Protokoll der Sitzung vom 25.11.2004

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wansner! Sie können mit gutem Beispiel vorangehen, indem Sie in den Bezirk ziehen, den Sie hier in diesem Haus repräsentieren. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und zeigen Sie, wie es besser laufen kann. – Sie haben mich vorhin auch etwas missverstanden. Ich habe es als ein Beispiel gelungener Integration bezeichnet, dass sich frühere Milli-Görüs-Mitglieder bei Ihnen in der Partei in Kreuzberg aktiv betätigen. Das ist gut, das lobe ich, machen Sie weiter so.

Danke schön! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Lehmann!

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Wir haben vor 14 Tagen hier schon über Zuwanderung und Integration gesprochen, lassen Sie mich deshalb heute einige grundsätzliche Dinge sagen.

Es ist mit anderen Worten der Verfassungspatriotismus, der diese Länder zusammenhält. Wenn Deutschland de facto ein Einwanderungsland ist, dann brauchen wir ebenfalls einen Verfassungspatriotismus. Anders werden sich die Integrationsprobleme in Zukunft nicht lösen lassen. Das braucht aber Zeit und muss sich im Bewusstsein der gesamten Bevölkerung verankern. Diese Interpretation lässt weder Spielraum für so genannte Hassprediger noch für Parallelgesellschaften. Ich warne übrigens davor, Parallelgesellschaften lediglich mit dem Islam gleichzuset

zen. Das ist auch der eigentliche Hintergrund, warum ich den Begriff der deutschen Leitkultur ablehne. Deutsche Leitkultur verträgt sich nicht mit dem Territorialprinzip und nicht mit einem gesunden Verfassungspatriotismus.

Umgekehrt müssen von den Migrantinnen und Migranten verlangen, sich zu der demokratisch-liberalen Grundordnung zu bekennen. Wer dies nicht tut, muss dementsprechend mit Sanktionen rechnen. Integration darf also keine Einbahnstraße sein. Sie verlangt von beiden Seiten Opferbereitschaft. Fordern und Fördern ist hier die Devise. Von Migrantinnen und Migranten müssen wir verlangen, dass sie zügig die deutsche Sprache erlernen. Die Sprache ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration in unsere Gesellschaft. So wird man die hohe Arbeitslosigkeit unter den Migranten ohne ausreichende Sprachkenntnisse aber keineswegs alleine beseitigen können. Ich hoffe daher sehr, dass ab dem 1. Januar 2005 genügend Kurse für schon hier lebende Migranten und Neuzuwanderer angeboten werden. Ein Hartz-IV-Chaos bleibt uns diesbezüglich hoffentlich erspart.

Ferner stehen Bildungsnähe und Integrationsbereitschaft in einem sehr engen Verhältnis zueinander. Je höher die Wertschätzung für Bildungsinhalte, desto höher wird die Bereitschaft sein, sich durch Bildungseinrichtungen zu kämpfen. Entsprechend suchen und finden Personen aus humanistisch-bürgerlich orientierten Milieus sehr viel häufiger Zugang zu weiterführenden Bildungseinrichtungen.

Warum gelingt es den angelsächsichen Ländern in den meisten Fällen, spätestens nach zwei Generationen Einwanderer vollständig zu integrieren, trotz China Town und trotz Little Italy? – Zunächst einmal müssen wir wohl zugeben, dass die politischen Verantwortungsträger allesamt geschlafen haben. Einwanderer wurden jahrzehntelang als Gastarbeiter behandelt. Doch war schon Anfang der 80er Jahre klar, dass sie nicht mehr in ihre ehemaligen Heimatländer zurückkehren werden. Spätestens während der Wendezeit hätten wir schon ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz und ein Zuwanderungsgesetz gebraucht. Leider hat dies auch meine Partei nicht rechtzeitig erkannt. Wenn also jemand einerseits seit 40 Jahren in Deutschland lebt, vielleicht schon eingebürgert wurde, andererseits aber die Person in der öffentlichen Wahrnehmung nicht wie ein Inländer behandelt wird, weil er vielleicht kein Christ ist oder nicht Müller oder Meier heißt,

[Niedergesäß (CDU): Oder Lehmann! – Dr. Lindner (FDP): „Herr Lehmann“!]

dann brauchen wir uns nicht zu wundern, dass wir erhebliche Schwierigkeiten mit dem gesamten Thema Integration haben.

