Protokoll der Sitzung vom 23.09.2004

Ich eröffne die II. Lesungen und schlage vor, die Einzelberatungen der jeweiligen Paragraphen miteinander zu verbinden. Dazu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die §§ 1 bis 17, Drucksache 15/2393, die §§ 1 bis 14, Drucksache 15/679, und die §§ 1 bis 21 aus der Drucksache 15/1959. – Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu 5

Vizepräsident Dr. Stölzl

Für uns ist klar: Der Rückgang von Beißvorfällen um 30 % nach Inkrafttreten der Hundeverordnung, insbesondere von Vorfällen mit besonders gefährlichen Hunden, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg hin zu mehr Sicherheit, besonders für Kinder, sind. Und wenn wir uns von Frau Hämmerling auch immer wieder vorhalten las

sen, die so genannten Kampfhunde in dieser Statistik seien nur mit 6 % dabei, und sie damit die Wirksamkeit der Liste von gefährlichen Hunden in Frage stellen will, ist für uns klar: Das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass die Länder hinreichenden Anlass zum Tätigwerden haben und die zu Grunde liegenden Daten ausreichen, Maßnahmen zu ergreifen, die Schädigungen durch die in einer Liste aufgeführten Hunde vorbeugen sollen. Die Auflagen zum Halten dieser Hunde zeigen deutlich Wirkung. Viele Hundebesitzer überdenken, ob es sinnvoll ist, bestimmte Hunde in der Stadt zu halten. Wir begrüßen das ausdrücklich.

Gleichwohl wissen wir, dass es auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht auszuschließen ist, dass es zu Unfällen mit Hunden kommen kann. Die Bereitschaft von Hundehaltern, freiwillig einen Hundeführerschein zu machen, als weiteren Baustein hin zu mehr Sachkunde und Sicherheit, unterstützen wir ausdrücklich.

Die Koalitionsfraktionen haben es sich in der Diskussion für dieses Gesetz nicht leicht gemacht, wie kann es anders sein. Wir nehmen das Sicherheitsbedürfnis der Menschen sehr ernst und sind deshalb nach Abwägung aller von den Sachverständigen im Gesundheitsausschuss vorgetragenen Einwände gegen eine Rasseliste und Leinenpflicht überzeugt, dass die Leinenpflicht an bestimmten Orten dieser Stadt und eine Maulkorbpflicht für alle bestimmten gefährlichen Hunde zumutbare Auflagen darstellen. Es muss den Menschen in der Stadt möglich sein – damit zitiere ich einen Kommentator, der in einer bekannten Berliner Tageszeitung veröffentlicht hat – eine Innenstadt zu durchqueren, ohne auf Gedeih und Verderb dem Pfiff eines Hundehalters ausgeliefert zu sein. Es ist ein Gefühl der öffentlichen Sicherheit. Für die öffentliche Sicherheit und ein soziales Miteinander in dieser Stadt sind auch wir als Gesetzgeber verantwortlich. Der Gesetzentwurf der SPD-PDS-Koalition macht dies weiterhin möglich, ein guter Grund, auch für die Opposition, dem Gesetzentwurf von SPD und PDS zuzustimmen.

Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Frau Kollegin Borsky-Tausch hat das Wort – bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Das ist in der Tat eine Dramaturgie heute in der Tagesordnung, nach dieser Aktuellen Stunde jetzt das Hundegesetz für Berlin zu beschließen.

[Brauer (PDS): Es gab doch genug Beißversuche!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen von SPD und PDS beschließen heute ein Gesetz zum Halten und Führen von Hunden in Berlin, das angesichts der nachgewiesenen Wirksamkeit der Hundeverordnung Berlin alle wesentlichen Regelungen dieser Verordnung übernimmt und bedeutende Neuregelungen wie die Erweiterung der Leinenpflicht, die Pflichthaftpflichtversicherung und Chippflicht für alle Hunde vorsieht. Damit wird die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und des Bundesverfassungsgerichts in angemessener Weise umgesetzt, der größtmögliche Schutz vor den von Hunden ausgehenden Gefahren aufrecht erhalten und eine sozial verträgliche Hundehaltung in dieser Stadt weiterhin möglich gemacht.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie nicht anders zu erwarten war, haben wir in den Beratungen zu den vorliegenden Gesetzen die bekannten Argumente für und wider eine Leinenpflicht und über die Notwendigkeit einer Liste von gefährlichen Hunden ausgetauscht. Das ging auch wieder einher mit unhaltbaren Vorwürfen wie, wir seien Rassisten wegen der so genannten Rasseliste, wir seien wegen der Ausweitung der Leinenpflicht nun auch verantwortlich dafür, dass es vermehrt zu Beißattacken kommen werde, weil Hunde an der Leine geführt aggressiv würden.

Meine Fraktionskollegin Frau Fischer hat mich aus ihrer Erfahrung zum Thema Hundeverordnung rechtzeitig vor den verbalen Beißattacken einer bestimmten Hundelobby gewarnt. Sie hat nicht übertrieben.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Wer allen Ernstes behauptet, wir würden Hundehaltung in der Stadt unmöglich machen, und darauf abstellt, dass die Politik nur mehr Hundeauslaufgebiete schaffen müsse und Kinder nur lernen müssten, mit Hunden angstfrei umzugehen, dann würde es ein entspanntes Miteinander von Menschen mit und ohne Hund geben, der zeigt, dass er jedes Augenmaß für die Beurteilung der Situation in der Großstadt Berlin verloren hat.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

[Beifall bei der SPD]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Frau Kollegin Borsky-Tausch! – Es folgt die CDU, das Wort hat der Kollege Uwe Schmidt – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin! Nach Ihren verzweifelten Versuchen, Ihrem vorliegenden Gesetzentwurf etwas Gutes abzuringen, darf man gespannt sein, ob dieses von dem Redner, der nach mir folgt, noch gesteigert wird. Hier werden wir dann zumindest in einem Punkt, werter Herr Kollege, die klassische Wendehalsstrategie erleben.

