Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

Ich will auch gar nicht weiter darüber reden, dass Sie die Amtshilfe des Kollegen Lindner benötigt haben, um sich auf die Gesetzeslage hinweisen zu lassen, dass eine Abschaffung der Gewerbesteuer schon allein rechtlich nicht möglich ist. Ich sage nur: Es kommt von Ihrer Seite kein einziger Vorschlag.

[Beifall bei der PDS und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Wenn ich sehe, was Sie hier vorgelegt haben, sowohl als Antrag als auch in Ihrer Rede, sage ich Ihnen: Das, was auseinandersetzungsfähig ist, sind Nacherzählungen dessen, was dieser Senat sowieso schon tut,

[Gelächter des Abg. Zimmer (CDU)]

z. B. bei der Ausrichtung der Wachstumsfelder in Berlin oder bei der Stärkung der Potentiale in der Gesundheitswirtschaft. Und dann Ihre Ladenhüter mit der Gewerbesteuer: Herr Lindner, nein, Herr Zimmer,

[Hoff (PDS): Ist das Gleiche!]

an dieser Stelle muss ich sagen: Ich bedauere ausdrücklich, dass es hier eine eklatante Schwäche der – noch – größten Oppositionsfraktion im Abgeordnetenhaus gibt. Das ist nicht gut für diese Stadt, denn ich glaube, es ist wichtig, dass es eine Opposition gibt, die Vorschläge macht, sich an der Regierung abarbeitet und die Regierung an den Punkten, wo sie Schwächen hat, angreift, aber von Ihnen bekommen wir keinen Antrieb. Deshalb können wir auch keine Partnerschaft machen. Ihr Vorschlag zu einem Jobgipfel ist, dass wir Sie zu einem Thema einladen sollen, bei dem Sie aus der Diskussion heraus sind. Sowie Sie Vorschläge machen – gern! Wir sind auch gern bereit, alle diese Vorschläge zu prüfen. Ich habe sie aber weder in dem, was Sie in der letzten Woche vorgelegt haben, noch in dem, was Sie heute inhaltlich formuliert haben, erkennen können.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Ich bin froh, dass wir, wenn wir in der Opposition schon keine Partner für die Auseinandersetzung haben, Partner in der Zusammenarbeit in der Berliner Wirtschaft und den Berliner Gewerkschaften haben und dass wir hier gemeinsam an der Überwindung der Probleme am Standort Berlin, der Wachstumsschwäche und der Nutzung der Zukunftspotentiale arbeiten. Ein Beispiel dafür ist der Ausbildungsgipfel, den wir gestern in Berlin hatten. Wir hatten im letzten Jahr eine erfreuliche Entwicklung bei den Ausbildungsplätzen mit erstmals wieder einem Zuwachs von betrieblichen Ausbildungsplätzen, in einer guten Partnerschaft zwischen den Arbeitgebern, den Arbeit

Bm Wolf

Bei allen Problemen und Schwierigkeiten haben wir auch positive Signale in Berlin zu verzeichnen. Ein Silberstreif am Horizont ist es, wenn z. B. Daimler-Chrysler im Motorenwerk in Mariendorf durch die Ausweitung seiner Motorenproduktion 620 Arbeitsplätze schafft, wenn z. B. BASF, nachdem sie einen Pakt mit der IG Chemie geschlossen haben, sich dazu entschließt, im europaweiten Wettbewerb den Standort für sein Servicecenter mit 500 zusätzlichen und neuen Arbeitsplätzen nach Berlin zu verlagern, und sich bewusst obendrein auch noch für einen Standort im Ostteil der Stadt entscheidet. Ein positives Beispiel ist, wenn ein Unternehmen wie Berlin Chemie hervorragend auf den osteuropäischen Märkten agiert, bis 2008 vorhat, seine Beschäftigten zu verdoppeln, und in diesem Jahr 500 Beschäftigte zusätzlich einstellt.

Es ist ein positives Zeichen, wenn ein Unternehmen wie Jamba einen großen amerikanischen Investor wie Verisign gewonnen hat, sein Geschäftsmodell auch auf den amerikanischen Markt ausdehnt und in diesem Jahr seine Beschäftigtenzahl verdoppeln wird. Es ist ein positives Zeichen, wenn zum Beispiel die Jenoptik-Tochter Diode Lab 10 Millionen € in Adlershof investiert und 40 neue Arbeitsplätze schafft und wenn ich anlässlich der Cebit erfahre, dass 25 % unserer Unternehmen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien davon ausgehen, dass sie in diesem Jahr neue Beschäftigungen schaffen.

nehmerorganisationen und dem Senat von Berlin. Wir werden das im Interesse der Jugendlichen in diesem Jahr fortsetzen und die Anstrengungen weiter voranbringen, damit auch in diesem Jahr die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze weiter gesteigert wird.

