Protokoll der Sitzung vom 16.06.2005

Natürlich, Herr Lorenz jetzt schon zum zweiten Mal! Bitte achten Sie darauf. – Frau Martins, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Mehr Demokratie – das schreiben alle Parteien locker in die Wahlprogramme. Wie schwer es ist, dies umzusetzen, zeigte das konstruktive, aber auch sehr zähe Ringen um die Position beim Bürgerentscheid in den Bezirken. Das Parlament, Herr Wambach, hat sehr wohl gerungen und sich damit auseinander gesetzt, was die Senatsverwaltung zu dem einen oder anderen Punkt sagte. Aber wir sind der Souverän, und wir entscheiden über die Gesetze. Ich wünsche mir, dass wir viel öfter über die Gesetze selbst entscheiden und nicht nur dem Wortlaut einer Senatsverwaltung folgen. Das ist wichtig für ein Parlament und die Souveränität.

[Beifall bei den Grünen, der PDS und der FDP – Beifall des Abg. Hoffmann (CDU)]

Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Wir sind vom Schlusslicht auf Platz 3 im Ranking der Mitbestimmung gekommen. Das ist ein Erfolg. Allen Parteien, die konstruktiv mitgearbeitet haben, sei heute Dank gezollt. – Die CDU muss zur Kenntnis nehmen, Bayern und Hamburg sind vor uns. Das sind momentan keine SPD

geführten Länder. Die haben noch bessere Bedingungen bei den Quoren, und Bayern ist keine Räterepublik. Ich finde, Bayern wirkt sehr gut sortiert, meine Herren.

[Heiterkeit – Beifall bei den Grünen und der CDU]

[Beifall bei den Grünen]

1997 haben wir den ersten Antrag zur Senkung des Wahlalters eingebracht. Zugegeben: Die Jugendlichen von damals sind schon lange 18 Jahre und können bereits wählen gehen, aber ich finde es gut, dass wir jetzt, ein Jahr vor der BVV-Wahl und der Landtagswahl, die Möglichkeit haben, zu werben, in den Schulen und Verwaltungen dafür zu sorgen, dass Politik verständlich gemacht wird, und den Erstwählern näher zu bringen, was es heißt, sich aktiv an der Demokratie zu beteiligen.

Warum – die Frage bleibt im Raum – soll nicht auch das Wahlalter für das Abgeordnetenhaus gesenkt werden? – Hier sind die Grünen klar: Wir möchten, dass man für die Wahl zum Abgeordnetenhaus und selbstverständlich auch zum Bundestag – dies ist allerdings Bundesgesetz – das Wahlalter senkt. Ganz klar!

[Beifall bei den Grünen]

Für die Grünen gab es zwei wichtige große Komplexe. Das eine waren die niedrigen Hürden, das heißt, die Quoren möglichst gering zu halten, um ein Bürgerbegehren und die Bürgerentscheide möglich zu machen. Das ist durchaus gelungen. Es ist akzeptabel, auch wenn man an der einen Stelle vielleicht noch mehr Demokratie und niedrigere Quoren gewollt hätte. Das andere ist, dass möglichst alle Themen, die im Bereich der Kompetenzen der BVV liegen, für die direkte Demokratie erreichbar sind. Auch das ist weitgehend gelungen. Wir können mit dem Ergebnis wirklich sehr zufrieden sein.

Ich finde es auch gut, dass bis zur letzten Minute – der Hauptausschuss wurde gerade erwähnt – gerungen und schließlich gesagt wurde: Wenn wir so eine Entscheidung treffen, dann lassen wir die Bezirke auch mit den Finanzen nicht allein, sondern übernehmen als Land die finanziellen Konsequenzen. Dies ist eine Entscheidung, die erst zum Schluss gefallen ist. Dass letztlich noch eingebracht wurde, die Rechtsprüfung für Bürgerentscheide am Anfang eines Entscheids zu machen und dieses System zu beschleunigen und dies heute noch abgestimmt werden kann, ist der andere Erfolg. Ich glaube, dies macht deutlich, dass wir keine Bürgerbeschäftigungstherapie wollen, sondern Mitbestimmung, und dies auf der Ebene der BVVen.

[Beifall bei den Grünen]

Als Grüne sage ich Ihnen ganz klar: Wir möchten den produktiven Geist, der vorhanden war und mit der Zweidrittelmehrheit auch zu sehen sein wird, für die Demokra

Meine Fraktion hat sich umfassend erstmalig vor zwei Jahren mit dem Thema Bürgerentscheide befasst – am 17. Juni 2003, ich habe noch einmal nachgeschaut. Da haben wir einen Beschluss gefasst, dass uns die Gesetzesvorlage von Rot-Rot nicht reicht, dass es dort zu viele Mängel gibt, an denen wir noch arbeiten wollten. Wir haben zum Beispiel gesagt, dass das dreistufige Verfahren zu einem zweistufigen Verfahren werden muss. Dies ist umgesetzt worden. Wir haben die Sammelfrist für die Unterschriften verlängern wollen. Auch das haben wir durchsetzen können.