Um es auf den Punkt zu bringen: Wer zugibt, Deutschland sei ein Einwanderungsland, der muss auch Schluss machen mit Blutsrecht und Kulturnation,

[Beifall bei der FDP und bei der PDS – Dr. Lindner (FDP): Jus soli!]

der muss sich zum Territorialprinzip bekennen. Staatsangehörigkeits- und Zuwanderungsrecht sind ein gewichtiger Schritt zum Territorialprinzip. Denjenigen, die das anders sehen, möchte ich sagen: Uns bleibt schon aus demographischen Gründen nichts anderes übrig, als eine Kehrtwende zu vollziehen. Wenn wir Zuwanderung aus demographischen Gründen brauchen, und dies kann wohl niemand bestreiten, müssen die Neuzuwanderer so schnell wie möglich integriert werden. Das funktioniert eben nur mit dem Territorialprinzip.

Das ist genau die Antwort auf meine Eingangsfrage, warum in den angelsächsischen Staaten Integration meist besser und schneller vonstatten geht. Es ist nicht die Religion, der Name oder die Hautfarbe, die entscheiden. Es ist auch nicht die Kultur, sondern es ist einzig und allein das Bekenntnis zur Werte- und zur Grundordnung dieser Staaten.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Dazu gehört vor allem der Bereich der schulischen Bildung. Die FDP-Fraktion hat beispielsweise angeregt, die Startklasse einzuführen. Ziel ist es, schon kleine Kinder durch frühzeitiges Fördern und Fordern ab 5 Jahren und durch Einsetzen von unterstützenden Maßnahmen zur Behebung von Sprachdefiziten in unsere Gesellschaft zu integrieren.

[Beifall bei der FDP]

Je früher Kinder nichtdeutscher Herkunft in die Bildungseinrichtungen integriert werden, desto größer sind später die Chancen, dass sie einen vernünftigen Berufs- und Schulabschluss machen.

Ich komme zu meinem letzten Satz. – Vielleicht ist das Zuwanderungsgesetz ein Einstieg zu einem Paradigmawechsel, der zu mehr Integration und zu mehr Toleranz führt. Das wäre auf jeden Fall zum Wohle unserer Stadt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 3:

a) II. Lesung

Vizepräsidentin Michels

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Weniger die inhaltliche Profilierung ist das hervorstechende Markenzeichen rot-roter Wissenschaftspolitik – das muss man inzwischen als Fazit ziehen –, sondern die Gesetzgebung in der letzten Minute, auf den letzten Drücker, an die sich regelmäßig Pleiten, Pech und Pannen anschließen. Wer daran bisher einen Zweifel hatte, mit dem vorliegenden Gesetz mit dem schicken Namen „Gesetz zur Umsetzung des Professorenbesoldungsreformgesetzes und zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften“ sind sie endgültig ausgeräumt. Seit drei Jahren gibt es nunmehr die rot-rote Koalition, und seit drei Jahren verspricht die gleiche rot-rote Koalition jedes Jahr erneut: Die große BerlHG-Novelle, sie wird kommen; es wird eine große Novelle des Berliner Hochschulgesetzes geben –, um sie jedes Mal und immer wieder zu verschieben. Dabei war genau diese große BerlHGNovelle ein zentraler Bestandteil der Koalitionsvereinbarung von Rot-Rot, und sie war auch ein zentrales Versprechen des Wissenschaftssenators gegenüber den streikenden Studierenden im vergangenen Winter. Weitere Stärkung der Hochschulautonomie und die Sicherung der Viertelparität in der quasi verfassungsgebenden Versammlung in den Hochschulen, dem so genannten Grundordnungsgremium – das waren die Versprechen der rotroten Koalition. Aber inzwischen hat Sie offenbar der Mut verlassen. Statt dessen verlängern Sie die Experimentierklausel bis ins Jahr 2007 und verschieben damit diese Reform in die nächste Legislaturperiode.

Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und des Bezirksamtsmitgliedergesetzes

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 15/3313 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/2584

b) II. Lesung

Wir entrümpeln den Berliner Bürokratiedschungel – Gesetz zur Abschaffung des Landespersonalausschusses

Beschlussempfehlungen InnSichO und Haupt Drs 15/3382 Antrag der CDU Drs 15/1614

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei bzw. vier Artikel zu verbinden. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Ich rufe auf die Überschriften und die Einleitung sowie die Artikel I und II in Drucksache 15/1614 und die Artikel I bis IV in Drucksache 15/2584. Eine Beratung ist nicht vorgesehen, so dass wir gleich abstimmen können.