Wir haben eine hervorragende Partnerschaft z. B. am Runden Tisch Tourismus, die dazu geführt hat, dass durch die konzertierte Aktion, durch gemeinsame Anstrengung der Akteure aus der Tourismuswirtschaft, des Einzelhandels, der Fluggesellschaften und des Senats von Berlin im Jahr 2004 Rekordzahlen bei den Berlinbesuchern und beim Umsatz zu verzeichnen waren und wir obendrein die Flugverbindungen nach Berlin haben deutlich verbessern können. Das sind Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Nachfrageimpulse für Berlin, das haben wir im letzten Jahr durch eine gemeinsame, konzertierte Aktion mit der Wirtschaft und dem Senat von Berlin geschafft.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Wir haben eine Wachstumsinitiative mit der Industrie- und Handelskammer, der Handwerksammer, den Unternehmerverbänden Berlin und Brandenburg und anderen Wirtschaftsverbänden verabredet, mit der wir versuchen, gemeinsam die Wachstums- und Zukunftspotentiale Berlins, die alle richtig benannt worden sind und worüber wir uns einig sind, zu entwickeln. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass man mit klaren Positionen und Verabredungen versuchen kann, nicht den Standort schlecht zu reden, sondern zu versuchen, da, wo Chancen, Beschäftigungspotentiale und Zukunftspotentiale vorhanden sind, sie gemeinsam zu entwickeln.

Wir haben im letzten Jahr mit der Ausgründung der Investitionsbank Berlin begonnen, die Investitionsbank zu einer wirklichen Wirtschaftsförderbank machen. Das heißt, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass kleine und mittelständische Unternehmen in Berlin wieder Liquiditätsversorgung und Zugang zu Krediten haben, damit sie in der Lage sind, Wachstumsprozesse und damit auch Arbeitsplätze und Beschäftigung zu finanzieren.

Das Thema Entbürokratisierung ist dieser Senat wirklich angegangen, gerade jetzt wieder mit der Novelle der Bauordnung, mit erheblichen Vereinfachungen und Erleichterungen für Unternehmen. Ich glaube, auch das macht deutlich, dass wir an dieser Stelle nicht untätig gewesen sind.

[Dr. Lindner (FDP): Das ganze Problemrecht blieb außen vor!]

Ich gehe davon aus, dass Herr Wegner, wenn er heute noch redet, wieder seinen wirtschaftspolitischen Standardsatz formulieren wird, nämlich: Herr Wolf, zuhören allein genügt nicht. – Herr Wegner, da stimme ich Ihnen völlig zu, aber sage: Dampfplauderei hilft auch nichts.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Der erste Schritt ist, zuzuhören, zu verstehen, was das Problem ist, dann nachzudenken, nach Möglichkeit nicht zu lange, aber tief genug, und dann zu entscheiden und

vor allem umsetzen. Das ist das, was dieser Senat getan hat und auch weiterhin tun wird. Das weiß die Wirtschaft.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Das heißt: Es tut sich etwas in Berlin, und es tut sich auch gerade in der Industrie. Positive Trends sind zu erkennen. Diese müssen wir verstetigen. Daran müssen wir weiter arbeiten. Ich lade Sie gern ein, dabei mitzumachen – mit konstruktiven Vorschlägen, mit Unterstützung. Ich hoffe, es kommen endlich einmal welche.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Diese positiven Zeichen lösen jedoch nicht das Riesenproblem von 330 000 Menschen, die in Berlin Arbeit suchen beziehungsweise arbeitslos gemeldet sind. Das heißt, wir werden uns weiterhin sehr intensiv mit den Fragen der Arbeitsmarktpolitik, der aktiven Beschäftigungsförderung auseinander setzen müssen.

Nun ist nicht das eingetreten, was in der relativ alten Kleinen Anfrage der FDP vermutet wurde, dass es mit der Umsetzung von Hartz IV jetzt zur Maut II käme. Wir haben in diesem Senat – bei aller Kritik, die wir zu der gesetzlichen Regelung geäußert haben – konzentriert an der Umsetzung von Hartz IV, an der Umsetzung dieses Bundesgesetzes in Berlin gearbeitet. Der organisatorische GAU, den anscheinend einige in der Opposition klammheimlich gewünscht haben, ist nicht eingetreten.

Bm Wolf

Wir haben zurzeit bundesweit eine öffentliche Diskussion über die Nachbesserung im Rahmen der Hartz

Gesetzgebungen. Es gibt auch eine Reihe von Anträgen, die heute zu diesem Thema gestellt worden sind. Nun sind dies Anträge von Fraktionen, die sich zu dem Thema schon einmal im Vermittlungsausschuss unterhalten haben, was zu dem Ergebnis geführt hat, das jetzt beklagt wird. Herr Zimmer, Frau Klotz hat zu recht darauf hingewiesen, dass vieles von dem, was Sie vorschlagen, gerade auf Betreiben der CDU im Vermittlungsausschuss so beschlossen worden ist. Das finde ich interessant, will Ihnen aber auch nicht absprechen, dass Sie hinzulernen und feststellen, dass Sie im Vermittlungsausschuss offensichtlich schlecht verhandelt haben und dass dort auf Betreiben Ihrer Fraktion und Ihrer Partei fehlerhafte Regelungen hineingekommen sind.

