Die Schwerpunkte unserer Integrationspolitik richtig auszuloten gelingt uns umso besser, je stärker wir die Mitwirkungsmöglichkeit der Betroffenen ausbauen und den Grundsatz, Betroffene zu Beteiligten zu machen, mit Leben erfüllen. Wenn die Menschen mit Migrationshintergrund mehr Möglichkeiten finden, diese Stadt mitzugestalten, wenn ihnen die Zugänge zu allen gesellschaftlichen Bereichen offen stehen, werden wir vorankommen. Da bin ich mir sicher. Ein Schlüsselsatz der Berliner Integrationspolitik heißt daher: Integration erfordert Teilhabe. Migrantinnen und Migranten sollen aktiv sein, sollen sich engagieren können, um ihren Platz in der Aufnahmegesellschaft zu finden. In diesem Sinne fördern wir ihre Vereine und ihre Strukturen.
Herr Lehmann, ich glaube, Sie haben das noch nicht ganz verstanden: Allein in meinem Haushalt stehen dafür 6 Millionen € zur Verfügung. Aber bei der Integrationspolitik handelt es sich um eine Querschnittsaufgabe, und deshalb muss man auch schauen, welche Mittel in den Bereichen Bildung und Arbeit zur Verfügung stehen und welche Mittel für das Quartiersmanagement eingestellt sind. Viele Aspekte gehören zu einer vernünftigen ressortübergreifenden Integrationspolitik.
Die neue Beteiligungskultur zeigt sich zum Beispiel an dem eingerichteten Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen, in dem Vertreterinnen und Vertreter des Senats, der Bezirke, von Verbänden und Gewerkschaften zusammen mit gewählten Migrantinnen und Migranten integrationspolitische Fragen diskutieren. Empfehlungen, die in diesem Integrationsbeirat entwickelt wurden, sind in das Integrationskonzept eingeflossen.
Das Integrationskonzept macht die integrationspolitische Neuausrichtung deutlich und zeigt – nicht in allen Bereichen, denn diesen Anspruch haben wir nicht erhoben, zudem wir auf Grund der verfehlten Integrationspolitik der Vorjahre eine Menge nachzuholen haben –, wo die Stadt in den letzten Jahren integrationspolitisch besonders aktiv geworden ist.
Dazu einige Stichworte – natürlich auch unter dem Aspekt, dass es sich um eine Querschnittsaufgabe handelt –: Für Neuzuwanderer ist mit dem Willkommens- und Informationspaket des Senats eine neue Aufnahme
kultur geschaffen worden. Das mag sich nach Lyrik anhören, aber für mich sind das Orientierungshilfen von Beginn an. Sie sollen den Menschen zeigen, dass sie hier gewollt sind und dass wir sie beim Ankommen unterstützen wollen.
Der Senat betreibt zusätzlich zu den Arbeitsagenturen und Jobcentern, die die Zielgruppe der Migrantinnen und Migranten zum Schwerpunkt haben, eine aktive Beschäftigungsförderung für Migrantinnen und Migranten durch zusätzliche Angebote zur Sprachförderung und beruflichen Qualifizierung. Auf Initiative des Senats haben die Berliner Arbeitsagenturen zusätzliche Arbeits- und Strukturanpassungsmaßnahmen geschaffen und darin insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigt.
Herr Mutlu! Ihre Fraktion hat mich schon häufig mit dieser Frage konfrontiert. Der Einfluss des Integrationsbeauftragten hängt davon ab, wie viele Kompetenzen und materielle Ressourcen er zur Verfügung hat, um seine integrationspolitischen Aufgaben umzusetzen. Dabei ist es egal, wo er angebunden ist. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich Herr Piening durch seine Anbindung in meiner Verwaltung unterdrückt und bevormundet fühlt. Im Gegenteil: Ich habe eher den Eindruck, es gibt eine ganze Menge an wichtigen inhaltlichen Bezügen, die er nutzt und wo wir gemeinsam wichtige Schritte vorankommen.
Es ist wichtig, dass im Bereich der Arbeitsmarktpolitik Maßnahmen zur Zusatz- und Teilqualifizierung gefördert werden, beispielsweise um Aussiedler als Fernfahrer nach Osteuropa zu qualifizieren.
Die Selbstständigkeit wurde angesprochen: Migrantinnen und Migranten gehören zu den aktivsten Firmengründerinnen und -gründern unserer Stadt. Das ist allerdings ein Prozess mit hoher Fluktuation. Um diesen Prozess zu verstetigen, brauchen wir Beratungsangebote für Existenzgründerinnen und Existenzgründer. Außerdem brauchen wir einen Austausch, um von den Erfahrungen des jeweils anderen zu lernen. Dafür setzen wir uns ein.
