Nicht zuletzt verschenkt Berlin damit auch ein Potential. Viele Besucher, die aus dem Ausland nach Berlin kommen, haben den Wunsch, auch dieses Kapitel deutscher Geschichte kennen zu lernen, und zwar authentisch und informativ.
Damit bin ich wieder bei der Gedenkstätte, die Frau Hildebrandt am Checkpoint Charlie eingerichtet hat. Sie hat damit eine Lücke gefüllt, die die Berliner Politik viel zu lange offen gelassen hat. Es drängen sich Hunderte Menschen am Checkpoint Charlie, einem fast schon weltweit bekannten Ort. Und was haben sie bislang vorgefunden? – Insbesondere Currywurstbuden und fliegende Händler, die die Überreste der Roten Armee verramschen. Es ist der privaten Initiative zu verdanken, dass jetzt ein Anfang gemacht wurde, an dieser Stelle ein angemessenes Gedenken für die mehr als tausend Toten an der deutsch-deutschen Grenze zu ermöglichen.
Der Regierende Bürgermeister hat in dieser Diskussion völlig versagt. Herr Wowereit, Sie haben nicht begriffen, was es heißt, Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands zu sein. Es reicht eben nicht aus, einen ent
sprechenden Satz in das Grundgesetz schreiben zu lassen. Sie müssen selbst handeln. Wir müssen unsere eigene Geschichte aufarbeiten, um uns selbst darin zu begreifen. Aber das verdrängen Sie, Herr Wowereit. Ihr glückloser Senator Flierl ist immer wieder völlig überfordert.
Folgen Sie unserem Antrag zu einem Gedenkstättenkonzept, den wir stellen mussten, weil sich dieses Themas niemand vom Senat angenommen hat. Sie müssen sich Ihrer historischen Verantwortung bewusst werden und ihr gerecht werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Kollege Zimmer! – Es folgt die Fraktion der PDS. Das Wort hat der Kollege Liebich. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Zimmer! Die Schwarzweißmalerei, die Sie eben vorgenommen haben, finde ich an einem Datum wie heute ausgesprochen unangemessen.
Ich finde es eine Unverschämtheit – das will ich hier klar und deutlich sagen –, die DVU, die NPD und die PDS in einem Atemzug zu nennen.
Am 9. November 1989 wurde Geschichte geschrieben. Wir sollten 15 Jahre nach dem Mauerfall den Versuch unternehmen, diesen Tag in seinen vielen Facetten zu würdigen, und uns über den Weg vergewissern, den unser Land und den insbesondere Berlin in den letzten Jahren zurückgelegt haben. Die Fernsehbilder, die in dieser Woche aus Anlass dieses Jahrestages zu sehen waren, die Artikel, die wir lesen konnten, sie haben uns die Freude und das Glück der Menschen gezeigt, denen es nach Jahrzehnten gewaltsamer Trennung durch die Berliner Mauer wieder möglich wurde, zueinander zu finden. Schon dieser Umstand, dass die Wiedererlangung ziviler Selbstverständlichkeiten – reisen, wohin man möchte, besuchen, wen man möchte –, dass dies den Tausenden, die sich an den Grenzen gedrängelt haben, wie der reine Wahnsinn vorkam, das zeigt, wie falsch die Mauer und das politische Denken derer war, die ihre Errichtung entschieden hatten.
28 Jahre lang verlief diese unnatürliche Grenze durch unsere Stadt – eine viel zu lange Zeit. Es war gut, dass Menschen aus Ostberlin sie in dieser Nacht durchbrochen haben. Die Berliner Mauer hat die Teilung und die Einordnung der Stadthälften in politisch gegensätzliche Systeme zementiert. Die Mauer durch Berlin und das unmenschliche Grenzregime mitten in Deutschland haben Familien und Freunde auseinander gerissen. Die Schüsse an der Berliner Mauer haben schweres Leid und Tod über viele Menschen gebracht. Kein Staat hat das Recht, seinen
Die Toten an der Berliner Mauer sind durch nichts zu rechtfertigen und zu relativieren. Eine bessere Gesellschaft kann nicht erreicht und angestrebt werden, indem Demokratie und Menschenrechte verletzt werden. Der Fall der Mauer war ein glücklicher Tag für Berlin.
