Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans von Berlin für die Haushaltsjahre 2006 und 2007 (Haushaltsgesetz 2006/2007 – HG 06/07)
Im Ältestenrat haben wir uns auf bis zu 20 Minuten Redezeit pro Fraktion bei freier Aufteilung auf höchstens zwei Redebeiträge verständigt. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und zwar in Person von Frau Dr. Klotz, die hiermit das Wort hat. – Bitte schön, Frau Dr. Klotz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Haushaltsentwurf 2006/2007 ist der letzte Haushalt in dieser Legislaturperiode. Es ist ein Doppelhaushalt, weil im nächsten Jahr Wahlkampf ist. Es ist ein Wahlkampfhaushalt, der auf weitere dramatische Einschnitte verzichtet. Es ist ein Haushalt, an dem sich die Erfolge, aber auch die Versäumnisse rot-roter Haushaltspolitik insgesamt ablesen lassen. Deshalb lohnt es, diesen Haushalt zum Thema einer aktuellen Stunde zu machen. Dass dies auf Vorschlag der Grünen geschieht, zeigt doch nur, dass wir auch in Wahlkampfzeiten Verantwortung für die Finanzen zeigen und uns im Gegensatz zu anderen nicht in unbezahlbare Wahlversprechen flüchten.
Gegen Angriffe kann man sich wehren, gegen Lob ist man machtlos. Das hat schon Sigmund Freud festgestellt.
Deshalb fange ich mit dem Positiven an. Das ist unter pädagogischen Gesichtspunkten, aber auch unter Klagegesichtspunkten besser. Es ist in den vergangenen Jahren gelungen, wichtige Strukturentscheidungen zu treffen, die den Haushalt ausgabenseitig entlastet haben.
Da ist als erstes der Ausstieg aus der Wohnungsbauförderung zu nennen. Dagegen hat sich nicht nur der rot-rote Senat lange gewehrt.
Es der Solidarpakt und der Stellenabbau zu nennen, wobei ich sage: Es kommt in dieser Frage nicht auf das Wie an, sondern das Dass ist richtig. Es ist die Einführung eines zentralen Stellenpools zu nennen, aber auch der Ausstieg aus den Entwicklungsgebieten. All dies sind Strukturentscheidungen, die wir als Grüne lange gefordert haben, die zu treffen richtig war und die nicht deshalb falsch werden, weil sie nunmehr von SPD und PDS in Senatspolitik umgesetzt werden. Nein, sie sind richtig und bleiben es auch, und deswegen stehen wir dazu.
Auch wenn Sie, Herr Wechselberg, es nicht ertragen, dass wir an unsere Urheberschaft erinnern, wenn es Sie fuchsteufelswild macht – wie ich es aus dem Hauptausschuss gehört habe –, was im Übrigen hochgradig ungesund ist, kann ich Ihnen nur empfehlen: Sparen Sie sich Ihre Aufregung für Ihren Fusionspartner WASG! Der hält Ihre Agenda 2007 für neoliberales Teufelszeug und demzufolge auch Sie, die Berliner PDS, für neoliberal.
So weit würde ich nicht gehen. Ich würde Sie nur als beutegierig auf der Jagd nach Einsparsummen bezeichnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei.PDS.
Die Vorschläge der Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“ finden die Unterstützung des Senats. Das freut uns, also vor allem die zehn Mitglieder der Kommission, die dem Bericht mit einem klaren Ja zugestimmt haben. Es freut uns umso mehr, als die Kommission gesagt hat: Zu einer Sanierungsstrategie für Berlin gehört nicht nur die Senkung der Ausgaben, sondern auch die Stärkung der Wirtschaftskraft und der Attraktivität der Stadt. Und wer erinnert sich nicht daran, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass Thilo Sarrazin – den ich heute zu seiner neuen Brille beglückwünschen möchte,
ich denke, sie ist von Fielmann, und Sie haben nichts dazubezahlt – noch zusätzlich eine Milliarde bei den Kitas, Schulen, Universitäten und der Kultur holen wollte. Deshalb gibt es keinen Zweifel: Dass der Senat von diesen unsinnigen Sparvorhaben Abstand genommen hat, dass die Zukunft an dieser Stelle nicht noch weiter kaputtgespart werden soll, findet meine und unsere volle Unterstützung.
Auch deshalb, weil Wissenschaft und Kultur in ihren Ressourcen schon deutlich beschnitten wurden – so sagt es der Bericht der Enquetekommission. Die Hochschulmedizin muss sparen, bis es quietscht, ohne dass der Senat auch nur den Hauch einer Vorstellung hat, wie diese Einsparungen – es geht mittelfristig um 95 Millionen € – erbracht werden sollen. Die Hochschulen müssen mittelfristig 75 Millionen € einsparen, und das, obwohl auf 85 000 Studienplätzen mittlerweile 140 000 Studierende sind. Die Opernstiftung kommt nicht in Gang, die Berliner Symphoniker werden nicht weiter unterstützt. Dafür erhöhen Sie den Etat der Philharmoniker um fast 2 Millionen €. Wer soll das verstehen? – All das ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die Wissenschafts- und Kulturpolitik der vergangenen Jahre.
