Protokoll der Sitzung vom 29.09.2005

Eine mögliche Auseinandersetzung bezieht sich – wie von Ihnen vermutet – auch auf die Gestaltung der Anbindung in anderer Weise. Bisher hat die Bahn die fünf geforderten Busstellplätze selbstverständlich zur Verfügung gestellt bekommen. Seit einiger Zeit hat die Bahn den Vorschlag gemacht, das Angebot zu erweitern. Wir prüfen im Augenblick, worauf eine derartige Vorstellung beruht. Ich sage Ihnen aber auch, dass ich den von der Bahn gemachten Vorschlag, den zentralen Omnibusbahnhof

etwa an den Hauptbahnhof verlegen zu wollen, ablehne. Ich glaube nicht, dass es richtig wäre, eine völlig neue Gestaltung der Verkehrsbeziehungen in Berlin durch eine solche Verlagerung zu dulden.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Wir sind – Sie haben kurz gefragt, und ich will darauf eingehen – bei der Betrachtung der Lärmbelastungen im Bereich der Anhalter Bahn inzwischen so weit, dass wir uns, wenn wir mit den damals dem Planfeststellungsbeschluss zu Grunde liegenden Annahmen für das Betriebsprogramm der Deutschen Bahn vergleichen, das damals 58 Zugpaare pro Tag vorgesehen hat, inzwischen nach den Informationen der Deutschen Bahn in einer Situation befinden, in der wir sagen können, dass es wohl nach dem derzeitigen Betriebskonzept 25 Zugpaare sein werden, so dass wir entlang der Anhalter-Bahn entgegen den ursprünglichen Plänen keine zusätzliche Belastung, sondern eher eine Entlastung zu verzeichnen haben werden.

Unter betrieblichen Gesichtspunkten – das war Ihre Frage – ist das Betriebskonzept des Pilzkonzeptes, wenn es darum geht, die Frage zu klären, ob es sich um ein Trassenkonzept handelt, wie folgt zu beschreiben: Es geht nicht so sehr um die Frage Trassen- oder Betriebskonzept, sondern um die Frage eines Infrastrukturkonzepts, das als Grundlage die Nord-Süd-Verbindung über den Tunnel hat und die Verbindung der Stadtbahn mit dem neuen Hauptbahnhof, also Zulaufstrecken, die gebaut worden sind, bzw. ertüchtigt werden, auch in Richtung Hauptbahnhof. Die Stadtbahn wird in Zukunft nicht nur aus verkehrlichen, sondern auch aus betrieblichen Gründen für einen ICE-Verkehr geeignet sein. Ich bin der Auffassung, dass das Betriebsprogramm der Deutschen Bahn AG, das dem zu Grunde liegt, das auch nachvollziehbar darstellt.

Ich sehe Ihre Fragestellung zu den wirtschaftlichen und verkehrlichen Beziehungen zu den mittel- und osteuropäischen Staaten und die Beziehungen wirtschaftlicher Art Berlins selbstverständlich nicht nur in Bezug auf die Gestaltung der Bahninfrastruktur. Aber die Bahninfrastruktur in Berlin und von Berlin in die mittel- und osteuropäischen Staaten ist ein wesentlicher Baustein zur Stärkung der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Dynamik dieses Strukturwandels insbesondere in unserem unmittelbaren Nachbarland Polen, aber auch die hochinteressanten Wirtschaftspartner anderer Art direkt vor unserer Haustür verpflichten uns zu intensiven Anstrengungen.

