Steffen Zillich

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Vielen Dank! – Ich habe eine Frage an Senator Körting. – Herr Senator! Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über die vermehrten Störungen von Informationsständen oder Wahlkampfveranstaltungen durch Rechtsextremisten, insbesondere im Berliner Süden vor? Und wie bewertet der Senat dies vor dem Hintergrund, dass dabei vermehrt Mitglieder der verbotenen Kameradschaft BASO zusammen aufgetreten sein sollen?
Herr Senator! Können Sie zusagen, dass in Zukunft, wenn der Polizei Erkenntnisse darüber vorliegen, dass Mitglieder der verbotenen Kameradschaft BASO oder anderer verbotener Kameradschaften gemeinsam in der Öffentlichkeit auftreten, dies durch die Polizei überprüft wird, beispielsweise durch Feststellen der Personalien?
Herr Senator! Werden Sie zusagen, dass angesichts der Erfahrungen mit der Berichterstattung über das Sozialforum, obwohl es offiziell nicht Beobachtungsobjekt war, der Bereich Linksextremismus im Verfassungsschutz einer Revision daraufhin unterzogen wird, inwieweit es sich dabei um einen Einzelfall handelt? Können Sie zusichern, dass Ergebnis und Ziel einer solchen Revision sein wird, dass ein solcher Fall, dass über ein Nichtbeobachtungsobjekt trotzdem nahezu komplett berichtet wird, in Zukunft nicht wieder auftreten wird?
Ich habe eine Frage an den Wirtschaftssenator. – Herr Senator! Wie wird sich die Entscheidung der Bundesnetzagentur zu den Durchleitungsgebühren auf die Preise für die Berliner Energiekunden auswirken? Wie wird Ihr Haus in diesem Zusammenhang gegebenenfalls tätig?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist interessant, dass angesichts etwas, das nicht zur Abstimmung steht, so dicke Backen gemacht werden: Wahlkampf unter weitgehendem Ausschluss der medialen Öffentlichkeit. Da müssen sich augenscheinlich einige richtig warm laufen.
Ich habe hierauf keine Lust und will kurz darüber reden, was hier tatsächlich zur Abstimmung steht. Hier steht eine Vorlage des Senats in einer geänderten Form zur Abstimmung, die von einer einstimmig beschlossene Verfassungsänderung herrührt. Hierbei sind drei Punkte geändert worden. Erstens wurden die Möglichkeiten für direkte Demokratie verbessert, die Quoren für Volksentscheide wurden gesenkt. Zweitens wurden die Akteneinsichtsrechte für Abgeordnete verbessert. Drittens wurde eine Regelung eingeführt, dass in Berlin die Senatoren nicht mehr direkt vom Parlament gewählt werden, sondern der Regierende Bürgermeister die Senatorinnen und Senatoren ernennt. Das machte zwingend erforderlich, dass das Senatorengesetz, nämlich die Art und Weise, wie sie gewählt werden, und das Sicherheitsüberprüfungsgesetz geändert werden. Insofern liegt hier eine Vorlage – zur Be
schlussfassung – vor, die zumindest in der Form der Beschlussempfehlung des Fachausschusses einstimmig beschlossen worden ist.
Deswegen haben wir gesagt – was als parlamentarischer Vorgang völlig normal ist –, dass wir diesen Punkt nicht mitbeschließen werden. Das haben wir getan.
Der Fachausschuss hat das einstimmig so zur Abstimmung empfohlen. Zur Abstimmung liegt hier eine Beschlussempfehlung vor, die einstimmig durch den Ausschuss gegangen ist. Diesen Vorgang kann man in aller Ruhe so beschließen, und zwar wahrscheinlich auch einstimmig.
Herr Senator! Würden Sie unterstützen, dass es bei der Auseinandersetzung um Angstzonen, diesen Begriff halte ich in diesem Bereich für besser als No-go-Areas,
Ich frage auch vor dem Hintergrund Ihrer Antwort zu den No-go-Areas: Wie bewerten Sie denn die Äußerung Ihres Parteikollegen Heye, der jetzt als Vorsitzender eines nicht ganz unbekannten Vereins in Berlin sehr wohl darauf hingewiesen und gesagt hat: Es gibt gefährliche Orte in Berlin. Er warnt Menschen mit anderer Hautfarbe, da hin zu gehen. Dann eine Antwort zu geben und zu sagen, wir sind gut aufgestellt gegen Rechtsradikalismus, halte ich für eine Verharmlosung des Problems.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der 1. Mai als Tag des Eintretens für soziale Gerechtigkeit und für Frieden ist politisiert worden. Die Offensive der Gewerkschaftsbewegung mit einer Kampagne für einen Mindestlohn ist richtig. Ja, von Arbeit muss man leben können! Ja, die Dumpingspirale, insbesondere im Bereich der niedrigen Einkommen, muss beendet werden! Deshalb benötigen wir einen gesetzlichen Mindestlohn, das ist wirtschaftspolitisch vernünftig und auch ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit.