Zum Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1614 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU bei Enthaltung der FDP die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CDU. Die Gegenstimmen! – Das sind die Regierungskoalition und die Grünen. Enthaltungen? – Die Fraktion der FDP. Damit haben wir dies abgelehnt.

Zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 15/2584 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die CDU die Annahme. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit haben wir dies gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 3A:

Dringliche II. Lesung

Gesetz zur Umsetzung des Professorenbesoldungsreformgesetzes und zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 15/3420 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/3298

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der PDS vor, Drucksache 15/3420-1. – Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der drei Artikel zu verbinden. – Ich höre auch hierzu keinen Widerspruch.

Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis III in der Drucksache 15/2398 unter Be

rücksichtigung der Änderungen der Beschlussempfehlung Drucksache 15/3420.

Die Fraktion der Grünen hat um Beratung gebeten und beginnt somit in der Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Paus – bitte sehr!

Und, Herr Hoff, wenn Sie mir jetzt vorwerfen, ich würde Nebelbomben werfen, dann muss ich zum einen sagen: Nebelbomben kenne ich nicht, ich kenne vielleicht Nebelkerzen, und ich kenne Rauchbomben. Aber ich würde sagen, das passiert, wenn ein Antimilitarist sich doch plötzlich auf den Kriegspfad begibt. Ich denke, Sie sollten den Kriegspfad wieder verlassen, dann kommen wir auch wieder zu vernünftigen Redewendungen, mit denen man miteinander umgehen kann.

[Beifall bei den Grünen – Frau Freundl (PDS): Hat er doch gar nicht gesagt!]

Sie scheint die Kraft verlassen zu haben. Das Einzige, was Sie in der Wissenschaftspolitik noch auf die Reihe kriegen, das ist die Umsetzung von rot-grünen Reformen der Bundesebene, die Sie allerdings dann wiederum pervertieren. Aber das, was es an Reformen gibt, ist die Einführung der Juniorprofessur – rot-grünes Bundesgesetz –, die Reform der Professorenbesoldung – Teil des heutigen Gesetzes – und die Einführung eines Promovierenden Status, zumindest des Begriffs des Doktoranden. Alles rotgrüne Reformen, sie sichern die wissenschaftliche Qualität und die internationale Anschlussfähigkeit des Hochschulstandorts Deutschland und auch des Hochschul

Dann ein Letztes aus diesem Sammelsurium, das sich in diesem Gesetz befindet: die umfangreichen datenschutzrechtlichen Änderungen, die Sie mit diesem Gesetz auch noch nonchalant durchschieben. Die Erfassung und Übermittlung von personenbezogenen Daten ist eine sensible Angelegenheit. Ich dachte bisher, es gäbe diesen Konsens in diesem Hause. Dieses Parlament hat auch aus diesem Grund extra einen Ausschuss dafür eingerichtet, den Unterschuss Datenschutz. Aber obwohl mit diesem Gesetz künftig erlaubt sein wird, personenbezogene Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs und außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes zu übermitteln, obwohl es da umfangreiche Eingriffe und Änderungen gegeben hat, die hiermit rechtskräftig werden sollen, sah die rot-rote Koalition keine Notwendigkeit, den Datenschutzausschuss in irgendeiner Art und Weise mit diesem Gesetz zu befassen. Sie haben es abgelehnt, und auch in der entsprechenden Sitzung im Datenschutzausschuss haben Sie es abgelehnt, darüber zu diskutieren. Erst nach massiven Einwänden wurde das Allerschlimmste noch verhindert, nämlich dass man die Hochschuldaten ohne irgendwelche weiteren Zweckbindungen an Dritte geben kann. Das haben Sie jetzt mit dem kleinen Änderungsantrag noch verändert. Aber ansonsten hat es keine vernünftige Beratung im Rahmen einer Anhörung oder in dem entsprechenden Gremium gegeben. Deswegen gibt es nur ein Fazit zu diesem Gesetz: Rot-rote Wissenschaftspolitik

hat keinen Inhalt, sie ist Politik auf den letzten Drücker und garantiert immer mit Pleiten, Pech und Pannen verbunden. Deswegen werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen.

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Flemming. – Bitte sehr!