Protokoll der Sitzung vom 13.05.2004

Ich will darauf nicht im Einzelnen eingehen. Von den Vorrednern ist bereits auf die Debatte im Jahr 2001 verwiesen worden, also dem letzten 1. Mai unter CDUInnensenatoren. Ich habe seinerzeit in meiner Rede Herrn Werthebach gesagt, er verhalte sich so wie jemand, der mit dem Kopf gegen eine Wand rennt und als er merkt, dass er damit nicht durchkommt, die Konsequenz zieht, beim nächsten Mal noch mehr Anlauf zu nehmen. – Mir scheint, dass dieses Gegen-die-Wand-Rennen zumindest in Teilen der CDU auch ohne Werthebach fortgesetzt worden ist.

Ich muss den Innensenator und auch Sie, Herr Wieland, fragen: Wann war die Polizei in dieser Stadt eigentlich mal das Schwein? Möglicherweise hätten Sie, Herr Wieland, bei Ihrer letzten Rede in diesem Haus sich dazu einmal äußern sollen.

[Zurufe von der PDS]

Zynischer kann man 18 Jahre Krawalle nicht kommentieren. Das zeigt aber auch die Geisteshaltung dieses Herrn. Wer in den letzten Jahren so viel Verständnis und Sympathie für die linke Gewaltszene geäußert hat, darf sich nicht wundern, dass diese nicht aufhört bzw. es nicht will.

Der Innensenator hat sich in diesem Jahr aus den Vorbereitungen der Polizei weitgehend herausgehalten.

[Ach! von der PDS]

Dieses war richtig! Er hat aus seinen Fehlern der letzten beiden Jahre gelernt. Die Polizei hat, wie wir glauben, auf diesen 1. Mai endlich einmal hervorragend reagiert bzw. sich vernünftig vorbereitet. Wer wie Innensenator Körting aber meint, das Gewaltritual am 1. Mai 2004 wäre durchbrochen, irrt gewaltig oder hat möglicherweise Wahrnehmungsschwierigkeiten. Wir haben weiterhin in dieser Stadt in linksradikalen Kreisen eine starke Gewaltbereitschaft, die übrigens nicht nur am 1. Mai eines jeden Jahres zum Ausbruch kommt. Sie sollten möglicherweise hierzu einmal den Bericht des Verfassungsschutzes lesen. Wer 200 verletzte Polizeibeamte, Herr Körting, als Erfolg verbucht, verletzt seine Fürsorgepflicht als Innensenator aufs Gröbste. 200 verletzte Polizeibeamte sollten für alle endlich einmal als ein unübersehbarer Beweis dafür angesehen werden, von wem die Gewalt ausgeht und wen sie getroffen hat. Die oft jungen Menschen in Uniform verdienen unseren Dank. Sie leisten für dieses Gemeinwesen einen unschätzbaren Dienst.

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Der Versuch, Steinwürfe auf Polizeibeamte zu verharmlosen oder sie sogar zu verschweigen, vergisst, dass jeder Steinwurf auf einen Polizeibeamten einen Mordversuch darstellt, und er motiviert diese Kreise, mit der Gewalt fortzufahren bzw. sie möglicherweise sogar noch zu steigern. Herr Körting, was wäre gewesen, wenn wir nicht ca. 900 Polizeibeamte zu unserer Sicherheit zur Verfügung gehabt hätten? Welche Ausmaße hätten die Krawalle am 1. Mai dann angenommen? Haben Sie, Herr Körting, sich diese Frage überhaupt einmal gestellt?

Herr Kollege! Beachten Sie bitte die abgelaufene Redezeit!

Lassen Sie mich trotzdem noch einen Satz formulieren: Ich möchte mich bei den Polizeibeamten am Heinrichplatz und in der Mariannenstraße dafür entschuldigen, die mich fragten: Was ist das eigentlich für eine Politik in dieser Stadt, die so etwas zulässt? –

[Doering (PDS): Was zulässt?]

Ich kann ihnen nur antworten: Fragen Sie den Innensenator, und beachten Sie seine politische Nähe zur PDS!

[Zuruf von der PDS]

[Zuruf von den Grünen]

Versuchen Sie nicht, gerade diese Menschen in Misskredit zu bringen, indem Sie sich als Innensenator nicht vor sie stellen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Wansner! – Es folgt die PDS. Das Wort hat der Kollege Zillich. – Bitte schön!

[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen – Beifall des Abg. Matz (FDP)]

[Mutlu (Grüne): Mit Wansner!]

Richtig war, dass hier ein Strategiewechsel vollzogen worden ist. Das war nötig. Ich will kurz noch einmal deutlich machen, worin der Strategiewechsel besteht und was die Grundvoraussetzungen dafür waren, dass wir nun in Kreuzberg eine Situation erleben können, wo es gar nicht darum geht, ob wir uns darum streiten, ob die Spirale jetzt durchbrochen ist oder nicht, sondern dass wir zumindest eine Veränderung, eine positive Tendenz feststellen müssen. Das ist nach dem, was sich in den vergangenen 18 Jahren abgespielt hat, sehr viel.