Die Bilanz des 1. Mai kann sich in der Tat sehen lassen. Es war der friedlichste 1. Mai seit vielen Jahren. Es gab weniger Verletzte, es gab weniger Festnahmen, weniger Polizisten waren im Einsatz. Alle angemeldeten Versammlungen verliefen störungsfrei. Das Wichtigste für den 1. Mai in Kreuzberg war jedoch: Die Kreuzbergerinnen und Kreuzberger, die Berlinerinnen und Berliner, haben diesen Tag für sich wiedergewonnen. Sie fliehen nicht mehr, sie gehen hin. Sie verbarrikadieren sich nicht mehr, sie nehmen das Myfest als ihr Fest an. Sie blicken nicht mehr mit Angst auf diesen Tag, sie gestalten mit. Ja, es ist gelungen, die Spirale entpolitisierter Gewalt am 1. Mai zu durchbrechen!
Ich will daran erinnern, wie sehr sich der 1. Mai 2006 vom 1. Mai im Jahr 2001 in Kreuzberg unterscheidet. Damals gab es Demonstrationsverbote, die Polizei stürmte Feste, es gab ausufernde Straßenschlachten, Hunderte Menschen wurden in Polizeikesseln festgehalten, und es gab Randale von Jugendlichen, die in der Erfahrung aufgewachsen waren, dass so etwas in Kreuzberg am 1. Mai dazugehört. Ich frage Sie: Wer hätte nach dem 1. Mai 2001 gedacht, dass wir heute da stehen, wo wir stehen? – Ich bin ehrlich: Ich habe diese Hoffnung nicht gehabt.
Dieser Erfolg hat viele Eltern, er hat vor allen Dingen zwei Voraussetzungen. Die erste ist, dass es eine grundlegende Umkehr in der Berliner Innenpolitik gab. Sie hat zwei Elemente: Das erste ist, dass es eine Abkehr von einer Strategie, einer Politik der Demonstrationsverbote gegeben hat. Ein bewusstes Hinwenden fand statt: Ja, das Demonstrationsrecht gilt auch am 1. Mai! Auch hier gehören Politik und Protest zu diesem Tag. Es war mit einem, wenn auch langsamem Aufräumen des Mythos verbunden, dass Gewalt in den Vorjahren immer von den politischen Veranstaltungen ausgegangen ist.
Es gab einen Mentalitätswechsel in dieser Stadt. War Berlin lange dafür bekannt, dass es hier innenpolitische Hau-Draufs und rücksichtslose Polizeistrategie gibt, so ist es nunmehr für professionelle und erfolgreiche Deeskalation bekannt. Das ist gut für die Menschen in dieser Stadt und auch gut für das Ansehen Berlins.
Die zweite und wichtigste Bedingung für den Erfolg liegt im Engagement der vielen Initiativen, Vereine und Anwohner für den 1. Mai in Kreuzberg. Deswegen ist der Erfolg für die Stadt vor allem ein Erfolg der Kreuzberger. Ihnen gilt zuallererst der Dank und der Respekt. Ein Element ist zunächst die Initiative der Bürgermeisterin Cornelia Reinauer. Sie hat zu einem Zeitpunkt, als kaum jemand politisch an das Problem heranwollte, als kaum jemand glaubte, man könne diese Gewaltspirale tatsächlich erfolgreich durchbrechen, als kaum jemand dafür die politische Verantwortung übernehmen wollte, das Risiko und die Verantwortung übernommen und die Initiative ergriffen.
Im Nachhinein hat ein solcher Erfolg immer viele Eltern. Es gerät in Vergessenheit, wie allein gerade Cornelia Reinauer am Anfang mit dieser Initiative war. Aber natürlich hätte das alles nicht ohne die vielen Vereine und Anwohnerinitiativen funktionieren können, die diese Initiative, das Projekt Myfest, getragen haben. Ihr Engagement macht den Erfolg aus. Dafür gebührt ihnen unserer Dank.
