Protokoll der Sitzung vom 27.10.2005

Danke schön, Herr Kollege Ratzmann! – Es wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Verfassung und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung und mitberatend an

den Ausschuss für Jugend, Familie und Sport empfohlen, wozu ich keinen Widerspruch höre, so dass wir entsprechend verfahren.

Ich rufe auf als Priorität der Fraktion der SPD die

lfd. Nr. 4 c:

Antrag

Fußball-Bundesliga-Berichterstattung im Free-TV erhalten!

Antrag der SPD und der Linkspartei.PDS Drs 15/4333

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Der Herr Kollege Zimmermann hat das Wort. – Wo ist er? Der Kollege Zimmermann ist nicht anwesend. Dann fahren wir fort mit der Fraktion der CDU. Der Herr Kollege Braun ergreift die Gelegenheit, das Mikrofon und hat das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich es richtig gelesen habe, gibt es zwei antragstellende Fraktionen. Wenn Herr Zimmermann Wichtigeres zu tun hat – er kommt gerade herein, willkommen Herr Zimmermann! –, hätte es die Möglichkeit gegeben, dass Frau Dr. Hiller als medienpolitische Sprecherin diesen Antrag begründet. Sie werden aber sehen, dass ich Schwierigkeiten habe, mich mit diesem Antrag anzufreunden. Ich kann ihn schon gar nicht begründen. Die Sorge der FDP war falsch.

Dieser Antrag „Fußball-Bundesliga im Free-TV“, wer will das eigentlich nicht? Eigentlich kann es für einen solchen Antrag nur Beifall von allen Seiten geben.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Ich erlaube mir, die Frage zu stellen, ob diese Forderung realistisch und realisierbar ist. Hintergrund des Antrags ist offensichtlich der Versuch von Premiere, Fußballrechte zu erwerben und dort im Pay-TV auszustrahlen. Wenn Premiere Rechteinhaber ist, müsste bei Änderung des Rundfunkstaatsvertrages in diese Rechte eingegriffen werden. Ich habe Zweifel, dass ein solcher Eingriff zulässig ist. Aber selbst, wenn er zulässig wäre – zu welchen Bedingungen dürfte dieser Eingriff eigentlich erfolgen? Müsste Premiere die Rechte dann kostenfrei weitergeben, oder gäbe es eine Höchstbetragsgrenze? Wie wäre diese gegebenenfalls zu ermitteln? Können wir dem Pay-TVSender Premiere wirklich vorschreiben, zu welchen Bedingungen er veräußert, und Free-TV-Sendern wie Pro 7, Sat.1, RTL, ARD und ZDF vorschreiben, zu welchen Bedingungen sie gegebenenfalls die Bundesligarechte zu erwerben haben? – Ich habe da erhebliche Zweifel. Die Fachleute wissen, dass Brüssel sehr skeptisch auf die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens schaut. Unter Wettbewerbsgesichtspunkten kann ich mir nicht vorstellen, dass Brüssel eine solche Veränderung des Rundfunkstaatsvertrages zulassen würde. Aber selbst unterstellt, rechtlich seien alle diese Klippen zu umschif

fen – was sind eigentlich „Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“?

[Doering (Linkspartei.PDS): Wenn Union spielt!]

Vor wenigen Jahren hatten wir in Deutschland einen Tennisboom. Hierfür standen die Namen Boris Becker, Michael Stich und Steffi Graf. Die Nation hat vor dem Fernseher gesessen und deren Spiele, insbesondere in Wimbledon, verfolgt. Unterstellt, wir hätten erneut einen derartigen Tennisboom – sollten diese Spiele dann als „Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“ im Free-TV ausgestrahlt werden? Und wieder: Zu welchen Bedingungen eigentlich? – Ich bleibe dabei: Auch ich wünsche mir die Übertragung der Fußballrechte im FreeTV. Ich halte diese Forderung jedoch nicht für realisierbar und durchsetzbar.

