Protokoll der Sitzung vom 06.04.2006

2003 wurden 18,7 Milliarden € eingenommen, 16,1 Milliarden € gingen davon in die Rentenversicherung. Da sind eben 2,5 Milliarden € versickert, einfach so weg. Wo sind sie denn geblieben? Was haben Sie denn damit gemacht?

[Zuruf des Abg. Dr. Rogall (SPD)]

Und das, was uns Herr Dr. Rogall immer einbläuen will: Packt es in Energieberatung, packt es in Effizienzsteigerung! – Da haben Sie im gleichen Jahr 0,1 Milliarden € ausgegeben, 2,5 Milliarden € sind aber verschwunden. Wo ist das geblieben, Herr Dr. Rogall? Was haben Sie damit gemacht? – Jedenfalls haben Sie damit nicht Energiepolitik betrieben, und Sie haben die deutsche Entwicklung nicht vorangebracht.

[Buchholz (SPD): Reden Sie zu den Anträgen! Atomkraft oder nicht? Hose runter!]

Sie haben sie nicht vorangebracht, weil Sie die Investitionen in die Energieforschung drastisch zurückgefahren haben. In der Endphase Ihrer Regierungszeit waren noch 400 Millionen € für die Energieforschung übrig geblieben. Lichtvolle Vergleiche werden uns von Ihnen immer wieder im Hinblick darauf präsentiert, was andere Länder machen. Die haben bei der Energieforschung alle höhere Anteile am Bruttosozialprodukt. Das haben Sie nicht auf die Reihe gekriegt, sondern auch verringert. Deswegen ist das, was Ihren Worten folgt, nicht konsistent.

[Dr. Rogall (SPD): Das ist alles nicht zum Thema!]

[Beifall bei der CDU – Dr. Rogall (SPD): Kein Wunder, dass Töpfer in Afrika bleibt, statt nach Berlin zur CDU zu kommen!]

Danke schön, Herr Goetze! – Für die Linkspartei.PDS hat Herr Abgeordneter Over das Wort! – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 26. April 1986 war sicher für viele von uns, vor allem für die Jüngeren, ein sehr einschneidendes Datum. Ein sehr einschneidendes Erlebnis war auch, was in dem halben Jahr danach passierte. Ich erinnere mich noch, selbst war ich zwar schon 18, dass es z. B. meine kleineren Geschwister nicht verstanden, warum man keine Milch mehr trinken durfte und warum wir den Salat nicht mehr aßen.

Es hat eine ganze Generation geprägt, es hat dazu geführt, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung grundsätzlich verändert hat. Noch heute, 20 Jahre nach der Katastrophe, sind 80 % der Bevölkerung für den Ausstieg aus der Atomenergie, schnell oder sofort. Deswegen ist es so unverständlich, dass wir zurzeit eine Debatte der ewig Gestrigen – und anders kann man es wirklich nicht nennen – erleben, die diese vorsintflutliche Energietechnik,

Ja, ich wollte an dieser Stelle den Bezirk Spandau bei Berlin nicht diskreditieren. Ich sagte, viele Bezirke tun das. Ich habe das eine Beispiel – man erlaube mir das – aus meinem Bezirk aufgeführt.

Frau Paus, keine Frage, das ist ein Projekt. Es ist uns nicht gelungen, es in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Das werden wir in dieser Legislaturperiode auch nicht mehr umsetzen. Sie haben schon richtig in Ihrem Antrag geschrieben: Dies ist keine Entscheidung des Landes Berlin.

Jedenfalls ist es aus meiner Sicht leider ein Antrag, der sehr stark auf den Wahlkampf zielt. Aber ich kann Ihnen trotzdem versprechen, auch ohne Wahlversprechen: Rot-Rot wird sich weiter für den konsequenten Ausstieg aus der Kernenergie einsetzen. – Vielen Dank!

die mit großen Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt verbunden ist, wieder salonfähig machen wollen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS, der SPD und den Grünen]

Natürlich ist der Ausstiegsbeschluss nicht das, was man sich als Atomkraftgegner wünscht. Die Situation war ja so: Die Grünen wollten den sofortigen Ausstieg, die SPD hatte einen Beschluss, in 10 Jahren auszusteigen; nach 10 Jahren Drumherumreden sind wir jetzt bei einem dreißigjährigen Ausstiegsszenario. Das ist nicht schön, aber es ist notwendig. Und es ist ganz wichtig, diesen Prozess unumkehrbar zu halten.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS, der SPD und den Grünen]

Trotzdem gibt es jetzt einen Antrag von den Grünen, da muss ich sagen: Eigentlich sind die Sachen alle ziemlich gut, die da drin stehen. Aber offensichtlich ist auch Wahlkampf. Und wenn ich mir anschaue, was vom Senat gefordert wird – der Kollege Buchholz hat das schon an verschiedenen Stellen ausgeführt –, so sind es viele Dinge, die in der rot-roten Koalition schon gemacht werden. Natürlich hätte ich mir manches schneller gewünscht, und natürlich wäre ich sehr froh, wenn die solare Baupflicht schon beschlossen wäre. Wir arbeiten noch daran, aber wir brauchen die Aufforderung nicht, daran zu arbeiten. Sie wissen, wir arbeiten daran.

