Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

[Zuruf des Sen Böger]

Wir haben in diesem Gesetz allen Beteiligten an der Schule ein Mitspracherecht eingeräumt. Wir wollen, dass sich Eltern, Schüler und Lehrer engagieren und einmischen.

[Hoffmann (CDU): Und rauchen!]

Und jetzt kommen Sie mit den anderen daher und wollen in einer ganz wichtigen und entscheidenden Frage die Mitbestimmung aller Gruppen aushebeln, und das dann ausgesprochen Sie: Grüne, Rote und noch einmal Rote und Schwarze! Ich begreife es nicht. Das erste Mal hätten die Schulen hier die Möglichkeiten, sich wirklich eigenverantwortlich zu äußern. Eigenverantwortung muss gelernt und gelebt werden.

[Zuruf des Abg. Mutlu (Grüne)]

Und was machen Sie? – Sie wollen mit einem Verbot gleich wieder sagen: Ich bin der Stärkere, und was ihr da unten vor Ort entscheidet, das interessiert mich eigentlich überhaupt nicht.

[Brauer (PDS): Wenn es um Marlboro geht, Frau Kollegin, denken Sie an den Cowboy!]

Liebe Kollegen, das ist der falsche Weg. Im Übrigen ist es auch ein bequemer Weg.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der PDS und den Grünen]

Ihr Motto ist: Wir erlassen ein Verbot, und alles wird gut.

[Zuruf von der PDS: Das ist wie mit den Kopftüchern!]

Dann lehnen Sie sich zurück, und mit dieser Haltung sind Sie der Überzeugung, Ihre Pflicht und Schuldigkeit getan zu haben.

Eins muss ich sagen, liebe Frau Kollegin Hämmerling, als wir eben vom RBB interviewt wurden, sagten Sie, das Rauchen auf dem Klo: „Klar! Das passiert dann!“ Ich verstehe es nicht. Da wird doch die Problematik Ihres Antrags deutlich. Ihr Weg ist simpel und bequem, unser Weg – das gebe ich zu – ist ein schwieriger. Der hat nämlich etwas zu tun mit Freiheit und Verantwortung. Wir wollen Verantwortung übertragen, Entscheidungen müssen vor Ort getroffen werden, gemeinsame Lösungen müssen erstritten werden, und der Konsequenzen muss man sich bewusst sein.

[Zuruf des Abg. Hillenberg (SPD) – Unruhe]

So stelle ich mir eine fruchtbare Diskussion an unseren Schulen vor. So und nur so findet Verständnis, Veränderung und Einsicht statt.

Frau Abgeordnete, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die Redezeit abgelaufen ist. Wir haben uns auf ein Prozedere verständigt. Es gibt auch noch eine Kurzintervention. Sie haben dann noch einmal die Möglichkeit, darauf zu erwidern. Sie sind aber jetzt schon weit über Ihrer Redezeit. Bitte kommen Sie zum Schluss!

[Hoffmann (CDU): Noch eine Zigarettenlänge! – Henkel (CDU): Schon aus!]

Okay. – Positive Beispiele: Die Schulfarm Scharfenberg hat in eigener Entscheidung gesagt, wir rauchen nicht mehr, die Sophie-SchollOberschule genauso. Dadurch, dass wir das Problem jetzt diskutieren, liebe Leute, wird es in die Schulen hineingetragen. Da gehört es hin, dort muss die Entscheidung getroffen werden.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der PDS und den Grünen]

Danke schön! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt die Frau Abgeordnete Hämmerling. – Bitte sehr!

Frau Senftleben, Sie machen es sich etwas einfach mit der Behauptung, ich hätte mich nur für Rauchverbot und weiter nichts ausgesprochen.

[Beifall des Abg. Gaebler (SPD)]

Ich habe gesagt: Wir brauchen Aufklärung, wir brauchen Unterstützung der Jugendlichen. Ihnen muss eine Alternative angeboten werden.

[Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]

Aber das Ganze muss, weil es allein nicht funktioniert hat in den letzten 15, 20 Jahren, unterstützt werden mit einem Rauchverbot. Das zum Ersten.

[Beifall bei den Grünen, der SPD, der CDU und der PDS]

Zweitens: Sie appellieren an Eigenverantwortung und Einsicht. Wenn das 15 Jahre lang nicht funktioniert hat, warum soll es morgen funktionieren?