Ich habe übrigens noch viele weitere populistische Forderungen. Ich wünsche mir Kitas ohne Kostenbeteiligung der Eltern.

[Beifall der Frau Abg. Dr. Hiller (Linkspartei.PDS)]

Ich wünsche mir ein Studium ohne Studiengebühren.

[Beifall der Frau Abg. Dr. Hiller (Linkspartei.PDS)]

Ich wünsche mir kostenfreie Opern- und Theatertickets.

[Ritzmann (FDP): Für alle!]

Ich wünsche mir, dass die Straßen ausgebaut und die Anlieger nicht zu Beiträgen herangezogen werden.

[Beifall bei der CDU]

Vor allem wünsche ich mir aber eins – dass die Politiker sich nicht der Realität verweigern und bei den Bürgern nicht unrealistische Erwartungen schüren. Gerade dies wäre verantwortliche Politik. – Ich freue mich schon auf die Beratung im Ausschuss. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Braun! – Nun hat der wieder aufgefundene Kollege Zimmermann das Wort! – Bitte schön!

[Doering (Linkspartei.PDS): Er hat im Free-TV rumgezappt! – Gaebler (SPD): Hast wohl Fußball geguckt!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung für die leichte Verspätung. Ich war nicht verschollen, ich war nur ganz kurz verhindert.

[Frau Ströver (Grüne): Den Regierenden Bürgermeister scheint das Thema nicht zu interessieren!]

Den Regierenden Bürgermeister interessiert das Thema auch sehr. Wir haben das schon deutlich gemacht.

Seit Bestehen der Bundesliga ist ein breites Fernsehpublikum daran gewöhnt, dass am Samstag Abend die Spielberichte zu sehen sind. Mit Beginn der nächsten Saison könnte das vorüber sein. In den nächsten Wochen tritt

der Poker um die Verwertungsrechte in die entscheidende Phase ein. Und auch wenn die Sportrechte am Markt gehandelt werden, haben wir doch eine medienpolitische Verantwortung dafür, dass die Interessen eines MillionenPublikums auch in diesem Bereich gewahrt bleiben. Dem gilt unser Antrag, den wir heute hier vorlegen.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Wie ist die Ausgangslage? – Die Rechteinhaber ARD und ZDF sowie Premiere senden – Premiere live, die ARD um 18.10 Uhr, das ZDF am späteren Abend. Jetzt will die Deutsche Fußball Liga im Interesse der Bundesligavereine mehr Einnahmen aus der Verwertung der Sportrechte generieren. Und Premiere will die Exklusivrechte. Neben der erfolgreichen „Sportschau“ sehen sie keine Chance, mehr Abonnenten zu generieren. Sie können nur dann wachsen, wenn im frei empfangbaren Fernsehen kein attraktives Angebot besteht.

[Dr. Lindner (FDP): So ein Unsinn!]

Also stehen die Zuschauer vor der Frage, künftig ein Premiere-Abonnement zu kaufen oder am Samstagabend auf Bundesligabilder zu verzichten. Das heißt: die Bundesliga nur noch verschlüsselt, der Samstag ohne freie Berichterstattung über die Bundesliga – das erfüllt Millionen Fans mit Grausen und uns auch.

[Dr. Lindner (FDP): Der Antrag auch!]

Es stellt sich hier die Grundfrage, vielleicht die zentrale medienpolitische Frage der Zukunft, ob wichtige Großereignisse frei empfangbar bleiben oder ob sie im verschlüsselten Pay-TV „verschwinden“. Wir müssen diese Grundfrage beantworten, denn wir haben eine Verantwortung. Im Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen sind wir dazu aufgefordert, die „Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“ einem frei zugänglichen Markt offen zu halten. Das haben wir bereits für einige Bereiche geregelt. Im geltenden Rundfunkstaatsvertrag haben wir wichtige Ereignisse für den frei empfangbaren Bereich geschützt – beispielsweise die Champions League, die Olympischen Spiele und das PokalEndspiel –, aber nicht die Fußball-Bundesliga.