Sie wissen, dass es bereits gute Beziehungen gibt. Viele Menschen aus diesem Raum besuchen Berlin, sie fragen Kontakte nach. Sie fragen auch aus wirtschaftspolitischen Gründen Kontakte nach zur Stadtentwicklung in Berlin. Und sie nutzen ebenfalls das Kultur- und Einzelhandelsangebot in dieser Stadt. Aber lassen Sie uns ebenso zur Kenntnis nehmen, dass dies nicht nur eine Einbahnstraße ist. Die Nachfrage entwickelt sich gleichermaßen in umgekehrter Weise. Wir setzen uns gemeinsam mit den nahe gelegenen Wojewodschaften in Westpolen dafür ein, dass wir für Warschau, Danzig und für die weiteren polnischen Ballungsräume eine Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur erreichen,

kehrsinfrastruktur erreichen, die erforderlich ist, bei der wir allerdings auch feststellen müssen, dass wir sie nicht kurzfristig durch Bundesprogramme in Aussicht stellen können. Die Anstrengungen, die hier geleistet worden sind, und erste Ergebnisse sind wichtig und richtig. Die guten Vereinbarungen, die Berlin mit der Bundesregierung über die Einbeziehung von Schönefeld in das Eisenbahnnetz getroffen hat, sind ein Meilenstein für die Entwicklung der Beziehungen, auch der wirtschaftlichen, in die mittel- und osteuropäischen Staaten.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Lassen Sie mich zum Schluss zusammenfassen: Es ist wichtig und richtig, dass sich von der Industrie- und Handelskammer bis zum Deutschen Gewerkschaftsbund zur Klärung der Finanzierung der Verkehrswege, aber auch zur Unterstützung der wirtschaftlichen Beziehungen in diese Staaten in Berlin sehr viele verbündet haben. Berlin hat mit dem neuen Eisenbahnknoten dazu herausragende und ausgezeichnete Voraussetzungen. Ich bitte Sie sehr herzlich, die verkehrliche Infrastruktur in Berlin, zu der auch – und das sage ich ausdrücklich – die Deutsche Bahn einen erheblichen Beitrag geleistet hat, gemeinsam für das Wohnen, das Arbeiten und das Investieren in Berlin als einen herausragenden und notwendigen Standortfaktor gemeinsam öffentlich darzustellen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön! – Damit treten wir in die Besprechung ein. Wie immer stehen uns zehn Minuten pro Fraktion zur Verfügung. – Es beginnt die antragstellende Fraktion. Das Wort hat Herr von Lüdeke von der Fraktion der FDP. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Bahn AG beabsichtigt, das milliardenschwere und in einem Zeitraum von etwa einem Jahrzehnt realisierte Pilzkonzept jetzt zum Schluss so zu korrigieren, dass sie den für Berlin so wichtigen OstWest-Verkehr weitgehend aus der Stadtbahn herausnimmt und gleichsam im Nord-Süd-Tunnel als Endbahnhof enden lässt. Gleichzeitig will sie die City-West vom Fernverkehr abhängen und den Ostbahnhof zu einer Art Nebenbahnhof degradieren.

Ich habe vorhin in meiner Begründung der Großen Anfrage nach den Auswirkungen des Verhaltens der Deutschen Bahn AG auf die Entwicklung Berlins zu einem mitteleuropäischen Bahnknoten und damit indirekt auch auf die Stellung Berlins im osterweiterten EU-Raum gefragt. Diese Frage ist deshalb so wichtig, weil sie im Kern die Verantwortung der Bahn für die Hauptstadt betrifft, denn sie ist ja so etwas wie ein Generalkunde der Bahn. Es muss klar gesagt werden, dass die Bahn dieser Verantwortung nicht in ausreichendem Maß gerecht wird. Vielmehr zeigt sich, was Fachleute der Bahn schon seit geraumer Zeit vorwerfen, nämlich die jetzt auch im MOE-Raum völlig überholte Beschränkung der Bahn auf ein nationales Netz, in dem Berlin am östlichen Rand liegt. Berlin liegt in der Mitte Europas, jetzt des EU

Raums. Also muss es ein zentrales Anliegen Berlins und des Bundes sein, die mit dieser räumlichen Lage einhergehenden Möglichkeiten voll zu entfalten.

