Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

[Wieland (Grüne): Aha!]

Aber sie erkennen auch an, dass die Hochschulmedizin effizienter und kostengünstiger werden muss. Jetzt stellen sich alle dem Problem

[Czaja (CDU): Strieder geht schon!]

und suchen gemeinsam nach Lösungen, und zwar nach Lösungen für ganz Berlin. Das macht Mut und zeigt: Es geht auch anders.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ab jetzt gilt: Es wird diskutiert, nicht statt zu entscheiden, sondern um zu entscheiden. Was wir in Berlin brauchen, ist eine Umkehr der Beweislast.

[Oh! bei der CDU]

Wer sagt, dass etwas nicht geht, soll sagen, wie es gehen soll. Wer sagt, dass es so nicht geht, soll sagen, welchen anderen Weg es gibt. Kein Nein ohne konstruktives Ja.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Abg. Henkel (CDU): Stellen Sie doch 23 Beamtenanwärter ein und lassen Sie 17 Leitungskräfte draußen!]

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RBm Wowereit

Mentalitätswechsel in und für Berlin, das ist ein längerer Prozess. Wir haben ihn angestoßen, aber wir stehen auch erst am Anfang. Dieser Prozess wird sich nicht ohne Widerstände und auch nicht ohne Schmerzen vollziehen. Wir wollen mehr Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Entscheidungsprozessen und eine ergebnisoffene Suche nach den besten Lösungen für die Stadt. Berlin auf eigene Beine zu stellen, das wird nur als Gemeinschaftswerk gelingen. Wir brauchen einen Wettbewerb der Ideen. Alle sind gefragt und herzlich eingeladen, ihre Vorschläge einzubringen, Intellektuelle und Gewerkschaften, Persönlichkeiten aus Unternehmen ebenso wie aus Kultureinrichtungen, Frauen und Männer. Wir setzen nicht nur auf die Erfahrung der Älteren, sondern ebenso auf die Kreativität der Jüngeren.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Mentalitätswechsel in Berlin, damit ist ein neuer Umgang mit öffentlichen Mitteln gemeint. Nicht der größte Einzeletat, nicht das meiste Personal, nicht Status quo und Besitzstandsdenken, sondern der effektivste, intelligenteste und ideenreichste Mitteleinsatz, ist der Maßstab.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Mentalitätswechsel in Berlin bedeutet, das Notwendige möglich zu machen. Eine zentrale Notwendigkeit liegt darin, die Handlungsfähigkeit des Staates zu sichern.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Gesunde Finanzen sind nicht alles. Aber ohne finanzielle Handlungsspielräume ist alles andere nichts.

[Zuruf von der CDU: Plattitüden!]

Wir wollen Berlin von der Stadt der Subventionen zu einer Stadt der Initiativen machen. Wer die Neuverschuldung nicht in den Griff bekommt, vergreift sich an den Zukunftschancen unserer Kinder und damit an der Zukunft Berlins.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Jeder Euro mehr an Zinsen bedeutet, dass weniger Geld da ist für Kitas, Schulen und Jugendarbeit. Schon heute könnten allein mit den Zinszahlungen von zwei Tagen 300 Lehrerinnen und Lehrer ein ganzes Jahr lang finanziert werden. Jeder Euro mehr an Zinsen bedeutet, dass weniger Geld für soziale Arbeit zur Verfügung steht. Schon heute fressen allein die Zinsen so viel Geld, wie Berlin in einem Jahr für Sozialhilfe ausgibt. Jeder Euro mehr an Zinsen bedeutet, dass weniger Geld für die Kultur ausgegeben werden kann. Schon heute entsprechen die Zinsen, die in nur 40 Tagen anfallen, dem Etat aller Berliner Bühnen in einem Jahr.

Die strukturelle Sanierung der Berliner Landesfinanzen ist die zentrale Aufgabe dieser Wahlperiode. Schaffen werden wir es nur mit einem Bündel von Maßnahmen. Der Senat ist entschlossen. die Komplettsanierung anzupacken. Jeder Zeitverzug würde die Probleme nur verschlimmern.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ziel unseres Sanierungsplanes ist es, die Ausgaben dauerhaft zu senken. Wenn wir einmal die Zinsbelastung weglassen, dann sind es immer noch über 2 Milliarden §, die zwischen den dauerhaften Einnahmen und den dauerhaften Ausgaben liegen. Das ist eine Schieflage, die wir beseitigen müssen. Ein nüchterner Blick genügt, um zu erkennen: die hohen Personalausgaben nehmen uns Gestaltungsspielräume.

