Herr Lindner! Sie haben am Anfang kurz skizziert, dass Sie insgesamt eine andere Steuerreform wollen und dass Sie deswegen auf die Gewerbesteuer verzichten wollen. Wir sagen nach wie vor: Die Gewerbesteuer ist die zentrale kommunale Steuer. Und der Sinn des Hebesatzes ist es gerade, dem Äquivalenzprinzip entsprechend, mit einem gewissen Aufschlag in Metropolenräumen die Infrastruktur einer Metropole, die Agglomerationsvorteile, von denen die Unternehmen profitieren, mitzufinanzieren. Deswegen ist es eben so – da wurden einige Zahlen schon genannt, ich nenne auch noch einmal welche –, dass in den Großstädten die Hebesätze höher liegen: Hamburg 470 %, Bremen 420 %, selbst Potsdam 450 %. Deswegen sind die Gewerbesteuer und auch der Hebesatz, den wir in Berlin haben, völlig korrekt und angemessen. Außerdem – das ist noch nicht genannt worden – möchte ich daran erinnern, dass es durch die rot-grüne Bundesregierung eine Unternehmens- und Einkommensteuerreform gegeben hat. Seitdem ist es nun einmal so – das verschweigen Sie immer gern –, dass die Belastungswirkungen der Gewer
Frau Paus! Das war jetzt eine Spur zu dick. Für jemand, der eine Partei vertritt, die gerade abgewirtschaftet hat – im Mai wird die letzte rotgrüne Landesregierung abgewählt –, hier solche Töne zu spucken, wer alte und wer neue Rezepte hat, das ist gerade eine Spur zu dreist gewesen. Es hat aber gezeigt, wo wir einen fundamentalen Unterschied haben. Wir haben – das habe ich auch überhaupt nicht bestritten –, in der Tat Großstädte in Deutschland, die höhere Steuersätze haben als Berlin. Wir liegen da etwa in der Mitte. Das ist überhaupt nicht die Frage. Es ist auch nicht die Frage, ob da irgendetwas angemessen ist. Ich konzidiere auch, dass es einzelne Städte im Speckgürtel gibt, die sogar noch höher sind als Berlin. Aber der große Unterschied ist doch, dass Sie sich damit begnügen, irgendwo einmal nicht der Schlechteste zu sein. Aber wir fordern, irgendwo einmal der Beste zu sein, das beste Land, die beste Stadt zu sein. Deswegen haben wir diesen Satz von 330 % nicht willkürlich genommen, sondern bei allen Städten über 50 000 Einwohnern liegt der Mindestsatz bei 340 %. Deswegen sagen wir 330 %, damit der Wirtschaftssenator in die Lage versetzt wird, damit überall zu werben, zu sagen: Pass
mal auf, wir können nicht konkurrieren mit irgendwelchen kleinen Gemeinden, das wollen wir auch gar nicht. Aber bei allen Städten ist Berlin an der Spitze. – Darum muss es doch gehen. Es muss ein Marketinginstrument werden und nicht, dass wir irgendwo mittendrin sind.
Die Sache mit den ausländischen Spitzenkräften: Das ist doch ein Zugewinn, das ist doch gar keine Gerechtigkeitsdebatte. Wir wollen die doch zusätzlich reinkriegen in unser Land, und denen müssen wir Anreize schaffen, genauso wie unsere Nachbarländer umgekehrt Anreize bieten, dass unsere Spitzenverdiener abwandern. Und erst dann, wenn es den anderen wehtut, wenn es den Österreichern, den Belgiern, den Dänen wehtut, dass wir ihre nehmen, dann versetzen wir uns in eine Situation, dass wir mit ihnen über „Schluss mit dieser wechselseitigen Abkauferei“ diskutieren und das wiederum abschaffen können. Ich weiß, dass das vielleicht den einen oder anderen überfordert, aber so weit muss man doch einmal denken können, dass man sich erst einmal in eine Waffengleichheit versetzen muss, bevor man dann über Frieden oder zumindest Waffenstillstand reden kann. Aber so lange nur die unsere nehmen, denken die doch gar nicht daran, dass sie mit uns über irgendwas diskutieren.
