Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Ganz nebenbei: Wir haben recherchiert, gibt es irgendeinen in der Stadt, eine Kammer, einen Verband, gibt es eine Institution, die sagt: Diesen Gesetzentwurf finden wir gut? – Wir haben niemanden gefunden. Stellen Sie sich vor: Niemand war da, der Positives über dieses Gesetz gesagt hat. Herr Hoff wird gleich das Gegenteil behaupten und sagen, er hat einen.

[Zuruf des Abg. Hoff (Linkspartei.PDS): Nein!]

Ach so, ich dachte. Sie haben niemanden gefunden. – Selbst der Rat der Bürgermeister hat Ihnen das Gesetz vor die Füße geworfen. Sie haben zwar ein bisschen nachgebessert gegenüber dem ursprünglichen Entwurf, der in der Presse war. Übrigens, das auch im Berliner Kurier, ich zitiere: „Die PDS pocht darauf, dass alle Grundstücksbesitzer die Kosten abstottern können.“ – Alle sollen jetzt abstottern können. Sie haben dabei völlig vergessen, dass – ich habe es Ihnen neulich schon einmal gesagt – das Abstottern für viele ein riesiges Problem ist. Die stottern nämlich noch an ihren Häuschen und an ihren Darlehen,

die sie aufgenommen haben, ab. Und dann sollen sie zusätzlich noch abstottern. Auch da werden Sie sicherlich mit Ihrer eigenen Klientel, die Sie für 2006 im Auge haben müssen, Ihre Probleme haben.

[Doering (Linkspartei.PDS): Die haben wir immer im Auge!]

Gut so!

Schauen wir uns einmal die Realität in der Stadt an. Wir haben ein aktuelles Ranking hier: Deutsche Großstädte, Attraktivität als Wohnstandort wurde da abgefragt. Da ist Berlin wieder irgendwo im unteren Mittelfeld gelandet.

[Doering (Linkspartei.PDS): Weil die Straßen noch gemacht werden müssen!]

Weil die Straßen gemacht werden müssen?

[Beifall des Abg. Gaebler (SPD)]

Jedes neue Gesetzesvorhaben Berlins muss aus unserer Sicht zunächst der enormen Arbeitslosigkeit in der Stadt und den sozialen Problemen gerecht werden. Deshalb ist die Kardinalfrage bei jedem Gesetz: Verbessert es die Standortbedingungen Berlins oder verschlechtert es sie? – Berlin hat als Aufgaben zu sehen: keine Erhöhung der Staatseinnahmen und kein Stopfen von Haushaltslöchern. Befassen Sie sich mit der Hauptaufgabe, die Sie haben, nämlich Staatsaufgabenkritik und Abbau der Berliner Verwaltung! Das müssen Sie machen, das verbessert nämlich den Standort Berlin.

[Beifall bei der FDP]

Ein Gesetz, das ausschließlich Geld in die Kassen bringen soll, schadet Berlin. Sie haben genügend Gelder in allen möglichen fragwürdigen Projekten, das haben wir gerade in den Haushaltsdiskussionen gehört. Da können Sie rangehen. Oder in den Bereich ÖPNV Berlin. Da können Sie eine ganze Menge Geld herausziehen. Das können Sie dann für Ihre Straßenprojekte einsetzen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Matuschek?

Nein! – Sie schauen zu, wie die öffentliche Infrastruktur verfällt, Sie sehen zu, wie das Baugewerbe vor die Hunde geht. Zahlen sollen jetzt – das ist das Einzige, was Ihnen einfällt – die Hauseigentümer, die Wohnungseigentümer und die Grundstückseigentümer – und vielleicht indirekt auch die Mieter, denn das können Sie nicht ganz ausschließen, dass der eine oder andere das zwar nicht direkt auf die Miete umwälzt, aber letztlich doch irgendwo, wenn er die Möglichkeit hat, in einer Mieterhöhung zur Geltung bringt.

