Glauben Sie mir, ich weiß, was Giftlisten sind, und ich weiß, was in Finanzverwaltungen so alles erdacht und aufgeschrieben wird, wenn es um Kultur geht. Sparen wir uns also diese Aufregung! Dass es in der CDU Politiker und Politikerinnen gibt, die bis heute kein Verhältnis zu Berlin als Hauptstadt des vereinten Deutschlands gefunden haben, auch damit müssen wir wohl leben. Wenn solche Ressentiments nun jedoch bundespolitische Relevanz zu erlangen drohen, schrillen zu Recht die Alarmglocken. Dann könnten nämlich auch die von Finanzbürokraten erdachten Giftlisten einen ganz anderen Stellenwert erhalten, nicht etwa weil sie plausibler würden, sondern weil die Politik empfänglicher für derartiges Gift wird.
Das ist die Gefahr, die ich sehe, wenn ich Herrn Lammert von der CDU zuhöre, der als selbst erklärter Föderalist ein Zuviel an Kulturförderung des Bundes in Berlin ausmacht oder wenn ich das neoliberale Gerede der FDP höre, von einer Kunst, die sich stärker am Markt bewähren müsse. Die schon seit langem geführte Attacke von CDU und FDP auf den Hauptstadtkulturfonds berührt nur einen, wenn auch wesentlichen Teil der Kulturförderung des Bundes in Berlin.
Die Debatte über die Kulturförderung des Bundes in Berlin führen wir nun seit der staatlichen Vereinigung, insbesondere seit dem Hauptstadtbeschluss. Zu keinem Zeitpunkt ist aber mehr für die Hauptstadtkultur erreicht worden als unter Rot-Rot-Grün,
das heißt, zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung und des rot-roten Senats. Um dieses Urteil zu begründen, lassen Sie mich daran erinnern, wie mühsam sich die Kulturförderung des Bundes in den 90er Jahren entwíckelt hat, worin sich eine Systematik der Kulturförderung des Bundes abzeichnet und vor allem welchen Stellenwert der Hauptstadtkulturfonds dabei einnimmt.
Die CDU-geführte Bundesregierung glaubte zunächst, die kulturpolitische Verantwortung des Bundes in Berlin im Wesentlichen auf das Engagement bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, dem Deutschen Historischen Museum sowie die hälftige Finanzierung der Berliner Festspiele und des Hauses der Kulturen Welt reduzieren zu können. Das für die Jahre 1991 bis 1993 aufgelegte
Substanzerhaltungs- und Infrastrukturförderprogramm im Umfang von immerhin 530 Millionen DM wurde nicht fortgeführt. 1994 und 1995 wurden gerade einmal 30 bzw. 28 Millionen DM zur Verfügung gestellt.
Erst mit dem Hauptstadtfinanzierungsvertrag vom 30. Juni 1994 für die Jahre 1996 bis 1999 wurden anteilig so genannte kulturelle Leuchttürme im Umfang von 60 Millionen DM mitfinanziert, darunter auch 4 bis 7 Millionen DM für kulturelle Projekte. Diese Projektförderung war im Wesentlichen ein Verdienst der im Rat für die Künste versammelten Vertreterinnen und Vertreter der Berliner Kulturinstitutionen und ihres engagierten Einwirkens gegenüber der Leuchtturm-Kulturpolitik der CDU-Bundesregierung. Es ist doch bezeichnend, dass sich angesichts der Bundestagswahl und eines drohenden Kulturstaatsministers Lammert dieser Rat nun wieder belebt.
Insofern, Frau Grütters, hat die CDU nun gerade nicht den Hauptstadtkulturfonds erfunden, sondern sie hat Projektförderung ermöglicht. Der Hauptstadtkulturfonds wurde erst im Jahre 2000 eingerichtet, als nämlich Ende 1999 noch einmal zusätzlich 60 Millionen DM vom Bund nach Berlin flossen, um dann unter der ersten rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 einen Hauptstadtkulturfonds in Höhe von 5,2 Millionen DM sowie die entsprechenden Vergabemodalitäten – der Einrichtung der gemeinsamen Kommission, der Bestellung eines Kurators, der Berufung eines Beirates – einzurichten.
Der Hauptstadtkulturvertrag für die Jahre 2001 bis 2004 führte zur Übernahme von Kultureinrichtungen durch den Bund, wie das Jüdische Museum, die Berliner Festspiele, das Haus der Kulturen der Welt und dem Martin-Gropius-Bau. Darüber wurde hier schon mehrfach gesprochen. Darüber hinaus wurde der Hauptstadtkulturfonds auf mehr als 10 Millionen € erhöht und als ein Instrument zur Förderung innovativer Projekte und populärer kultureller Highlights verstetigt.