[Beifall bei der FDP]

Das Pilzkonzept war in diesem Sinn angelegt. Deshalb ist jedem Versuch der Bahn entgegenzutreten, dieses System in eine Art unterirdischen Sackbahnhof mit ICE-Endpunkt Berlin umzuwandeln. Ich fordere die Bahn und den Bundesverkehrsminister auf, auch in Sachen Bahnentwicklung endlich hauptstädtisch und europäisch zu denken und dem bornierten Netzdenken des Bahnchefs Mehdorn endlich ein Ende zu bereiten.

[Beifall bei der FDP]

Einige von Ihnen werden jetzt sagen, dass die Bahn ein Wirtschaftsunternehmen ist, das betriebswirtschaftlich kalkulieren muss und deshalb nicht alle hauptstädtischen Träume erfüllen kann. Dazu sage ich, dass kein privates Bahnunternehmen je auf den Gedanken kommen würde, ihr Haupteinzugsgebiet in Berlin, nämlich die City-West und das östliche Innenstadtgebiet, vom direkten Netzzugang abzuhängen, um sich auf das städtebauliche Brachland am Humboldthafen und an der Papestraße zurückzuziehen. Es ist also kein Wunder, dass ein privates Bahnunternehmen bereits zum Zoo fahren möchte. In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage, ob die Bahnplanung und die Berliner Stadtplanung jemals zusammengefunden haben. Letztere, die Berliner Stadtplanung, will integrierte Zentren, jedoch sind der Lehrter Bahnhof mit seiner Shopping Mall und der Bahnhof Papestraße alles andere als integriert.

Jeder läppische Supermarkt soll in Berlin in ein städtisches Zentrum integriert werden, nur die beiden neuen Fernbahnhöfe sind es nicht. Kennen Sie eine europäische Metropole mit Fernbahnhöfen auf der grünen Wiese? Fürwahr, das ist ein Versagen der Berliner Stadtplanung. Sie registrieren übrigens, dass ich vom Lehrter Bahnhof und nicht vom Hauptbahnhof spreche. Ich tue dies ganz bewusst, denn eine Mehrmillionenstadt hat keinen Hauptbahnhof.

[Beifall bei der FDP]

Dass die Bahn den Lehrter Bahnhof dank der Unterstützung des früheren Stadtentwicklungssenators Strieder jetzt so nennt, zeigt eigentlich die ganze Beschränktheit dieses Staatsbetriebes, der krampfhaft versucht, seine Einzelhandelsflächen am Humboldthafen mit einem Ausmaß etwa der Einzelhandelsfläche des KaDeWe einigermaßen rentabel zu vermarkten.

Das KaDeWe, wenn man sich das vorstellt, würde freilich seine Verkaufsflächen nie am Humboldthafen aufstellen, da die Stadt dort kein Zentrum ausweist. Aber die Bahn tut so etwas. Dafür stellt sie am Zoo den Fernverkehr ein! Daran kann man erkennen, welchen Unfug ein marktfern agierender und aus dem Bundeshaushalt alimentierter Staatsbetrieb zu verzapfen imstande ist.

[Beifall bei der FDP]

Wir hoffen nur, dass nach einem Regierungswechsel die Privatisierung der Bahn und der Wettbewerb auf der Schiene vorangetrieben werden. Wenn es zu einer schwarz-gelben Koalition gekommen wäre, wie wir gehofft haben, hätten wir das erlebt. Wie es mit der neuen Regierung nun wird, werden wir erleben.

Die Folgen des Vorgehens der Bahn für Berlin sind noch gar nicht abzusehen. Die City-West, speziell das Umfeld von Hardenbergstraße und Breitscheidplatz, wird erhebliche Einbußen hinzunehmen haben. Das steht bereits heute fest. Am Lehrter Bahnhof wird es einen erheblichen Anstieg des stadtseitigen Verkehrsaufkommens geben, vor allem auf der Straße. Vergegenwärtigt man sich die vorhandene und geplante Straßenanbindung des Bahnhofs einschließlich des unzureichenden Parkplatzangebotes wird sofort klar, was sich hier ab dem nächsten Jahr abspielen wird.

