Protokoll der Sitzung vom 13.05.2004

[Beifall bei der SPD]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Ritzmann (FDP): Dann fassen Sie sich kurz!]

Nein, Herr Ritzmann, nachdem Herr von Lüdeke uns eine Viertelstunde unserer Zeit geklaut hat, müssen Sie es jetzt auch ertragen, dass ich Ihnen das vorhalte.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Und vielleicht – Sie können es im Protokoll noch einmal nachlesen, ich habe Ihnen nämlich zugehört bzw. Ihrem Kollegen –: Haushalterische Genauigkeit wurde eingefordert. Dann kann ich nur sagen: Auch die Anträge der FDP sind kein Musterbeispiel für haushalterische Genauigkeit. Da ist wirklich die Antwort auf die Große Anfrage, die in der Kürze so sein muss, wie es eine parlamentarische Große Anfrage sein sollte, Ihnen um Längen voraus. Vielleicht sollten Sie sich wenigstens auf dieses Niveau begeben, dann wäre uns schon viel geholfen.

[Ritzmann (FDP): Haben Sie auch eine eigene Position, oder sind Sie nur Senatssprecher?]

Ich frage mich bei diesen ganzen Diskussionen und Anträgen: Für wen machen Sie eigentlich Politik? – Denn für Ihr verkehrs- und stadtpolitisches Konzept braucht man nicht einmal einen Bierdeckel. Sie betätigen sich hier als Low-Fly-Carrier, als Flughafen-Dauerpromoter, Sie machen eine Marketingoffensive für zwei Fluggesellschaften, aber Sie tun nichts für die Stadt und auch nichts für die Menschen in der Stadt.

[Beifall bei der SPD]

Unsere Politik machen wir nicht nur für Zehlendorfer Anwälte oder Neuköllner FDP-Abgeordnete, die in Wilmersdorf wohnen, sondern wir machen sie für alle Menschen in der Stadt. Wir müssen deshalb an vielen Stellen auch Abwägungen treffen, wo wir den größtmöglichen Nutzen mit der geringsten Belastung verbinden. Dafür

Wir betreiben die Aufhebung des Flughafens Tempelhof, weil er mit seinen geringen Kapazitäten nicht gebraucht wird. Und der Senat erarbeitet ein Finanzierungskonzept für den neuen Flughafen, das uns demnächst

vorgelegt wird. Ein Nachnutzungskonzept gibt es in Ansätzen. Da gestehe ich Ihnen allerdings zu: Dieses muss der Senat jetzt untersetzen, weiter ausbauen; denn wir gehen davon aus, dass kurzfristig auch dieses Nachnutzungskonzept zum Zuge kommt.

Zusammenfassend: Schluss mit der Nostalgieoffensive der FDP! Lassen Sie uns endlich die Zukunft gestalten, diesen Flughafen am Standort Schönefeld vorantreiben, den Flughafen Tempelhof weiter als Museum erhalten, als Denkmal auch im Herzen behalten, aber als Flughafen nicht mehr weiter betreiben, auch um die Kosten für die Allgemeinheit zu sparen! Hören Sie auf, uns immer wieder mit diesem Thema zu langweilen! Es wird durch Ihr Reden nicht anders: Wir brauchen einen neuen Flughafen am neuen Standort, dort den neuen Aufbruch. – Vielen Dank!

Danke schön, Herr Gaebler! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Kaczmarek. – Bitte sehr!

gibt es das Flughafenkonzept für Berlin und Brandenburg, das sagt, die beiden innerstädtischen Flughäfen Tegel und Tempelhof zu schließen und am Standort Schönefeld den Flugverkehr zu konzentrieren. Das hat wirtschaftspolitische Gründe, das hat verkehrspolitische Gründe, und es hat umwelt- und stadtpolitische Gründe. Und wenn Sie das als Ideologie bezeichnen, dass wir 300 000 Menschen mehr Sicherheit, mehr Lebensqualität und vor allen Dingen auch mehr Wirtschaftskraft bringen wollen durch einen Flughafen, der den Namen auch verdient, dann können Sie mich gern als Ideologen beschimpfen, Herr Ritzmann. Sie müssen bloß eine Alternative bieten. Aber es ist keine Alternative zu sagen, ein Flughafen, wo die Flugbewegungen seit Jahren zurückgehen, solle unbedingt offen bleiben, das sei der entscheidende Punkt für den Wirtschaftsstandort Berlin, das sei der Motor für die Stadt, mit nur noch 25 000 Flugbewegungen im Jahr – das ist lächerlich.