Auch der Themenausschlusskatalog war etwas sehr Entscheidendes. Wie kommen wir zu dem Recht, zu sagen, die Bürger können zu der Frage A eine Entscheidung treffen, aber bei der Frage B halten wir sie nicht für kompetent genug? - Deswegen war für uns der Leitsatz klar: Kein Themenausschlusskatalog! Die Bürger sind in diesen Fragen mündig, wenn sie sich informieren, umso mehr. Auch hier konnten wir Erfolge erzielen. Das Beteiligungsquorum haben wir etwas heraufgesetzt. Das war mit 10 % beabsichtigt, und wir haben uns dann auf 15 % geeinigt. Auch das sieht im bundesweiten Vergleich noch sehr gut aus.

tie nicht entschwinden lassen. Wir möchten die Zeit nutzen, so dass es auch auf Landesebene zu den realisierbaren Bedingungen für Volksentscheide kommt, damit wir möglichst im nächsten Jahr zu den Wahlen die Volksabstimmung stattfinden lassen können. Auf Landesebene können dann endlich Volksentscheide durchgeführt werden. Somit ist direkte Demokratie möglich. Diese Zeit sollten wir nutzen. Wir laden die CDU weiterhin ein – auch wenn wir Sie heute für die Zweidrittelmehrheit nicht brauchen –, konstruktiv mitzuarbeiten.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Ritzmann das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU hat sich heute durch ihren Beitrag zum Thema Demokratie endgültig aus der seriösen Debatte verabschiedet.

[Beifall bei der PDS]

Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass Ihr Ansatz von Misstrauen und Angst gegenüber den Berlinerinnen und Berlinern geleitet ist. Diese werden es zu würdigen wissen. Da bin ich mir sicher.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Thema Wahlalter: Warum haben Jugendliche wenig Interesse an Politik? – Weil sie nichts zu entscheiden haben, ist sicher ein Grund dafür. Wenn wir nun die Möglichkeit einführen und das Wahlalter für die BVV auf 16 Jahre herabsetzen, wird in Teilen bei den Jugendlichen auch Interesse für die bezirklichen und auch politische Themen entstehen. Wenn ich nichts zu entscheiden habe, habe ich wenig Interesse daran.

Dieses Problem haben wir ganz prinzipiell in der Politik, und deswegen ist es ein Ansatz zu sagen, wir weiten die Entscheidungsbefugnis auf die 16-Jährigen aus. Wer in Schuldiskussionen präsent ist – und das sind viele von uns –, stellt fest, dass viele der 16- und 17-Jährigen bereits sehr gut argumentieren, abwägen können und sich informieren. Es gibt auch andere, aber die gibt es in allen Altersklassen. Das rechtfertigt keine Diskriminierung.

Hinzu kommt, dass die Jugendlichen heute reifer sind als vor 50 Jahren, als das jetzige Wahlalter festgelegt worden ist. Deswegen müssen wir das Thema anpacken. Der Kollege Schimmler hat es bereits angesprochen: Es gibt Bundesländer, in denen das funktioniert – Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zum Beispiel. Dort hat jeweils Rot-Grün das Wahlalter 16 Jahre eingeführt, und bei der nächsten Möglichkeit wurde Rot-Grün abgewählt, und wird jetzt von Schwarz-Gelb regiert. Wenn das kein gutes Zeichen für Berlin ist!

[Beifall bei der FDP – Doering (PDS): Deswegen macht ihr das!]

Herr Kollege Doering! Sie haben es erkannt.

Zwei Jahre lang haben wir dann in meiner Fraktion selbst, mit den anderen Fraktionen, mit den Senat, mit den Bezirken und Verbänden diskutiert, und es hat sich weiterentwickelt. Ich bin davon überzeugt, dass der Gesetzentwurf, der heute vorliegt, der beste ist. Er ist kein fauler Kompromiss, bei dem jeder noch eine Schraube hineingedreht hat, sondern er ist deutlich besser als noch vor anderthalb oder einem Jahr. Wir haben es geschafft, dem Grundsatz treu zu bleiben: Alles, was die BVV entscheiden darf, sollen auch die Bürger entscheiden dürfen, außer es gibt Landes- oder Bundesgesetze, die dagegen stehen. Das ist eine gute Sache.