Von besonderer Bedeutung ist hier das Engagement der Migrantenorganisationen, der gesamten MigrantenCommunity. Diesem Engagement ist es sicherlich auch zu verdanken, dass wir in diesem Jahr eine Entwicklung haben, dass unter den Festgenommenen, den Gewalttätigen weniger jugendliche Migranten als in den Vorjahren waren.
Der Erfolg von Myfest ist ein Beispiel dafür, wie Integrationspolitik funktionieren kann. Ich sage hier deutlich: Mit markigen Worten von gescheiterter Integration, mit ausgrenzenden Schuldzuweisungen über mangelnde
Herr Ritzmann! Nehmen Sie bitte zur Kenntnis – nicht weil ich das als absolut ehrenrührig ansehe, sondern um der Wahrheit genüge zu tun –, dass ich nie ein Autonomer war.
te behindert werden können. Es hat sich aber gezeigt, dass die Polizei sehr gut damit umgehen kann.
Nicht zu unterschätzen ist die Arbeit der Justiz. Es hat eine Reihe von Urteilen gegeben, bei denen jedem klar wird, dass die Zeit von „Räuber und Gendarm“ vorbei ist. Leute gehen ohne Bewährung für zwei Jahre ins Gefängnis, weil sie – ohne dass nachgewiesen wurde, dass ein Polizist dabei verletzt wurde – Steine auf Polizisten geworfen haben. Auch langjährige Bewährungsstrafen werden verhängt. Das Signal ist klar: Das sind keine Kinderspielereien, sondern hier stehen Menschenleben auf dem Spiel. Die Justiz hat hier klare Urteile gefällt. Das ist gut so.
Ein Präventionskonzept haben fast alle Fraktionen regelmäßig gefordert. Die Polizei setzt es immer stärker um. Sie geht in die Schulen, spricht über die Gerichtsurteile, über die Verletzungen, die entstehen können, und berichtet, was alles schief gehen kann, wenn man sich an den Krawallen beteiligt. Das wurde deutlich ausgeweitet, ebenso wie die Gefährderansprache. Man kennt seine Pappenheimer, man weiß, wer regelmäßig durch Gewaltstraftaten auffällt, wer regelmäßig am 1. Mai aktiv ist, auch wenn er nicht verhaftet wird. Er wird angesprochen: Überleg dir das gut, wir wissen, wer du bist und wie du aussiehst. – Das ist eine ganze Reihe von Gründen, die dazu führen, dass der 1. Mai sich etwas ändert.
Auch die Zersplitterung des Schwarzen Blocks dürfen wir nicht unterschätzen. Es gibt immer noch eine Gruppe von Menschen, die glauben, dass politische Ziele mit Gewalt durchzusetzen sind und dass man sich stärkere Argumente verschafft, indem man das Eigentum anderer vernichtet oder andere angreift. Ein Teil von ihnen war auf Grund der NPD-Demonstration in Leipzig und Rostock. Ein Teil der Last wurde also auf andere Bundesländer verteilt. Berlin hat davon profitiert, hier blieb es deswegen recht ruhig. Der Schwarze Block wird aber – fürchte ich – über einige Zeit bestehen bleiben. Hier können wir keine Entwarnung geben.
Ein letzter Grund, der gar nicht so unwichtig ist: Einige erfahrene Autonome sind „in die Jahre“ gekommen, sind sogar in dieser Regierung. Auf den Internetseiten der Linksextremisten wird heiß diskutiert, dass die Kollegen Over und Zillich jetzt „auf der anderen Seite“ sind und dadurch vielleicht ein strategischer Ansatz verloren gegangen ist. Da fehlt jetzt ein bisschen Führung.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden Orte benannt, an denen – da diese Orte Gedenkstätten von überregional herausragender Bedeu
)
Eines ist aber deutlich zu sagen: Dieses Gesetz schützt nicht vor Nazidemonstrationen, es schützt nicht vor der Nazidemonstration im Kiez und nicht einmal vor der Na
zidemonstration an den benannten Gedenkstätten, wenn sie sich ihrem Inhalt und Anlass nach nicht auf geschichtspolitische Fragen und auf die Opfer des Nationalsozialismus bezieht. Das ist nicht möglich, und deshalb ist hier nicht eine Debatte zu führen, die in Berlin gerne geführt wird: Fassen wir diese Liste doch so weit, benennen wir doch hundert, tausend Orte dieser Stadt, an denen solche Demonstrationen nicht mehr durchgeführt werden können. Das geht an unseren rechtlichen Möglichkeiten vorbei
und ist auch eine falsche Strategie, denn Rechtsextremismus, menschenverachtende Ideologien lassen sich nicht verbieten, auch ihr Auftreten in Demonstrationen wird sich nicht verbieten lassen. Worauf es ankommt – und das muss noch einmal gesagt werden – ist, dass wir uns in der täglichen Auseinandersetzung dem entgegen stellen,
(D
dass wir Menschen motivieren, sich mit dem Nationalsozialismus auseinander zu setzen und historischem und aktuellem Rechtsextremismus entgegen zu treten. Das bedeutet auch, dass wir als Gesetzgeber nicht den Eindruck erwecken können, so ein Problem sei administrativ zu lösen. Wir müssen – wie es dieser Senat tut – durch Polizeihandeln und durch Unterstützung von zivilgesellschaftlichem Engagement Bedingungen schaffen, Menschen zu ermutigen, sich täglich diesen Entwicklungen entgegen zu setzen.