Das erste Element dieser Tendenz in den vergangenen zwei Jahren, die wir beobachten können, oder die erste Voraussetzung dafür, dass wir dieses Ergebnis jetzt erzielen konnten, ist, dass es gelungen ist, von einer Resignation der Bürgerinnen und Bürger in Kreuzberg dahin zu kommen, Menschen, also Initiativen und Bürger zu ermutigen, am 1. Mai auf die Straßen zu gehen, ihn als ihren zu betrachten und sich bei einem gewissen persönlichen Risiko selbst zu engagieren. Das ist die Voraussetzung

Zillich

Aber das alles – das will ich doch schon mal sagen –, alle diese Voraussetzungen, konnten nur so wirksam werden, weil es in Kreuzberg eine Bürgermeisterin gibt, mit Namen Cornelia Reinauer, die mit einem sehr hohen persönlichen politischen Risiko gegen sehr viel Skepsis gesagt hat: Ich ziehe das durch; ich setze mich für genau diese Feste ein. – Und viele haben sich im Vorfeld darauf beschränkt, diese Verantwortung zu scheuen, sich möglichst in eine Position zu bringen, um sich nach möglichen und erwartbaren Rückschlägen aus der Verantwortung

stehlen und mit dem Finger auf andere zeigen zu können. Ich finde es wichtig, dass wir dies an diesem Punkt noch einmal erwähnen. Für mich kommt es jetzt darauf an, dass wir diesen Prozess fortsetzen, ihn als einen Prozess begreifen, ihn fortsetzen in ein dauerhaft angelegtes Präventionskonzept, in eine Konzeption der Partnerschaft zwischen Polizei und denjenigen, die dort feiern, und vor allen Dingen auch Redlichkeit an dieser Stelle einfordern in einer Frage, die nämlich anerkennt: Hier gibt es einen Strategiewechsel, der braucht einen langen Atem, der braucht kein Aufmuskeln, sondern hier geht es darum, diese Linie fortzusetzen. Möglicherweise ist dann auch das, was Herr Wieland als Zielvorstellung für den 20. 1. Mai nach 1987 beschrieben hat, vielleicht keine Utopie. – Danke schön!

Deswegen gibt es ja eine zweite Runde, Herr Kollege. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gern der Debatte einen weiteren Aspekt hinzufügen: die NPD-Demonstration. Wer sich das angeschaut hat, hat gesehen: Ein Aufstand der zu kurz Gekommenen. Wer den Leuten ins Gesicht geschaut hat, in die Augen gesehen hat, hat gemerkt, dass sich die Menschen, die sich da versammeln, viel zu klein fühlen für diese viel zu große Welt. Aber auch diese Leute haben Grundrechte. Ihre plumpen und falschen Parolen lehnen wir hier alle ab, das ist nicht die Frage. Aber die Versammlungsfreiheit gilt auch für Rechtsradikale. Der von der Kollegin Seelig angesprochene so genannte Aufstand der Anständigen, die Blockade der Demonstrationsroute, wurde ja sehr umsichtig – aus meiner Sicht – von der Polizei versucht aufzulösen – mit Appellen, Bitten, Wünschen, und dann mit einem gewissen Drücken sozusagen; sehr langsam, sehr kooperativ.

dafür. Und dass es in diesem Jahr noch besser als im letzten Jahr geklappt hat, ist insbesondere darin begründet, dass es gelungen ist, große Migrantenvereine mit einzubeziehen, um auch bei der – von Herrn Wieland so genannten „Was-guckst-du-Fraktion“ vielleicht die eine oder andere nachhaltige Wirkung zu erzielen. Das ist die erste und wichtigste Voraussetzung.

Die zweite Voraussetzung, dass eine solche Entwicklung eingeleitet werden kann, ist, dass man mit dem Grundmythos des 1. Mais in Berlin aufräumt, nämlich zu sagen: Die Gewalt geht von den Demonstrationen aus; dass man sagt: Nein, auch am 1. Mai gilt das Demonstrationsrecht, am 1. Mai müssen politische Demonstrationen möglich sein. Und deswegen ist auch der Verzicht auf eine Verbotsstrategie die Voraussetzung dafür, dass wir eine solche Entwicklung in Kreuzberg haben können. Auch in diesem Jahr ist es uns gelungen, wenigstens, was Auflagen betrifft, eine Situation herzustellen, wo die Maifeste, die stattgefunden haben, nicht als etwas denunziert werden können, das politische radikale Demonstrationen verhindern soll.