Ich habe in der Diskussion schon frühzeitig gesagt, dass ich bei der Hartz-Gesetzgebung zum Beispiel die Regelung zum Zuverdienst, wo man selbst bei einem 400Euro-Job gerade einmal 60 Euro behalten kann – eine Zuverdienstregelung, die deutlich schlechter ist als die damals gültige bei der Arbeitslosenhilfe –, für keinen Anreiz halte, Beschäftigung anzunehmen. Es wird vielmehr ein falscher Anreiz geschaffen, und dieses muss geändert werden. Ich freue mich, dass Frau Merkel an dieser Stelle offensichtlich klüger geworden ist. Ich freue mich, dass an dieser Stelle aus den Reihen der Grünen Anträge kommen. Lassen Sie uns dies gemeinsam auf der Bundesebene diskutieren. Wir sind in der Monitoring-Gruppe dabei, dieses Thema zu bearbeiten, und auch in der Koordinierungsgruppe der ostdeutschen Arbeitsminister.

Es trifft allerdings zu, dass es in der Tat noch erhebliche organisatorische Schwierigkeiten gibt. Die Arbeitsgemeinschaften sind häufig immer noch mit der Umstellung beschäftigt. Ich kann an dieser Stelle nur an die Akteure, an die Arbeitsgemeinschaften, an die Regionaldirektionen, an die Agenturen für Arbeit, appellieren, alles dafür zu tun, dass die versprochene bessere Betreuung von Erwerbslosen auch realisiert wird, dass der Personalschlüssel hergestellt wird. Das Land Berlin ist bereit und hat die entsprechenden Maßnahmen auch eingeleitet, um den entsprechenden Personal- und Betreuungsschlüssel zu gewährleisten, indem wir zusätzliches Personal aus dem Stellenpool zur Verfügung. stellen

Es ist klar, dass wir auch weiterhin öffentlich geförderte Beschäftigung brauchen. Das wird notwendig sein, weil diese hohe Arbeitslosigkeit nicht kurzfristig vollständig abzubauen ist. Wir haben in diesem Zusammenhang gleichzeitig deutlich gemacht, dass die neuen Zusatzjobs, die so genannten Ein-Euro-Jobs, nicht zur Verdrängung von Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt führen dürfen.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Da gibt es eine gemeinsame Verständigung

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Eine Erklärung und nicht mehr!]

zwischen den Gewerkschaften, der Regionaldirektion und den Unternehmensverbänden.

Wir müssen allerdings feststellen, dass es gerade im öffentlichen Bereich in der letzten Zeit zu einigen Missbräuchen gekommen ist, namentlich das, was öffentlich bekannt geworden ist: Im Bezirksamt Neukölln, wo, statt ein Umzugsunternehmen zu beauftragen, Ein-Euro-Jobber eingesetzt worden sind, oder im Bezirksamt Reinickendorf – CDU –, wo durch Ein-Euro-Jobber eine ganze Schulsanierung betrieben worden ist. Ich sage an dieser Stelle deutlich: Das ist nicht der Zweck dieser Zusatzjobs, das ist nicht der Zweck öffentlich geförderter Beschäftigung. Vielmehr ist klar gesagt, dass der Einsatz für zusätzliche Aufgaben im öffentlichen Interesse vorgesehen ist.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Wo uns Verstöße bekannt werden, werden wir versuchen, sowohl öffentlich als auch über die Arbeitsgemeinschaften dagegen vorzugehen.

Ich habe auch Unverständnis, dass die Beiräte, die dieses auch kontrollieren sollen und die ein wichtiges Instrument dafür wären, zurzeit noch nicht arbeiten. Diese müssen unverzüglich eingerichtet werden, damit das Instrument der öffentlich geförderten Beschäftigung nicht diskreditiert wird und nicht zu Verdrängungswirkungen führt.

[Beifall des Abg. Hoff (PDS)]

Auch wenn Berlin davon nicht unmittelbar betroffen ist, meine ich, dass diese unsinnige Regelung, immer noch zwischen Ost und West zu unterscheiden, vom Tisch muss.

[Beifall bei der PDS – Beifall des Abg. Hoffmann (CDU)]

Die Lebenshaltungskosten in München und Niederbayern sind ebenfalls unterschiedlich, und auch dort gibt es keine unterschiedlichen Sätze. Insofern muss auch dieses geändert werden.

Ich glaube auch, dass wir bei der Anrechnung von Partnereinkommen, wenn wir den entsprechenden Überblick haben, Änderungen vornehmen müssen. Ich wäre deshalb froh, wenn es gelänge, noch in diesem Jahr ein Paket zur Nachbesserung von Hartz IV und zur Verbesserung im Interesse der Betroffenen zu schnüren.