tung sind und an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft gemahnen – Demonstrationen dann nicht stattfinden dürfen, wenn diese geeignet sind, die Würde dieser Opfer zu verletzen. Wir erfüllen damit den Auftrag, den der Bundesgesetzgeber uns mit einer Änderung des Versammlungsgesetzes aus dem letzten Jahr gegeben hat. Wir wollen darüber reden, was ein solches Gesetz kann, was es nicht kann und inwieweit es ein Instrument in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus sein kann. Deshalb haben wir es als Priorität benannt.
Wenn man darüber redet, muss man sich daran erinnern, in welcher Situation diese Gesetzesänderung auf Bundesebene vorgenommen wurde. Wir erinnern uns an das vergangene Jahr, in dem es anlässlich des 50. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus einen Demonstrationsaufruf der rechtsextremen jungen Nationaldemokraten gab, die unter dem Motto „Weg mit dem Schuldkult“ durch Berlin, durch das Brandenburger Tor marschieren wollten. Viele Menschen, viele Organisationen dieser Stadt waren zu Recht sehr darüber empört. Viele haben dazu aufgerufen, dagegen aktiv zu werden – auch dieses Haus –, und im Bundestag entspann sich eine relativ hektische Debatte darüber, wie man im Wege von Gesetzesänderungen eine solche Demonstration verhindern könne. Die Demonstration hat nicht wie geplant stattgefunden – an der Gesetzesänderung lag es nicht. Es lag daran, dass Tausende Berlinerinnen und Berliner sich diesen Neonazis in den Weg gestellt haben und dass durch ein besonnenes Verhalten der Polizei – bedingt auch durch diesen zivilgesellschaftlichen Protest – den Neonazis und Rechtsextremen in dieser Stadt eine der schwersten Niederlagen der vergangenen Jahre zugefügt wurde.
Das ist eine Situation, auf die wir stolz sein können, es ist aber auch wichtig zu erwähnen, dass dieses Gesetz – die Änderung des Versammlungsgesetzes auf Bundesebene – aus zwei Gründen dazu nichts beitragen konnte. Erstens: Eine Demonstration von Rechtsextremen durch das Brandenburger Tor unter diesem Motto und an diesem Tag wäre auch ohne diese Gesetzesänderung zu verbieten gewesen – diese Möglichkeit hat bestanden.
Zweitens: Der symbolische Ort des Brandenburger Tors, der der Anlass für diese Gesetzesänderung war, wird durch dieses Gesetz überhaupt nicht betroffen. Nun sind wir als Landesgesetzgeber aufgerufen, genau solche Orte zu benennen, an denen Demonstrationen in der genannten Weise verboten werden können. Der Senat hat dazu das Richtige getan und sich mit Vertretern der Verbände der verschiedenen Opfergruppen zusammengesetzt und mit ihnen zusammen versucht, einen Katalog vorzulegen, der auch das Spektrum der Opfergruppen des Nationalsozialismus deutlich macht.
Demokratie braucht Zivilgesellschaft, Demokratie braucht bürgerschaftliches Engagement, Demokratie braucht aktive Menschen, die auf die Straßen gehen. Allein mit Polizei und mit Verboten wird das nicht zu lösen sein. – Danke!
