Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

Der Abgeordnete Lorenz möchte das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung gemäß § 72 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Hierfür ist eine Redezeit von bis zu drei Minuten vorgesehen. – Bitte schön, Herr Lorenz!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich nicht zu Wort gemeldet, um Ihnen nach der Entscheidung Vorwürfe zu machen. Ich weiß nicht, ob Sie Recht behalten werden oder ob ich Recht behalten werde. Ich hoffe, dass Sie Recht behalten. Die Berliner Erfahrungen sprechen allerdings eher gegen Ihre Meinung.

Was mich bewegt, zu Ihnen zu sprechen, ist etwas anderes. Wer mit den Bürgern Kontakt hat weiß, dass eine Mehrheit von Wählern nicht hinter dieser Entscheidung steht. Auch die Mitglieder von SPD und PDS, wahrscheinlich auch der CDU, würden bei einer Befragung nicht das Votum ihrer Abgeordneten teilen. In einer repräsentativen Demokratie ist die demokratische Legitimation einer solchen Entscheidung selbstverständlich nicht gefährdet. Dennoch ist es problematisch, wenn die Meinung von Repräsentanten und Repräsentierten, von Abgeordneten und Bürgern so weit auseinandergehen. Häufen sich solche Entscheidungen, entziehen sich die Bürger der Politik.

Wo Demokraten versagen, finden sich sehr schnell andere. Die Anzeichen mehren sich nicht nur im Journalistenverband.

Ideologie ist die Verweigerung der Realität, weil man die Wahrheit zu kennen glaubt. Die Bürger leben mehrheitlich in einer harten Realität, der sie sich gar nicht entziehen können. Nur die, denen es gut geht, können sich der Realität verweigern, sich gegebenenfalls eine eigene kaufen.

Der Mehrheit der Bürger geht es nicht mehr gut, schon lange nicht mehr. In einer Stadt, in der alle großen Privatisierungen schief gegangen sind und für die Menschen andauernde, schmerzhafte Folgen haben, sollte man die Bürger, die daran zweifeln, dass sich ein Geierfonds als Wohltäter des Gemeinwesens erweisen wird, respektieren. Die Menschen haben die Erfahrung auf ihrer Seite, was schwerer wiegt als alle Hoffnungen, die hier wieder entfacht werden. Bei der Gründung der Bankgesellschaft wurden die Gegner als „Miesepeter“ verächtlich gemacht. Die Bankgesellschaft hat die Stadt viele Milliarden gekostet. Und auch die Entscheidung bei den Wasserbetrieben ist nicht billig gewesen.

Zur Daseinsvorsorge gehört in einer Stadt, in der Hunderttausende – Kinder, Erwachsene und Familien – unterhalb der Armutsgrenze leben, bezahlbarer Wohnraum. Durch den Verkauf der GSW reduzieren wir den staatlichen Einfluss auf die Gestaltung der Mietpreise drastisch, denn die Mietpreise steigen auch jetzt schon gewaltig, ganz im Gegensatz zu dem, was der eine oder andere behauptet. Da wird das Geld, das wir für höhere Mieten über Sozialhilfe und Wohngeld sowie durch die Reduzierung der Kaufkraft verlieren, noch der geringste Verlust sein. Schwerer wiegt der Eindruck der Menschen, dass uns ihre Nöte nicht bewegen.

Demokratie kann auf die Dauer nicht überleben, wenn keine Übereinstimmung mehr zwischen Bürgern und Abgeordneten besteht. Sicherstes Zeichen dafür, dass diese Übereinstimmung in Berlin nicht mehr besteht, war die Europawahl, wo sich zwei Drittel der Wähler den kandidierenden Parteien gänzlich verweigert haben.

Die Entscheidung über den Verkauf der GSW trägt die Züge eines schlechten Geschäfts. Sicher ist, dass die Kluft zwischen den Hunderttausenden und uns vertieft wird, jenen Hunderttausenden, die meinen, dass wir sie nicht mehr verstehen. Aus diesem Grunde habe ich Nein gesagt!

Danke schön! – Es war schon angekündigt: Auch der Abgeordnete Herr Schruoffeneger möchte eine Erklärung zu seinem Abstimmungsverhalten abgeben. – Bitte sehr, drei Minuten stehen Ihnen zu!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch bei der Fraktion der Grünen haben drei Mitglieder anders abgestimmt als die Mehrheit der Fraktion.

