Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

Beschlussempfehlung GesSozMiVer Drs 15/2950 Antrag der CDU, der Grünen und der FDP Drs 15/2849

in Verbindung mit der

lfd. Nr. 31:

Antrag

Der Telebus könnte auch ein Taxi sein

Antrag der FDP Drs 15/2923

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Zum Antrag der Oppositionsfraktionen empfiehlt der Ausschuss die Annahme in neuer Fassung, und zwar gegen die Stimmen der FDP und bei Enthaltung der CDU und der Grünen. Wer der Neufassung im Wortlaut der Drucksache 15/2950 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das waren die Regierungsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das ist die FDP. Damit ist das angenommen, weil das Erste die Mehrheit war. Enthaltungen? – Das sind die Fraktionen der CDU und der Grünen. Damit ist das beschlossen.

Zum Antrag der FDP, Drucksache 15/2923, empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Damit ist auch das beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 17D:

a) Dringliche Beschlussempfehlung

Aus dem Debakel „Topographie des Terrors“ Konsequenzen ziehen: Senatsbaudirektor ablösen – Dokumentations- und Besucherzentrum bauen!

Beschlussempfehlung Kult Drs 15/2953 Antrag der Grünen Drs 15/2897

b) Dringlicher Antrag

“Topographie des Terrors“ - Dokumentations- und Besucherzentrum bauen!

Antrag der SPD und der PDS Drs 15/2966

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Drucksache 15/2966-1, vor.

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Eine Beratung ist vorgesehen. Dazu hat sich Herr Schruoffeneger für die Fraktion der Grünen gemeldet. Er erhält das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wieland, Sie haben vorhin Einigkeit eingefordert. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass das auch etwas mit dem Umgang miteinander zu tun hat. Zu diesem Umgang gehört, dass man, wenn Anträge der Opposition vorhanden sind und diese im Ausschuss beraten werden, Position dazu bezieht und eventuell Änderungsanträge einbringt. Schlechter Umgang miteinander und mit der Opposition ist es, wenn man sich in den Ausschussberatungen als Koalition nicht äußert und dann auch in der abschließenden Plenarsitzung nicht etwa mit einem Änderungsantrag, sondern mit einem Dringlichkeitsantrag kommt. Was ist daran dringlich, wenn ein Oppositionsantrag schon seit zwei Wochen im Geschäftsgang ist und schon im Ausschuss beraten wurde, aber man sich dazu nicht äußern konnte? – Das ist nur ein kleinkariertes Verhalten. Man konnte es nicht ertragen, dass eine andere Fraktionen bei der Bearbeitung dieses Themas etwas schneller war. Auch das gehört zum Umgang miteinander. Wenn Sie dabei etwas souveräner sind, gibt es vielleicht auch wieder eine Stimmung, in der mehr Einigkeit in Sachfragen erzielt wird.

[Beifall bei den Grünen]

Was ist inhaltlich passiert? – Die Kernaussage unseres Antrags war, dass man aus Fehlern lernen muss und dass die letzen 15 Jahre im Umgang mit der Topographie des Terrors eine Aneinanderreihung von Fehlern und Fehlentscheidungen waren. Von diesen Fehlern ist in Ihrem Antrag kein Wort mehr, und somit findet sich auch kein Wort zu unserer Forderung, den Senatsbaudirektor in die Verantwortung zu nehmen und abzulösen. Denn hinter diesen Fehlern stehen auch Personen. Der Senatsbaudirektor ist seit Jahren die federführende Kraft. Er hat einen dieser Fehler nach dem anderen zu verantworten.

Vor 15 Jahren gab es den Wettbewerb zur Topographie des Terrors. Vor 11 Jahren ist die Entscheidung gefallen, den Zumthor-Entwurf zu bauen. Diese Entscheidung fiel damals gegen die Stiftung als Nutzerin und Betreiberin des Geländes. Eine der ersten Überlegungen hätte sein müssen, ob es Sinn macht, Baumaßnahmen und Architektur gegen diejenigen durchzusetzen, die diese Architektur betreiben, bespielen oder anderweitig nutzen sollen. Das war sicher einer der ersten Fehler. Seitdem, innerhalb dieser 11 Jahre, nur Krampf, Stimmann immer in der ersten Reihe, es ist ein Schaden entstanden – das kann niemand abstreiten – in Höhe von rund

Präsident Momper

15 Millionen €. Dafür gibt es in Ihrem Antrag keine Verantwortlichen und keine Verantwortungsübernahme. Das ist schlichtweg ein feiger Antrag.

[Beifall bei den Grünen]

Mittlerweile sagen Sie auch selbst, dass hier fehlinvestiert wurde. Frau Junge-Reyer hat gestern davon gesprochen, dass demnächst mit dem Abriss der Treppentürme begonnen werden soll. Es gibt nicht einmal mehr die Diskussion, die vorhandenen Sachen mitzunutzen, sondern hier wird das, was bisher investiert wurde, als Konsequenz aus den Fehlentscheidungen niedergerissen.

15 Millionen € Schaden, was heißt das angesichts unserer Haushaltslage? – Wir könnten davon die Symphoniker fünf weitere Jahre finanzieren. Das wäre hilfreich für die Stadt. Der Kollege Eßer hat vorhin ein anderes Beispiel gebracht. Da waren es 587 Jahre. Insgesamt würden uns die Symphoniker dann alle überleben, wenn es nicht immer wieder so viele Fehlentscheidungen in diesem Senat gäbe.

