Protokoll der Sitzung vom 14.04.2005

In Berlin kann man mit BVG und S-Bahn gut mobil sein. Viele Berlinerinnen und Berliner nutzen das. Berlin hat überdurchschnittlich viele Haushalte ohne Auto. Obwohl in dieser Stadt bekanntlich gerne und viel gemeckert wird, weiß derjenige, der den Berliner ÖPNV mit dem anderer deutscher Städte ehrlich vergleicht, was wir an unserem öffentlichen Nahverkehr haben.

Wenn es Pannen gibt, sind allerdings ÖPNV-Nutzer deutlich schlechter dran als die Benutzer anderer Massenverkehrsmittel. Im Pauschaltourismus hat sich zu Gunsten der Reisenden in den letzten Jahren viel getan. Auch die Deutsche Bahn hat freiwillig ihren Service verbessert. Wer einen Anschluss verpasst und am selben Tag sein Ziel nicht erreicht, bekommt entweder ein Hotelbett oder kann auf Bahnkosten dorthin zurückfahren, woher er gekommen ist. Auch die klassischen Fluglinien bieten bei Verspätungen ein Hotelbett an.

verkehr wollen. Deswegen müssen Sie sich mit dieser Hilfskrücke behelfen.

„Besser als wie nichts“, kann man sagen, und versuchen kann man es, man kann sicherlich auch diskutieren. Ich würde mich freuen, wenn die Haltung der Koalition zur Kundenorientierung an der Stelle eine neue und andere wäre. Ich erinnere mich an eine Diskussion, die wir hier im Parlament geführt haben, als die CDU den Antrag eingebracht hat, den Kunden bei lang andauernden Streckensperrungen Preisnachlässe zu gewähren. Das führte zu großer Aufregung bei den Verkehrsunternehmen, die das nicht gerne geben wollten. Getreulich haben SPD und PDS diesen Antrag im Parlament dann auch abgelehnt und gesagt: Das kommt nicht in Frage, so weit kommt es noch, dass der Kunde einen Preisnachlass bekommt, wenn er die Leistungen nicht bekommt. – Das ist in allen anderen Bereichen sonst üblich, nur im öffentlichen Nahverkehr nicht. Aber ich freue mich, wenn Sie Ihre Einstellung dazu jetzt geändert haben sollten.

Wenn das der Fall ist, sollte es Ihnen auch leicht fallen, unserem Antrag zum Thema Qualitätskontrolle BVG zuzustimmen, der hier ins Plenum schon eingebracht worden ist, wo wir genau das wollen. Es kann nicht sein, dass das Land Berlin mehrere hundert Millionen Euro ausgibt und der zuständige Senator sagt: Na ja, wir wissen, dass der Unternehmensvertrag unrealistisch ist, aber auch nicht bereit ist, einen neuen Verkehrs- oder Unternehmensvertrag abzuschließen, auch nicht bereit ist, diesen Vertrag in irgendeiner Art und Weise einer Qualitätskontrolle zu unterziehen. Die BVG ist das einzige Unternehmen, das immense Zuschüsse aus dem Landeshaushalt erhält, wo aber in keiner Weise kontrolliert wird, ob die Qualität der Leistungen den Anforderungen entspricht. Deswegen freue ich mich auf die Diskussion und darauf, dass Sie einer Qualitätskontrolle der BVG, ähnlich wie wir sie bei der S-Bahn schon haben, dann zustimmen werden.