Wir sind der Meinung – Herr Körting nannte sogar eine Quote –, dass Migrantinnen und Migranten künftig
verstärkt im öffentlichen Dienst eingestellt werden sollten. Ich hoffe, Sie haben dem „Tagesspiegel“ entnommen, was so genannte Mehrheitsmeinungen dazu sagen. Sie unterstützen das, was wir wollen, gerade nicht. Wir werden dennoch dafür eintreten, weil es richtig ist.
Durch die Reformen im Bildungsbereich haben Kitas und Ganztagsschulen mehr Personal für die Sprachförderung erhalten.
Auch dieses Problem muss man einmal zur Kenntnis nehmen. Deshalb brauchen wir zur Integrationspolitik eine öffentliche Debatte in die gesamte Gesellschaft hinein. Sonst ist es einfach nicht zu schaffen.
Das war eine enorm wichtige Entscheidung. Mit dem Konzept „Integration durch Bildung“ werden erstmals klare Indikatoren genannt, mit denen künftig das im Integrationsprozess Erreichte messbar wird. Daran kann man dann auch klare Ziele der Senatspolitik orientieren. Das werden wir tun.
Lassen Sie mich einen letzten Punkt sagen. – Sie mögen es vielleicht nicht gern hören, aber ich sage es noch einmal: Die Integrationspolitik des Berliner Senats endet da, wo die Grenzen der bundesgesetzlichen Regelungen sind. Das muss einfach zur Kenntnis genommen werden. Wir alle wissen, dass gerade im Bereich von Flucht und Asyl eine Reihe von bundesgesetzlichen Regelungen bestimmten Möglichkeiten entgegensteht. Eine Bleiberechtsregelung für lange hier lebende Flüchtlinge ist überfällig. Das Bundesrecht verhindert weiterhin, dass geduldeten und asylsuchenden Menschen der Zugang zu Arbeit und Ausbildung ermöglicht wird. Das wissen Sie ganz genau. Sie wissen auch, dass Kollege Körting auf der letzten Konferenz der Innenminister eine entsprechende Initiative gestartet hat. Zu sagen, wir tun nichts, das halte ich für äußerst verfehlt.
Der Senat fördert verstärkt Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache. Die frühkindliche Spracherziehung in zweieinhalb Jahren Kitabesuch stellt dabei einen besonderen Schwerpunkt dar. Auch für „Deutsch als Zweitsprache sind zusätzliche Personalkosten zur Verfügung gestellt worden. Ich hoffe, dass wir damit möglichst rasch Erfolge erzielen können.
Die Schulen – das gilt insbesondere für Ganztagsschulen, die in Kiezen mit besonderen sozialen Problem eingerichtet wurden – haben mit dem Schulgesetz die Chance erhalten, sich in ihren Kiez zu öffnen und ihre Einrichtung stärker nach den vor Ort bestehenden Bedürfnissen auszurichten. Das ist sozialräumliche Orientierung, wie ich sie mir praktisch vorstelle. Das ist g
Lassen Sie mich abschließend ein Stück weit an Sie appellieren. Das Integrationskonzept verstehen wir als Beitrag für einen breiten gesellschaftlichen Diskurs über Berliner Integrationspolitik. Eine derartige Diskussion kann nur dann zum Ziel führen, wenn sie die gesamte Gesellschaft erreicht. Dabei kommt es darauf an, deutlich zu machen, dass die Gesellschaft insgesamt von einer geglückten Integrationspolitik profitiert. Wir alle haben Verantwortung für eine solche Integrationspolitik. Das sind eben nicht nur die Politikerinnen und Politiker oder diejenigen, die zu uns kommen. Ich finde es zunehmend problematisch, dass zwar kampagnenartig über Phänomene einer nicht geglückten Integration diskutiert wird, dass es aber immer da, wo es Fortschritte gibt, keine öffentlichen Beiträge wert ist. Das finde ich bedauerlich.
Natürlich wird dieses Angebot durch die Sprachförderung und -bildung von Eltern mit Migrationshintergrund erweitert. Die Nachfrage nach Mütterkursen ist stark. Teilweise reichen sie nicht aus. Die Angebote werden ernst genommen.
Um Flüchtlingen und Asylbewerbern ein selbstständiges Leben zu ermöglichen, werden ihnen Bargeldleistungen statt Chipkarten gegeben. Sie haben die Chance, Wohnungen anzumieten. Das war ein wichtiger Schritt in diesem Bereich. Das ist nicht nur gut für das Selbstwertgefühl der Betroffenen, sondern auch für den Berliner Haushalt.
