Protokoll der Sitzung vom 29.09.2005

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Meine Damen und Herren vom Senat, haben Sie sich überhaupt einmal bewusst gemacht, mit welchen Problemen Abertausende Menschen tagtäglich in unserer Stadt kämpfen? Vor allen Dingen bei Ihnen, Herr Sarrazin, muss man sich wirklich fragen, in welcher Welt Sie eigentlich leben. Zu allem Überfluss werfen Sie den Menschen dann auch noch vor, sie wären faul und Sie könnten das ewige Gejammer der Berliner nicht mehr ertragen. Aber wissen Sie was, Herr Sarrazin? – Die Berlinerinnen und Berliner können Sie einfach nicht mehr ertragen.

[Beifall bei der CDU]

Sie können es nicht mehr ertragen, von einem Finanzsenator Ratschläge zu erhalten, die an Arroganz, Ignoranz und Dümmlichkeit kaum mehr zu überbieten sind. Das trifft ebenso auf den Regierenden Bürgermeister zu. Herr Wowereit flaniert lieber über die Festlichkeiten dieser Stadt, anstatt das Hauptproblem – die Arbeitslosigkeit – zur Chefsache zu erklären und sich um Neuansiedlungen von Unternehmen zu kümmern.

[Beifall bei der CDU]

Erst wenn es eigentlich schon zu spät ist, versuchen Sie, durch schnellen Aktionismus die Dinge noch irgendwie hinzubiegen und sich in den Medien als ein engagierter Politiker zu verkaufen, der sich für die dringenden Probleme der Stadt interessiert.

[Zuruf der Frau Abg. Dr. Hiller (Linkspartei.PDS)]

Aber die Wahrheit ist doch eine andere, Herr Wowereit. Wenn Ihr bayerischer Genosse Stiegler Sie als Dampfplauderer bezeichnet, hat er wirklich Recht.

[Beifall bei der CDU]

Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Sagt Ihnen der Name Kun-Hee Lee etwas? – Herr Wowereit denkt noch einen Moment nach. Ich will in aller Öffentlichkeit in Sachen Samsung einige Dinge gerade rücken. Herr Kun-Hee Lee ist der Konzernchef von Samsung, und er war im August des vergangenen Jahres in Berlin. Herr Wowereit, was haben Sie denn mit dem Chef von Samsung besprochen? Was haben Sie denn über die Zukunft des Standortes Oberschöneweide mit ihm vereinbart? – Ich will es Ihnen sagen: nichts! Sie hatten angeblich keine Zeit, um sich mit Herrn Lee zu unterhalten, und haben ihn abwimmeln lassen.

[Ach! von der CDU – Henkel (CDU): Grußworte geschrieben!]

Diesbezüglich passt ihr ökonomischer Geisterfahrer Herr Wolf zu Ihnen und Ihrem Senat, denn auch Herr Wolf hatte keine Zeit für Herrn Lee. Sich um Investoren zu kümmern, ist bei Ihnen keine Chefsache.

[Zuruf des Abg. Dr. Lederer (Linkspartei.PDS)]

Herr Lee wollte mit Ihnen sprechen, aber es war Ihnen einfach nicht wichtig, und das ist ein Skandal!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall der Frau Abg. Paus (Grüne) – Liebich (Linkspartei.PDS): Und jetzt ist er eingeschnappt und macht das Werk zu, ja?]

Es ist einfach unerträglich, Herr Wowereit, dass Ihnen rauschende Feste und Golfplätze wichtiger sind als die Arbeitsplätze für die Berlinerinnen und Berliner.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Oh! von der SPD]

Aber um das auch in Richtung Samsung zu sagen: Selbstverständlich ist es überhaupt nicht akzeptabel, wenn ein Unternehmen wie Samsung die öffentliche Förderung abgreift und die Mitarbeiter auf die Straße setzt, wenn die Förderung ausläuft. Es ist völlig indiskutabel, dass Unternehmen sich auf Kosten der Allgemeinheit womöglich einen neuen Produktionsstandort im Ausland aufbauen und die Arbeitnehmer in Berlin die Leid Tragenden sind. Es ist richtig, dass das Parlament gemeinsam mit den Betroffenen für den Erhalt der Arbeitsplätze kämpft.