Berlin war Bummelletzter in dieser Frage, in der Frage: Wie mündig sind eigentlich unsere Bürger? Wie ernst nehmen wir sie? – Frau Martins! Nach meinen Erkenntnissen sind wir jetzt auf Platz 2, gleichauf mit den Bayern. Wir sind also genauso gut wie die Bayern, wenn wir das jetzt beschließen. Das ist ja nicht unwichtig. Bayern zeigt: Man kann mit direkter Demokratie Erfolge haben. Da floriert auch die Wirtschaft, gerade im Vergleich zu Berlin. Investitionen werden nicht blockiert. Sämtliche Schreckgespinste haben sich dort nicht bewahrheitet. Ich glaube auch nicht, dass sie für Berlin eintreten werden. Deswegen muss uns klar sein, dass wir heute ein massives Demokratiedefizit beheben, und deswegen ist es ein ganz besonderer Tag für alle Berlinerinnen und Berliner.

[Beifall bei der FDP, der PDS und den Grünen]

Ich möchte mich zum Schluss noch bei einigen Kollegen für die Zusammenarbeit bedanken, da die Angelegenheit doch sehr intensiv war: bei dem Kollegen Ratzmann, bei Dr. Zotl, bei den Kollegen Schimmler und Zimmermann, bei Frau Dr. Brangsch von der PDS, die uns sehr unterstützt hat, bei Herrn Otte von den Grünen, der uns sehr unterstütz hat.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Hochschulverträge hat in der letzten Sitzung vor der Sommerpause inzwischen regelrecht Konjunktur. Wir machen das seit Jahren stets auf dem letzten sommerlichen Drücker. Wenn es dann noch was wird – umso besser, denn in der Regel beginnen in den Ferien die Haushaltsberatungen, nicht wahr, Herr Sarrazin? Und wenn die SPD mit am Drücker sitzt, wird es für die Unis schnell gefährlich. Umso besser also, dass auch in diesem Jahr die Hochschulverträge doch noch schnell unter Dach und Fach kommen konnten, wenn auch mit erheblichen Bauschmerzen der Hochschulen.

[Beifall bei der FDP, der PDS und den Grünen]

Das war wirklich viel Arbeit, und wir haben es geschafft. Ganz zum Schluss möchte ich mich bei „Mehr Demokratie“ bedanken, besonders bei Dr. Michael Effler. Für die gute Zuarbeit, für die gute Beratung: Herzlichen Dank! – Nun sollten wir abstimmen und Berlin etwas demokratischer machen, als es bisher war.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der PDS und den Grünen]

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte alle Platz zu nehmen, da nunmehr eine Zweidrittelmehrheit festgestellt werden muss.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Anträge Drucksache 15/4068 und 15/4069 an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung. – Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.

Wir kommen dann zu den Abstimmungen in den Drucksachen 15/3707 und 15/3708. Sie wissen, dass gemäß Artikel 100 der Verfassung von Berlin Änderungen der Verfassung eine Mehrheit von Zweidritteln der gewählten Mitglieder des Abgeordnetenhauses erfordern. Zum Antrag Drucksache 15/3707, das ist die Änderung der Verfassung von Berlin, empfehlen beide Ausschüsse mehrheitlich, und zwar gegen die Stimmen der CDU, die Annahme mit Änderungen unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung des Fachausschusses. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser Antrag gegen die Stimmen der CDU-Fraktion und mit einer Enthaltung bei der FDP angenommen, und ich stelle hiermit die Zweidrittelmehrheit fest.

[Beifall bei der SPD, der PDS, den Grünen und der FDP]

Zum Antrag Drucksache 15/3776 – Stichwort: Starke Bezirke, starke Demokratie vor Ort – empfehlen beide Ausschüsse die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke! Die Gegenprobe! – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Zum Antrag Drucksache 15/3708 – Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes – müssen wir zunächst über den Änderungsantrag der CDU-Fraktion Drucksache15/37081 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Die Ausschüsse empfehlen zum Antrag Drucksache 15/3708 mehrheitlich, gegen die Stimmen der Fraktion der CDU, die Annahme mit Änderung unter Berücksichtigung beider Beschlussempfehlungen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke! Die Gegenprobe! – Damit ist dies gegen die Stimmen der

CDU angenommen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe auf die Priorität der Fraktion der CDU

lfd. Nr. 4 d:

Dringliche Beschlussempfehlungen

Abschluss von Hochschulverträgen gemäß Artikel II § 1 Abs. 1 und 4 des Haushaltsstrukturgesetzes 1997

Beschlussempfehlungen WissForsch und Haupt Drs 15/4092 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/3925

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Damit rufe ich die Beratung auf, für die den Fraktionen eine Redezeit von jeweils fünf Minuten zur Verfügung steht. Es beginnt die Fraktion der CDU, und Frau Abgeordnete Grütters hat das Wort. – Bitte schön!