Bei der Wahrnehmung von Aufgaben des Bundes in Berlin müssen nach meiner Auffassung die beiden Dimensionen der Kulturförderung des Bundes in Berlin unterschieden werden – das ist genau meine Antwort auf Ihre Frage, Frau Ströver und Frau Meister, worin denn die systematischen Grundlagen der Kulturförderung des Bundes liegen und warum diese Debatte so schwach entwickelt ist. Ich versuche, diese gleich darzustellende Schwerpunktsetzung und Aufgabenunterscheidung seit Mitte der 90er Jahre zu vertreten. Sie knüpfen an an die Verfassungssituation, an das Verfassungsgerichtsurteil zur Klage gegen die Errichtung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und an die Auslegung des Grundgesetzes, in dem die gesamtstaatliche Repräsentation des Bundes in der Hauptstadt verfassungskonform dargestellt werden.
Nach meiner Auffassung muss man zwischen zwei Aufgaben unterscheiden. – Da gibt es zum einen die gesamtstaatlichen Aufgaben des Bundes, die sich aus der
Geschichte ergeben – aus dem kulturellen und historischen Erbe Preußens, des Deutschen Reiches und der deutsch-deutschen Hauptstadtkongruenz –, Aufgaben, die vom Bund auch dann wahrzunehmen wären, wenn Berlin nicht Hauptstadt geworden wäre.
Diese Erbschaft hätten eigentlich Bund und Länder gemeinsam antreten müssen, wie es beispielhaft Mitte der 50er Jahre durch die Stiftungskonstruktion Stiftung Preußischer Kulturbesitz angestrebt und erreicht wurde.
Stattdessen, weil es nicht mehr gegen den Widerstand der Länder durchzusetzen zu sein scheint, entlastet der Bund an vielen Stellen die anderen Länder und muss sich dann von den Ländern für ein zu starkes Engagement in der Hauptstadt schelten lassen. Warum ist es denn nicht möglich gewesen, dass Bund und alle anderen Länder die Erbschaft Preußens bei der Errichtung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten antreten? – Nur weil es auch feudale Strukturen in anderen Ländern gibt, war das auch ein Preußisches Erbe, für das nicht nur Berlin und Brandenburg Verantwortung tragen könnten, denn bekanntermaßen reichte Preußen von Aachen bis Königsberg.
Daneben gibt es originäre Aufgaben des Bundes, die hauptstadtbedingt sind, die der Bund also auch anderswo wahrzunehmen hätte, wenn Berlin nicht Hauptstadt geworden wäre. Eine Vorstellung davon, was damit in etwa gemeint ist und wie der Bund auch bereit war, diese Aufgaben positiv zu definieren, erhalten wir, wenn wir in den Vertrag zwischen dem Bund und der Bundesstadt Bonn schauen. Natürlich berühren und überschneiden sich diese beiden Aufgabenbereiche, aber man sollte sie zunächst logisch unterscheiden.
So sind das Jüdische Museum und die Gedenkstätten in Berlin zweifellos Aufgaben, die unabhängig von der Hauptstadtfunktion wahrzunehmen wären, denn hier befand sich die größte jüdische Gemeinde in Deutschland, in Europa, und es hat nicht Berlin allein zu verantworten, dass dem nicht mehr so ist. Für die Gedenkstätten müssen wir das notwendig stärkere Engagement dem Bund und den Ländern noch klar machen, wie uns auch vom Abgeordnetenhaus aufgegeben wurde. Die Berliner Festspiele, das Haus der Kulturen der Welt und der Martin-GropiusBau sind zweifellos klassische hauptstadtbedingte Kulturaufgaben. Sie ermöglichen, dass der nationale und internationale kulturelle Diskurs in der Hauptstadt kontinuierliche Präsenz gewinnt.