Herr Kollege Ritzmann! Diese Kategorisierung von Gedenkstätten ist in der Tat ein Problem. Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, dass eine solche Kategorisierung schon allein durch die Tatsache stattfindet, dass das Bundesgesetz die Länder auffordert, eine solche Kategorisierung vorzunehmen, auch ohne dass die Länder das ausführen?
Verehrte Frau Kubala! Ihr Anliegen in allen Ehren, aber sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass der inflationäre Gebrauch von Fußballbildern und Fußballvergleichen nicht nur extrem nervtötend, sondern in der Wirkung auch ziemlich fußballfeindlich ist?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir konnten in der letzten Rede noch einmal die geballte innenpolitische Kompetenz der Berliner CDU erleben.
Ich will darauf nicht im Einzelnen eingehen. Von den Vorrednern ist bereits auf die Debatte im Jahr 2001 verwiesen worden, also dem letzten 1. Mai unter CDUInnensenatoren. Ich habe seinerzeit in meiner Rede Herrn Werthebach gesagt, er verhalte sich so wie jemand, der mit dem Kopf gegen eine Wand rennt und als er merkt, dass er damit nicht durchkommt, die Konsequenz zieht, beim nächsten Mal noch mehr Anlauf zu nehmen. – Mir scheint, dass dieses Gegen-die-Wand-Rennen zumindest in Teilen der CDU auch ohne Werthebach fortgesetzt worden ist.
Ich muss den Innensenator und auch Sie, Herr Wieland, fragen: Wann war die Polizei in dieser Stadt eigentlich mal das Schwein? Möglicherweise hätten Sie, Herr Wieland, bei Ihrer letzten Rede in diesem Haus sich dazu einmal äußern sollen.
Zynischer kann man 18 Jahre Krawalle nicht kommentieren. Das zeigt aber auch die Geisteshaltung dieses Herrn. Wer in den letzten Jahren so viel Verständnis und Sympathie für die linke Gewaltszene geäußert hat, darf sich nicht wundern, dass diese nicht aufhört bzw. es nicht will.
Der Innensenator hat sich in diesem Jahr aus den Vorbereitungen der Polizei weitgehend herausgehalten.
Dieses war richtig! Er hat aus seinen Fehlern der letzten beiden Jahre gelernt. Die Polizei hat, wie wir glauben, auf diesen 1. Mai endlich einmal hervorragend reagiert bzw. sich vernünftig vorbereitet. Wer wie Innensenator Körting aber meint, das Gewaltritual am 1. Mai 2004 wäre durchbrochen, irrt gewaltig oder hat möglicherweise Wahrnehmungsschwierigkeiten. Wir haben weiterhin in dieser Stadt in linksradikalen Kreisen eine starke Gewaltbereitschaft, die übrigens nicht nur am 1. Mai eines jeden Jahres zum Ausbruch kommt. Sie sollten möglicherweise hierzu einmal den Bericht des Verfassungsschutzes lesen. Wer 200 verletzte Polizeibeamte, Herr Körting, als Erfolg verbucht, verletzt seine Fürsorgepflicht als Innensenator aufs Gröbste. 200 verletzte Polizeibeamte sollten für alle endlich einmal als ein unübersehbarer Beweis dafür angesehen werden, von wem die Gewalt ausgeht und wen sie getroffen hat. Die oft jungen Menschen in Uniform verdienen unseren Dank. Sie leisten für dieses Gemeinwesen einen unschätzbaren Dienst.
Der Versuch, Steinwürfe auf Polizeibeamte zu verharmlosen oder sie sogar zu verschweigen, vergisst, dass jeder Steinwurf auf einen Polizeibeamten einen Mordversuch darstellt, und er motiviert diese Kreise, mit der Gewalt fortzufahren bzw. sie möglicherweise sogar noch zu steigern. Herr Körting, was wäre gewesen, wenn wir nicht ca. 900 Polizeibeamte zu unserer Sicherheit zur Verfügung gehabt hätten? Welche Ausmaße hätten die Krawalle am 1. Mai dann angenommen? Haben Sie, Herr Körting, sich diese Frage überhaupt einmal gestellt?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es hier mit zwei Beschlussempfehlungen zu tun, die aus dem Innenausschuss kommen, die das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz und das Berliner Polizeigesetz betreffen. Der erste Punkt, die Videoüberwachung, der Running Gag der CDU, hier muss man wohl nicht weiter argumentieren. Wir haben uns in der Koalitionsvereinbarung verpflichtet, das auch umzusetzen, eine Videoüberwachung an besonders gefährdeten Objekten, z. B. zum Schutz von Synagogen, von jüdischen Friedhöfen. Da ist es sinnvoll. Das haben wir in sehr engen datenschutzrechtlichen Grenzen umgesetzt. Eine Videoüberwachung öffentlicher Plätze, die einen Verdrängungseffekt erzielt und obendrein sehr stark in die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern eingreift, dazu sagen wir Nein. Das wird sich auch nicht ändern. Hierzu haben wir uns verständigt.