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Liebich (PDS): Wir haben jetzt schon Rauchverbot!]

Sie appellieren an Einsicht und Eigenverantwortlichkeit von Zehn- und Elfjährigen. Frau Senftleben, vor dem Hintergrund, dass frühes Rauchen sicheres Indiz für den Einstieg in eine spätere Sucht ist, dass wir wissen, dass hunderttausend Menschen jedes Jahr an ihrer Nikotinsucht sterben, dass Tausende, Hunderttausende an Krebs erkranken, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, nur weil sie intensiv und exzessiv rauchen frage ich Sie: Wie können Sie zu dem Ergebnis kommen, wir könnten an der

Frau Senftleben

Stelle einfach so weiterdümpeln wie bisher? – Das geht nicht.

[Beifall bei den Grünen, der SPD, der CDU und der PDS]

Der Unterschied, Frau Senftleben, zwischen rauchenden Politikerinnen und Politikern und rauchenden Lehrerinnen und Lehrern ist ein ganz einfacher: Die Lehrerinnen und Lehrer haben einen Bildungsauftrag.

[Gelächter bei der PDS]

Sie haben einen pädagogischen Auftrag und eine ganz besondere Vorbildfunktion. Wenn sie den Schülern etwas erklären, müssen sie auch in dem glaubwürdig sein, was sie den Kindern vorleben. Ansonsten sind sie unglaubwürdig, dann lachen sich die Kinder eins und sagen: Erzähl mir doch, was du willst, du schaffst es selbst nicht, deine Sucht in den wenigen Unterrichtsstunden, die du hier sein musst, im Zaum zu halten. Wie willst du mich dazu bekehren, ein suchtfreies, nikotinfreies Leben zu führen? – Ich bitte Sie!

[Beifall bei den Grünen, der SPD, der CDU und der PDS]

Danke schön! – Das Wort für eine Erwiderung hat jetzt Frau Senftleben. – Drei Minuten!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Hämmerling! Was 15 Jahre nicht funktioniert hat – ich glaube, es wird funktionieren, weil wir es jetzt thematisieren.

[Gelächter bei der SPD, der PDS und den Grünen – Brauer (PDS): Heilige Einfalt!]

Das haben Sie mit Ihrem Antrag erreicht.

Ich will aber noch eines sagen. Ich finde, dass wir als Politiker durchaus eine Vorbildfunktion haben. Da sehe ich keine große Differenz zu Lehrerinnen und Lehrern, auch wenn diese erziehen sollen und damit einen anderen Auftrag haben. Wir haben der Bevölkerung gegenüber auch so etwas wie eine Vorbildfunktion. Aber Schulen Verantwortung zu übertragen heißt nicht, zu bevormunden. Es heißt nicht, Probleme durch Verbote lösen zu wollen. Eigenverantwortung ist ein hohes Gut, und das sehen mittlerweile nicht nur die Liberalen so, lieber Herr Cramer, sondern insbesondere auch die Grünen schmücken sich mit diesem schönen Begriff. Er ist inzwischen ein Wert in unserer Gesellschaft. Genau deswegen verstehe ich nicht, warum Sie das Problem über Verbote lösen wollen.

Unser Gruppenantrag, den Herr Matz und ich initiiert haben, bietet für alle diejenigen eine Alternative, die auf Vernunft setzen und sich bewusst sind, dass Verbote lediglich eine Scheinlösung darstellen.

[Beifall bei der FDP, der PDS und den Grünen]

Ich möchte mit Voltaire schließen, der bereits vor 250 Jahren eines unserer heutigen Bildungsziele klar definiert hat – Herr Brauer, hören Sie zu!

[Brauer (PDS): Ja, ich lausche!]

Man kann die Menschen nur dann zur Vernunft bringen, wenn man sie dazu verleitet, dass sie selbst denken.

Meine Damen und Herren, nehmen Sie diesen Appell ernst! Verleiten wir unsere Jugend dazu, selbst zu denken! – Danke!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der PDS und den Grünen]

Danke schön! – Ich habe nun eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung vorliegen. Dazu hat Frau Abgeordnete Breitenbach von der PDSFraktion das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Zwei Anträge, zwei Wege, ein Ziel! Ich oute mich auch: Ich als wirklich starke Raucherin habe den Antrag unterschrieben, den Frau Hämmerling initiiert hat.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]