Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zurufe von der CDU]

Das fängt ja schon gut an.

[Dr. Steffel (CDU): Das war Ihr letzter Applaus!]

Herr Steffel, freuen Sie sich nicht zu früh!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Berlin ist vielleicht nicht die schönste Stadt, aber auf jeden Fall die lebendigste Stadt Deutschlands. Berlin ist voller Kreativität, Neugier und Attraktion. Berlin ist voller Unterschiede, Tempo und auch Widersprüche. Von außen betrachtet sind wir längst nicht mehr eine Stadt, die sich in Ost und West einteilen lässt, sondern wir sind eine Stadt.

[Zurufe von der CDU: Öh! – Tolle Erkenntnis!]

Manchmal brauchen Sie auch neue Erkenntnisse!

Menschen kommen nach Berlin, weil wir für sie längst zu etwas Neuem geworden sind. Wir wollen Berlin zu dem machen, was viele jetzt schon in uns sehen: eine spannende Stadt, in die die Menschen kommen, weil sie hier ihre Chance sehen und nutzen wollen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Berlin steht vor einer großen Aufgabe. Es geht darum, die Stadt nach einem beispiellosen finanziellen Desaster auf die eigenen Beine zu stellen. Das werden wir anpacken. Dafür ist der Senat gewählt.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Die Ausgangsbedingungen sind wahrlich schwierig. Die Schuldenlast ist dramatisch. Dennoch sage ich: Wir werden es schaffen, wenn wir es schaffen wollen.

[Gelächter bei der CDU]

Berlin braucht einen Mentalitätswechsel, der dem Neuen eine Chance gibt.

[Zuruf von der CDU: Den haben wir doch!]

(A) (C)

(B) (D)

RBm Wowereit

Am Anfang steht der Mut zur Wahrheit, der Mut, die Probleme beim Namen zu nennen, und der Mut, auch harte Konflikte nicht zu scheuen. Dafür tritt dieser Senat an. Dafür bin ich als Regierender Bürgermeister gewählt worden.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir bauen keine Wolkenkuckucksheime in den Himmel der Zukunft, sondern wollen Berlin auf dem harten Boden der Wirklichkeit voranbringen.

[Zuruf des Abg. Czaja (CDU)]

Visionen sind in dieser Stadt häufig mit Illusionen verwechselt worden. Ich bin Realist und der festen Überzeugung, dass man nur dann Perspektiven entwickeln kann, wenn man mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen steht. Denn nur so bleiben die Ideen nicht bloße bunte Luftballons, sondern können Wirklichkeit werden.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Und so lautet meine Antwort auf die von vielen – vor allem da oben auf der Pressetribüne sitzenden – Menschen gestellte Frage nach den Visionen: Meine Vision ist das Tatsächliche. Ich eigne mich nicht zum Jongleur von Seifenblasen.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Oh! und Ah! von der CDU – Zurufe von der CDU – Dr. Steffel (CDU): Champagner!]

Na ja! – Ich freue mich, dass ich die Opposition wenigstens noch erheitern kann.

[Gelächter bei der CDU – Zurufe von der CDU]

Warten wir es ab!

Mein Ziel ist es, dass wir im Jahr 2009 keinen Regierenden Bürgermeister mehr haben,

[Ja! und Beifall bei der CDU und der FDP]

sondern einen Berliner Oberbürgermeister und einen gemeinsamen Ministerpräsidenten für Berlin und Brandenburg.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Beifall des Abg. Matz (FDP) – Borgis (CDU): Ihre Genossen in Brandenburg sind da aber anderer Meinung!]

Vor allem Ihr Herr Schönbohm, wenn ich mich richtig erinnere.

[Zuruf: Ist der Genosse?]

Na, der wird vielleicht noch Genosse.

[Heiterkeit – Zurufe von der CDU]

Bei Ihrer CDU ist doch zurzeit alles möglich! Das müssen wir abwarten.

[Heiterkeit – Wegner (CDU): Ist das eigentlich eine Regierungserklärung?]

Wenn Sie mal zuhören würden, dann müssten Sie nicht so oft darauf reagieren.

Aber um auch hochrangigen Journalisten gerecht zu werden, die sich schon im Vorfeld mit der Regierungserklärung so semantisch auseinander gesetzt haben, darf man sie nicht ganz enttäuschen. Herr Klaus Harpprecht hat heute in der „Süddeutschen Zeitung“ dringend darum gebeten, dass der Regierende Bürgermeister etwas zur Namensdiskussion sagt, zu Preußen – ja oder nein. Das ist mir eine große Freude. Da ich einen ostpreußischen Namen trage, muss ich auch etwas zur Frage des Namens des Bundeslandes sagen. Da sage ich ganz deutlich: Der Name des Bundeslandes muss Berlin-Brandenburg lauten und nicht Preußen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Die Auseinandersetzung mit Preußen sowohl im positiven wie im negativen Sinne sollten wir getrost den Historikern überlassen. Dort sorgt Preußen für anregenden Streit. Da gehört er auch hin.

Die Gestaltung der politischen Zukunft unserer – im Übrigen viel kleineren – Region Berlin-Brandenburg sollten wir mit den sehr widersprüchlichen Befindlichkeiten in Bezug auf Preußen nicht belasten. Der Fusionsprozess wird auch sonst schwer genug werden, da brauchen wir nicht noch eine unsinnige Namensdiskussion.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Mein Ziel ist es, dass die Region zu wirtschaftlichem Erfolg findet und ein prosperierender Standort der Medienwirtschaft und anderer wirtschaftlicher Schwerpunkte wird, in dem moderne Arbeitsplätze entstehen. Mein Ziel ist es, dass sich Berlin zu einer Ideenschmiede entwickelt und das Zusammenwachsen der bisherigen Europäischen Union mit den neuen mittelund osteuropäischen Nachbarn als Gestaltungschance begreift. Wenn wir in fünf Jahren das gemeinsame Land Berlin-Brandenburg erfolgreich auf den Weg gebracht haben, der internationale Flughafen im Bau ist,

[Oh! von der CDU]

der Solidarpakt und die Sanierung des Haushalts vorangekommen sind, SFB und ORB aus einem Hause funken, dann haben wir aus einigen Visionen Tatsachen gemacht.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Dr. Lindner (FDP): Schönefeld wollt ihr doch gar nicht!]

Das alles kann der Senat nicht allein schaffen, und er will es auch nicht allein versuchen. Unser Verständnis vom modernen Regieren ist von Kooperation geprägt.

[Gelächter bei der CDU und der PDS]