Die zweite Beschlussempfehlung, die wir hier vorlegen, ist ein Paket von Änderungen des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, wo die Koalition Änderungsanträge der Opposition – zwei von den Grünen und einen von der CDU – aufgreift. Hier geht es insbesondere um drei Komplexe: Erstens um die Definition des Begriffs „Straftaten von erheblicher Bedeutung“, das ist ein relativ wichtiger Begriff, weil sehr starke Eingriffsbefugnisse der Polizei in die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern an diesen Begriff geknüpft sind, z. B. nachrichtendienstliche Befugnisse wie Observation, der Einsatz verdeckter Ermittler, akustische Wohnraumüberwachung. Hier hat die CDU beantragt, eine Generalklausel einzuführen, also relativ unbestimmt zu sagen: Wir vertrauen der Polizei, die diese Mittel schon dosiert und richtig einsetzen wird. – Wir haben als Koalition bereits vor einem Jahr gesagt: Wir wollen diese Generalklausel abschaffen. – Wir haben sie abgeschafft und durch einen Straftatenkatalog analog § 100 StPO ersetzt. Hier hat sich in der Debatte ergeben – insbesondere von der Polizei vorgetragen –, dass es den Bedarf gibt, insbesondere beim Kindesmissbrauch, aber auch bei der Hooligankriminalität und beim Rechtsextremismus, diesen Katalog zu überarbeiten. Wir haben ihn maßvoll überarbeitet, konkret ohne
die Wiedereinführung einer Generalklausel. Und wir haben dabei die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts beachtet, die es in seinem Lauschangriffsurteil gemacht hat, nämlich eine Definition von Straftaten von besonderer Schwere anhand der Strafbewehrung. Wir haben nur wenige Straftaten eingeführt, die auch diesem Kriterium des Bundesverfassungsgerichts entsprechen.
Zum Zweiten schränken wir die Rasterfahndung ein. Die Rasterfahndung ist ein Instrument, das zumindest für uns als PDS ein außerordentlich problematisches ist. Da sind wir uns mit dem Koalitionspartner nicht einig. Wir sind uns auch nicht ganz einig in der Beurteilung der Rasterfahndung, die in Berlin nach dem 11. September gelaufen ist. Das war schon ein etwas eigenartiges Verfahren. Was dort versucht wurde, gleicht eher einer Rahmen- als einer Rasterfahndung. Ein Raster war zum Teil nicht mehr zu erkennen wegen sehr unbestimmter Formulierungen, welche Daten übermittelt werden sollen. Wir sind uns aber mit dem Koalitionspartner einig, dass man daraus Konsequenzen ziehen muss, auch aus dieser Erfahrung. Wir haben diese Konsequenzen gezogen, zum ersten, indem wir gesagt haben, es muss genau bestimmbar sein, welche Daten denn erhoben werden sollen. Die Polizei kann nicht zu Universitäten gehen und sagen: Rückt uns alles rüber, was ihr habt. – Sondern es muss konkreter gesagt werden, um welche Daten es sich handeln soll. Wir haben zum Zweiten gesagt, ein Richter muss das anordnen. Gefahr im Verzug kann es hier nicht geben. Zum Dritten haben wir gesagt, der Datenschutzbeauftragte muss enger in dieses Verfahren eingebunden werden, und die Lösungsverpflichtung einmal erhobener Daten ist konkretisiert worden. Hier wird Rasterfahndung eingeschränkt.