[Liebich (Linkspartei.PDS): Wie sollen wir das ausschließen?]

Übrigens, Sie haben gerade gehört, marode Schulen – das ist genauso. Vielleicht fällt Ihnen zu den maroden Schulen demnächst ein Schulausbaubeitragsgesetz zu Lasten der Eltern von den schulpflichtigen Kindern ein. Das

können Sie doch auch noch machen. Vielleicht lösen Sie das Problem auf diese Weise auch.

Immerhin verschweigen Sie den Leuten, dass auf sie Kosten in Höhe von 10 000 bis 90 000 € zukommen. So haben Sie es in einigen Planspielen in Ihrer Verwaltung bereits errechnet. Das kommt nicht von irgendwo. Das, was Sie da machen, haben Fachleute – informieren Sie sich doch einmal bei den Verbänden – ausgerechnet, was für Folgen Ihr Gesetz hat.

Im Übrigen haben Sie dann Taschenspielertricks darin. Da steht unter anderem, es soll um Straßenneubau gehen. Da geht es gar nicht um Neubau, es geht um Straßenersatzbau. Den Neubau wollen Sie gar nicht.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja, ich komme zum Ende. – Wenn Sie mit der Diskussion über die anderen Bundesländer kommen, wo es diese Gesetze gibt, müssen Sie den Leuten freundlicherweise sagen, dass das in den meisten Gemeinden so ist, dass die das Gesetz anwenden können, aber nicht anwenden müssen. Deshalb tun es die meisten gar nicht, weil sie wissen, dass es dem Standort schadet. Sagen Sie das den Leuten ehrlicherweise!

[Beifall bei der FDP]

Aber da ich zum Ende kommen muss, nur noch meine Prognose: Ich prognostiziere Ihnen, mit Ihrem Gesetz, das wird nichts vor der Wahl 2006. Also packen Sie es lieber gleich wieder ein! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Doering (Linkspartei.PDS): Olé!]

Danke schön, Herr von Lüdeke! – Für die SPD hat der Kollege Hillenberg das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr von Lüdeke! Eigentlich habe ich auf den Kern gewartet, den haben Sie nämlich nicht gebracht. Dann hätten Sie auch deutlich sagen sollen: Sie lehnen so ein Gesetz generell ab. Das habe ich irgendwo vermisst. Ich gehe davon aus, das ist – –

[Zuruf des Abg. von Lüdeke (FDP) – Doering (Linkspartei.PDS): Der hat es noch nicht mal gelesen!]

Also, Sie lehnen das Gesetz ab. – Ich glaube, es gibt keinen hier im Saal, ich kenne auch keinen Politiker, in dessen Vita steht: Eine der Hauptaufgaben eines Politikers ist, Gesetze oder Verordnungen zu erlassen, dass man den Leuten tiefer in die Tasche fasst. – Das will, glaube ich, keiner. Trotzdem können wir uns der Verantwortung nicht entziehen, weil wir nämlich die Haushaltslage genau so haben, wie sie ist. Und die Berliner Straßen sehen genau so aus, wie sie sind. Das sind die Realitäten.

[von Lüdeke (FDP): Dafür sind Sie verantwortlich!]

Die Frage ist: Wer muss für den Ausbau der Straßen bezahlen? – Da sage ich: Wir haben hier einen Entwurf vorliegen, wozu Sie nein sagen, Herr von Lüdeke, obwohl wir in 14 Bundesländern ein solches Straßenausbaubeitragsgesetz schon haben. Wir haben einen Entwurf vorliegen, der besser ist als alles das, was es in der gesamten Bundesrepublik Deutschland gibt.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Zweiter Punkt, Herr von Lüdeke: Wenn Sie dieses Gesetz ablehnen – da richte ich das Wort auch an die CDU –, dann müssen Sie sich fragen lassen, warum Sie ihm in acht Bundesländern – entweder FDP oder CDU – zugestimmt haben.

