Protokoll der Sitzung vom 12.01.2006

Für die Erarbeitung des Netzwerkes wurde die Arbeitsgruppe konstituiert, die jetzt aus Mitarbeitern der Senatsjugendverwaltung und der Senatsgesundheitsverwaltung besteht. Die Schwerpunkte sind formuliert worden. Es geht um die Erarbeitung eines handlungsrelevanten

Zum Thema Kompetenzgerangel, um inhaltlich auf Frau Barth einzugehen, die das hier angesprochen hat. – Es ist tatsächlich so, dass die meisten Jugendämter z. B. nicht mit dem Kommissariat bei der Polizei zusammenarbeiten, die Kindesmisshandlungsfälle gebündelt bearbeitet. Ich glaube, nur zwei Jugendämter tun dies freiwillig. Viel zu häufig ist die Kooperation der verschiedenen Institutionen vom Zufall und Engagement der einzelnen Personen abhängig. Wir brauchen deswegen – damit können Sie schon einmal anfangen – eine verbindliche Kooperation mit klaren Zuständigkeiten und Abläufen: Es passiert etwas, es wird gewarnt, und es wird gehandelt. Das erkenne ich noch nicht.

Zu einem ernsthaften Problem, möchte ich noch etwas sagen, weil Sie hier die Elternbriefe angesprochen haben, die ich gut finde und unterstütze: Wir haben trotz allem mit den Elternbriefen, Familienberatungsstellen, Familienbildungsstellen, mit den Angeboten des Kinderschutzbundes und was es alles an familienunterstützenden Maßnahmen gibt, ein riesiges Problem. Sie kommen nicht da an, wo sie ankommen sollen, befürchte ich. Ich glaube, dass diese Angebote vor allem gern von Familien, die darüber Bescheid wissen, genutzt werden. Mittelklassefamilien nehmen gern das Elterncoaching des Kinderschutzbundes in Anspruch, lesen die Elternbriefe des Kinderschutzbundes aufmerksam durch, aber die Familien, die darauf angewiesen sind, wissen nicht einmal, dass es diese Hilfeangebote gibt. Das ist ein ernsthaftes Problem, Herr Böger. Dem müssen Sie sich stellen. Da muss man viel früher anfangen, um das überstrapazierte Wort „Netzwerk“ noch einmal anzusprechen. Falls sich Laien im Saal nichts darunter vorstellen können – es sind ja nicht nur Jugendpolitiker hier –, in Düsseldorf wird das z. B. so gemacht, dass in den Krankenhäusern, in denen die Kinder geboren werden, direkt nach der Geburt ein so genanntes Gefährdungsscreening gemacht wird.

Gefährdungsindikators in Anlehnung an das Düsseldorfer Modell. Wir wollen also auch von anderen Städten lernen.

[Frau Senftleben (FDP): Das wäre schön!]

Wir wollen Rechtsfragen prüfen. Jetzt sind wir bei den Pflichtuntersuchungen. Ich möchte hier noch einmal ausdrücklich betonen, dass ich nicht per se gegen Pflichtuntersuchungen bin, sondern dass meine Auffassung ist, Pflichtuntersuchungen sind kein Allheilmittel gegen Verwahrlosung, Vernachlässigung und Misshandlung. Das muss ganz deutlich getrennt werden. Das wird leider in der Öffentlichkeit und in den Mediendiskussionen viel zu häufig verwechselt und vermischt. Deswegen glaube ich, dass wir heute mit dieser Diskussion auf einem guten Weg sind, im Fachausschuss eine sachliche Debatte zu führen, zu schauen, wie der Rechtsstandpunkt zu den Pflichtuntersuchungen ist und wie das Netzwerk entwickelt werden kann, so dass viel für das Kindeswohl in unserer Stadt getan werden wird.

[Beifall bei der SPD – Frau Senftleben (FDP): Damit kann der Senat jetzt schon einmal anfangen!]

Ich erwarte eine konstruktive Zusammenarbeit, wie sie hier fraktionsübergreifend angekündigt wurde, so dass wir wirklich in kürzester Zeit mit guten Ergebnissen aufwarten können und nachhaltig für das Kindeswohl in Berlin etwas tun können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön, Frau Kollegin Müller! – Bündnis 90/Die Grünen folgen nach. Frau Kollegin Pop hat zum zweiten Mal das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Müller! Wenn alles doch so wunderbar klar ist, was wir jetzt tun müssen, dann frage ich Sie schon, warum der Senat bis mindestens zur Sommerpause noch Zeit braucht, um sich ein Konzept zu überlegen.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Herr Böger, herzlichen Glückwunsch! Sie haben es tatsächlich geschafft, in diesen 20 Minuten, in denen Sie geredet haben, alle Positionen zu vertreten, die man in dieser Diskussion nur vertreten kann, und auch alle Bedenken zu äußern, die man zu diesem Thema äußern kann.

