterinnen und Anwärter – als Nachwuchskräfte für rund 4 400 Beamte in der Hauptverwaltung während drei Jahren ausgebildet, das entspricht einer Ausbildungsquote deutlich unter zwei Prozent. 45 Beamtinnen und Beamte des gehobenen allgemeinen nichttechnischen Dienstes – also zum Beispiel zu Regierungsinspektoranwärterinnen und -anwärtern ausgebildet – studieren dafür drei Jahre an der Fachhochschule für Verwaltung als Nachwuchskräfte für rund 3 500 Beamte in der Hauptverwaltung. Das entspricht einer Ausbildungsquote von ca. vier Prozent. Das lassen Sie sich einfach einmal auf der Zunge zergehen.

Die sehr niedrigen Ausbildungsquoten reichen also nicht einmal aus, auch nur ein Drittel des vorhandenen Personals durch junge, gut ausgebildete Nachwuchskräfte zu ersetzen. Selbst bei stark schrumpfenden Personalzahlen sind die Ausbildungsquoten für eine zukünftig ausgewogene Personalstruktur im mittleren Dienst viel zu gering und im gehobenen Dienst gerade einmal ausreichend. Dieser Senat rühmt sich jedoch mit einer Quote von über 8 Prozent und begründet das unter anderem mit der Nichtübernahme dieser Berufsanfänger im Jahr 2002. Und Senator Sarrazin ist stolz darauf zu verkünden, dass das bis einschließlich 2006 gilt.

Bisher galten für alle Verwaltungsberufe mit ihren speziell auf die öffentliche Verwaltung ausgerichteten Ausbildungsinhalten Einstellung nach Bedarf und Übernahme bei nicht zu schlechten Leistungen. Wir reden hier von 23 Beamtenanwärterinnen und -anwärtern, die mindestens mit der Note 2,99 abgeschlossen haben. Auf diese bislang geltenden Grundsätze müssen Auszubildende und Beamtenanwärter weiterhin vertrauen dürfen, dies im Interesse – ich hatte das vorhin in der Begründung der Aktuellen Stunde gesagt – einer dauerhaft gut funktionierenden öffentlichen Verwaltung und damit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Das heißt, die Übernahme der Auszubildenden und Anwärter für alle Senatsverwaltungen insgesamt ist dringend geboten.

Ein Wort noch zu Herrn Krüger. Wenn Sie so argumentieren, wie Sie das vorhin hier getan haben, mit der vorläufigen Haushaltswirtschaft und den Bedenken wegen des Haushalts, dann halte ich Ihnen das noch einmal als Spiegel vor, was ich bereits heute Vormittag in der Begründung der Aktuellen Stunde gesagt habe. Die Einstellung von 17 teueren Leitungsreferenten für das Funktionieren der Verwaltung als unabdingbar zu bezeichnen und diesen 23 jungen Menschen ihre Zukunft zu nehmen auf eiskaltem Wege, das kann keine gute Politik sein. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön! – Für die SPDFraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Flesch das Wort!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Gäste auf der Tribüne! Wir diskutieren hier über Ihr Schicksal und das Ihrer Kolleginnen und Kollegen. Und ich wollte eigentlich eindringlich an Sie appellieren, nicht den Fängern auf den Leim zu gehen, die Ihnen hier vorgaukeln wollen, es gäbe eine leichte Lösung, einfach die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe.

[Zuruf des Abg. Schruoffeneger (Grüne)]

Nach der Rede des Kollegen Henkel brauche ich das nicht mehr, weil da kein Leim ausgelegt war.

Einige von Ihnen, die ich gesprochen habe, haben mir gesagt, sie hätten die Verfassung rauf und runter gelernt. Deswegen gilt der nächste Teil meiner Rede weniger Ihnen als den Kollegen,

die früher immer, wenn es ihnen in den Kram passte, die Verfassung benutzten, wenn es ihnen aber nicht mehr in den Kram passt, vergessen sie es oft. Sie vergessen unsere verfassungsrechtliche Lage. Wir haben keinen Haushalt.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das ist billig! – Zuruf des Abg. Eßer (Grüne) – Zurufe von der CDU]

Das heißt, es gelten die Regeln der vorläufigen Haushaltswirtschaft.