[Beifall bei der SPD]

Sie haben einem schlechteren Gesetz zugestimmt, und in Berlin lehnen Sie ein besseres ab.

Es geht bei diesem Gesetz um die Gretchenfrage, wer den Straßenausbau bezahlen muss. Wir haben drei Alternativen: 1. Es bezahlt der, der eine Immobilie hat; 2. es bezahlt – wie derzeit der Fall – der Steuerzahler; 3. es soll eine Grundsteuererhöhung geben, die man im Rahmen der Betriebskosten auf die Mieter umlegen kann. Die dritte Alternative entspricht dem Vorschlag des VDGN, und ich habe das Gefühl, dass sich die Abgeordneten auf der rechten Seite diesen Vorschlag zu eigen machen. Das ist aber mit uns nicht machbar. Die Mieter dieser Stadt haben da nichts zu befürchten.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Schade, dass die CDU-Fraktion noch nicht geredet hat. Herr Niedergesäß, ich hätte mir gerne angehört, welche Argumente Sie bringen.

Eigentlich stehen wir noch am Anfang der Debatte, da wir das Gesetz erst einmal in den Ausschuss überweisen, in dem die Fachdebatten stattfinden. Ich habe eine Anmerkung, auf die mein Nachredner von der CDU eingehen könnte: Sie haben im Jahr 2003 einen Antrag ins Parlament eingebracht. Darin forderten Sie, das Gesetz sozialverträglich zu gestalten. Ich bitte Sie darum, in der Ausschussberatung Vorschläge zu machen, wo wir dieses Gesetz noch verändern können. Das kann auch in Richtung einer Loyalität gehen oder eines besseren Zahlungsmodus. Schauen Sie aber bitte auch in die Gesetze, die Ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern beschlossen haben. Wir sind aber trotzdem über jeden Vorschlag dankbar und werden offen und ehrlich darüber diskutieren. Es ist nicht so, dass das letzte Wort schon gesprochen ist. Wir haben einen guten Entwurf, aber die eigentliche Arbeit fängt in den Ausschüssen an. Wir werden uns der Diskussion nicht entziehen.

Noch ein Hinweis in Richtung CDU: Sie werden das Gesetz wahrscheinlich ablehnen. Ich glaube, Sie haben den Vortrag Ihres Bürgermeisters aus Hamburg, Ole von Beust, nicht richtig verstanden. Er hat nämlich gesagt, wie man aus einem Tief, in dem Sie sich gerade befinden, he

rauskommen kann: Sie dürfen das Soziale nicht vergessen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Sie können sich natürlich sozial verantwortlich für die Immobilienbesitzer einsetzen. Aber 90 % sind in dieser Stadt Mieter. Da liegt die soziale Verantwortung. Die dürfen darunter nicht leiden.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Es ist völlig unstrittig, dass wir ein Problem in den Gebieten haben, in denen es vorrangig Ein- und Zweifamilienhäuser gibt. Die dortigen Hausbesitzer haben nicht die Möglichkeit, Mieteinnahmen wie in der Innenstadt zu erzielen. Sie können keine Gewinne nehmen, um andere Kosten zu decken. Ich glaube aber, dass wir in dem Gesetzesentwurf Regelungen vorgesehen haben, die weit mehr zulassen als die Regelungen in anderen Bundesländern. Wenn Sie aber einen besseren Vorschlag haben, dann werden wir uns dem nicht entziehen.

Herr Abgeordneter! Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss. – Herr von Lüdeke! Sie können sicher sein, dass weder Ihre Fraktion noch die CDU es schaffen werden, bei diesem Thema einen Keil zwischen die Koalition zu treiben.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Wir werden das Gesetz vor der Wahl auf den Weg bringen und beschließen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön! – Herr von Lüdeke möchte eine Kurzintervention machen. Dazu erhält er die Möglichkeit. – Bitte sehr!