Berlin steckt in einer finanziellen Notlage. Deshalb geht es jetzt darum, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, um Berlin eine Perspektiven zu geben. Dies gilt für den Senat in seiner Arbeitgeberfunktion, aber auch die Gewerkschaften und die Personalvertretungen. Auch weil wir weiterhin auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten wollen, strebt der Senat einen Solidarpakt für den öffentlichen Dienst an.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Die Gewerkschaften haben das Gesprächsangebot angenommen. Auch sie wissen, wenn wir ein Unternehmen wären, das sich am Markt behaupten müsste, würden wir heute längst über

Sozialpläne sprechen. Ich setze auf die Bereitschaft zur Mitwirkung, weil es die einzige Chance ist, den notwendigen Prozess zu gestalten. An die Adresse der Gewerkschaften gerichtet sage ich: Ich vertraue darauf, dass die Gewerkschaften es können – sie haben es nämlich gezeigt: Als bei der Berliner Stadtreinigung, den Wasserbetrieben und der Bankgesellschaft tiefgreifende Veränderungen notwendig waren, haben sie eine konstruktive Rolle gespielt. Darauf setze ich auch in Zukunft.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zuruf des Abg. Wegner (CDU)]

Bei den Verhandlungen zwischen Senat und Gewerkschaften geht es nicht darum, wer am Ende gewinnt oder verliert. Es geht darum, Verantwortung für Berlin zu übernehmen, gemeinsame Probleme zu lösen und der öffentlichen Hand eine Perspektive zu geben. Es geht um die Frage, ob künftige Generationen vom Staat noch etwas zu erwarten haben oder nicht. Ich möchte es einmal erleben, dass in Berlin Demonstranten vor dem Roten Rathaus gegen die Erhöhung der Netto-Kreditaufnahme demonstrieren. Denn diese Erhöhung ist die Vernichtung von Zukunftschancen von jungen Generationen.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Czaja (CDU): Sie werden schon noch genug Demonstranten sehen!]

Ihr Einwand ist richtig. Es waren auch schon genug Demonstranten da, die aber immer nur eines fordern: Es soll alles so bleiben, wie es ist. Das können wir aber nicht mehr garantieren. Das ist der Mentalitätswechsel, der dringend notwendig ist.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Der Kern unseres Sanierungsplanes besteht aus tiefgreifenden Strukturveränderungen und einer Modernisierung der Verwaltung. Wir werden uns konzentrieren auf wirkliche Kernaufgaben des Staates. Wer Prioritäten festlegt, muss auch bereit sein, sich zu Nachrangigkeiten zu bekennen. Konsolidierung ist kein Selbstzweck. Konsolidierung dient einem handlungsfähigen Staat. Im Mittelpunkt steht die Gewährleistung von Sicherheit. Sicherheit umfasst weit mehr als die Sicherheit vor Verbrechen. Sicherheit umfasst im Kern auch: Rechtssicherheit, soziale Sicherheit und die Sicherheit, Chancen auf Teilhabe in dieser Gesellschaft zu erhalten.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Dr. Lindner (FDP): Wir brauchen mehr Freiheit und nicht mehr Sicherheit!]

Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit. Deshalb gehören die Gefahrenabwehr und die Verteidigung unserer freiheitlichen Gesellschaft zu den Kernaufgaben unseres Staates.

[Zuruf von der CDU: Fangen Sie doch mal an!]

Wir dürfen und werden uns nicht dazu verleiten lassen, Sicherheit gegen Freiheit auszuspielen. Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit, aber ohne Freiheit gibt es auch keine individuellen Entfaltungsmöglichkeiten und keine Demokratie. Wir dürfen und werden nicht zulassen, dass der Schutz vor Kriminalität zu einem Privileg derjenigen wird, die sich private Sicherheitsdienste leisten können.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Dafür braucht die Polizei eine angemessene Ausstattung.

[Gram (CDU): Die Reichen schaffen sich ihre eigene Reiterstaffel!]

Wenn Sie keine anderen Sorgen haben, Herr Gram, als die Reiterstaffel. Das zeigt genau Ihr Denken. Es reicht eben nicht, sich mit einer Leiter auf ein Pferd zu setzen und so zu tun, als ob man damit die Stadt gestaltet.

[Starker Beifall bei der SPD und der PDS]

Dafür müssen aber auch Polizeistrukturen reformiert werden. Der Senat wird diese Reform voranbringen. Klar ist aber auch, die Polizei braucht Verankerung und Präsenz in der Gesellschaft

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und in der Öffentlichkeit. Wir wollen, dass Polizei und Bevölkerung Partner sind. Wir wollen die Berliner Polizei als Bürgerpolizei unterstützen.

[Gram (CDU): Dafür schafft ihr die Ehrenamtlichen ab, Herr Wowereit!]