Der Hauptstadtkulturvertrag vom Dezember 2003 regelt abschließend die Übernahme weiterer Kultureinrichtungen durch den Bund. Das ist sehr systematisch begründet, sehr verehrte Frau Ströver: Die Umwandlung der ehemals preußischen Akademie der Künste BerlinBrandenburg in eine Bundeseinrichtung, als ein Ort des europäischen Dialogs der Kulturen, und die Abrundung der Filmförderpolitik des Bundes in der Hauptstadt durch Übernahme der Einrichtung des Filmhauses am Potsdamer Platz. Hier wurden keine Einrichtungen mal eben hin
und her geschoben, sondern es gab sehr wohl Affinitäten einer sich entwickelnden Bundeskulturpolitik im Filmbereich und eine sinnvolle Anknüpfung und Wahrnehmung gesamtstaatlicher Verantwortung für die ehemals Preußische Akademie der Künste. Und wir sollten nicht froh sein, dass wir sie los sind, Frau Meister! Wir sind sie übrigens nicht los, denn wir haben vielleicht nicht mehr die unmittelbare Verantwortung für die Finanzierung, aber für die Beseitigung der Bauschäden schon. Wir sind froh, dass sie da ist, denn wir wollen die Akademie der Künste in Berlin haben. Für eine Debatte, als würde der Bund, wenn er eine Einrichtung übernimmt, diese mit nach Bonn nehmen, müsste die Zeit doch längst vorbei sein. Wir müssten vielmehr froh sein, dass der Bund hier seine Verantwortung wahrnimmt.
Im Verhältnis zwischen Berlin und dem Bund hat in den letzten Jahren tatsächlich ein Mentalitätswandel stattgefunden, und zwar auf beiden Seiten. Berlin hat Schluss gemacht mit der bigotten Haltung, zwar die Hand aufzuhalten, aber den Einfluss des Bundes auf die Hauptstadtkultur eifersüchtig zu beschneiden – gewissermaßen den Bund als fremde Macht zu betrachten, der zwar finanzieren darf, aber aus den bekannten Statusgründen möglichst unauffällig. Wir haben im Gegenteil den Bund nachdrücklich eingeladen und aufgefordert, seiner gesamtstaatlichen Verantwortung für das kulturelle und historische Erbe nachzukommen. Selbstverständlich hat die katastrophale Haushaltslage Berlins, die im Übrigen auch im zu schnellen und konzeptionslosen Rückzug des Bundes aus der Berlinförderung gründet, einen solchen Mentalitätswechsel auf unserer Seite befördert.
Das stärkere Engagement des Bundes bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz oder bei den Gedenkstätten ist also schon aus systematischen Gesichtspunkten richtig, weil nicht Berlin, sondern die Bundesrepublik dieses Erbe angetreten hat. Es war der Fehler des Einigungsvertrages, dass die ehemals preußischen bzw. zentralen Einrichtungen der DDR mit wenigen Ausnahmen auf das Land Berlin und nicht auf Bund-Länder-Konstruktionen wie die SPK übertragen wurden. Dies muss nun mühsam korrigiert werden.
Wir haben den Bund aber auch zu einem selbstbewussten kulturpolitischen Engagement in der deutschen Hauptstadt eingeladen und aufgefordert, und der Bund hat seit 1998 diese Chance genutzt, in seiner bzw. unserer Hauptstadt kulturpolitische Präsenz zu zeigen. Ein selbstbewusstes Berlin hat einen eigenständig agierenden Bund nicht zu fürchten – unter welcher Bundesregierung auch immer.
Sicher kann man über die dargestellte Systematik streiten, und man könnte darüber diskutieren, warum der Bund Museen, Gedenkstätten und Akademien, aber keine Bühnen übernimmt. Man kann auch fordern, der Bund solle die Staatsoper übernehmen. Als Opposition kann man das sogar besonders laut und ultimativ fordern, weil man nicht verantwortlich gemacht wird, wenn das Ultima
Mit der Konstruktion unserer Opernstiftung bleibt jede neue Bundesregierung eingeladen, sich an deren Mitfinanzierung zu beteiligen. Prüfstein jedes ernsthaften Engagements sind allerdings nicht uneinlösbare Übernahmeversprechen einzelner Häuser, sondern Prüfstein wäre insbesondere ein Beitrag des Bundes zur Sanierung der alten Preußischen Staatsoper.
Der Senat hat mit dem Bund einen Hauptstadtkulturvertrag verhandelt und abgeschlossen, der Berlin durch die Übernahme weiterer Einrichtungen von gesamtstaatlicher Bedeutung durch den Bund entlastet. Dies hat dazu geführt, die Substanz der Berliner Kulturlandschaft trotz der Haushaltsnotlage zu erhalten, denn wegen der Haushaltsnotlage waren Einschränkungen nötig, und es ist gut, dass der Etat, obwohl daraus 40 Millionen € weggenommen wurden, real nur um 20 Millionen € reduziert wurde, weil der Bund den Rest übernommen hat.