[Zuruf des Abg. von Lüdeke (FDP)]

Herr von Lüdeke! Es wird niemand daran gehindert, auf diesem Flughafen zu starten und zu landen. Das kann jeder beantragen. Das wissen Sie genau wie ich. Für den Sommerflugplan wurde auch noch einmal etwas beantragt. Das macht aber kaum jemand. Und warum nicht? – Weil alle Fluggesellschaften, die richtig rechnen können, wissen: Dieser Flughafen kann nicht kostendeckend betrieben werden, und er macht auch keinen Sinn für einen vernünftigen Flugverkehr. Berlin braucht einen Flughafen, an den alles angebunden werden kann, an dem man alle Serviceeinrichtungen bündeln kann, an dem die entsprechenden Umsteigeverbindungen bestehen, an dem sich auch bestimmte Industrien vernünftig ansiedeln können, die auch eine Planungssicherheit haben. Deshalb sind Ihre Konzepte nicht zukunftsfähig und werden von uns auch weiterhin abgelehnt.

Die zukunftsfähige Politik, die wir machen bzw. in die Wege geleitet haben, ist schnell beschrieben: Wir haben das Planfeststellungsverfahren für den zukünftigen WillyBrandt-Flughafen so weit vorangetrieben, dass es hoffentlich in diesem Jahr noch abgeschlossen werden kann. Gerade wurde die Finanzierung der Schienenanbindung für diesen neuen Flughafen gesichert. Der Bund hat hier nach langen, zähen Verhandlungen endlich seine Finanzierungszusage gegeben. Auch das ist ein großer Erfolg dieses Senats.

[Beifall bei der SPD]

Wir haben die Flughafengesellschaft entflochten und zukunftsfähig umgebaut, aus der unübersichtlichen Holding wurde eine schlagkräftige Gesellschaft. Es gibt die Ansiedelungserfolge in Schönefeld mit einem großen Carrier, der dort sogar ein eigenes Terminal realisiert hat und von dort fliegt. Die Eröffnung haben Sie letztens verfolgen können.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Frau Matuschek (PDS): Der kann sich wieder nicht mehr daran erinnern, wer den Konsensbeschluss gefasst hat!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Regierender Bürgermeister! Ihre Beiträge zum Flughafen ärgern mich – das schaffen Sie immerhin.

[RBm Wowereit: Na, immerhin!]

Ihre Verkehrspolitik nach dem Prinzip des größtmöglichen Kollateralschadens als großen Erfolg zu verkaufen, ist ein Treppenwitz.

[Beifall bei der CDU]

Bisher hatten Sie immer das Prinzip: „Sparen, bis es quietscht“ – jetzt heißt es offensichtlich: „Quatschen, bis es quietscht“. – So geht es nicht! Nehmen Sie das bitte einmal zur Kenntnis: Wir wollen den neuen internationalen Flughafen, und wir wollen ihn in Schönefeld. Dieser neue Flughafen ist von immenser volkswirtschaftlicher Bedeutung. Deshalb ist die Finanzierung dieses Projekts durch die öffentliche Hand und mit öffentlicher Absicherung auch gerechtfertigt. Auf Initiative der CDU-Fraktion hat das Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen, das Projekt auch nach dem Scheitern der Privatisierung in eigener Regie fortzuführen. Die Regierungsfraktionen haben sich unserem Antrag dankenswerterweise angeschlossen. Alleine hatten sie nicht die Kraft zu einem eigenen Antrag.

[Heiterkeit bei der PDS]

Wir wollen, dass das Projekt BBI zu einem Erfolg wird, und wir wollen unsere ganze Kraft dafür einsetzen. Wir jedenfalls sind dabei, Herr Regierender Bürgermeister. Merken Sie sich das endlich einmal, damit Sie nicht immer falsche Behauptungen aufstellen!

[Beifall bei der CDU]

Der neue Flughafen in Schönefeld – daran besteht gar kein Zweifel – ist das zentrale und wichtigste Projekt in Berlin und in den neuen Bundesländern. Nur: Wie steht es denn darum, Herr Regierender Bürgermeister? Wie steht es denn mit Ihren Erfolgen an dieser Stelle? – Wenig erfreulich! Die Privatisierung ist gescheitert. Das neue Finanzierungskonzept wird uns seit Monaten versprochen und seit Monaten auch wieder vertagt. „Wir bitten um Terminverlängerung“, ist das, was dem Senat dazu ein

fällt. Währenddessen reist der Kanzler auf Wahlkampftour durch Brandenburg und verspricht unter großem Beifall von Herrn Platzeck und auch von Herrn Wowereit das, was ohnehin schon seit 1996 vereinbart ist – eine Verkehrsanbindung von Schönefeld. Leider haben Kanzlerversprechen dieser Art ein Verfallsdatum. Nach dem Wahltag in Brandenburg wird wieder der Alltag einkehren. Der Pleiten- und Pannenminister Stolpe wird weiter auf der vergeblichen Suche nach den Mautmilliarden sein, nebenher schwadroniert er über die bedarfsgerechte Rekonstruktion Schönefelds. Und sein Staatssekretär Nagel verkündet derweil schon einmal auf der ILA, dass der Bund die Luftdrehkreuze in Frankfurt und München unterstützt und Berlin sich gefälligst mit einem Single-Airport begnügen sollte. Von Umsteigedrehkreuz ist hier keine Rede mehr. Des Kanzlers Busenfreund Mehdorn von der Bahn ist noch weniger zimperlich. Er kündigt schon einmal an, dass der neue Flughafen keinen Fernbahn-, sondern nur einen Regionalbahnanschluss haben wird. So wird aus Schönefeld nicht die gewünschte Jobmaschine, sondern nur einer unter vielen unbedeutenden Regionalflughäfen Deutschlands.

