Protokoll der Sitzung vom 23.09.2004

Wir kommen zur einfachen Wahl durch Handaufheben. Wer die in der Drucksache genannten Personen zu wählen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit sind die Genannten einstimmig gewählt.

Die lfd. Nr. 12 bis 15 sind durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen damit zur

lfd. Nr. 16:

Große Anfrage

Berliner Spitzentanz

Große Anfrage der Grünen Drs 15/3071

Die schriftliche Antwort des Senats ist gestern Morgen an Sie verteilt worden.

Schriftliche Beantwortung der Großen Anfrage vom 21. September 2004 durch Sen Dr. Flierl:

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Große Anfrage wie folgt:

Unter dem Dach der Stiftung Oper in Berlin wurde

zum 1. Januar 2004 der künstlerisch und wirtschaftlich eigenständige Betrieb des Staatsballett Berlin errichtet. Mit seinen 88 Tänzerinnen und Tänzern ist es die größte Ballettcompagnie Deutschlands, die künftig das Ballett- und Tanzangebot auf den Opernbühnen dieser Stadt verantwortet. Mit der Errichtung des Staatsballetts konnte endlich der langen Forderung entsprochen werden, das Ballett durch Eigenständigkeit gegenüber den Opernbetrieben künstlerisch und strukturell zu stärken. Strukturell verankert ist dies durch die gleichberechtigte Mitgliedschaft der Ballettverantwortlichen im Vorstand der Stiftung Oper in Berlin. Und nicht zuletzt auch in dem dem Ballett zugewiesenen eigenen Etat, der auch den Verbleib der vom Ballett erzielten Erlöse umfasst.

Mit Vladimir Malakhov konnte ein Weltstar für die

Ballettintendanz gewonnen werden, dessen Zwei-JahresBilanz als Ballettdirektor der Staatsoper in Sachen Repertoire, Ensembleformung und Auslastung überwiegend beeindruckend dasteht. Im übrigen war es keine Selbstverständlichkeit Malakhov für diese Aufgabe zu binden, stand Berlin doch in harter Konkurrenz zu auswärtigen Werbern. Für Berlin eingenommen hat letztlich die neue, eigenständige Ballettstruktur und die damit verbundene Perspektive des Aufbaus und der Entwicklungspotentiale.

Vizepräsidentin Michels

Bezogen auf die traditionell vielfältige freie Tanzsze

ne Berlins ist festzuhalten, dass diese in einem Umfang gefördert wird, der in der Bundesrepublik Deutschland beispielhaft ist. Im Jahr 2004 werden 3 261 125,00 € aus Mitteln des Landes und des Hauptstadtkulturfonds für die Förderung des zeitgenössischen Tanzes in Berlin bereitgestellt. Das Fördersystem aus Produktionsförderung, Basisförderung, Infrastruktur- und Spielstättenförderung hat sich bewährt und ist auch für die Zukunft ein Garant, der freien Tanzszene eine starke Präsenz in Berlin zu verschaffen.

Bei der Vielzahl von geförderten Tanzprojekten in

Berlin kommt es hin und wieder zu Engpässen - insbesondere in den jahreszeitlich produktionsintensiveren Monaten - bei der Suche nach geeigneten Proben- und Aufführungsorten. Der Senat bietet, wenn er denn um Hilfe gebeten wird, Gespräche und Know-how bei der Vermittlung geeigneter Räume an. Die Zwischennutzung von Räumen aus den Immobilienbeständen des Landes Berlin kann dabei auch in Erwägung gezogen werden, scheitert aber bei Tanzprojekten häufig an den speziellen räumlichen Anforderungen und notwendiger investiver Mittel (Deckenhöhe, Tanzboden, Sanitäranlagen etc.). Dennoch ist festzuhalten, dass es in Berlin noch nie so viel Tanz und mit Tanz zu identifizierende Orte gab wie heute. Neben den Opern sind insbesondere zu nennen: Schaubühne, Volksbühne, Haus der Kulturen, Berliner Festspiele, HAU, Tanzfabrik, Dock 11 und Podewil.

Hierzu zählen ausdrücklich die Option, auch die Komische Oper zu bespielen und nicht zuletzt die Entwicklung auch des Zeitgenössischen. Bei kluger Wahl der Gastchoreografen könnte das Staatsballett perspektivisch auch im zeitgenössischen Bereich Maßstäbe setzen.