Die Frage, die sich bei Ihrem Antrag allerdings stellt – das werden wir in den Ausschüssen diskutieren müssen –, ist, ob man über den Nahverkehrsplan, der letztendlich die Aufgabenträger selbst verpflichtet, die Verkehrsunternehmen, sprich: die BVG, zu bestimmten Dingen verpflichten kann. Das ist eine interessante juristische Frage. Ich würde vermuten, man kann es nicht. Sie werden genau das brauchen, was Sie hier angefordert haben, einen Verkehrsvertrag, genauso wie mit der S-Bahn, der bestimmte Qualitätskriterien festlegt, den Sie dann mit dem Unternehmen vereinbaren und der entsprechend überprüft wird, wo es dann auch Sanktionierungsmöglichkeiten gibt, wenn Qualitätsmerkmale nicht eingehalten werden. Alles andere sind hehre Proklamationen, die man sich in den Nahverkehrsplan schreiben kann, Präambeln mit großen Worten, die aber letztendlich wenig Wirkung zeigen. Insofern sollten wir das Thema bearbeiten. Ich glaube aber, der Weisheit letzter Schluss ist Ihr Antrag noch nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Kaczmarek! – Die sozialdemokratische Fraktion schließt an. Frau Kollegin Hertlein hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kaczmarek, wir glauben schon an die Reformfähigkeit der BVG, weil wir dafür in der letzten Zeit Beweise gesehen haben. Wir gehen auf diesem Weg vorwärts.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Innerhalb Berlins können Pannen ebenfalls höchst ärgerlich und manchmal folgenschwer sein, ärgerlich vor allen Dingen dann, wenn man sie als vermeidbar betrachtet. Das gilt z. B., wenn man die roten Rücklichter eines Nachtbusses sieht, den man eigentlich hätte erreichen müssen, der aber eine Minute zu früh abgefahren ist. Dafür bringt, glaube ich, niemand Verständnis auf. In Fällen, in denen ein Fahrgast dann keine zumutbare Alternative findet, halten wir es für recht und billig, dass die BVG eine Kompensation leistet, notfalls auch die Taxifahrt bezahlt. Busfahrer, denen diese Konsequenz ihres Frühstarts vorgehalten werden, schauen mit Sicherheit künftig genauer auf die Uhr und fahren nicht mehr eher ab. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass eine solche Regelung die BVG finanziell überfordern würde.

Bisher sind die Rechte von Fahrgästen bei derartigen und anderen Pannen wie Verspätung und Ausfall von Fahrzeugen nicht festgeschrieben. Die Bürgerinnen und Bürger sind auf die Kulanz angewiesen. Im Fall von Beschwerden mache ich als regelmäßige ÖPNV-Nutzerin die Erfahrung, dass ich eine Antwort bekomme, wenn ich meinen offiziellen Abgeordnetenbriefkopf benutze, wenn ich aber als normale Bürgerin schreibe, ist das nicht ganz so sicher. Wer eine Beschwerde loswerden will, muss sich mühsam durchfragen. Es gibt keine klaren Regelungen für Entschädigungsansprüche. Die Erarbeitung des neuen Nahverkehrsplans bietet eine Chance, dies zu verbessern, und darauf zielt der Antrag der Koalition ab. Wenn wir das nicht tun, regelt es die EU-Kommission für uns.

Sie haben noch immer nicht verstanden, was es bedeutet, dass wir ein Besteller-Ersteller-Prinzip haben. Deswegen erkläre ich es gern noch einmal. Das Land Berlin bestellt die Verkehrsleistung und bezahlt sie. Dafür muss das Land Berlin definieren, was es als Gegenleistung bekommen will. Da muss sich das Land Berlin eben nicht darauf beschränken, was vor 100 Jahren einmal festgeschrieben worden ist, sondern wir können selbstbewusst, wenn wir entsprechendes Geld ausgeben, um die Nahverkehrsunternehmen auszustatten, Forderungen an sie stellen. Ich frage, warum haben Sie nicht in die Verträge geschrieben, dass Sie einen entsprechender Kundenservice wollen. Ich verstehe nicht, wie dieses Beispiel, das Frau

Matuschek aufgegriffen hat, möglich sein kann. Eine Kundin kauft ein Ticket, das zwar teurer ist, aber nicht das richtige für die Verkehrsleistung und wird wie eine Schwarzfahrerin behandelt. Das ist bei einem landeseigenen Unternehmen passiert. Wir haben der BVG im vergangenen Jahr 623 Millionen € Zuschüsse gegeben und bekommen dafür einen so flapsigen Kundenservice. Ich finde, das ist ein Skandal, und das sollte sich auch der Senat als Besteller von Verkehrsleistungen und dafür, dass er diesem Unternehmen 623 Millionen € zur Verfügung stellt, nicht gefallen lassen.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Matuschek?