Ein Appell an Sie: Bekennen Sie sich auch zu Ihren Fehlern! – In der inhaltlichen Konsequenz, wie es weitergehen soll, sind die beiden Anträge gar nicht so weit auseinander. Aber sagen Sie: Es war ein Fehler. – Fordern Sie die Konsequenzen vom Senatsbaudirektor, stimmen Sie unserem Antrag zu und lassen Sie das unsinnige Spielchen mit Ihrem dringlichen Antrag in der Abschlussdebatte des Plenums.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Schruoffeneger! – Für die Fraktion der SPD hat nunmehr Frau Kollegin Lange das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schruoffeneger! Dringlich ist – um auf Ihre polemische Rede zu antworten –, dass unser Antrag nicht rückwärtsgewandt auf der Suche nach Schuldigen ist, sondern nach vorne guckt.

[Beifall bei der SPD – Frau Ströver (Grüne): Schwamm drüber, 15 Millionen versenkt! – Das gibt es doch nicht!]

Es ist richtig und wichtig, dass es endlich Klarheit für die Stiftung Topographie des Terrors gibt, dass die unsägliche Situation an dem authentischen Ort der Täter jetzt endlich beendet wird. Wir wissen alle um die nationale und internationale Bedeutung dieses Ortes der Täter, dieses Ortes, von dem die Vernichtungsmaschinerie der Nazis in Gang gesetzt wurde. Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens, diesen Ort, an dem die Zentrale des Reichssicherheitshauptamtes war, an dem die Geheime Staatspolizei und die SS ihre Schreckenstaten geplant haben, als Ort der Erinnerung und gegen das Vergessen zu erhalten. Was sich auf diesem Gelände ab 1933 ereignet hat, gehört zum dunkelsten Kapitel in unserer Geschichte. Deshalb ist die Geschichte der letzten zehn Jahre des Baus des Dokumentations- und Besucherzentrums nicht

besonders rühmlich. Im Gegenteil, sie ist eine Niederlage. Hier nutzt es auch nichts, etwas zu beschönigen.

Aber dieser Misserfolg hat viele Eltern in seiner zehnjährigen Geschichte. Die Entscheidungen hat niemand allein getroffen. Dazu gehören der Bund, der Senat in wechselnder Besetzung, der Architekt, mangelnde Abstimmung zwischen der Stiftung und dem Architekten, die Pleiten der Baufirmen und vieles mehr. Bei Bund und Land hat es noch bis vor einem Jahr berechtigte Hoffnungen gegeben, dass der Bau des Dokumentationszentrums durch eine Reduzierung der Technik zügig und im vorgegebenen Kostenrahmen erfolgen könnte. Doch die Studie zur technischen Machbarkeit hat Risiken in einer Größenordnung offen gelegt, die ohne Beispiel waren, z. B. einen sehr hohen Technikeinsatz, hohe Betriebskosten usw. Dies rechtfertigt unseres Erachtens die Tatsache, den Zumthorbau nicht weiterzubauen. Es ist müßig, rückblickend nach Schuldigen zu suchen. Der Antrag der Grünen wurde von uns daher im Kulturausschuss abgelehnt. Auch den Antrag der FDP, der ebenfalls wenig Neues ergibt und nicht vorwärtsgerichtet ist, lehnen wir ab.

Wichtig ist, zwischen Stiftung und Bau zu differenzieren. Der Problemfall war der Bau und nicht die Stiftung.

[Beifall der Frau Abg. Dr. Tesch (SPD)]

Trotz aller Missstände und Behinderungen um den Bau hat die Stiftung in den letzten Jahren großartige Arbeit geleistet. 300 000 Menschen besuchten das Gelände im letzten Jahr. Mehr als 1 000 Führungen fanden statt. Deshalb ist es die Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass jetzt alle Maßnahmen ergriffen werden, damit das Bauvorhaben unverzüglich realisiert wird. Die Stiftung Topographie des Terrors muss umfassend in alle Planungen und in die Realisierung einbezogen werden. Durch Symposien und einen neuen Wettbewerb sollen die Bedürfnisse aktualisiert werden. Jetzt muss genau herausgefunden werden, was für die Arbeit der Stiftung wichtig ist.

Für uns ist wichtig, dass die Arbeit der Stiftung umfassend dargestellt wird und Raum findet. Zu berücksichtigen sind das Gedenkstättenreferat, die Bibliotheksarbeit, Räume für Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen, für den internationalen wissenschaftlichen Austausch und vor allen Dingen für die Forschungsarbeit. Die Forschungsarbeit wird in ihrer Bedeutung durch die EU-Osterweiterung eine neue Dimension bekommen.

Frau Kollegin Lange, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Ströver?

Nein, jetzt nicht!

Dann fahren Sie bitte fort!

Eine unseres Erachtens zentrale Aufgabe ist es, die pädagogische Arbeit in diesem Konzept als Lernerfahrung für ein demokratisch-politisches System zu sichern. Dieser Aufgabe kann die Stiftung nur

Schruoffeneger

nachkommen, wenn ausreichende Räume zur Diskussion mit den vielen Schulklassen zur Verfügung stehen.

Nach den Erfahrungen der letzten Jahre brauchen wir kein neues Denkmal, keine architektonische Selbstverwirklichung, sondern Baulichkeiten, die das Gelände für sich sprechen lassen und der Stiftung die satzungsgerechte Arbeit ermöglichen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Frau Kollegin Lange! – Das Wort für die Fraktion der CDU hat nunmehr Frau Professor Grütters. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Lange! Es ist schön, dass die SPD auch einmal nach vorne guckt.