[Zurufe von der CDU und den Grünen]

Wir reden hier heute über eine Tatsache und nicht über irgendwelche Verursacher, sonst könnten wir nämlich noch einmal bei Herrn Landowsky landen, und das wollten wir heute Abend nicht. Nach den Regeln der vorläufigen Haushaltswirtschaft sind Ausnahmen davon nur möglich, wenn ein Bedarf besteht zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes.

[Henkel (CDU): Und 17 Leitungsreferenten? – Weitere Zurufe von der CDU]

Und das kann niemand glaubwürdig – –

[Abg. Wegner (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Sie brauchen sich nicht zu melden, ich lasse Sie trotzdem nicht ran. – Die Ausnahme ist nur nötig, wenn ein Bedarf besteht. Wir hören aber, es gibt schon 61 Mitarbeiter des mittleren Dienstes im Überhang. Da kann kein Bedarf sein.

Die zweite Möglichkeit, eine Ausnahme zu machen, ist eine vorhandene rechtlich verbindliche Übernahmezusage. Auch die, so wurde uns im Hauptausschuss glaubwürdig versichert, besteht nicht.

[Zimmer (CDU): War doch fadenscheinig!]

Ich negiere nicht, dass es eine moralische Fürsorgeverpflichtung Ihnen gegenüber gibt. Darauf komme ich jedoch noch.

Dass sich Teile dieses Hauses nicht mehr an die Verfassung gebunden fühlen, finde ich interessant für die weitere Entwicklung, aber wir werden darüber nachdenken. Jetzt ist es unter den Voraussetzungen des Artikel 89 der Verfassung von Berlin nicht möglich, Beamtenverhältnisse zu begründen.

[Ritzmann (FDP): Das haben wir ja schon gehört!]

Die andere Frage wäre, ob nach der Verabschiedung des Haushalts eine solche Möglichkeit gegeben wäre.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Aber bei der Frage, ob sie auch eine Perspektive darstellt, kann ich nur sagen: Sie haben gehört, wie die Haushaltssituation ist, Sie haben gehört, wie Personal abgebaut werden muss. Wenn Personal abgebaut werden muss, heißt das: Überhang. Überhang bedeutet nach der Beschäftigungssicherungsvereinbarung des Landes Berlin, der Letzte, der kommt, ist der Erste, der in den Überhang geht. Das ist keine berufliche Perspektive für Sie.

[Czaja (CDU): Sie sind eiskalt! – Gram (CDU): Drei Jahre studieren lassen und dann weg!]

Aber ich sagte vorhin: Es gibt natürlich eine moralische Fürsorgepflicht für Sie.

[Dr. Steffel (CDU): Seit wann haben Sie denn Moral?]

Denn gerade Sie sind diejenigen, die bis zuletzt glauben konnten, dass sie übernommen werden. Sie glaubten sich – nicht wie Ihre Kolleginnen und Kollegen, die nachher fertig werden – darauf verlassen zu können, dass Sie sich nicht anderweitig umsehen müssen. Das ist eine Verpflichtung, die der Innensenator und andere Mitglieder des Senats Ihnen gegenüber übernommen haben. Sie werden morgen mit dem Innensenator ein Gespräch führen, in dem er Ihnen auch Arbeitsangebote macht. Ich kann dringend hoffen, dass Sie diese Arbeitsangebote annehmen, die

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teilweise Umschulung bedeuten mögen, teilweise aber auch interessante Perspektiven geben, nicht nur im allgemeinen Verwaltungsdienst. Ich wünsche Ihnen und dem Innensenator bei diesen Gesprächen und der Vermittlung viel Erfolg. Im Lande Berlin werden Sie ansonsten kaum noch Chancen haben für die nächsten Jahre. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Czaja (CDU): Eiskalt!]

Danke schön! – Das Wort für eine Kurzintervention hat nunmehr der Abgeordnete Schruoffeneger. – Bitte! Sie wissen ja, 3 Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Flesch, Sie haben wieder die Verfassung bemüht. Wir haben gestern im Hauptausschuss Ausnahmen von der vorläufigen Haushaltsführung im Umfang von weit über 100 Millionen Euro beschlossen,

[Beifall bei der CDU]

Ausnahmen, die uns allen wichtig waren – und da ging es.

[Doering (PDS): Sie belügen die Leute da oben!]