Der entscheidende konzeptionelle Fortschritt im neuen Hauptstadtkulturvertrag besteht darin, dass dieses zusätzliche Engagement des Bundes an strukturelle Reformaufgaben des Landes gebunden ist, deren erfolgreiche Bewältigung gleichermaßen im Interesse des Landes wie des Bundes liegt. So wurde die dauerhafte und konditionierte Entlastung des Berliner Kulturhaushaltes an eine strukturelle Erneuerung der Opernlandschaft gebunden. Der Bund leistet auf diese Weise erstmalig und im wohlverstandenen Eigeninteresse Hilfe zur Selbsthilfe, die es Berlin beispielgebend für die ganze Bundesrepublik erlaubt, die Strategie des kulturellen Substanzerhaltes mit einer konsequenten Modernisierung der Kultureinrichtungen und begründeter kulturpolitischer Prioritätensetzung zu verbinden.
Der Hauptstadtkulturfonds muss unbedingt erhalten werden. Nicht nur die Berliner Wählerinnen und Wähler haben den Anspruch, zu erfahren, wie es die CDU mit der Kulturförderung des Bundes in der Hauptstadt hält. Zwar wird hier und da von einer noch zu leistenden Eröffnungsbilanz der Kulturförderung des Bundes gesprochen – das brauchte einige systematische Überlegungen, wie ich sie vorgetragen habe –, de facto reduziert sich der Beitrag des Kompetenzteammitglieds aber auf den Angriff auf den Hauptstadtkulturfonds und die Mobilisierung berlinkritischer Ressentiments. Hinter der Kritik von Herrn Lammert scheint sich ein kulturpolitisches Verständnis zu verbergen, das innovative, zeitgenössische, experimentelle, auch risikobehaftete und interdisziplinäre Kunstformen im kommunalen Bereich lässt und dem Bund die klassischen „Leuchttürme“ zuordnet. Eine solche Vorstellung von den kulturpolitischen Aufgaben des Bundes mögen einige für besonders föderal halten. Ich halte sie für besonders provinziell.
Der Bund und Berlin sind hierbei in den vergangenen Jahren miteinander wesentlich weiter gekommen, als die
Bundes-CDU und Herr Lammert sich das offenbar vorzustellen vermögen. Selbstverständlich wäre Berlin ärmer ohne den Hauptstadtkulturfonds, und deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass solch eine Idee bei der Berliner CDU auf Zustimmung stößt. Aber darum geht es eigentlich gar nicht. Der Hauptstadtkulturfonds ist nicht irgendein Fördertopf für zeitgenössische Kunst, den der Bund unterhält, weil Berlin pleite ist und aus eigener Kraft nicht genug für die zeitgenössische Kunst der Stadt tun kann. Der Hauptstadtkulturfonds ist keine Berlinförderung und auch keine Kompensation für verloren gegangene Berlinförderung oder für unzureichend wahrgenommene Verantwortung des Bundes bei der Bewahrung des Erbes. Hierbei geht es nicht um die Förderung von irgendwelchen Projekten, die auch anderswo stattfinden können, sondern es geht zentral um das Verständnis von Hauptstadt als einem Ort nationaler und internationaler kultureller Diskurse. Der Hauptstadtkulturfonds ist genuin hauptstadtbedingte Kulturaufgabe, und deswegen antworte ich auch sehr klar: Er muss weiter vom Bund finanziert werden. Die Übernahme durch das Land Berlin, weil wir ihn dringend brauchen, wäre in jedem Fall nur die zweitbeste Lösung.
Der Hauptstadtkulturfonds ist heute der wichtigste Partner für die auf Berlin gerichteten Kooperationen und Koproduktionen im nationalen und internationalen Maßstab. Er hat immense Bedeutung, um die Koproduktionen von großen Institutionen und freier Kunstszene anzustoßen, um große Institutionen zum künstlerischen Experiment zu ermutigen, um neue Formate für Kunstprojekte zu entwickeln – hinein in den öffentlichen Raum. Der Hauptstadtkulturfonds ist der entscheidende Beitrag, um die nach Berlin gekommene internationale Kunstszene durch ein entsprechendes Förderinstrument auch hier zu halten und um die daraus erwachsenden neuen Querschnittsthemen wie Migration, Interkulturalität oder auch die Wechselbeziehung von Kunst und Wissenschaft zu bearbeiten.
