Mit den Kürzungen, die im Kitabereich vorgesehen sind, und den Androhungen, bei den Lehrern noch einmal die Unterrichtsverpflichtung um eine halbe oder gar eine Stunde zu erhöhen, verspielen Sie die große Chance, die PISA bot bzw. bietet, den notwendigen Reformprozess mit denen, die an der Erziehung und Bildung der Kinder beteiligt sind und dafür verantwortlich sind, zu gestalten. Das sollten Sie nicht tun. Vielmehr wäre es eine wichtige Aufgabe, diese Chance zu nutzen.
Qualität und Zukunftsfähigkeit unseres Bildungssystems erfordern ein hohes Engagement aller Beteiligten, der Individuen, der Bildungsinstitutionen und ihrer Träger, der Wirtschaft sowie des Staates. Sie erfordern neue Ideen und Konzepte, eine bessere Nutzung vorhandener Ressourcen, aber auch die gezielte Bereitstellung zusätzlicher Mittel, beispielsweise dort, wo sich im internationalen Vergleich Defizite zeigen, etwa bei der frühen Förderung.
In diesem Sinne hoffe ich doch, dass Sie den Mut haben, die Beschlüsse, die Sie bisher schon in dem Bereich getroffen haben, wieder zurückzunehmen, damit nicht nur die Stadt Berlin durch die Haushaltskonsolidierung eine Chance hat, sondern die Kinder und Jugendlichen in unserer Stadt, von denen alle Parteien immer behaupten, sie seien unsere Zukunft, eine wirkliche Chance haben, an Bildung teilzunehmen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen und die Zukunft dieser Stadt gemeinsam zu gestalten. – Danke!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bildung hat Vorrang, das hat die SPD im Wahlkampf versprochen.
Wie Sie den Ausführungen von Klaus Böger entnehmen konnten, sind wir in vielen Punkten bereits tätig.
Die Bildungspolitik steht nach wie vor im Mittelpunkt unserer Arbeit. Klaus Wowereit hat das bei den Vorstellungen der Richtlinien seiner Regierungspolitik gesagt, und Michael Müller hat es heute wieder bekräftigt.
Dass umfangreiche Reformen umzusetzen sind, hat Klaus Böger heute noch einmal betont. Und wenn Sie jetzt jede Strukturveränderung sofort als Verschlechterung der Rahmenbedingungen geißeln und als Brechen von Wahlversprechen brandmarken, dann haben Sie etwas nicht verstanden. Dann haben Sie nicht verstanden, dass unter schwierigen finanziellen Bedingungen Verbesserungen nur möglich sind, wenn die Strukturen geändert werden, wenn die Strukturen effizienter werden,
wenn wir uns den Standards anderer Bundesländer anpassen, weil wir sonst bestimmte Forderungen gar nicht erheben können.
haben diesem Thema zusätzlich Brisanz verliehen und haben Eltern, Lehrkräfte und die Fachleute, die Bildungspolitiker, aufgeschreckt. Wir mussten feststellen, dass unsere 15-Jährigen im Leseverständnis, in der Mathematik, in den Naturwissenschaften unter dem Durchschnitt abschneiden. Dieses Ergebnis wird von uns allen gleichermaßen interpretiert, nämlich insofern, als wir sagen, es muss etwas passieren. Es muss etwas passieren, und zwar schnell.
Und dann hören wir diejenigen, die immer schon gewusst haben, was richtig ist – das wurde heute ein paar Mal angedeutet –, die die Ergebnisse der Studie so interpretieren, wie es ihnen in den Kram passt.
Die Verfechter der Gesamtschule stützen sich nun darauf, dass PISA beweist, die Gesamtschule sei die bessere Bildungsstruktur, und die Anhänger des gegliederten Schulsystems ebenfalls. Herr Mutlu hat heute wieder einmal Finnland zitiert, und das hat nun zufällig ein Gesamtschulsystem! Deswegen will er es als Beleg für seine Bevorzugung des Gesamtschulsystems auch gern benutzen, aber er vergisst dabei, dass Finnland zentrale Prüfungen hat.