Es ist in den letzten Monaten nicht nur gelungen,

Malakhov an Berlin zu binden, sondern auch Sasha Waltz in der Stadt und an der Schaubühne zu halten. Die kooperative Partnerschaft zwischen Schaubühne und Sasha Waltz konnte auf ein neues Fundament gestellt werden, dass einerseits das Zwei-Sparten-Profil der Schaubühne sichert, andererseits das Streben der Choreografin nach größerer Eigenständigkeit unterstützt. Gleichzeitig konnte die finanzielle Situation und Arbeitsfähigkeit von Sasha Waltz und ihrem Ensemble mit Hilfe des Hauptstadtkulturfonds verbessert und

tabilisiert werden. s

Der Senat setzt sich selbstverständlich aktiv dafür ein,

wichtige Personen der Tanzszene in Berlin zu halten, wie die genannten Beispiele belegen. Aber genau so selbstverständlich werden auch Gespräche mit bedeutenden auswärtigen Künstlern und Künstlerinnen geführt, die ein Interesse an einem Arbeitsschwerpunkt Berlin äußern, um sie für Berlin zu gewinnen. Das ist für den Senat keine Frage von „entweder oder“ sondern von „sowohl als auch“. Die auf Initiative des Senats getroffene Entscheidung, aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds in diesem und den nächsten zwei Jahren jeweils eine Million Euro zur Förderung eines Schwerpunktes Tanz in Berlin zur Verfügung zu stellen, ist ebenfalls ein wichtiger Schritt in Richtung Konsolidierung und Weiterentwicklung der Tanzstadt Berlin. Damit sollen vor allem das internationale Tanzfest „Tanz im August“ gestärkt und die eigenständige Arbeit von Sasha Waltz an der Schaubühne und in Berlin ermöglicht werden, und es gibt Bemühungen, hieraus die Präsenz von Forsythe in Berlin zu erhöhen.

Der Senat ist zuversichtlich, dass die neu eingerichtete

Professur für Tanzwissenschaft am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin auch für die in Berlin tätige Tanzszene produktiv sein wird. Die frühzeitig aufgenommenen Gespräche mit der Inhaberin des Lehrstuhls, Frau Professorin Gabriele Brandstetter, haben deutlich gemacht, dass eine enge Vernetzung zwischen wissenschaftlicher Ausbildung und praktischer Umsetzung geplant ist. An dieser Schnittstelle ist Frau Professor Brandstetter bereits in unsere Gespräche über Entwicklungsperspektiven des Tanzes in Berlin aktiv eingebunden.

Der Senat hält die Errichtung eines „Choreographi

schen Zentrums“ durchaus für eine weiter zu verfolgende Zielperspektive. Allerdings ist dies angesichts der Haushaltslage des Landes Berlin und der Notwendigkeit der Konsolidierung des Landeshaushaltes kein kurzfristig zu erreichendes Ziel. Die gerade erst zu diesem Thema geführte Diskussion in der Akademie der Künste hat im Übrigen gezeigt, dass die Interessenlage innerhalb der Berliner Tanzszene durchaus heterogen ist.

Das Spektrum reicht von Befürwortern der Institutio

nalisierung einer solchen Einrichtung bis hin zu denjenigen, die eine dezentrale und damit flexiblere Vernetzungsstruktur präferieren. Der Senat führt deshalb intensive Gespräche mit allen wichtigen Akteuren der Berliner Tanzszene über Form und Inhalte eines solchen „Choreographischen Zentrums“.

Für den Kunstbetrieb im Podewil wurde ein

Interessenbekundungsverfahren unter Beteiligung

externer Sachverständiger durchgeführt. Von den

Bewerbern wurde die Gruppe Detlev Schneider/Carsten Seiffarth/Andreas Broeckmann ausgewählt, die unter dem Titel podewil plus parochial eine Bespielung zwischen den drei Kuratoriumsbereichen mediale Performance, Klangkunst/Musik und Medienkunst vorschlägt. Darüber hinaus hat das Auswahlgremium vorgeschlagen, die Überlegungen von André Thériault zu einem Zentrum für Choreografie und Performancekünste in die konzeptionelle und räumliche Gestaltung des zukünftigen Kulturdienstleisters, der aus der Berliner KulturveranstaltungsGmbH entwickelt werden soll, einzubeziehen, damit die Tanzszene eine Operationsbasis im Podewil behält. Derzeit finden hierüber Gespräche zwischen den Beteiligten statt, und ich bin zuversichtlich, dass der Tanz auch künftig im Podewil eine Basis haben wird.