[Heiterkeit des Abg. Steuer (CDU)]

Ein Beispiel: Sie haben die FDP für ihre sehr liberale Haltung gelobt, Eigenverantwortung der Eltern zu fördern. Sie haben sich gleichzeitig für die rechtliche Verpflichtung von Vorsorgeuntersuchungen eingesetzt, natürlich nicht, ohne die Bedenken zu äußern, die daran hängen.

[Sen Böger: Was wollen Sie denn? – Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

Wenn das so weitergeht, dann dauert es nicht nur bis zum Sommer, sondern noch drei Jahre, bis Sie hier etwas vorlegen, befürchte ich.

[Sen Böger: Steht doch alles drin! – Frau Senftleben (FDP): Aber Sie tun’s nicht, Herr Böger!]

Sie können es mir gerne gleich in die Hand drücken, was Sie noch an Ideen haben.

[Frau Senftleben (FDP): Ja, vorher, präventiv!]

Das heißt, dass man untersucht, welche Risikofaktoren in dieser Familie vorliegen: z. B. Suchtprobleme, psychische Probleme der Eltern, ob die Mutter nicht zu den Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft gegangen ist. Das ist etwas Niedrigschwelliges, das ganz früh ansetzt.

Wenn Sie mir erzählen wollen, Herr Böger, dass wir das alles schon hätten, dann frage ich mich: Wie kommt es dann dazu, dass es immer noch so horrend viele Fälle von Kindesmisshandlung in Berlin gibt? – Man kann nicht immer alles verhindern, das weiß ich, aber einiges mehr sollten wir schon tun, Herr Böger. Machen Sie sich also an die Arbeit! – Danke!

Ich sehe bei uns in Berlin eine dringliche Maßnahme, die wir ergreifen müssen, und zwar unsere Jugendämter endlich auf Trab zu bringen. Offensichtlich wird hier die Aufgabe nicht hinreichend erfüllt; da können wir sagen, was wir wollen, hierfür gibt es einfach zu viele Beispiele in dieser Stadt. Nach der Neufassung des Sozialgesetzbuchs sind sie verpflichtet, bei Verdachtsmomenten einzugreifen, auch ohne die Entscheidung des Familiengerichts abzuwarten. Sie können nicht nur aktiv werden, sie müssen aktiv werden. Wenn uns hier in Berlin Folgendes gelingen würde: Jugendämter verstärkt in die Pflicht zu nehmen, die notwendigen Netzwerke zu initiieren, die vorgezogene Schuleingangsuntersuchung mit 4 Jahren, begleitende, frühzeitig ansetzende Maßnahmen durch Sozialarbeiter und Hebammen – dann wären wir einen großen Schritt weiter.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Pop! – Letzte in der Redeliste ist Frau Senftleben für die Fraktion der FDP. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Es heißt im Grundgesetz:

Die Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Herr Nolte, Sie hatten es vorhin erwähnt! – Die Geschehnisse der letzten Monate zeigen zu deutlich, dass dies nicht immer gelingt. Diesem Anspruch können wir offensichtlich nicht immer gerecht werden. Auch bei der staatlichen Fürsorgegemeinschaft, Ämtern, Einrichtungen, den gesamten Institutionen verhält es sich ähnlich. Es gelingt eben nicht immer, Kontakt aufzunehmen, rechtzeitig zu helfen, Fälle von Misshandlungen und Vernachlässigungen zu minimieren.

Aus dieser Situation heraus hat sich inzwischen schon so etwas wie eine Grundsatzdebatte ergeben. Das erleben wir auch heute. Es geht um die Haltung der Gesellschaft den Kindern gegenüber. Es geht um Verantwortung, um die Rechte der Eltern wie auch um die Rechte der Kinder, nämlich der unmündigen.

Lieber Herr Senator Böger! Ich muss schon sagen, es geht hier ganz klar auch um die Grenzen des Elternrechts. Genau das hat der FDP-Fraktionsvorsitzende Gerhardt ebenfalls thematisiert. Das ist auch Auffassung der Bundestagsfraktion. Auch wir sehen hier durchaus Grenzen. Unsere Gesellschaft ist in der Pflicht. Wir müssen sicherstellen, dass diejenigen, die die Hilfe benötigen, diese auch erhalten. Über die Wege müssen wir möglichst nüchtern diskutieren. Ich gestehe, auch mir fällt es oft schwer, bei diesem Thema nüchtern zu bleiben und einen kühlen Kopf zu behalten.

