Protokoll der Sitzung vom 09.09.2004

b) Antrag

Entbürokratisierungsinitiative (I) – alte Verwaltungsvorschriften abbauen

Antrag der CDU Drs 15/3121

c) Antrag

Entbürokratisierungsinitiative (II) – neue Verwaltungsvorschriften befristen!

Antrag der CDU Drs 15/3122

Für die Beratung steht den Fraktionen nach der Geschäftsordnung jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnen die Antragsteller. Es hat das Wort von der Fraktion der CDU der Herr Kollege Wegner – bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit geraumer Zeit reden wir in diesem Haus über Deregulierung und Entbürokratisierung. Alle Fraktionen – so zumindest mein Eindruck – sind sich

Das Saarland stand viele Jahre als Synonym für Subventionen. Es ist ein armes Bundesland, doch dort wurde gehandelt. Rot-Rot hat es auf 72 Verwaltungsvorschriften gebracht, das Saarland hingegen hat innerhalb von vier Jahren 68 % aller Verwaltungsvorschriften abgebaut, das sind 2 200. Wenn Sie diese ins Verhältnis zu 72 setzen, dann ist das sehr beeindruckend.

in der Zielrichtung einig, dass hier Handlungsbedarf besteht.

Am 18. April 2004 konnten wir einmal mehr in einer Sonntagszeitung ein Interview lesen. Dort wurde gesagt, dass wir eine Entbürokratisierung von Vorschriften brauchen, die Unternehmen behindern und dass die Bundesregierung nur darüber redet. – Sehr geehrter Herr Wirtschaftssenator Wolf! Dieses Interview stammt von Ihnen. Ich kann und will Ihnen gar nicht widersprechen. Aber warum sprechen Sie in diesem Interview nicht von Ihren zahlreichen Aktivitäten? – Weil es sie nicht gibt. Genau wie die rot-grüne Bundesregierung reden Sie nur von Entbürokratisierung. Aber nur vom Reden wird die Situation nicht besser.

[Beifall bei der CDU]

Überbürokratisierung und -reglementierung bedingen Wachstums- und Beschäftigungsverluste. Langwierige Verwaltungsverfahren und Bürokratiekosten belasten insbesondere auch unsere Unternehmen. Aus Untersuchungen des Instituts der deutschen Wirtschaft geht hervor, dass die Höhe der Regelungsintensität antiproportional zum Beschäftigungspotential ist.

Unsere Stadt hat keine Zeit mehr, kleinteilig über einzelne Verwaltungsvorschriften zu diskutieren. Wir müssen jetzt schnell, radikal und vor allen Dingen nachhaltig die Fesseln der Bürokratie lösen. Ziel muss eine leistungsfähige und auf die Erfüllung der Kernaufgaben reduzierte Landesverwaltung sein, die sich als Dienstleister durch mehr Kunden- und Bürgerorientierung auszeichnet, die die Senkung der Staatsquote durch Aufgabenprivatisierung und die konsequente Deregulierung und Entbürokratisierung wichtiger Lebensbereiche als einen Kernbereich ihrer politischer Leitlinien versteht.

[Beifall bei der CDU]

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen hat seit dem 1. September 2002 sieben Verwaltungsvorschriften abgeschafft – immerhin –, im selben Zeitraum wurden aber fünf neue erlassen, so dass effektiv nur zwei Verwaltungsvorschriften innerhalb von zwei Jahren abgeschafft worden sind. Der Senat hat insgesamt 72 Vorschriften abgebaut.

[Gram (CDU): Schafft richtig Luft!]

Es geht aber besser. Seitdem sich das Saarland von Oskar Lafontaine befreit und mit Peter Müller einen CDU-Ministerpräsidenten hat, geht es aufwärts. Das Saarland belegt in jüngsten Studien Spitzenplätze, was die Steigerung des Wirtschaftswachstums anbelangt. Hier sieht man, dass sich ein Bundesland vom negativen Trend der rot-grünen Wirtschaftspolitik auf Bundesebene lösen kann.

[Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Hoff (PDS)]

Auch daran sieht man, dass der Generalssekretär der CDU, Laurenz Meyer, Recht gehabt hat mit dem Satz:

[Liebich (PDS): Hier ist nicht der Bundestag, sondern das Berliner Abgeordnetenhaus!]

Dort, wo die Union regiert, geht es den Menschen besser.

[Beifall bei der CDU – Mutlu (Grüne): Ihr habt 16 Jahre lang regiert!]

[Liebich (PDS): Wir haben Reisefreiheit, Sie können ins Saarland ziehen!]

Auch die Wachstumszahlen im Saarland sind sehr beeindruckend, wenn man diese mit denen aus Berlin vergleicht. In beiden Bereichen ist Berlin Schlusslicht, das Saarland liegt weit vorn. Daran sollten Sie sich messen lassen.

Was fordern wir? – Nichts Neues, Sie haben das auch schon einmal gefordert, Herr Liebich. Wir sollten schnell und zeitnah sämtliche Verwaltungsvorschriften überprüfen. Wir wollen, dass zum 1. Juli 2005 sämtliche Verwaltungsvorschriften ausgesetzt und von einer unabhängigen Deregulierungskommission überprüft werden.

[Zuruf des Abg. Dr. Zotl (PDS)]

Das ist nichts Neues, Herr Zotl, da haben Sie Recht. Aber Sie haben bisher nichts gemacht. Deshalb zwingen Sie uns, diese Anträge einzureichen, um Sie zum Handeln zu bewegen.

[Beifall bei der CDU]

Auch der zweite Antrag beinhaltet nichts Neues: Verwaltungsvorschriften befristen. Tun Sie es endlich und reden nicht nur darüber.

Der dritte Antrag beschäftigt sich damit, dass Entbürokratisierung und Deregulierung eine permanente Aufgabe sind. Genau deshalb wollen wir es permanent überprüfen lassen und zwar von einer unabhängigen Kommission. Wir denken dabei an den Rechnungshof.

Lassen Sie mich zum Ende kommen: Lassen Sie uns schnell und nachhaltig über unsere Initiative in den Ausschüssen diskutieren und schnell zu Ergebnissen kommen. Sie haben zweifelsohne die ersten richtigen Schritte getan. Beenden wir aber Ihr Schneckentempo und wechseln wir auf die Überholspur. Nutzen wir eine schlanke Verwaltung für mehr Wachstum im Interesse unserer Bürger und vor allen Dingen auch im Interesse unserer Unternehmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Wegner! – Die SPD schließt sich an, das Wort hat die Frau Kollegin Flesch – bitte schön! – Wir könnten

Vizepräsident Dr. Stölzl

Ich bringe Ihnen ein Beispiel, das zeigt, dass das Allerletzte ist: Als ich zu Zeiten einer CDU-Regierung noch bei der Senatsverwaltung für Finanzen war, arbeiteten wir

mit einer Grundstücksordnung – eine intern bindende Verwaltungsvorschrift, Herr Kollege –, die seit zehn Jahren außer Kraft war. Schon damals – Hut ab vor der damaligen Weisheit der Regierung – wurden Verwaltungsvorschriften zeitlich befristet. Sie werden es auch heute noch. Das ändert aber nichts. Erstens baut es keine Bürokratie ab, weil es nach außen gar keine Bürokratie regelt, und zweitens haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Vorgesetzen die Mentalität: Wir hatten da mal was, und solange wir nichts Neues und Besseres haben, halten wir uns an die Vorschrift, auch wenn sie zehn Jahre alt und außer Kraft ist. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass solche Formalismen, wie die Befristung von Vorschriften, hier in Berlin längst „state of the art“ sind.

Das Thema Bürokratieabbau beschäftigt uns ernsthaft. Nicht umsonst haben wir Bürgerämter gegründet und Ordnungsämter installiert. Das sind Dienstleistungen für die Bürger, die dazu führen, dass Genehmigungsverfahren und Ähnliches schneller gehen und mehr aus einer Hand erledigt wird. Das sind Wege, wie die Verwaltung, deren Dienstleistungen und die Ordnungsverwaltung, bürgerfreundlicher, schneller, effizienter und effektiver werden können.