Der Senat begrüßt die bereits in den vergangenen

Jahren zu beobachtende verstärkte Vernetzung der Berli

Vizepräsidentin Michels

Meine Ausführungen belegen nachhaltig die Feststel

lung aus der Großen Anfrage, dass Berlin als Tanzstadt attraktiv ist. Kürzlich wurde in der Berliner Zeitung Jochen Sandig sogar mit der Aussage zitiert, dass Berlin sich zum Tanzzentrum Europas entwickele. Es ist unser erklärtes kulturpolitisches Ziel, die Tanzstadt Berlin zu stärken und Perspektiven für ihre weitere Entwicklung mit zu gestalten. In Anbetracht des kulturpolitischen Stellenwerts, den der Senat dem Thema Tanz und dessen Entwicklung beimisst, aber auch um den detaillierten und ressortübergreifenden Fragestellungen gerecht zu werden, wird sich der Senat zum Thema „Berliner Spitzen-Tanz“ schriftlich verhalten und dem Abgeordnetenhaus eine Vorlage – zur Kenntnisnahme – zuleiten.

ner Tanzszene auf Produktions- und Arbeitsebene zwischen den Akteuren und zwischen den Einrichtungen. Der Dachverband Zeitgenössischer Tanz ist organisatorischer Ausdruck dieser Vernetzungstendenz. Allerdings kann diese Interessenvertretung der Tanzszene nur in dem Maße erfolgreich sein, wie sich gemeinsame Interessen auch formulieren lassen. In diese Vernetzung und Verzahnung ist aus unserer Sicht künftig auch verstärkt die Tanzwissenschaft sowie der Komplex der Tanzausbildung mit einzubeziehen. Bundesweit wird seit Jahren über eine Verbesserung der Tanzausbildung im zeitgenössischen Tanz diskutiert.

Auch in Berlin ist diese Diskussion weiterhin virulent,

wenngleich auch hier unterschiedliche Auffassungen über die Gestaltung und Verortung eines entsprechenden Angebots existieren. Allerdings müssen wir in Berlin diesbezüglich nicht bei Null anfangen, existieren hier doch mit der Staatlichen Ballettschule, der Choreografenausbildung an der Ernst-Busch-Hochschule sowie einer Vielzahl privater Einrichtungen bereits qualifizierte Ausbildungseinrichtungen und -angebote.

An der Staatlichen Ballettschule Berlin und Schule für

Artistik (SBB) werden zur Zeit rund 180 Schülerinnen und Schüler von der 5. Klasse an als professionelle Bühnentänzerinnen und -tänzer ausgebildet. Die Ausbildung ist mit der Allgemeinbildung in einem integrierten System verknüpft und führt über die Klassen 5 und 6 der Grundschule über die Klassenstufen 7 bis 10 als Realschule und wird weitergeführt in einer zweijährigen Berufsfachschule, die mit der Prüfung als staatliche geprüfte/r Bühnentänzer/in endet, oder nach dreijähriger gymnasialer Oberstufe im beruflichen Gymnasium mit dem Leistungskurs Tanz mit der Doppelqualifikation der Allgemeinen Hochschulreife plus der staatlichen Prüfung als Bühnentänzer/in. Dieses Bildungsangebot ist in Deutschland einmalig. Die anderen staatlichen Ausbildungsinstitute für Bühnentänzer in Deutschland sind entweder an Hochschulen etabliert (Dresden, Frankfurt/Main, Köln: Abschluss Diplom-Bühnentänzer/in) oder in Berufsfachschulen (München, Hamburg, Stuttgart; Abschluss vergleichbar mit dem der SBB). Außer Dresden (Palucca-Schule) beschränken sich alle anderen Schulen auf die Berufsausbildung. Da die Ausbildung von Bühnentänzer/innen auf der Grundlage des Klassischen Tanzes sehr früh beginnen muss, ist die Kombination von Allgemeinbildung und Tanzausbildung inhaltlich und organisatorisch für die Schülerinnen und Schüler sehr erleichternd und förderlich. Die Doppelqualifikation Berufsausbildung und Abitur ermöglicht den Absolventen den unmittelbaren Zugang zu einem Hochschulstudium nach dem Ende der kurzen Karriere als Bühnentänzer/in. Für Tänzerinnen und Tänzer, die ihre Ausbildung aus Alters- oder anderen Gründen ohne die Grundlage des Klassischen Tanzes durchführen wollen, gibt es eine Reihe etablierter privater Ausbildungsinstitute wie die Tanzfabrik, Dock 11 oder Die Etage, die ihre Absolventen auf die Freie Szene vorbereiten.

Für die Begründung der Großen Anfrage hat nun die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort mit einer Redezeit von bis zu fünf Minuten. – Frau Abgeordnete Ströver, – bitte sehr, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich nehme das Wort des Abgeordneten Hoff von eben sehr ernst: Die Rolle der Opposition ist es, Druck zu machen auf die Regierung – natürlich qualitativ unterlegt. Deshalb haben wir die Große Anfrage heute zu Tanz und Ballett „Berliner Spitzen-Tanz“ eingebracht.

Berlin ist eine sehr attraktive Stadt für Tanz und Ballett und allen Kolleginnen und Kollegen im Haus kann ich nur dringend empfehlen sich auf die Spuren der kleinen und großen Tanzensembles zu begeben und an den verschiedenen Aufführungsorten der Stadt die unglaubliche Kreativität dieser Kunstform zu erleben.