Und über die dritte Voraussetzung ist schon gesprochen worden, diese ist ganz wichtig: eine grundlegend geänderte Polizeistrategie im Verhältnis zu der, die es vorher gab. Mich verwundert schon etwas – –

[Frau Michels (PDS): Hat Herr Wansner bloß nicht mitgekriegt!]

Na ja, ich wende mich jetzt nicht an Wansner. – Ich bin sehr erfreut darüber, dass die CDU-Fraktion sich positiv auf das bezieht, was heute auf friedlichen Festen passiert. Aber ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass Ihre Forderung im Jahr 2001 war, jegliche Feste zu verbieten. Auch das gehört an dieser Stelle zur Wahrheit.

[Dr. Lindner (FDP): Aktuelle Stunde 2001, echt stark!]

Und an diesem Punkt geht es vor allen Dingen um eines:

[Dr. Lindner (FDP): Historische Stunde heute!]

Das Erste ist, dass man mit den Veranstaltern in einem sehr offenen, gemeinsamen und konstruktiven Prozess einen solchen Tag vorbereitet. Es geht um eine Deeskalationspraxis am Tag selbst, wo Feiernde und Demonstranten nicht als Gegner betrachtet werden, sondern als Partner der Polizei. Und es geht auch um eine Polizeipraxis, die in der Lage ist, gleichzeitig konsequent gegen diejenigen vorzugehen, die es an diesem Tag auf Gewalt anlegen, ohne dabei gegen die Feste vorzugehen.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall der SPD]

Danke, Herr Kollege Zillich! – Für die FDP hat der Kollege Ritzmann nochmals das Wort. – Bitte schön!

[Dr. Steffel (CDU): Vertreten Sie mal den bürgerlichen Teil! – Pewestorff (PDS): Den spießbürgerlichen!]

Wir hatten mehrfach im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung gesagt: Unser Ziel ist es, dass Gegendemonstranten nahe heran können an die NPD, um den Leuten ins Gesicht zu gucken. Es war auch Ziel der Polizei, das zu ermöglichen. Die Gegendemonstranten, also diese Ansammlung von bis zu 200 Leuten, die sollten an die Seite gedrängt werden, so dass die NPD vorbeimarschieren kann. Das war aber offensichtlich nicht das Ziel einiger Anwesender. Und der Kollege Freke Over ist da in besonderer Weise engagiert mir persönlich aufgefallen. Ich stand 2 Meter davon entfernt, als der PDS-Parlamentarier sich persönlich gegen die Polizei gestemmt hat, Rangeleien mit der Polizei begonnen hat, als dann die Polizei versucht hat, seiner habhaft zu werden, mit seinem Abgeordnetenausweis gewedelt hat. Da die Kräfte aus Nordrhein-Westfalen kommen, wissen die nicht, was für ein Ausweis das ist;

Ritzmann

Das habe ich nicht gesehen, da war ich nicht dabei. – Ich finde das interessant, wie versucht wird, einen Zusammenhang herzustellen zwischen einer Situation, wo ein Parlamentarier sich gewaltsam gegen die Polizei stellt, wenn die Polizei agiert, den Ausweis zückt, sich hinterher dann nach Kreuzberg aufmacht, auf die Bühne stellt, dort berichtet, dass 1 000 Antifaschisten sich gegen die NPD gestellt hätten, dass sie von Polizei gewaltsam angegriffen worden seien. Da stand ich zufälligerweise auch dabei. Wir hatten gar keinen abgesprochenen Terminkalender, Herr Over, aber durch Zufall hatten wir dieselbe Route.

[Liebich (PDS): Können die nicht lesen in Nordrhein- Westfalen?]

sie haben deswegen trotzdem versucht, Herrn Over davon abzuhalten, sich weiter vehement dagegen zu stemmen, einfach nur 2 Meter weiter nach hinten zu gehen.

[Zuruf von der CDU: Privilegien-Over!]

Die Gewalt in dieser Umgebung ging von links aus. Sie ging von Mitgliedern der PDS aus; nicht nur, da waren auch andere Leute, die gerangelt haben. Deswegen erscheint es mir – –

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zackenfels?

Herzlichen Dank! – Ich habe eine Zwischenfrage: Sind Ihnen weitere Vorfälle auch von anderen Parlamentariern anderer Fraktionen bekannt, die eventuell sogar von der Polizei vorübergehend in Gewahrsam genommen worden sind?

[Gelächter und Beifall links]

Oder ist der Kollege Over der Einzige, der, so sagten Sie, Rangeleien und Ähnliches angestrebt hat? – Ich glaube, Kollege Over ist nicht in Gewahrsam genommen worden.

Mir ist bekannt – und ich halte es für wichtig –, dass unterschieden wird zwischen einer körperlichen Aggression gegen Polizeibeamte, diese durch körperliche Gegenwehr auszuleben gegen polizeiliche Maßnahmen, und dem vielleicht eher zufälligen Zusammentreffen von Parlamentariern,