Aber – ich will das hinzufügen, weil es zur Ehrlichkeit gehört – es war auch für einige ein Tag der Wehmut. Ich will das nicht verschweigen, auch wenn ich weiß, dass sich das hier viele nicht vorstellen können. Ja, ich zum Beispiel, und ich will darüber auch reden. Viele, die für eine bessere, eine demokratischere DDR gekämpft hatten,
mussten an diesem Tag Abschied nehmen von ihrem Traum. Ich war damals 16, ich bin noch zur Schule gegangen, aber ich gehörte zu denen, die beides – Sozialismus und demokratische Freiheiten – wollten und für vereinbar hielten. Und das tue ich übrigens heute noch.
Ich habe mich in den letzten Tagen daran erinnert, wie ich persönlich diesen 9. November erlebt habe. Natürlich habe ich vor dem Fernseher gesessen und die Pressekonferenz mit Günter Schabowski, der später Wahlkampf für Frank Steffel gemacht hat, gesehen. Ich habe die ganze Hilflosigkeit einer untergehenden Regierung gesehen. Ich habe gestaunt darüber, was auf einmal alles möglich wurde. Aber meine Gefühle dabei waren durchaus zwiespältig. Ich war neugierig, aber nicht euphorisch. Ich habe mich mit den jubelnden Menschen gefreut, aber ich hatte auch Angst davor, was kommen wird.
Ich weiß, dass die CDU die Weisheit mit Löffeln gefressen hat und alles ganz genau weiß. Aber vielleicht wollen sich wenigstens die anderen darüber verständigen. –
Nein, ich habe nicht so getan, als sei ich Widerstandskämpfer gewesen. Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie auch verstanden. Sie müssen einfach ein Mal zuhören. –
Ich konnte das Glück nachvollziehen, das Verwandte bei ihrem Wiedersehen empfunden haben. Aber mir war der Anblick der Menschenschlangen, die für ihr Begrüßungsgeld angestanden haben, ausgesprochen unangenehm. Ich brauchte einige Tage, bis ich das erste Mal drüben war,
und in Kreuzberg wieder ausgestiegen. Ich bin lange durch für mich fremdartig anmutende, türkisch geprägte Kieze gelaufen. Mein Begrüßungsgeld – um das gleich hier anzufügen – habe ich mir auch geholt. In der Schlange war es mir trotzdem ein bisschen unangenehm. Ja, ich habe damals gezögert. Ja, ich habe mich dann entschlossen, aktiv an der Gestaltung der wiedervereinigten Republik mitzuwirken, nicht zuletzt, weil ich dazu beitragen wollte, dass Biographien von Menschen aus der DDR mit dem Fall der Mauer nicht entwertet werden, dass Errungenschaften, die es in der DDR eben auch gab, nicht kleingeredet und abgeschafft werden.
Die Stadt diskutiert in diesen Tagen leidenschaftlich über das angemessene Gedenken an der Mauer. Das ist gut, weil es wichtig ist, Erinnerung an die Geschichte wach zu halten. Wir sollten dabei aber versuchen, diese Diskussion in höchstem Maße redlich zu führen. Herr Lindner, ich war schon einigermaßen überrascht, dass Sie auf dem gewohnt niedrigen Niveau zu Protokoll geben mussten, der Regierende werde in dieser Frage von der PDS ferngesteuert. Diesen Quatsch hätte Ihnen vielleicht vor drei Jahren jemand abgenommen, heute glaubt das nur noch Georg Gafron. Die Wahrheit sieht ein wenig anders aus. Herr Zimmer, es war damals Konsens in der Stadt, die Mauer zum Verschwinden zu bringen. Es waren die CDU-Senatoren Hassemer und Klemann, die sich immer wieder dagegen gesperrt haben, Wachtürme und Mauerteile unter Denkmalschutz zu stellen. Herr Hassemer war es auch, der das Landesdenkmalamt angewiesen hat – wider besseres Wissen –, vor Gericht gegen die Unterschutzstellung der Mauerteile am Potsdamer Platz zu argumentieren. Der fachlich-öffentliche Konsens hierfür sei nicht vorhanden, hieß es damals. Herr Zimmer, es war die große Koalition unter Eberhard Diepgen, die das Gelände am Checkpoint Charlie an Private verkauft hat. Das gehört auch zur Wahrheit, und daran muss man sich heute auch erinnern, wenn man sich so aufregt, was an diesem Ort passiert oder nicht passiert.