[Schruoffeneger (Grüne): Wer hat denn den Antrag damals abgelehnt?]

Unser Antrag dient dem Zweck, die Bundesliga in diese Liste aufzunehmen.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Wir wissen aber, dass dieses Ziel für die anstehenden Verhandlungen nicht mehr erreichbar ist. Deswegen wollen wir für die jetzt beginnenden Verhandlungen zwischen der DFL und den Anbietern an die DFL appellieren, auch in ihrem eigenen Interesse die Bundesligaspiele auch künftig einem breiten Publikum zugänglich zu halten. Wahrscheinlich ist es auch eine Milchmädchenrechnung, mit Exklusivrechten mehr Einnahmen schaffen zu wollen. In Deutschland beispielsweise gibt es durch die Verbreitung der Bundesligaspiele die höchsten Sponsoringeinnahmen für die Vereine, viel höher als in England oder

Frankreich. Diese hohen Einnahmen würden vermutlich durch die erhöhten Einnahmen aus der Verwertung nicht aufgewogen, so dass inzwischen auch Rummenigge gesagt hat, es sei besser, dass man die Bundesligaspiele im frei empfangbaren Bereich übertrage und nicht im verschlüsselten Pay-TV „verschwinden“ lasse.

[Dr. Lindner (FDP): Der braucht sie gar nicht, der Rummenigge!]

Vielleicht braucht er sie gar nicht. Vielleicht regelt sich das auch durch die Verhandlungen. Wir jedenfalls werden darauf achten und an die Verhandlungsparteien appellieren, dies auch in ihrem eigenen Interesse offen zu halten.

Ich nenne noch ein zweites Argument, weil es hier leicht Missverständnisse geben kann. Wir wollen damit keine Entscheidung für öffentlich-rechtliches oder privates Fernsehen treffen. Das ist nicht das Thema. Das Thema ist der freie Bereich. In der Auseinandersetzung um die Rechte soll es einen fairen Wettbewerb geben. Der Volkssport Fußball soll auch künftig für alle erreichbar, seine Verbreitung für alle gesichert sein. Deswegen bitte ich Sie, diesen Antrag wohlwollend zu beraten, damit wir diese wichtige medienpolitische Frage der Zukunft im Interesse von Millionen von Zuschauern entscheiden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Vielen Dank, Herr Kollege Zimmermann! – Wir fahren jetzt wieder in der richtigen Reihenfolge fort. Frau Dr. Hiller von der Linkspartei.PDS ergreift das Wort zum Fußball. – Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spreche gerne zu diesem Thema. Es interessiert mich. – Herr Braun! Ich hätte mich gefreut, wenn Sie für die CDU ein bisschen mehr Populismus an den Tag gelegt hätten. An anderen Stellen können Sie das. Wenn Sie zum Beispiel in der Aktuellen Stunde über das Straßenausbaubeitragsgesetz sprechen wollten, war das vor allen Dingen Populismus; sie wollten damit kein Problem lösen, das war deutlich zu hören.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Der vorliegende Antrag ist in einem guten Sinne populistisch. Wir wollen, dass der Zugang von Fußball für Millionen von Fußballenthusiasten erhalten bleibt, also auch für die allein erziehende, möglicherweise arbeitslose Mutter, um die sich die Berliner CDU – wenn ich richtig verstanden habe – besonders kümmern möchte. Auch deren Kinder sollen weiter Fußball gucken können. Aber das ist schwer, schaut man sich an, was man bei Premiere zu zahlen hat: 14,90 € monatliche Grundgebühr, dazu für Premiere Fußball live einen Zusatzobolus, macht insgesamt 35 €. Das zur Rundfunkgebühr, die es ohnehin schon gibt. Fußballgucken kann in Deutschland richtig teuer werden. Wir wollen das verhindern. Indem wir diese Diskussion zeitig beginnen und hoffen, viele Leute zu erreichen, ist es auch möglich, das zu verhindern. So pessimistisch wie Sie, Herr Braun, bin ich nicht. Ich weiß, dass