[Beifall bei der CDU]

Es ist richtig, was Herr Krug in seinem letzten Halbsatz sagte: Man muss darüber nachdenken, wie viel Fördermittel zukünftig vergeben werden. Berlin darf nicht

mehr mit der Gießkanne durchgehen und muss die Frage stellen, was mit dem Geld eigentlich passiert. Wir wollen den Unternehmen helfen, aber an diese finanziellen Hilfen müssen auch genau definierte Bedingungen geknüpft werden. Im Fall Samsung waren die Bedingungen offensichtlich nicht optimal ausgehandelt, und sie sind auch nicht optimal nachgebessert und kontrolliert worden.

[Zurufe von der Linkspartei.PDS]

Aber diese Art, Wirtschaftspolitik zu betreiben, ist geradezu beispielhaft für den Berliner Senat,

[Liebich (Linkspartei.PDS): Das war doch Ihr Wirtschaftssenator!]

ebenso wie die Wirtschaftspolitik der alten Bundesregierung, die mit ihrer verfehlten Politik, vor allem auch mit ihrer ungerechten Steuerpolitik, Unternehmen geradezu dazu eingeladen hat, ihre Produktion ins Ausland zu verlegen. Das Ergebnis können Sie auch in Oberschöneweide besichtigen.

[Beifall bei der CDU – Liebich (Linkspartei.PDS): Das ist doch albern! Jetzt werfen Sie uns Ihre eigene Politik vor!]

Wir alle haben die Aufgabe, Berlin zu einem konkurrenzfähigen Standort zu machen, der sich zukünftig im Wettbewerb mit seinen östlichen Nachbarn behaupten kann. Damit Berlin als Wirtschaftsstandort wieder für Unternehmen attraktiv wird, muss zunächst die Wirtschaftspolitik grundsätzlich neu orientiert werden.

[Dr. Lindner (FDP): So ist es!]

Die Maxime der Wirtschaftspolitik kann nicht sein, wir sind arm, aber sexy, Herr Wowereit!

[Ha, ha! von der Linkspartei.PDS – Brauer (Linkspartei.PDS): Sie haben’s nötig!]

Die Maxime muss sein: Hier ist making business angesagt, hier kann Geld verdient werden, hier kann investiert werden, hier sind Arbeitsplätze zu schaffen.

[Beifall bei der CDU]

Kurz gesagt: Alle Rahmenbedingungen müssen auf den unbedingten Erfolg ausgerichtet werden. Da ist auch kein Platz für sozialdemokratische Ideologieträumereien, um das auch einmal ganz deutlich zu sagen.

[Beifall bei der CDU]

Wir alle kennen die schwierige Haushaltslage Berlins. Deshalb müssen die öffentlichen Mittel unbedingt zielgerichtet und strategisch eingesetzt werden. Mehr als 5,2 Millionen Arbeitslose in Deutschland, 300 000 allein in Berlin – da muss es jetzt unsere wichtigste Aufgabe sein, an die Lösung dieses Problems heranzugehen. Dabei müssen wir uns klarmachen, welche Maßnahmen wir auf Landesebene ergreifen können und was wir auf Bundesebene – auch da gibt es Instrumentarien zur Änderung – erreichen können. Auch Arbeitgeber und – ich sage das bewusst – auch Gewerkschaften stehen dabei in der Pflicht, gemeinsam mit uns an einem Strang zu ziehen.

Aber noch einmal: Kapitulation und Resignation sind jetzt die falsche Antwort. Die Stadt braucht jetzt Politiker, die anpacken und endlich der Arbeitslosigkeit den Kampf ansagen.

[Liebich (Linkspartei.PDS): Nico Schmidt muss ran!]