Sie wissen, dass wir uns darauf verständigt haben, den Bestand an öffentlichen, landeseigenen Wohnungen auf die Zahl von 160 000 Wohneinheiten zu reduzieren, dass wir aber Wert darauf legen, dass diese regional gleichmäßig in der Stadt verteilt sind, damit es keine Ghettos mit entsprechender, schwieriger Sozialstruktur in den städtischen Wohnungen gibt. Es war nun eine lange Diskussion in der Fraktion, ob dieses wohnungspolitische Ziel mit dem Verkauf der GSW noch zu verwirklichen ist oder nicht. Dazu gab es unterschiedliche Einschätzungen: Die Mehrheit der Fraktion war der Meinung, dies sei nicht mehr zu verwirklichen, und hat sich deshalb zu einer Ablehnung des Vertrags entschlossen. Die Mitglieder im Hauptausschuss haben in Abwägung des Vertrags zu diesen wohnungspolitischen Zielen eine Enthaltung für sich in Anspruch genommen. Dies ist kein Dissens in der Frage, ob es einen Verkauf von Wohnungen geben soll oder nicht – da sind wir uns einig; Ziel sind 160 000 Wohneinheiten –, es ist aber ein Dissens zum Weg dorthin, in der Frage des Verkaufs der GSW.

Wenn wir sagen, unser Ziel sind 160 000 Wohneinheiten, dann verbinden wir damit auch die Hoffnung, mit den Erlösen von weiteren Wohnungen – da ist dann nicht Schluss bei der GSW –, aber nicht von Wohnungsbaugesellschaften, zur Sanierung der anderen Wohnungsbaugesellschaften des Landes Berlin beizutragen und die dann verbleibenden 160 000 Wohnungen dauerhaft zu sichern. Das heißt auch, dass bei einem weiterhin notwendigen Verkauf diese Einnahmen dann nicht komplett in den Landeshaushalt fließen können, sondern teilweise auch eingesetzt werden müssen, um den restlichen Bestand an landeseigenen Wohnungen zu sichern. Das war die Diskussion in unserer Fraktion mit unterschiedlichen Einschätzungen, aber Einigkeit in dem Ziel, weitere Verkäufe zu ermöglichen und einen Restbestand – 12 000 bis 15 000 Wohnungen pro Bezirk – zu sichern, aber dann in regionalisierter Verteilung.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön!

Wir kommen zu

lfd. Nr. 17H:

Dringliche Beschlussempfehlung

Vermögensgeschäft Nr. 7/2004 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte

Beschlussempfehlung Haupt Drs 15/2969 Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 Abs. 1 GO Abghs

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Ein Beratungsbedarf wurde mir nicht gemeldet. Der Hauptausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die Stimmen von CDU, FDP und Grünen die Annahme des Vermögensgeschäftes. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Das sind die Regierungsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das sind alle Oppositionsfraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Damit ist das Vermögensgeschäft angenommen.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 17I:

Dringliche Beschlussempfehlung

Vermögensgeschäft Nr. 8/2004 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte

Beschlussempfehlung Haupt Drs 15/2970 Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 Abs. 1 GO Abghs

Auch hier wird, wie ich höre, der Dringlichkeit nicht widersprochen.

Eine Beratung ist auch hier nicht vorgesehen. Der Hauptausschuss empfiehlt einstimmig bei Enthaltung der CDU die Annahme des Vermögensgeschäftes. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dies bei Enthaltung der CDU-Fraktion angenommen.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 17J:

Dringliche Beschlussempfehlungen

Aufgabe des Sportstandortes „Radrennbahn Schöneberg“ gemäß § 7 Abs. 2 Sportförderungsgesetz zwecks Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel – Möbelhaus –

Beschlussempfehlungen JugFamSchulSport und Haupt Drs 15/2976 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/2866

Auch hier wird der Dringlichkeit nicht widersprochen.

Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Der Fachausschuss empfiehlt einstimmig bei Enthaltung der CDU und der Grünen, der Hauptausschuss ebenfalls einstimmig bei Enthaltung der Grünen die Annahme der Vorlage.

Lorenz

Wer also der Vorlage seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dies gegen die Stimmen der Grünen und bei Enthaltung der CDU-Fraktion so angenommen.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 17K / 37:

a) Vorlage – zur Beschlussfassung – und Dringliche Beschlussempfehlungen

Entwurf des Bebauungsplans 1-2b im Bezirk Mitte von Berlin, Ortsteil Mitte

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/2894 Beschlussempfehlungen StadtUm und Haupt Drs 15/2977

b) Vorlage – zur Beschlussfassung – und Dringliche Beschlussempfehlungen

Bebauungsplanentwurf für das Gebiet zwischen Werderstraße, Werderschem Markt, Kurstraße, südwestlicher Verlängerung der Kleinen Kurstraße, Niederwallstraße, Hausvogteiplatz, Oberwallstraße sowie für die Oberwallstraße zwischen Hausvogteiplatz und Werderstraße in Berlin Mitte, Ortsteil Mitte

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/2895 Beschlussempfehlungen StadtUm und Haupt Drs 15/2978

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Auch hier ist keine Beratung mehr vorgesehen. Zum Bebauungsplan auf Drucksache 15/2894 empfehlen beide Ausschüsse mehrheitlich gegen die Fraktion der Grünen die Annahme. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dies so angenommen.

Zum Bebauungsplan in der Drucksache 15/2895 empfehlen beide Ausschüsse ebenfalls mehrheitlich gegen die Fraktion der Grünen die Annahme. Wer der Vorlage also seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dies genauso, wie durch die Ausschüsse empfohlen, beschlossen.

Wir kommen zu