Frau Paus! Noch einmal: Sie vertreten eine Partei, die 5,2 Millionen Arbeitslose auf dem Gewissen hat in Deutschland. Sie regieren jetzt seit 1998, das ist doch die Realität.
besteuer für die Wirtschaft sehr deutlich reduziert worden sind. Seitdem kann die Gewerbesteuerschuld vollständig, komplett abgezogen werden von der Einkommensteuerschuld. Und damit nicht genug: Es ist zusätzlich so, dass die Gewerbesteuerschuld faktisch noch einmal um die Hälfte reduziert werden muss, faktisch also nur die Hälfte der aktuellen Gewerbesteuerschuld gezahlt werden kann. Von einer nicht tragbaren Belastung der Wirtschaft zu sprechen, die unbedingt geändert werden müsste, ist völlig verfehlte Rede. Wir brauchen zur Stärkung der Wirtschaft etwas anderes.
Zum Schluss noch einmal zu Ihrem zweiten Antrag – steuerliche Erleichterungen für Spitzenkräfte. Dazu fällt mir wirklich nur ein: Lex Ackermann. Dazu hat meine Kollegin im Bundestag, Frau Scheel, das entsprechend Richtige gesagt. Was Herr Koch damit will und was Sie hiermit unterstützen, ist die Aufforderung zum kollektiven Exodus deutscher Führungskräfte ins Ausland, nichts anderes machen Sie da. Das halte ich für schlichtweg absurd. Das Richtige wäre gewesen, ein vernünftiges Zuwanderungsgesetz zu machen, um eben deutlich zu machen: Deutschland ist ein Standort, der Leute auch von außen hereinholen will, der auch Spitzenkräfte haben will. Wir hätten ein vernünftiges Zuwanderungsgesetz gebraucht. Das hat Herr Koch aktiv selbst mit verhindert, und stattdessen jetzt eine Sondernummer zu machen, das ist völlig schräg. Das von Berliner Landesebene zu unterstützen, ist krass absurd.
Fazit: Ich finde, diese Anträge sind nicht mehr diskussionswürdig, sondern sie gehören einfach abgelehnt.
Deutschland ist Schlusslicht in der wirtschaftlichen Entwicklung, Spitzenreiter bei den Arbeitslosen. Und das Ganze hat einen Namen: Grün wirkt, kann ich nur sagen. Da können Sie sich hier nicht hinstellen und uns frech irgendwas erzählen, dass unsere Rezepte von gestern sind.
Zu beiden Anträgen wird die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie sowie an den Hauptausschuss vorgeschlagen. Der Antrag Drucksache 15/3828 – Stichwort: Steuerliche Rahmenbedingungen – soll zusätzlich mitberatend an den Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen überwiesen werden, wozu ich keinen Widerspruch höre.
Der US-amerikanische Job-Creation-Act hat neuen Vertragsabschlüssen rückwirkend ab 12. März 2004 einen Riegel vorgeschoben. Die Notiz Nummer 13 aus 2005 der bundesstaatlichen Steuerbehörde IRS kündigt zudem das Infragestellen bestehender Verträge an. Da kommen echte Belastungen auf die Kommunen in Deutschland zu, denn glaubt man dem „Handelsblatt“ vom 15. Februar 2005, drohen den Gemeinden nun Schadensersatzklagen, die
ihre Leistungsfähigkeit bei Weitem überfordern. Problem ist nämlich, dass mit dem Versagen des steuerrechtlichen Eigentums nach US-Recht die Investoren schnell das Interesse an der Konstruktion verlieren. Sie werden nach Vertragsbrüchen suchen, und so kann bereits das Versäumnis von Berichtspflichten zu einem Anruf aus New York führen. Laut „Junge Welt“ vom 18. Februar 2005 soll es bereits Kommunen geben, in denen „Unfälle“ geschehen sein sollen – so wird dort ein Mitarbeiter von Ernst & Young wiedergegeben. Ich kündige hier gern an, dass auch wir nunmehr in den zuständigen Ausschüssen im Land Berlin zu klären haben werden, ob auch aus dieser Ecke wieder einmal finanzielle Konsequenzen aus Fehlentscheidungen der großen Koalition drohen.
Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat der Kollege Zackenfels – bitte schön!
Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Eine kleine Bemerkung zu der Debatte vorher: Ich finde es ganz interessant, die FDP sollte vielleicht einmal dahin streben, zunächst die beste Oppositionspartei zu werden, bevor sie vom Land Berlin verlangt, das Beste im gewerbesteuerlichen Bereich zu machen. Aber das ist noch ein langer Weg.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag, der jetzt zur Debatte steht, begeben wir uns in eine komplexe, aber nichtsdestotrotz wichtige Materie. Über die 90er Jahre hinweg bis in unsere heutige Zeit werden grenzüberschreitende Vermietungs- und Leasingmodelle von deutschen Kommunen praktiziert. Infrastrukturen im Bereich Wasser, Busse und Bahnen oder Gebäude werden in Milliardenhöhe anonymen amerikanischen Investoren verkauft, um sie dann über 99 Jahre hinweg zurückzumieten. Diese Geschäfte sind auf amerikanischer Seite ausschließlich auf Steuerersparnis, auf deutscher Seite ausschließlich auf den kurzfristigen Liquiditätsvorteil ausgerichtet.
Alle seriösen öffentlichen Finanzexperten stufen daher diese englischsprachigen, meist über 10 000 Seiten umfassenden Verträge mit Gerichtsstand New York als Bruch mit einer geordneten Haushaltsführung in Deutschland ein. Sie warnen vor der Unkalkulierbarkeit der Risiken. In Berlin wurde ein solches Geschäft zuletzt unter Finanzsenator Peter Kurth beim Bau der Messe Berlin praktiziert und vor kurzem im Hause Flierl im Zusammenhang mit der Opernstiftung erörtert. Auf eine Kleine Anfrage antwortet die Finanzverwaltung nach wie vor:
Dazu ist leider kein Spielraum mehr gegeben. Wie an diesem Antrag sichtbar, verwehren wir als Regierungskoalitionen sowohl der Verwaltung als auch Einzelvertretern des Landes in Aufsichts- und Beiräten die Zustimmung zu solchen Geschäften. Die aktuelle Entwicklung gibt uns dabei Recht.
Zu guter Letzt allerdings möchte ich mich noch mit einem weiteren Antrag beschäftigen, bei dem wir uns in zweifelhafter, aber nützlicher Gesellschaft befinden, nämlich einem Gesetzesantrag des Landes Hessen, Bundesratsdrucksache 45/2005, Gesetz zur Verringerung steuerlicher Missbräuche. In diesem Entwurf eines Gesetzes soll sogar die Gestaltungsmöglichkeit für inländische Saleand-lease-back-Konstruktionen, bei denen sich die Kommunen den finanziellen Vorteil zu Lasten des allgemeinen inländischen Steueraufkommens verschaffen, geschlossen werden.
Zusammenfassend wende ich mich daher ausdrücklich vor allem an die Oppositionsfraktionen CDU und FDP: Reihen Sie sich auch in Berlin in die Runde seriöser Haushälter ein, und stimmen Sie dem Antrag zu! Viele Gemeinden, in denen Sie Verantwortung tragen – ob in Bayern Günther Beckstein, CSU, in Frankfurt am Main oder in Bielefeld, ob CDU oder FDP in Städten und Gemeinden in NRW oder in Hessen –, rufen dazu auf, sich auf die wirklichen Haushaltsprobleme zu konzentrieren und notwendige Strukturentscheidungen anzugehen. Cross-Border-Leasing ist definitiv keine Lösung und das genaue Gegenteil einer seriösen Haushaltswirtschaft. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Zackenfels! – Die CDU-Fraktion setzt fort. Das Wort hat der Herr Kollege Kaczmarek. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja schwierig für Regierungsfraktionen, sinnvolle Anträge zu stellen. Ich weiß das noch aus meiner Regierungszeit. Man hat immer das Problem, dass der Senat im Zweifelsfall sagt: Lasst das mal sein, wir machen das schon so! Kommt uns bitte nicht in die Quere! –