Deshalb sind wir als Bündnis 90/Die Grünen der Ansicht, dass weiteres Geld aus diesem Bereich nicht mehr herausgeholt werden soll, dass es aber auch hier sehr wohl noch geringe Einsparpotentiale gibt, die genutzt werden sollen; allerdings nicht für den Finanzsenator, sondern für die Wissenschaft und die Kultur, für die Stärken Berlins, die hier immer beschworen werden; für Qualitätssicherung, für Neues, für Experimentelles. Mit einem solchen Anreiz könnte insbesondere die Kulturszene einen neuen Schub bekommen.
Ich will noch einen zweiten Punkt herausgreifen, auf den die Enquetekommission Wert gelegt hat: die Investitionen in die Infrastruktur. Berlin hat bundesweit die nied
rigste Investitionsquote, und dies ist nicht etwa allein durch die extreme Haushaltsnotlage verursacht. Haushaltsmittel werden nicht ausgeschöpft, GA-Mittel verfallen, EU-Mittel werden als Bugwelle vor sich hergeschoben, das Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm kommt nur schleppend voran, obwohl die Schulen in dieser Stadt – das wird wohl niemand bestreiten – dieses Geld dringend brauchten. Es ist ein Skandal – das sage ich in Anknüpfung an die Fragestunde –, dass von den 9,9 Millionen € Bundesmitteln, die der Bund für die bauliche Umgestaltung der Ganztagsschulen für die Stadt Berlin zur Verfügung gestellt hat, Mitte August erst 449 000 € ausgeschöpft sind. Das ist ein Skandal, und das muss sich ändern.
Auch an anderer Stelle verzichtet der Senat auf Investitionen. Er umgeht eine dauerhafte Senkung der Energiekosten, weil er auf die energetische Sanierung von Gebäuden verzichtet. Das ist schlecht für die Umwelt und für den Haushalt, aber es ist auch schlecht für die Arbeitsplätze in den Handwerksbetrieben. Der Verfall der Infrastruktur belastet zukünftige Generationen genauso wie die Schuldenaufnahme. Beides ist gleichermaßen schlecht.
Ziemlich unverfroren ist es allerdings, wenn ausgerechnet die Partei, die in Berlin die bundesweit niedrigste Investitionsquote mitzuverantworten hat, als Bundespartei fordert, milliardenschwere Investitionsprogramme anzukurbeln. Besser als im Bund das Blaue vom Himmel zu versprechen wäre es, meine lieben Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion,
Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass die CDU an dieser Stelle auch einmal Applaus spendet, es geht ja um Investitionen und Arbeitsplätze.
[Doering (Linkspartei.PDS): Nee! Das sind nicht Ihre neuen Freunde! – Zuruf des Abg. Hoffmann (CDU)]
Dennoch einen Satz zur Steuerpolitik der CDU: Wenn Herr Kirchhof sich mit seiner Steueridee von 25 % durchsetzt, müssen Sie uns von der CDU erklären, wo dann noch Geld für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kinderbetreuung herkommen soll.
Mit einer solchen Steuersenkung würden Sie den Subventionsabbau, der in diesem Lande ansteht, komplett auffressen. Beim Ehegattensplitting soll es ja laut Herrn Kirchhof auch bleiben. Nicht in Macht, Beruf und Geld, so sagt Herr Kirchhof, sondern in der Familie liegt das wahre Glück der Frauen.
Das ist rückwärtsgewandt, meine Herren und meine Damen von der CDU, es schränkt die Möglichkeiten für Zukunftsinvestitionen in diesem Land erheblich ein. Deswegen ist dies mit uns nicht zu machen.
Es geht aber nicht nur um Investitionen in die bauliche Infrastruktur, sondern auch um Investitionen in Köpfe. Völlig zu Recht beschwört der Senat, dass Bildung der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit der Stadt ist. Aber was passiert wirklich? – Der Senat beschließt ein neues Schulgesetz und vergisst, dass zum Schulstart 2005/2006 auch mehr Lehrerinnen und Lehrer gebraucht werden. Die geplanten Neueinstellungen werden einfach reduziert, und in den Sommerferien wird ein Schnellcasting mit einer fünfzigköpfigen Bewerbungskommission gemacht. Wer zu Hause war und angerufen wurde, hat Glück gehabt, wer nicht da war, hat Pech gehabt. Qualitätssteigerung im Bildungsbereich sieht anders aus.
Als die SPD sich erfreulicherweise der grünen Forderung nach einem kostenfreien Kitajahr vor der Einschulung anschließt – aber vergisst, dass man das auch im Haushalt absichern muss –,