Mit dem Hauptstadtkulturfonds setzen wir darüber hinaus Schwerpunkte. Für die Jahre 2004 bis 2007 stehen jährlich 1 Million € für die Tanzförderung zur Verfügung. Das sind Aufgaben, die sich die Stadt Berlin allein nicht leisten kann. Deshalb ist der Hauptstadtkulturfonds aus gutem Grund Teil des Hauptstadtkulturvertrages. Er wurde hart erstritten, und er berührt das Grundverständnis hauptstadtbedingter Kulturpolitik. Die Angriffe auf den Hauptstadtkulturfonds von konservativer und leider auch von liberaler Seite – richtigerweise sagt man aber wohl: von FDP-Seite – richten sich auf die Staatsferne der Juryempfehlungen und damit auf einen entscheidenden Punkt der Kunstfreiheit.
Selbstverständlich muss bei einem staatlichen Fonds die Zuwendungsentscheidung durch die Behörde erfolgen, müssen die Kriterien, Zielsetzungen und Verfahren transparent gemacht werden und Gegenstand politischer Erörterungen und Entscheidungen sein. Die Förderempfehlungen sollten aber auch zukünftig von einer unabhängig ar
beitenden Jury abgegeben werden, und sie sollten in der Regel umgesetzt werden. Gerade diese Entkoppelung stellt die Politik vor den Legitimationszwang, Abweichungen von den Empfehlungen auch begründen zu müssen. Gemischte Vergabegremien haben den Nachteil, dass dann Juroren und Politiker anfangen, miteinander Handel zu treiben. Ich habe mich deshalb dafür ausgesprochen, dass es im gemeinsamen Ausschuss keine Mehrheitsentscheidung mehr geben sollte, bei der die Kuratorin im Falle der Divergenz von Bund und Land die entscheidende Stimme hatte, sondern dass Bund und Berlin einvernehmlich entscheiden. Das heißt auch, dass sich die ablehnende Seite zu erkennen geben muss. In den drei Fällen, in denen in den letzten Jahren Empfehlungen der Jury nicht umgesetzt wurden, hatte dies am Einspruch des Bundes gelegen. Kritisch überprüfen sollte man allerdings die Praxis, von Bund und/oder Land favorisierte Projekte nicht zuvor auch von der Jury begutachten zu lassen.
Oft war zu hören, dieser verkürzte und vorgezogen Wahlkampf rücke die Kulturpolitik in den Hintergrund. Sozial- und Wirtschaftspolitik seien die drängenden Themen. Worüber streiten wir aber in der Sozial- und Wirtschaftspolitik, wenn wir nicht darüber streiten, wie wir leben wollen? Die bevorstehende Wahl hat in vieler Hinsicht kulturelle Dimensionen. Ich bin deswegen dankbar, dass das Parlament und die heutige Aktuelle Stunde genutzt werden können, um die kulturpolitischen Differenzen zwischen den Lagern deutlich zu machen und den Menschen damit eine Orientierung zu ermöglichen. Das Bekenntnis zu Berlin und zu einer kontinuierlichen, differenzierten Hauptstadtkulturförderung sollte dazugehören. Berlin braucht ein libertäres kulturelles Klima und Innovation in jeder nur denkbaren Form, insbesondere die Entdeckung und Provokation der Künste. Berlin braucht vor allem eine junge, kreative Intelligenz. Dafür steht insbesondere der Hauptstadtkulturfonds. Er muss erhalten und gestärkt werden. – Vielen Dank!
Danke schön! – In der zweiten Rederunde hat Frau Grütters noch vier Minuten Restredezeit. – Bitte, Sie haben das Wort!
Frau Lange! Sie mutmaßten eben, Herr Eichel bediene sich eventuell bei Herrn Kirchhof. Das finde ich zwar originell, aber im Gegensatz zu Herrn Kirchhof, bei dem Sie nur mutmaßen können, was er meinen könnte,
hat Herr Eichel sein garstiges Streichkonzert öffentlich und schriftlich vorgelegt. Dazu gehören – ich zitiere –:
Steuerliche Subventionen müssen weiter abgebaut werden, z. B. die Steuerbegünstigung für schutzwürdige Kulturgüter.
Arbeitsmarktförderung soll pauschal gekürzt werden. Das 2-Milliarden-Sonderprogramm für Verkehrsinvestitionen soll entfallen.
Streichung der Pendlerpauschale, höhere Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel, Blumen, Hundefutter, Zahnarztbesuche, Aufhebung der Umsatzsteuerbefreiung bei Reisen ins Ausland, die erhöhte Absetzbarkeit bei Baudenkmalen soll wegfallen.