Der einzige Beitrag, der Herrn Platzeck und Herrn Wowereit eingefallen ist, war, das noch ungeborene Kind mit einem Namen zu benennen: „Willy-BrandtFlughafen“. Ich schlage vor: Wenn er fertig wird, können wir über den Namen noch einmal reden.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Cramer?

In fünf Minuten! – Es gibt keinen Gegensatz zwischen dem Projekt BBI und dem Offenhalten des Flughafens Tempelhof.

[Klemm (PDS): Nee, niemals!]

Alle Behauptungen dieser Art sind durch nichts begründet und bisher durch keinerlei sachliche Unterlegungen gerechtfertigt worden.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir wären froh, wenn von den beiden anderen Gesellschaftern zum Thema Flughafen in Schönefeld genauso viel zu hören wäre wie von diesem Abgeordnetenhaus. Im Brandenburger Landtag haben wir aber einen Beschluss dieser Art leider nicht wahrnehmen können.

Die größte Enttäuschung ist die Bewegungslosigkeit des angeblichen Aufbau-Ost-Ministers Stolpe, der eigentlich ein engagierter Befürworter des Projekts sein müsste, nicht nur aus seiner Verbundenheit mit Brandenburg heraus, sondern weil es eigentlich das bedeutendste Aufbau-Ost-Projekt überhaupt ist. Da kommt aber gar nichts. Was das Projekt jetzt braucht, sind nicht alte Floskeln, Herr Regierender Bürgermeister, sondern neuen Anschub.

[Beifall bei der CDU]

Wie steht es um den Luftverkehrsstandort Berlin? – Erst einmal erfreulich. Die „Delle“ der schrecklichen Terroranschläge ist verkraftet, die alten Zahlen sind wieder erreicht. Noch besser: Das Berliner Flughafensystem hat nach Köln-Bonn die höchsten Passagierzuwächse in ganz Deutschland zu verzeichnen. Der Flughafen Tegel platzt aus allen Nähten, sogar Schönefeld entwickelt sich erfreulich. Wenn es so weitergeht – und wenig spricht dagegen – wird das Berliner Flughafensystem schon vor 2009 an seine Kapazitätsgrenzen stoßen. Jeder Fluggast – da haben Sie Recht, Herr Regierender Bürgermeister – bedeutet mehr Sicherheit für Berliner Arbeitsplätze. So weit erfreulich, aber was fällt dem Senat zu dieser Erfolgsgeschichte ein? – Ihm fällt ein die Schließung von zwei von sechs Start- und Landebahnen des Berliner Flughafensystems. Ihm fällt ein, 32 Millionen € zu investieren, um über 300 Arbeitsplätze zu vernichten. Ihm fällt ein, ein komplexes Verwaltungsverfahren mit hohem Prozessrisiko einzuleiten, nur um den Luftverkehrsfeinden aus SPD und PDS einen Gefallen zu tun. Das sind die falschen Einfälle.

[Beifall bei der CDU]

[Beifall bei der CDU]

[Wellmann (CDU): Peter-Strieder-Flughafen!]

„Strieder-Flughafen“ ist auch kein guter Vorschlag, Herr Wellmann. Vielleicht wäre der Name „TrotzPlatzeck-Flughafen“ oder auch „Minister Stolpes bedarfsgerechter Rekonstruktionslandeplatz“ zutreffender.

[Zuruf der Frau Abg. Seidel-Kalmutzki (SPD)]

Aber lassen Sie uns diese Frage klären, wenn es so weit ist.

Kommen wir zu Tempelhof. Sie nehmen für sich in Anspruch, dass es das richtige Konzept sei, diesen Flughafen zu schließen. Wenn das Ihr Konzept ist, möchte ich gern wissen, was Sie sich eigentlich in der Zukunft auf diesem Gelände vorstellen. Da allerdings gibt es nur sehr wolkige Zukunftsträume. Da gibt es ein Projekt „Autofreies Wohnen“.

[Klemm (PDS): Gute Sache!]

Und das bei Leerstand von Hunderttausenden von Wohnungen in dieser Stadt. Wer, Frau Oesterheld, soll in ein solches Projekt investieren?