Das müssen wir umkehren. Ich wünsche mir jedenfalls eine Debatte ohne Schuldzuweisungen und eine, die sich an den Ergebnissen orientiert, die wir uns alle wünschen. – Vielen Dank!
Schließlich gibt es ein umfassendes Programm zur interkulturellen Öffnung. Sie haben das eingefordert, Frau Villbrandt. Ich finde es keinen Nebenaspekt, dass Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz und beispielsweise auch zur Ausweitung der Sprachkunde für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeboten werden. Das sind wichtige Bausteine dafür, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung Migrantinnen und Migranten kultursensibel begegnen.
Danke schön, Frau Senatorin! – Wir treten jetzt in die zweite Rederunde ein. Ich rufe den Herrn Abgeordneten Kleineidam auf. Ihre Redezeit beträgt drei Minuten. – Bitte sehr!
Danke schön! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Wansner das Wort. – Bitte sehr!
Danke, Frau Präsidentin! – Ich versuche, die drei Minuten zu nutzen, um auf einige der angesprochenen Aspekte einzugehen.
Ein bisschen konkreter, Herr Mutlu! Bei den Grünen habe ich den Eindruck, dass der Begriff Priorität in der Integrationspolitik nur darin besteht, dass der Integrationsbeauftragte beim Regierenden Bürgermeister angesiedelt werden muss. Ich habe diese Forderung in den letzten zwei Tagen aus Ihren Reihen fünf Mal gehört. Wenn das das Einzige ist, was Sie zu kritisieren haben, tun Sie es weiter. Wenn wir ansonsten bei den wirklichen Problemen zusammenarbeiten können, würde ich mich sehr freuen.
Das macht doch nichts, lieber Herr Mutlu! Seien Sie doch nicht immer so aufgeregt. Sehen Sie sich mal in Ihren Reihen um, da sehe ich auch nur noch drei Damen sitzen. [Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]
Frau Villbrandt! Ich hätte sicher heute nicht noch einmal den Neuköllner Bürgermeister erwähnt, wenn er nicht erneut im Juli dieses Jahres nachgelegt hätte. Er hat vor einem Monat genau das gesagt, was die Senatorin heute abgestritten hat. Hier beginnt der Unterschied. Es ist in einer Koalitionsregierung sehr enttäuschend und sehr traurig, wenn ein Bürgermeister eines großen Bezirks der Senatorin unterstellt, dass sie ihre Aufgabe nicht erfüllen kann. Das muss schon angesprochen werden, darüber muss insbesondere im Parlament diskutiert werden. Dass Frau Vogelsang das anspricht, ist ihr gutes Recht, weil wir von Anfang an im Gegenteil zu Ihnen die Probleme erkannt und versucht haben, Lösungsvorschläge zu machen.
Zweite Bemerkung – noch einmal zum Integrationsbeauftragten. – Die Frau Senatorin hat bereits darauf hingewiesen: Wir reden über eine Querschnittsaufgabe. Ich habe mich schon gewundert, als Herr Lehmann vorhin kritisierte: „Integrationskonzept und nur 6 Millionen bei Herrn Piening“. Wenn Sie das ernst gemeint haben, dann haben Sie den Sinn eines solchen Konzepts noch nicht verstanden. Ich hoffe, dass wir es Ihnen in den weiteren Diskussionen näher bringen können. Daran wollen wir arbeiten.
Letzter Punkt, auch von Ihnen, Herr Lehmann, angesprochen: Beteiligung von Verbänden. – Der rot-rote Senat hat einen Schwerpunkt in der Integrationspolitik in den letzten Jahren gesetzt. Mehrere Schwerpunkte sogar, muss ich sagen. Einer davon war die Einrichtung des Landesbeirats für Integration und Migration. Das war erstmalig eine Beteiligung der Migrantenverbände in der Stadt. Der Landesbeirat hat umfangreiche Vorarbeiten, Konzeptentwicklungen erarbeitet, die in dieses Konzept eingeflossen sind. Wenn dabei nicht die Gedanken dieser Verbände aufgenommen worden sind, dann weiß ich auch nicht. Darüber hinaus – das ist schon mehrfach gesagt worden – wünschen wir uns eine breite öffentliche Debatte, damit jeder die Möglichkeit hat, sich einzubringen. Aber so zu tun, als ob niemand beteiligt wurde, wird dem einfach nicht gerecht, was wir in der Vergangenheit gemacht haben.