Hinzu kommt noch die Problematik des B 96-Straßentunnels mit seinen unzureichenden Anbindungen an der Heidestraße und am Landwehrkanal. Zusätzlich will vielleicht noch Herr Mehdorn den Busbahnhof zum Lehrter Bahnhof verlegen. Da geben wir natürlich volle Unterstützung, das zu verhindern. Währenddessen verhandelt man an der Papestraße über die Befestigung des Bahnhofsvorplatzes. Wie weit ist doch Berlin immer noch von Paris, London und selbst Wien entfernt! Das Vorgehen der Bahn und ihres Chefs ist alles andere als professionell. Der Senat ist in diesem Sinne aber auch nicht viel besser. Ich habe neulich im Verkehrsausschuss den Senat gefragt, was er angesichts des am Lehrter Bahnhof absehbaren Verkehrschaos zu tun gedenkt. Für diese Frage hat die Senatorin kein Verständnis entwickeln können. Eine Antwort habe ich auch nicht erhalten.

Das zeigt, dass der Senat wie auch Herr Mehdorn den Vorgang eher als ein Netzproblem als ein Stadtentwicklungsproblem einstuft. Daher wundert es auch nicht, dass es dem Regierenden Bürgermeister nicht gelungen ist, sich gegenüber den Kunden und hauptstadtfernen Interessen des Staatsbetriebes Bahn durchzusetzen. Der Zug fährt jedenfalls für Berlin im wahrsten Sinne des Wortes in die falsche Richtung.

Ich möchte noch ein Wort zur Anhalter Bahn sagen. Frau Senatorin, auch 25 Zugpaare, die dort fahren, verursachen Lärm und werden Lärmschutz erforderlich machen. 25 Zugpaare sind 50 Bewegungen pro Tag. Das ist eine erhebliche Belästigung für die Anwohner. Lassen Sie sich hier etwas einfallen! – Im Übrigen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Wegner (CDU)]

Danke schön! – Für die SPD hat nun der Abgeordnete Herr Gaebler das Wort! – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr von Lüdeke hinterlässt mich hier etwas ratlos. Was wollte er uns jetzt eigentlich sagen?

[Unruhe – [Gram (CDU): Das hat sich Frau Junge-Reyer auch gefragt!]

Das ist eine Frage, die wir uns hier öfter stellen. Ich finde es etwas bedauerlich, wenn man ein eigentlich wichtiges und interessantes Thema in eine Große Anfrage packt, in die man längst überholte Behauptungen schreibt, anschließend zu Dingen redet, die man offensichtlich nicht richtig verstanden hat, und hinterher nicht einmal eine vernünftige Botschaft von sich gibt. Herr von Lüdeke, vielleicht können Sie uns dieses das nächste Mal ersparen. Wir können es im Ausschuss behandeln. Sie müssen es dann aber nicht mehr 141 Abgeordneten – es sind sogar nicht mehr so viele – zumuten! Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Seine Verbündeten kann man sich bekanntlich nicht aussuchen. Insofern müssen wir Sie als Verbündeten im Kampf um den Erhalt des Fernbahnhalts am Bahnhof Zoo akzeptieren. Einen Gefallen haben Sie denjenigen, die sich dafür einsetzen, heute nicht getan. Die von Ihnen vorgetragenen Argumente gehen einfach an der Sache vorbei. Es gibt wesentlich bessere Argumente und vor allen Dingen ein Menge, wo man sich mit der Bahn und ihrem Gebaren auseinander setzen kann. Es sollte aber nicht in der Form erfolgen.