Und wir schaffen die Schleierfahndung ab. Die Schleierfahndung ist ein Instrument, das sehr stark in das Vorfeld von Straftaten eingreift. Hier dürfen Bürgerinnen und Bürger angehalten, kontrolliert und durchsucht werden, ohne dass auch nur eine Gefahr vorliegt oder der Verdacht einer Straftat. Das heißt, Bürgerinnen und Bürger werden unabhängig davon kontrolliert, wie sie sich verhalten. Das ist rechtsstaatlich ein sehr problematisches Instrument. Das fanden wir immer. Wir waren auch gegen die Einführung dieser Schleierfahndung. Deswegen begrüßen wir es, dass sie abgeschafft wird. Aber selbst wenn man in dieser Abwägung, in dieser grundsätzlichen Beurteilung dieses Instruments, zu der Auffassung gelangt, es ist trotzdem vielleicht ein sinnvolles oder es ist sinnvoll, Grundrechte an dieser Stelle einzuschränken, muss man – genau das haben wir hier gemacht – sich doch angucken: Wie wirkt es denn? Hat es denn überhaupt Sinn? – Und hier haben wir die Situation, dass die Schleierfahndung seit ihrer Einführung in Berlin – das ist schon gesagt worden – acht Mal angewandt wurde und nicht ein einziges Mal der mit der Anordnung verbundene Zweck, nämlich die vorbeugende Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität, tatsächlich erfüllt wurde. Da ist es nur zwingend zu sagen: Ein solches au
genscheinlich mindestens in Berlin sinnloses Instrument schaffen wir ab.
Das, was wir hier gemacht haben mit der Änderung des ASOG, was wir hier vorlegen, ist eigentlich selbstverständlich. Es sollte zumindest normal sein. Polizeiliche Instrumente müssen selbstverständlicher daraufhin überprüft werden, ob sie bürgerrechtlich vertretbar oder ob sie überhaupt geeignet sind. Aus dieser Überprüfung muss dann auch ein Schluss gezogen werden. Diesen Schluss haben wir hier gezogen. Das, was wir gemacht haben, ist aber leider keine Normalität. Es ist nicht einmal üblich, es ist die einsame Ausnahme. Herr Wieland konnte sich an kein Beispiel erinnern, dass solch einmal eingeführte polizeiliche Instrumente abgeschafft worden sind.
Ich komme zum Schluss. – Rot-Rot hat einen Mentalitätswechsel versprochen. Es hat auch einen Mentalitätswechsel hin zu einer liberaleren Politik im Bereich der inneren Sicherheit versprochen. Mit dieser Polizeigesetzänderung, mit der Abschaffung der Schleierfahndung und der Eingrenzung der Rasterfahndung wird die Ernsthaftigkeit dieses Mentalitätswechsels auf eine Weise bewiesen, wie sie in der Bundesrepublik einmalig ist. Ich darf sagen, dass ich über diese Polizeirechtsänderung, die wir hier machen, einigermaßen froh und auch stolz bin und freue mich auch, dass zwei Oppositionsfraktionen an diesem Punkt mitgehen. – Danke!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass der Antrag der CDUFraktion zu einer solchen sicherheitspolitischen
Ritzmann
Grundsatzrede Anlass gibt, auch wenn ich vieles von dem, was Herr Ritzmann gesagt hat, durchaus teile, das wissen Sie. Ich möchte mich mehr auf den Antrag beziehen, wobei einige Worte der Rede von Herrn Henkel durchaus Anlass geben, grundsätzliche Bemerkungen abzugeben.
Die CDU beantragt, eine Neufassung im Berliner ASOG, im Berliner Polizeigesetz, rückgängig zu machen, die ein Jahr alt ist. Worum geht es dort im Kern? – Es geht hier darum, den Begriff der „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ zu definieren. Warum ist das wichtig? Warum ist das in diesem Polizeigesetz wichtig? – Eine ganze Reihe von sehr starken Eingriffen in die Grundrechte sind geknüpft an das Vorliegen oder das Drohen solcher Straftaten von erheblicher Bedeutung. Das ist schon angesprochen worden. Hier geht es um das Durchsuchen von Wohnungen. Hier geht es um den Einsatz verdeckter Ermittler. Hier geht es um Personenkontrollen und ähnliche Dinge. Deswegen ist es wichtig, diesen Begriff genau zu definieren. Vorher hatten wir eine Situation – genau das beantragt die CDU hier wieder –, dass es eine Generalklausel gab, die es weitestgehend in das Ermessen der Polizei gestellt hat, ob die Voraussetzungen für tiefe Eingriffe in Bürgerrechte vorliegen.