[Doering (PDS): Wie sieht denn diese Taktik aus?]

Aber lassen Sie uns eins nach dem andern ansprechen.

Was lange währt, wird selten gut. So will ich mal die Abwandlung des bekannten Sprichworts hier zitieren, und das bezogen auf den Gesetzentwurf der rot-roten Koaliti

Schmidt, Uwe

Vorsichtig! – was zusätzliches Gefährdungspotential schaffen wird, das garantiere ich Ihnen jetzt schon –,

Dringend benötige zusätzliche Auslaufgebiete werden nicht einmal angedacht, geschweige denn unterstützt. Eine Zwangshaftpflichtversicherung ist eigentlich immer zu empfehlen. Allerdings gibt es diverse Hinweise darauf, dass die Umsetzung dieser Forderung zu erheblichen Problemen führen kann. Ein Konzept, wie das gelöst werden soll, ist wie in vielen anderen Fällen bei der Koalition nicht zu erkennen.

Ist Ihnen eigentlich klar, meine Damen und Herrn von Rot-Rot, welche Probleme Sie den armen Mitarbeitern der Ordnungsämter bereiten, indem Sie ihnen derart viele Probleme überlassen, allein durch die Tatsache, dass diese Menschen – ich will es einmal grob sagen – fast so viele Hunde, wie es Chancen beim Lotto gibt, nur am äußeren Erscheinungsbild zu gefährlichen oder nicht gefährlichen Tieren machen müssen, um § 4 Absatz 2 Ihres Gesetzes erfüllen zu können? Das kann einem Angst und Bange machen.

on. Langsam lässt sich die Zahl der Debatten in Sachen Hund, die wir geführt haben, nicht mehr zählen.

[Klemm (PDS): Weil Sie die laufend beantragen!]

Immer und immer wieder haben wir uns ausgetauscht, Experten gehört, Statistiken studiert und so weiter. Um so unverständlicher ist es, dass Sie leider wie so oft die Chance vertan haben, die über Jahre, nein besser Jahrzehnte anhaltende Diskussion über die Hundehaltung in unserer Stadt einvernehmlich und endgültig zu beenden.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das Angebot aus unserem und dem vorliegenden Gesetzentwurf der Grünen, gemeinsam etwas Vernünftiges zu erstellen, ist von Ihnen, meine Damen und Herren der Koalition, genauso ignoriert worden

[Klemm (PDS): Aus dem Grünen-Entwurf – so ein Quatsch!]

Sie kommen ja gleich dran! – wie die vielfältigen Hinweise etlicher Experten. Ihnen ist es unangenehm, ich kann es verstehen.

Wir haben uns bemüht, dem verständlichen Bedürfnis der Bürger nach mehr Sicherheit vor gefährlichen Hunden gerecht zu werden. Wir haben uns beraten lassen

[Doering (PDS): Von wem?]

und den Hinweisen der Experten Gehör geschenkt. Wir haben entsprechende Umsetzungen angestrebt und letztlich auch umgesetzt. Sie, meine Damen und Herren der Koalition, haben sich bei dem, was Sie vorgelegt haben, auf Ignoranz, Arroganz und Unfähigkeit verlassen und daraus ein Gesetz verfasst. Sie glauben tatsächlich noch, dass mit dem Aufzählen von einigen willkürlich ausgewählten Rassen, denen Sie den Mantel der Gefährlichkeit umhängen, eine größte Sicherheit für die Bevölkerung zu erreichen ist. Das ist eine trügerische Sicherheit, die hier vermittelt wird; denn jeder chaotische Hundehalter – das betone ich ausdrücklich, damit sich nicht alle angesprochen fühlen – kann aus jedem Hund einen so genannten Kampfhund machen.

Sie so wie wir wissen, dass die in jüngster Zeit zu verzeichnenden bösen und tragischen Vorfälle fast ausschließlich im privaten Bereich, also da, wo Ihr Gesetz nie hinkommt, stattgefunden haben. Dort trägt nie ein Hund einen Maulkorb. Dort wird kein Hund an der kurzen Leine geführt. Dort kann die Unvernunft oder die Unwissenheit der Halter zu den tragischen Unfällen führen.

[Klemm (PDS): Was schlagen Sie denn vor?]

Warten Sie doch den nächsten Satz ab, und quatschen Sie nicht immer dazwischen! –

[Beifall des Abg. Goetze (CDU)]

Nun sage ich Ihnen, was wir dagegen machen. Hier kann nur eins helfen, und das ist Sachkunde, so wie wir es vorgeschlagen haben, Herr Kollege.

[Beifall bei der CDU]

Wer allerdings den Schwerpunkt nicht auf die Sachkenntnis der Halter legt, sondern ohne Ausnahme eine durchgehende Leinenpflicht für alle Hunde verordnet

[Klemm (PDS): Sie lügen doch!]

[Doering (PDS): Ich bin dafür!]

der darf sich nicht wundern, wenn ein derartiges Gesetz niemals den Erfolg haben wird, den es gebrauchen könnte.

[Beifall bei der CDU]

[Klemm (PDS): So ein Quatsch!]