Jetzt überschlagen sich die Rezepte: Netzwerke bilden, verpflichtende Kontrolluntersuchungen, mehr Begleitung, mehr Qualifizierung der Beteiligten, vorsorgende, begleitende Maßnahmen usw. Es ist nicht so, dass wir das per se ablehnen, im Gegenteil. Die meisten Maßnahmen halten wir für sinnvoll. Da stehen wir als FDP-Fraktion nicht allein. Ich bin froh, dass es hier einen breiten Konsens aller Fraktionen gibt. Wir haben nur einen Dissens bei den Kontrolluntersuchungen.

Zum Thema Kontrolluntersuchungen: Herr Böger, da bin ich sehr froh, dass Sie das angesprochen haben, dass wir unter Umständen die zeitliche Lücke schließen, die sich zwischen Geburt und Schuleintritt ergibt, in der kein Gesundheitsdienst, kein Mediziner auf das Kindeswohl schaut und eine Untersuchung durchführt. Das können wir als Einschulungsuntersuchung deklarieren. Dies kann das Land Berlin allein entscheiden. Herr Böger, wenn Sie dieses Thema positiv sehen – Herr Härtel hat es in der letzten

Schulausschusssitzung genauso gesehen –, dann frage ich mich, wieso genau dieser FDP-Antrag, eine Schuleingangsuntersuchung für Kinder im Alter von vier Jahren durchzuführen, mit so viel Aplomb und Verve abgelehnt worden ist. – Das ist eine Frage an die Damen und Herren von der PDS und SPD. – Es ist nicht zu begreifen.

[Beifall bei der FDP]

Ich bin froh, Herr Böger, dass Sie sagen, Sie wollen über die Landesgrenzen hinweg schauen. Das halte ich für notwendig! Ich sage auch Nordrhein-Westfalen, Hamburg. Frau Pop hat eben auf das Düsseldorfer Modell hingewiesen. Ich glaube, das ist eine Idee, die wir übernehmen sollten. Nur, eines muss uns klar sein: Es gibt nicht eine zündende Idee, nein, es muss ein Konzept geben, eine Bündelung von Maßnahmen, aber das Entscheidende ist – Herr Böger, da sind Sie in der Pflicht und im Hintertreffen! –: Es muss etwas getan werden. Es wird Zeit! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Zum CDU-Antrag Drucksache 15/3174 empfiehlt der Ausschuss einstimmig bei Enthaltung der Fraktion der CDU die Annahme mit neuer Überschrift und in neuer Fassung. Wer so gemäß Drucksache 15/4503 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, PDS, Grüne und FDP. Die Gegenprobe! – Enthaltung der CDU. Dann ist das bei Enthaltung der CDU angenommen.

Zum weiteren CDU-Antrag Drucksache 15/4607 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport sowie an den Hauptausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Die Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Drucksache 15/4583 ist damit ebenfalls besprochen.

Wir kommen zu

Auf das Wissen und die Erfahrung sowie die Fähigkeit von Seniorinnen und Senioren kann die Gesellschaft nicht und schon gar nicht die Politik verzichten. Im Gesetz werden hierfür entsprechende Maßnahmen vorgeschlagen, um das Miteinander zu verbessern.

Nachdem die CDU-Fraktion etliche Gespräche mit den unterschiedlichsten Seniorenvertretungen geführt und deren Wünsche und Vorstellungen kennen gelernt hat, war der Weg zur Erstellung des vorliegenden Gesetzes vorgezeichnet. In den 9 Paragraphen des Gesetzes wurden die bereits vorhandenen Vertretungen der Seniorinnen und Senioren mit neuen Einrichtungen wie der eines Landesbeauftragten kombiniert, um so eine effektive und dauerhafte Beteiligung der Berliner Seniorinnen und Senioren auf Bezirks- und Landesebene zu erreichen und zu sichern.

Wir sind uns wohl bewusst, dass auch Kosten entstehen werden, die bei knappen Kassen möglicherweise als Ablehnungsgrund aufgeführt werden könnten. Ich kann nur dazu raten, dieses gar nicht erst zu versuchen. Sie würden sich bei der Leistung, die ältere Mitbürger allein auf dem Gebiet ehrenamtlicher Tätigkeit vollbringen, mehr als lächerlich machen.

lfd. Nr. 4:

Prioritäten gem. § 59 der Geschäftsordnung

lfd. Nr. 4 a:

I. Lesung

Gesetz zur Förderung von Beteiligungsrechten für Seniorinnen und Senioren im Land Berlin (Berliner Seniorenförderungsgesetz – BerlSenFöG)