Wir sollten einmal festhalten, dass das Bahnkonzept für Berlin an sich ein großer Fortschritt für die Stadt und ein großer Erfolg ist. Wir bekommen damit endlich sowohl in Ost-West- als auch in Nord-Süd-Richtung Durchgangsverkehre durch die Stadt auf den Bahnlinien, weil es einen zentralen Kreuzungspunkt gibt, an dem die Leute gegebenenfalls auch umsteigen können. Mit den zu- und wegführenden Strecken erhalten wir auch eine leistungsfähige Fernbahnanbindung insgesamt und bewegen uns irgendwann dann tatsächlich einmal dahin, dass die Reisezeiten unter die Zeiten von 1938 fallen, was sie an vielen Stellen immer noch nicht sind.

Dazu haben die Bundesregierung und auch die Deutsche Bahn sowie der Senat letztlich durch die Verhandlungen, in denen die Umsetzung gelungen ist, eine Menge getan. Dafür sollte man sich bei den Beteiligten auch erst einmal bedanken.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Investitionen von 10 Milliarden € sind auch kein Pappenstiel. Da bleibt doch ein erheblicher Teil in Berlin.

Man muss allerdings sagen, dass sich die Beteiligten auch daran halten sollten, wenn man sich auf ein solches Bahnkonzept geeinigt hat – für den es auch einen Planfeststellungsbeschluss von 1995 gibt. Wenn die Bahn dann einseitig das Ganze aufkündigt und fragt, warum am Bahnhof Zoo noch gehalten werden solle, es gäbe doch den schönen Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof, bei dem die

Vermietungen vorangetrieben werden sollten und es für die Fahrgäste viel einfacher wäre, nur noch einen Bahnhof zu haben, an dem sie einsteigen, und auch der Betrieb dadurch erleichtert werde, wird die Frage gestellt, warum der Zug an dem Bahnhof halten soll, der am Besten an den ÖPNV angeschlossen ist. Daran merkt man, dass die Manager der Deutschen Bahn offensichtlich wenig mit Verkehr und viel mit Vermarktung, Marktwirtschaft und Börsengang, Herr von Lüdeke, zu tun haben. Insofern ist auch Ihre Aussage, die Privatisierung der Bahn hätte dieses ganze Theater jetzt verhindert, genau falsch. Die Privatisierung der Bahn, die mit aller Gewalt durchgeprügelt werden soll, ist die Ursache dafür. Es ist nicht die Vermeidung!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Dieser verfluchte Börsengang, der alles bestimmt, was bei der Deutschen Bahn geschieht, ist genau die Ursache für diese Einstellung: Was kümmern die Bahn die Fahrgäste, sie sollen gefälligst sehen, wie sie zum Bahnhof kommen, Hauptsache, sie gehen in den Läden einkaufen. Wenn die Züge anschließend Verspätung haben, weil das Betriebskonzept nicht umsetzbar ist, dann ist es umso besser. Dann müssen die Fahrgäste zwangsweise noch eine halbe Stunde einkaufen gehen. Das ist offensichtlich das neue Konzept des Bahnkonzerns. Das ist kein verkehrspolitisches Konzept. Insofern ist es aus unserer Sicht auch falsch. Aber, Herr von Lüdeke, das ist genau das marktwirtschaftliche Konzept, das Sie uns hier immer beibringen wollen. Deshalb müssten Sie sich eigentlich bei Herrn Mehdorn bedanken!