Liebe Kollegin Hämmerling! Wir können im Ausschuss gern darüber diskutieren, wie man die Vorgaben aus dem Nahverkehrsplan in Verkehrsverträgen verankert. – Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, dass es nach den Erfahrungen der Schlichtungsstelle Mobilität im Flugverkehr, wo es freien Wettbewerb gibt, bei der Schlichtung von Kundenregressansprüchen insbesondere seitens der Airlines kaum Entgegenkommen gibt, auf die Schlichtungssprüche einzugehen, sondern ein Entgegenkommen gegenüber den Kundenwünschen dort mitnichten registriert wird? Wäre es in diesem Fall nicht ratsam, durch gesetzliche oder Verordnungsregelungen auch die Airlines mit ihrem freien Wettbewerb ein bisschen zu sanktionieren?

Auch die Mitwirkung von Fahrgastbeiräten, entweder Fachleute oder „nur“ Menschen mit Alltagserfahrung, sollte einen festen Rahmen erhalten. Vielleicht wären manche Entscheidungen in der großen Umstellung vom Dezember 2004 dann anders gefallen.

Ein Kapitel für sich sind gerade in Berlin die durch Baustellen bedingten, leider oft sehr zeitraubenden Pendel- und Schienenersatzverkehre. Wer aus Zeitmangel bewusst das Auto stehen ließ und zwecks Stauvermeidung die Schiene wählte, kann eine böse Überraschung erleben, wenn er mit dem Schienenersatzverkehr dann plötzlich doch im Stau steht. Das ist allerdings, wie fairerweise gesagt werden muss, nicht immer die Schuld von BVG und S-Bahn. Die S-Bahnzeitung „punkt 3“, die auf den Bahnhöfen ausliegt, untersuchte kürzlich, wie weit die Medien Ankündigungen von Pendelverkehr drucken und senden. Das Ergebnis war unerfreulich, besonders soweit es die privaten Rundfunksender betraf. Nun sind derartige Meldungen zweifellos nicht geeignet, die Quote zu steigern, aber die Medien haben eine Chronistenpflicht, und darauf wird nicht immer geachtet. Sie droht in Vergessenheit zu geraten.

Ich fasse noch einmal zusammen: 50 % der Berliner Haushalte sind, wenn sie nicht Rad fahren, auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Die Koalition will ihre Rechte als Verbraucher dieser wichtigen Dienstleistung stärken. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Vielen Dank, Frau Kollegin Hertlein! – Nun hat Frau Kollegin Hämmerling von den Grünen das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Antrag können wir inhaltlich voll unterstützen, aber die Frage stellt sich auch bei uns: Warum brauchen wir einen solchen Antrag?

[Pewestorff (PDS): Damit Sie ihn unterstützen können!]

Warum wollen Sie den Inhalt dieses Antrages auf diese Art und Weise umsetzen? Warum wollen Sie das nicht durch den Wettbewerb erreichen? Warum machen Sie es nicht innerhalb der Verträge mit der S-Bahn und mit der BVG?

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Goetze (CDU)]

Ja, aber gerne!

Bitte schön!

Da rennen Sie bei mir offene Türen ein, Frau Matuschek! Sie haben aber die Fluglinien in Ihren Antrag leider nicht mit einbezogen. Dem hätte ich frohen Herzens zustimmen können. Ich frage Sie aber: Warum geben Sie Unternehmen so viel Geld, verlangen aber nicht das Mindeste, den Mindestverbraucherschutz und die Mindestfahrgastfreundlichkeit, als Gegenleistung?

[Beifall bei den Grünen]

Genau an der Stelle haben Sie Ihre Aufgabe nicht ernst genommen.

Wir stimmen dem Antrag gern zu, finden aber, er stellt ein Armutszeugnis dar.

[Klemm (PDS): Wie immer!]

Ja, natürlich, es ist ein Armutszeugnis, eine Kritik der eigenen Regierung, die es nicht geschafft hat, die Dinge, die Sie vorschlagen und durchsetzen wollen, in die Realität umzusetzen, obwohl sie das landeseigene Nahverkehrsunternehmen BVG subventioniert. Wenn ich ein Unternehmen besitze, dann muss es auch das tun, was mir wichtig ist.

Natürlich, die Begründung: Nach EVO – Eisenbahnverkehrsordnung – sind Schadenersatzansprüche wegen Verspätung oder Ausfall ausgeschlossen. Das ist Quatsch! Schicken Sie doch die BVG in den Wettbewerb, dann ergibt sich das von allein. Es hängt alles am staatlichen Monopol. Das ist das Problem.