Das ist bei euch ganz genauso, Herr Liebich! – und versucht, die Fraktionen auf Gebiete abzudrängen, auf denen es möglichst nicht so schädlich ist und nicht so den Verwaltungsablauf behindert, wenn Anträge im Parlament gestellt werden. Ein ideales Mittel, um das zu erreichen,
Nun kann man sagen: Das ist eine nette historische Betrachtung. War es von Vorteil oder nicht? – Das kann uns sicherlich der Finanzsenator irgendwann einmal in einer Endabrechnung vorlegen. Interessant ist doch vielmehr die Frage: Gibt es überhaupt noch die Möglichkeit, solche Verträge abzuschließen, wie Sie sie in Ihrem Antrag aufgreifen? – Wie Sie schon richtig sagten, hat die amerikanische Steuerbehörde angekündigt, dass eine Großzahl der Verträge, die geschlossen worden sind, als Steuerumgehung, als eine Methode der Steuerhinterziehung anzusehen sind und entsprechend aufgehoben werden. Da ist nun die Frage interessant: Hat das Wirkung auf die Berliner Verträge, und wer trägt das Risiko daraus? – Dazu kann der Finanzsenator sicherlich einiges sagen. Meines Wissens sind die Verträge damals so gestaltet worden – jedenfalls die, die die Messe betreffen –,
dass dieses Risiko der Änderung der Steuergesetzgebung der Investor, also die amerikanische Firma, trägt. Und was noch viel interessanter ist: Sie wollen uns ja dazu verpflichten, nie wieder solche Verträge abzuschließen. Das ist so ein bisschen wie mit den sieben Schwaben, die voller Mut – –
Nein! Die Redezeit ist gleich vorbei. Das muss sie dann bitte in ihrem Redebeitrag entgegnen. – Tut mir Leid, Frau Matuschek! Aber wir werden sicherlich im Ausschuss noch darüber reden. – Also, das ist wie bei den sieben Schwaben, die mit großem, heldenhaftem Anspruch diesen toten Hasen bekämpft haben. Diesen toten Hasen bekämpfen Sie jetzt auch wieder, denn die Steuergesetzgebung in den USA ist geändert worden. Es gibt gar keine Möglichkeit mehr, solche Verträge abzuschließen. Damit sind wir wieder an dem Punkt, wo der Sowieso-Antrag seine hervorragende Bestätigung findet. Alles ist eigentlich schon so, wie man es will. Stellen wir doch noch einen Antrag, schadet nichts! – So jedenfalls kann man nicht beweisen, dass man ernsthaft Politik betreiben will. Das ist ein ziemlicher Missbrauch dieses Parlaments, und ich finde, auch eine Verschwendung der Zeit aller Beteiligten. Insofern könnten wir auch gleich abstimmen. Wir brauchen es gar nicht in die Ausschüsse zu überweisen. – Vielen Dank!
nämlich einmal Aktivität im Parlament vorzutäuschen, damit man gegenüber den Oppositionsfraktionen nicht gar so nackt und bloß da steht und sagen muss: Ihr stellt Anträge, aber wir hören hier nur zu! –, ist die Institution des so genannten Sowieso-Antrags. Sowieso-Anträge haben einen enormen Vorteil: Das, was sie beantragen, passiert sowieso. Man könnte – ideales Beispiel – jetzt den Antrag einbringen, dass morgen Freitag werden solle, der Senat möge sich also bitte darum bemühen, dass morgen Freitag wäre, und dieser Antrag könnte mit großer Mehrheit verabschiedet werden.
Und tatsächlich: Die Koalition hätte einen Erfolg. Dieser Antrag ist mit großer Mehrheit durchgegangen, wir warten wenige Stunden ab, und siehe da: Der Senat hat es tatsächlich geschafft, es ist Freitag! Das ist ein so genannter Sowieso-Antrag, dessen Folgen sowieso eintreten, und um einen solchen handelt es sich an dieser Stelle auch.
Deswegen, lieber Herr Zackenfels: Wir können da zustimmen, wir können das ablehnen, wir können ihn ändern, wir können darüber reden. Wir können es aber auch sein lassen, denn die Folgen sind immer die gleichen: Gar keine! Es hat überhaupt keine Auswirkungen.