Ich komme noch einmal zu Ihrer Anfrage. Sie behaupten hier, Wien wäre das Vorbild. Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal in Wien waren, vielleicht auf Ihrer Bratislava-Reise, die Sie vorhin schon erwähnt haben – Herr Jahnke nickt. – Dann dürfte Ihnen vielleicht aufgefallen sein, dass es in Wien nur Kopfbahnhöfe, also keine Durchgangsbahnhöfe, bis auf einen gibt. Der Bahnhof Landstraße/Wien-Mitte ist ein Durchgangsbahnhof. Dort halten aber nur Regionalzüge, Herr von Lüdeke, keine Fernzüge. In Ost-West-Richtung kann kein Zug durch Wien durchfahren, in Nord-Süd-Richtung übrigens auch nicht, weil sie immer in den Kopfbahnhöfen enden. Sie haben ein ziemliches Chaos, weil man nach Osten vom Westbahnhof abfährt und ähnliche absurde Dinge. Das als Vorbild darzustellen, zeigt, wie verwirrt Sie tatsächlich bei der Verfassung Ihrer Großen Anfrage waren. Deshalb verschonen Sie uns bitte zukünftig mit solchem Unsinn!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Jetzt konkret noch einmal zum Fernbahnhalt am Zoo. Wir sind der Auffassung, dass die Deutsche Bahn gut daran täte, ihr Betriebskonzept zu überprüfen. Es gibt dafür verkehrliche Gründe. Der Bahnhof Zoo ist am besten an das ÖPNV-Netz angeschlossen. Sowohl der Lehrter Bahnhof/Hauptbahnhof als auch der Ostbahnhof sind schlechter angebunden, und deshalb bietet es sich an, dreimal auf der Stadtbahn zu halten, denn vier Minuten Einsparung an Fahrzeit bei den ICEs stehen 15 bis 30 Minuten Fahrzeitverlängerung für die An- und Abreise ent

gegen. Damit gewinnt man keine Kunden, sondern schreckt sie ab, und das wollen wir nicht. Wir wollen, dass die Leute mit der Bahn fahren und dafür gute Zugangsmöglichkeiten haben.

Das Zweite: Auch betrieblich hat es für die Bahn wenig Sinn. Herr von Lüdeke, die Züge enden übrigens nicht alle im Nord-Süd-Tunnel, so, wie Sie das hier suggeriert haben, sondern sie fahren tagsüber weiter nach Dresden, Leipzig oder München. Sie sind noch ein bisschen in den Mauerzeiten verhaftet, wo die Züge tatsächlich nicht weiterfahren konnten. Gerade abends aber gibt es ein riesiges betriebliches Problem, weil die Züge alle irgendwie nach Rummelsburg gebracht werden müssen. Rummelsburg ist von der Stadtbahn direkt anfahrbar. Aus dem Nord-SüdTunnel muss man erst einmal um die halbe Stadt herumfahren. Das bringt mehr Kilometer und mehr Aufwand. Deshalb versucht die Bahn jetzt, einen neuen zusätzlichen Reinigungsbahnsteig in der Papestraße für 15 Millionen € bauen zu lassen. Das ist alles betriebswirtschaftlicher Unsinn. Die Bahn muss einmal ideologiefrei sagen: Die Züge, die in Berlin beginnen und enden, sollen über die Stadtbahn fahren, weil das betriebliche Vorteile bringt. Die anderen Züge, die in Nord-Süd-Richtung durchfahren, sollen natürlich durch den Nord-Süd-Tunnel fahren, der ausgelastet werden soll. Wir wollen aber eine vernünftige Aufteilung der Verkehre, und das kommt den Fahrgästen zugute.

Das hat das Parlament auch schon beschlossen. Es gibt einen klaren Auftrag an den Senat, einen Appell an die Bahn. Alles andere, Herr von Lüdeke, auch Ihr neuer Antrag, geht in die falsche Richtung, weil er der Bahn suggeriert, dass wir schon aufgegeben hätten und nur noch gucken, wie wir am Lehrter Bahnhof die Verkehrsströme richtig abwickeln und Ähnliches. Das ist die falsche Richtung. Wir machen Politik für die Menschen in der Stadt und nicht zur eigenen Profilierung, wie Sie das wieder getan haben. Wir wollen, dass sie das beste Verkehrskonzept bekommen, das umsetzbar ist – das Pilzkonzept mit allen seinen Bahnhöfen. Dafür setzen wir uns ein. Alles andere ist Unsinn, und deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Gram (CDU): Ich bin auch für das Pilskonzept! Schmeckt gut!]