Um der BVG Kundenorientierung beizubringen, brauchen Sie keine Qualitäts-Charta, sondern schlicht und ergreifend den Markt und den Wettbewerb. Markt und Wettbewerb bilden die denkbar beste Qualitäts-Charta, die wir uns vorstellen können. Dann sind Sie auf dem rechten Weg. Dann brauchen Sie keine Fahrgastbeiräte. – Da wird es nun ganz schick: Fahrgastbeiräte wollen Sie installieren!

Und zum VBB: Wenn Sie einen Antrag brauchen, um beim VBB mehr Kundenfreundlichkeit und eine Antragsstelle durchzusetzen, rennen Sie beim VBB wahrscheinlich offene Türen ein, aber wir unterstützen auch einen solchen Antrag. Meinetwegen, wir unterstützen diese Forderungen, halten es aber nicht für den optimalen Weg, denn diese Forderungen gehören in die Verträge mit den Verkehrsunternehmen. Der Senat muss als Besteller darauf achten, dass die Verträge umgesetzt werden. Dazu bedarf es eines veränderten Vertrags mit der BVG, denn wir wissen alle, er wird von beiden Seiten nicht erfüllt. Das kann in Zukunft nicht so bleiben. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter von Lüdeke das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben die Prioritäten eingeführt, um die Debatte etwas zu beleben.

[Doering (PDS): Nun aber kommen Sie!]

Nun konfrontieren uns SPD und PDS mit einem Thema, mit dem sie Verbrauchernähe dokumentieren wollen. Eigentlich interessiert das aber niemanden.

[Och! und Zurufe von links]

Das, was Sie hier zu Papier gebracht haben, Fahrgastrechte, Beschwerdemanagement, darüber sollen wir nun diskutieren! Das ist eine Selbstverständlichkeit, dass die BVG, hoch subventioniert, ein vernünftiges Beschwerdemanagement haben muss. Wir haben leider erlebt, dass das nicht der Fall ist, aber dass wir darüber hier reden müssen, damit habe ich meine Probleme.

[Klemm (PDS): Sie müssen ja nicht darüber reden!]

Einfache Formulierungen, Tarif- und Beförderungsbedingungen – eine Selbstverständlichkeit für ein Unternehmen! Nun kommt es aber: „Entschädigungsregelungen für Verspätungen“ – ich kann Ihnen sagen: viel Spaß! Das ist eine tolle Geschichte! Oder die Formulierung von Voraussetzungen für Sanktionen gegen Fahrgäste: auch eine spannende Geschichte. „Fahrgastrechte sind zurzeit unbefriedigend geregelt“: Da haben Sie durchaus Recht. Das ist aber auf dem Berliner Hintergrund absurd, so etwas zu sagen. Die Berliner Landespolitik hat theoretisch die Möglichkeit, der landeseigenen BVG die bessere Wahrnehmung von Fahrgastrechten aufzuerlegen. Warum tun Sie das nicht in Ihren Gesprächen mit der BVG? – Dort gibt es offenbar erhebliche Widerstände, und die haften dem öffentlichen Eigentum an der BVG systembedingt an.

[Beifall bei der FDP]

Nicht die Kundeninteressen stehen beim Staatsbetrieb im Vordergrund, sondern die mit der Politik verbandelten eigenen Interessen und die Interessen der Gewerkschaften. Das wissen wir doch, und deshalb wollen Sie uns solche Hilfskrücken präsentieren und alles in einen Nahverkehrsplan schreiben.

[Klemm (PDS): Kennen Sie die rechtlichen Grundlagen?]

[Beifall bei der FDP]

[Dr. Lindner (FDP): Das ist immer Ihre Lösung: Beiräte! – [Doering (PDS): Schrecklich! Grusel, Grusel!]

Das sind Runde Tische. Runde Tische wollen Sie haben, an denen die unterbeschäftigten oder besserwisserischen Verwaltungsmitarbeiter, Verbandsfunktionäre und Politiker auf Kosten der Steuerzahler sagen, was geschröpfte Nahverkehrskunden für gut zu befinden haben. Das sind Ihre Runden Tische und Ihre Beiräte, die Sie installieren wollen.