Wir haben es in dem Sinne geändert, dass Verbrechen Straftaten von erheblicher Bedeutung in diesem Sinne sind, und einen gesonderten Straftatenkatalog vorgelegt. Hier haben wir den Straftatenkatalog des § 100a der Strafprozessordnung übernommen. Nun ist dieses Gesetz ein Jahr alt. Es ist richtig, dass man nach einem Jahr einmal prüft, ob es Probleme mit der Umsetzung dieses Gesetzes und Anpassungsbedarf gibt. Der Innensenator und die Polizei haben vorgetragen, dass eine Reihe von Straftaten in diesem Straftatenkatalog nicht erfasst sind, was aber nötig ist, um insbesondere bei drohenden Sexualdelikten polizeilich aktiv werden zu können. Darüber kann man reden. Darüber wird man auch reden müssen, um welche konkreten Straftaten man diesen Straftatenkatalog möglicherweise ergänzt. Ich erwarte dann aber auch seitens der Polizei und seitens des Innensenators, dass klar dargelegt wird, weshalb eine solche Erweiterung für welche Fälle notwendig ist. Dann kann man darüber sprechen.
Dieser Mühe unterzieht sich die CDU jedoch nicht, konkret zu sagen, wo es hakt und welche polizeilich sinnvolle Maßnahme dadurch eingeschränkt wird. Die CDU will hier wieder die Generalklausel einführen. Wir haben hier gemeinsam eine Regelung eingeführt; keine Fraktion hatte etwas dagegen. Ich zitiere aus dem Protokoll des Innenausschusses vom 13. Januar 2003. Es wird ausgeführt, dass Kollege Henkel der Auffassung sei, aus Sicht der CDU sprächen keine Argumente gegen eine Änderung, also gegen die Einführung der jetzigen Regelung.
Sie haben aber auch keine neuen Argumente genannt, weshalb man hier eine solche Regelung wieder einführen sollte.
Ich finde es schwierig, wenn Sie an dieser Stelle immer wieder mit dem Vertrauen in die Polizei argumentieren. Nach Ihrer Argumentation brauchen wir nur ein Polizeigesetz: „§ 1 Die Polizei wird es schon machen.“ Es hat überhaupt nichts damit zu tun, ob man der Polizei vertraut, mit der Arbeit zufrieden ist, ihr misstraut oder die Behörde mag oder nicht mag, wenn man klare Kompetenzregelungen für die Polizei fordert. Weil es hier um Eingriffe in die Grundrechte von Bürgern geht, müssen diese klar benannt, abgegrenzt und definiert sein. Deswegen werden wir den von Ihnen vorgeschlagenen Weg nicht gehen. Wir werden nicht zu einer Generalklausel zurückkommen, sondern werden sehr wohl im Ausschuss darüber reden, inwieweit möglicherweise der Straftatenkatalog des § 17 Abs. 3 ergänzt werden muss, damit die Polizei vernünftig agieren kann. Ein Zurück zur Generalklausel, die es in das Benehmen der Polizei setzt und die nur mit dem Vertrauen in die Polizei begründet werden soll, wird es mit uns an dieser Stelle nicht geben!
Danke schön! – Ich habe eine Frage an den Innensenator: Hat nach Auffassung des Senats das Urteil des Europäischen Gerichtshofs über die Anrechnung von Bereitschaftszeiten für Ärzte Auswirkungen auf die Bereitschaftsdienste im Land Berlin, vor allem bei Polizei und Feuerwehr? Wenn ja, um welche Auswirkungen handelt es sich?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gute an diesen beiden aufeinander folgenden Rederunden ist, dass sie die ganze Palette der sicherheitspolitischen Vorschläge im Berliner Parlament offen legen. Ich glaube, dass sich die Koalition in dieser Palette in dem, was sie tut, sehr gut und richtig am eher liberaleren Rand dieser Palette bewegt.
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zumal man sich damit schon oft und viel zu ernsthaft auseinander gesetzt hat.
Der zweite Antrag, den Sie vorlegen, setzt sich damit auseinander, was die Verkehrsunternehmen für mehr Sicherheit tun können. Darüber wir man sich vor allem im Verkehrsausschuss auseinander setzen müssen, sicherlich auch unter der Prämisse, welchen Investitionsbedarf man den Verkehrsunternehmen in Berlin zumuten kann und darf. Aber eines ist letztlich klar: Die meiste Sicherheit auf Bahnhöfen und in Zügen bringt, wenn sie angenommen werden, wenn viele Menschen mit ihnen fahren, wenn es dort voll ist. Insofern sollte es vor allem darum gehen, ein attraktives Verkehrsangebot anzubieten, und dies muss insbesondere unter verkehrspolitischen Aspekten diskutiert werden. – Danke!