Herr Wowereit! Die Zeit des Faulenzertums im Senat ist endgültig vorbei! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Zimmer! – Das Wort erhält im unmittelbaren Anschluss der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Zimmer! Das, was ich von Herrn Henkel eingefordert hatte, wollte ich Ihnen gegenüber auch pflegen – nett zu sein. Aber die Nummer, die Sie wieder einmal abgezogen haben, kennen wir schon; sie ist nicht neu.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Sie versuchen, etwas darzustellen, was nicht der Wahrheit entspricht. Wir haben gestern schon gehört: In einem Ausschuss wurde behauptet, Herr Wolf und Herr Wowereit hätten es nicht nötig, den Chef von Samsung International zu empfangen. Dieser sei im letzten August mehrmals abgeblitzt. – Ich sage Ihnen klipp und klar: Weder bei Herrn Wolf noch bei mir hat es eine Terminanfrage gegeben. Das haben wir abgecheckt. Heute wird behauptet, es sei letztes Jahr im August gewesen. Das kann ich jetzt nicht nachvollziehen, aber ich kann Ihnen ziemlich sicher sagen: Wenn ein Chef eines internationalen oder nationalen Unternehmens kommt und es um Arbeitsplätze geht, blitzt keiner ab, weder bei Herrn Wolf noch bei mir.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Hoffmann (CDU): Wowereit macht den Schröder, was?]

Ich bitte Sie, solche Behauptungen nicht einfach in den Raum zu stellen.

Als die CEO-Tagung in Berlin war, bin ich persönlich zu Samsung gegangen. Ich habe in einem dreiviertelstündigen Vortrag vor den CEOs von Samsung aus ganz Europa für den Standort geworben, im Bewusstsein, dass es weltweit Überlegungen geben könnte, dass der Standort nicht mehr dem aktuellem Bedürfnis entspricht. Ich habe die Zusammenarbeit mit der FHTW nach vorn gestellt, die vorhandenen Qualitäten dargestellt. Sie können sicher sein, dass von Samsung kein Hinweis darauf kam, dass dort etwas in Gefahr sei. Beim Rundgang mit Bundesminister Clement auf der Funkausstellung hatten wir auch die Gelegenheit, den Samsung-Stand zu besuchen. Das haben wir im Übrigen auch zwei Jahre vorher getan. Wir stehen also in engem Kontakt mit Samsung. Die gesamte Ablaufplanung, wie die Stilllegung des Standorts veröffentlicht wurde, spricht nicht dafür, dass von dem Unternehmen überhaupt der Wunsch da gewesen sei, vorher etwas mit dem Senat zu besprechen und zu klären, sondern man hat die Förderperiode abwarten und dann zuschlagen wollen.

Wir haben neulich im gemeinsamen Gespräch mit den Vertreterinnen und Vertretern des Berliner Werkes – die allerdings aus meiner Sicht nicht die Handlungskompetenz haben – die Berliner Position noch einmal deutlich gemacht und dringend darum gebeten, die Schließung zu revidieren. Dasselbe habe ich in einem Schreiben auch dem obersten Chef von Korea mitgeteilt. Sie können sicher sein: Egal, welche Polemiken Sie hier loslassen, Herr Zimmer, wir kümmern uns um Arbeitsplätze in dieser Stadt.

[Ach was! von der FDP – Zurufe von der CDU]

Aber zur Ehrlichkeit gehört es auch, dass ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine Versprechungen mache, als ob ich ihnen garantieren könnte, dass ich die Entscheidung eines Weltkonzerns beeinflussen kann. Ich kann aber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sagen, dass wir alles tun werden. Und selbstverständlich muss die Botschaft auch sein: Es gibt einen Imageschaden für Samsung, der sich auch auf die anderen Produkte bezieht, die nicht hier, sondern weltweit hergestellt werden, aber in den Berliner Kaufhäusern und Läden verkauft werden sollen. Auch das muss ein Unternehmen sich überlegen.

[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und den Grünen]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Wir fahren fort in der Rednerliste. Das Wort für die Linkspartei.PDS hat jetzt der Kollege Doering! – Bitte schön!