Aber ich denke, es bringt uns überhaupt nicht weiter, die alten ideologischen Gräben aufzureißen. Im Gegenteil, wir sollten uns davon verabschieden: Nicht mehr die Ideologie sollte im Vordergrund stehen, sondern die Empirie hat jetzt das Wort. Das heißt, wir müssen die Aufgabe pragmatisch und ergebnisorientiert lösen, bessere Bildungsmöglichkeiten für unsere Kinder zu schaffen.
Bildungsmöglichkeiten für unsere Kinder verbessern, Chancengleichheit schaffen, das ist kein Wahlversprechen der SPD, sondern seit langem zentrales Anliegen. In den Ergebnissen der PISA-Studie lassen sich Anhaltspunkte finden, was verändert werden muss, wo man ansetzen kann, und es ist wahrlich viel zu tun.
In den Koalitionsvereinbarungen ist darauf Bezug genommen worden. Es finden sich eine Reihe von Handlungsfeldern, die heute schon genannt wurden. In dieser Großen Anfrage sind 3 davon besonders in den Vordergrund gestellt worden. Ich will das jetzt gar nicht mehr wiederholen. Es sind wichtige Bildungsfelder, und ich denke, da gibt es auch gar keinen Dissens, dass wir diese Themen gemeinsam bearbeiten wollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mutlu? – Ja? – Eine ganz sachliche, wie er sagt. – Bitte sehr, Herr Mutlu! Dann haben Sie das Wort!
Frau Kollegin! Ich möchte von Ihnen wissen, ob Ihnen bewusst ist, seit wann es in dieser Stadt eine sozialdemokratische Bildungspolitik in der Form gibt, dass der Senatsposten für Bildung und Jugend von der SPD besetzt ist?
Ich möchte jetzt keine historischen Debatten über frühere Bildungspolitik führen. Wir schauen nach vorne, Herr Mutlu. Ich denke, da sind wir uns doch einig, was soll das?
Wir wissen alle – Herr Mutlu, das ist der Punkt, um den es geht: Nicht alles, was wünschbar ist, ist machbar. Wir müssen auch im Bildungsbereich Prioritäten setzen, zumindest da, wo es Geld kostet. Wenn Sie zusätzlich Geld ausgeben wollen, müssen Sie sagen, wo Sie es wegnehmen. Sie hatten vorhin behauptet, die finanzielle Lage Berlins sei so hoffnungslos, dass Einsparungen sie nicht verbessern könne, also wir können ruhig weitermachen wie bisher. Das sehe ich anders.
Im Übrigen: Es kostet nicht alles Geld, was man an Verbesserungswürdigem machen kann. Fortschritte im Schulbereich sind auch möglich, ohne mehr Geld auszugeben. Ich spreche von der Entwicklung einer Lernkultur, eine Lernkultur, die alle Beteiligten fordert. Damit muss sich allerdings das Klima in der Gesellschaft ändern. Es geht nämlich nicht abgekoppelt.
Die Wertschätzung der Bildung fehlt in vielen Bereichen, auch in der Öffentlichkeit. Bei uns triumphiert eine Spaßgesellschaft, schnelle Erfolge ohne Anstrengung sind ein Ausweis von Cleverness, mühsames Lernen wird eher belächelt. In der Folge haben wir den Lehrer und die Lehrerin als lächerliche Figur. Statt dass sie Anerkennung und Unterstützung erfährt, wird sie häufig zur Witzfigur.
Nicht zufällig gehört der Beruf Lehrer zu den Berufen, die am wenigsten Ansehen genießen. Im Übrigen sind die Politiker auf der Skala noch etwas weiter hinten, nämlich kurz vor dem Bademeister.
Wir sind uns vermutlich einig, dass sich der Wert eines Menschen nicht nach den Noten bemisst. Aber wenn Kindern suggeriert wird, dass Leistung keine Rolle spielt, dann wird ihnen ein falsches Bild vermittelt.