Nein! – Es gibt ein Gedenkkonzept für Berlin. Wir finden es wichtig, dass es in Berlin zahlreiche Orte gibt, die an die deutsche Teilung erinnern. Angesichts der Debatten über die private Gedenkinitiative am ehemaligen Checkpoint Charlie ist es wichtig, daran zu erinnern. Da ist das Dokumentationszentrum Berliner Mauer an der Bernauer Straße, das ich nicht uninspiriert, Herr Zimmer, sondern ausgezeichnet finde.
Ja, es gibt dort auch ein Denkmal, ich finde auch dieses Denkmal gut. – Ich finde das angemessen. Da haben wir vielleicht unterschiedliche Auffassungen. Ich finde es gut, dass jedes Jahr am 13. August die Größen der Bundesrepublik Deutschland ihre Kränze niederlegen. Ich finde das richtig, und ich finde, das ist ein angemessener Ort. Wir haben die Kapelle der evangelischen Versöhnungsgemeinde nur wenige Schritte entfernt. Es gibt die Stele für Chris Gueffroy. Wir haben die Originalmauer in der Niederkirchnerstraße. Berlin hat viele Gedenkorte und braucht sie auch, denn ich finde es erschreckend, dass es in Ost und West immer noch Menschen gibt, die sagen, dass sie die Mauer wieder haben wollen. Sie kennen diesen Spruch auch: am besten doppelt so hoch. – Wir haben das vielleicht alle schon einmal gehört, und nicht nur im Osten. Ich glaube, dass dies in letzter Konsequenz niemand wirklich will. Aber solchen leichtfertig gesagten Sätzen sollten wir entgegentreten. Wer im Saarland arm ist, ist dies nicht, weil er den Aufbau Ost subventioniert hat. Und in der Uckermark nimmt man zu Unrecht an, dass die Arbeitslosigkeit wegen der Wessis so hoch ist. Die DDR oder die alte Bundesrepublik Deutschland wieder zu haben, löste diese Probleme auch nicht. Für mich als Sozialisten gilt immer noch der Satz, dass die wirklichen Grenzen nicht zwischen Ost und West, sondern zwischen oben und unten verlaufen.
Wie weit sind wir nun 15 Jahre danach? – Es ist schon immer ein bisschen wie mit dem halb vollen oder halb leeren Glas. Ich finde es auch nicht gut, dass die Busfahrer bei der BVG immer noch unterschiedliche Arbeitszeiten haben, dass die Renten unterschiedlich hoch sind und dass die Hartz-Gesetze der Bundesregierung einen unterschiedlichen Satz für das Arbeitslosengeld II in Ost und West vorsehen.
Noch immer löst es Debatten und offensichtlich auch Unbehagen aus, wenn kompetente Ostgeborene in der Stadt nach verantwortungsvollen Positionen streben. Aber es gibt auch das halb volle Glas, gerade in Berlin. In keiner Region Deutschlands sind sich Ost und West so nahe wie in Berlin, und das ist nicht nur geographisch gemeint. Dass das ausgerechnet unter einer SPD-PDS-Koalition zu konstatieren ist, ist meiner Ansicht nach auch kein Zufall. Wir sind es, die die alten Strukturen verändern, die aus dem Osten, soweit sie überhaupt noch vorhanden sind, aber auch die Westberliner. Ausstieg aus der unsozialen Wohnungsbauförderung, Tarifvertrag im öffentlichen Dienst, Stiftung Oper in Berlin mit Deutscher, Komischer und Staatsoper, Charité mit Standorten in Ost- und Westberlin, gemeinsame Strukturplanung der Universitäten von Dahlem bis Adlershof – das ist der reale Brückenbau zwischen Ost und West.
In den letzten drei Jahren hat sich Berlin gewaltig geändert. Wenn mir im Jahr 2000 jemand erzählt hätte, dass eine CDU-Stadträtin auf einer PDS-Veranstaltung in Neukölln angekündigt, ein Sportstadion nach Werner See