Das Thema Deregulierung ist auch bei uns schon lange auf der Agenda. Im Ausschuss für Verwaltungsreform und Kommunikations- und Informationstechnik hatten wir eine Anhörung zu der Frage: Wie kommen wir zu einer echten Deregulierungsstrategie? – Das werden wir machen. Mit solchen überholten Schnellschritten, wie sie die Wirtschaftsfachleute der CDU fordern, kommen wir aber nicht weiter. Es ist besser, Sie überlassen dieses Thema denjenigen, die sich ernsthaft damit beschäftigen wollen. – Vielen Dank!

unseren Gesprächspegel ein wenig senken, worum ich herzlich bitte. Etwas mehr Aufmerksamkeit für die Kollegin Flesch – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wegner! Tatsächlich, wir reden intensiv über das Thema Entbürokratisierung. Ob allerdings Ihre Anträge die geeigneten sind, dieses Ziel zu erreichen, das wage ich sehr zu bezweifeln.

Unter dem hochtrabenden Titel „Entbürokratisierungsgesetz“ legen Sie einen Entwurf vor, zu dem ich jetzt nur in aller Kürze drei Feststellungen treffen kann:

1. Wenn der Präsident des Rechnungshofs, Herr Dr. Harms, nicht schon längst in Ehren ergraut wäre, wäre ihm dies ganz bestimmt beim Lesen dieses Gesetzentwurfs passiert. Unter der Überschrift „Entbürokratisierung“ wollen Sie eine Bürokratie neu erfinden, ausdehnen. Nichts anderes ist Ihr so genannter Bürokratie-TÜV.

2. Wenn Sie wirklich glaubten, die nächsten Wahlen zu gewinnen, hätten Sie solch einen Entwurf niemals vorgelegt. Das ist nämlich Entpolitisierung pur. Damit beweisen Sie wieder einmal Ihre Regierungsunfähigkeit.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Sollten Sie doch noch an einen späteren Wahlsieg glauben, dann wollen Sie gar nicht, dass ein solcher Antrag, eben ein Entpolitisieren, Gesetz wird und machen ihn zu dem Schaufensterantrag, der er eigentlich ist.

Zu den anderen Anträgen: Herr Kollege! Sie sagten schon selbst, dass sie nichts Neues sind. Nebenbei gesagt: Das Aussetzen sämtlicher Verwaltungsvorschriften habe ich dem damaligen Koalitionspartner 1997 vorgeschlagen. Dieser Antrag ist aus den Tiefen der CDU nie wieder zum Vorschein gekommen. Aber im Gegensatz zu Ihnen bin ich schon ein bisschen weiter, denn die Zeit ist nicht spurlos an uns vorbeigegangen. Sie zeigen hingegen deutlich, dass Sie nicht mehr auf dem aktuellen Diskussionsstand sind. Sie verbinden sogar das Wort Entbürokratisierung mit dem Gedanken, Verwaltungsvorschriften aufzuheben. Was hat denn der Bürger davon, wenn dem Beamten A und dem Angestellten B nicht mehr vorgeschrieben wird, wie sie ein Gesetz auszuführen haben? – Das ändert nichts an den Fragen, ob Stühle vor einem Restaurant auf die Straße gestellt werden dürfen oder wer eine Schankerlaubnis bekommt. Verwaltungsvorschriften sind ein notwendiges Übel, das man durchaus reduzieren könnte. Entbürokratisierung zu Gunsten der Bürger ist etwas ganz anderes. Aber nicht umsonst sind es die Wirtschaftsfachleute Ihrer Fraktion, die diese Anträge einbringen, die nicht mehr auf dem aktuellen Diskussionsstand sind.

[Beifall bei der SPD]

Danke, Frau Kollegin! – Herr Wegner wünscht das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte schön!