[Beifall bei der SPD]

Die Legislaturperiode ist leider in dieser Frage bald zu Ende – das ist wohl richtig so. Aber deswegen möchte ich Ihnen trotzdem noch einmal sagen, was Rot-Rot in diesen Jahren geschafft hat und wo man eben keine Aufforderung in Form eines solchen Antrags braucht. Denn schon in der Koalitionsvereinbarung ist es ganz klar, dass der Senat auf eine andere Energiepolitik setzt, und gerade durch die Ausschreibungen im Strombereich ist deutlich geworden, dass das nicht nur Worte sind, sondern dass dem auch Taten folgen. Natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Ausschreibung steht „zertifizierter Strom“, das heißt nachprüfbar, wo er herkommt, dauerhaft nachprüfbar. Das ist Teil der Ausschreibung gewesen, und das wird überprüft, natürlich. Von daher ist dieser Punkt längst erfüllt durch den rot-roten Senat.

Ein weiterer Punkt, den Sie einfordern, ist, dass der Senat sich stärker darum kümmert, Projekte und Hilfsorganisationen, die sich um Opfer von Tschernobyl kümmern, zu unterstützen. Das ist ein sehr löblicher Vorschlag, aber auch dieses tut der Senat schon, und dieses tun vor allem auch die Bezirke in kleinteiligen Partnerschaften. Wenn Sie einige Beispiele, seien sie aus München oder bundesweit, aufzählen, sage ich Ihnen: Zum Beispiel haben wir in Friedrichshain einen Verein „Hilfe für die Kinder von Tschernobyl“, der seit 14 Jahren regelmäßig Ferienlager, Sanatoriumsaufenthalte und medizinische Betreuung für Kinder, die Opfer von Tschernobyl geworden sind, die der Strahlenbelastung in dem hohen Maße ausgesetzt werden, organisiert. Dieses findet

statt. Das machen Bürger dieser Stadt. Dafür danken wir ihnen.

[Buchholz (SPD): Der Bezirk Spandau auch!]

Weiter heißt es in Ihrem Antrag, dass der Senat bei der Bundesregierung, bei der Fraunhofer-Gesellschaft auf die Schließung des Hahn-Meitner-Reaktors – darauf läuft es hinaus, auch wenn es etwas verklausuliert ist – einwirken soll. Also liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer ist denn gerade aus der rot-grünen Bundesregierung ausgeschieden und hat dieses Projekt nicht umgesetzt? – Das wollen wir doch an dieser Stelle einmal klarstellen. Natürlich würde ich mich freuen, wenn es schon passiert wäre.

[Zuruf der Frau Abg. Paus (Grüne)]

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD – Dr. Rogall (SPD): Sehr gut!]

Danke schön, Herr Over! – Für die FDP-Fraktion hat Herr Hahn das Wort.

[Gelächter bei der SPD]

Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fritz Stern, der bedeutende amerikanische Historiker, veröffentlichte 1953 sein Werk „Kulturpessimismus als politische Gefahr“.

[Gelächter]

Da ist nichts zu lachen. Das Buch ist übrigens 2005 neu aufgelegt worden und noch immer sehr lesenwert. – Darin machte er den Hass deutscher Intellektueller des 19. und 20. Jahrhunderts auf den Liberalismus, die Bourgeoisie, ihre Verachtung des freien Marktes und der wissenschaftlichen Vernunft als wesentlichen geistigen Schritt in den Nationalsozialismus aus. Kulturpessimismus - Weltuntergangsstimmung, Angst, dieses urdeutsche Wort, Irrationalismus, die Lust an der apokalyptischen Vision - ist offensichtlich ein Grundphänomen, das die deutsche Kulturgeschichte alle drei Generationen heimsucht: Vom Untergang der Nibelungen in Etzels brennender Halle bis in unsere Tage der apokalyptischen „Klimakatastrophe“.

So die „Zeit“ vom 4. Juli 1997, Frau Dr. Klotz! – Dokumentiert ist ein Anstieg der Fälle von Schilddrüsenkrebs bei Kindern: 763 in der Ukraine bis 1995 und 696 in Weißrussland. Dazu kommen 52 Fälle von Leukämie in den am stärksten betroffenen Gebieten rund um Tschernobyl; statistisch normal wären 26 gewesen. – Das sind die offiziellen Zahlen. Schon jeder dieser Fälle, Herr

Buchholz, ist ein Fall zu viel. Jedes Opfer ist zu beklagen, und alle Anstrengungen, die wir leisten können, um diesen Opfern zu helfen, sollten wir unternehmen. Daran besteht kein Zweifel. Selbst wenn Sie diese Ziffern bezweifeln und von einer Dunkelziffer ausgehen, die um ein Mehrfaches darüber liegt, so ist von Zehntausenden oder gar Hunderttausenden von Opfern nirgendwo ein Beweis zu finden.

Irrational ist und bleibt auch die Diskussion um die Folgen der Niederschläge nach dem Reaktorunfall bei uns. Wir wissen alle, dass die Strahlenbelastung heute bei einem Interkontinentalflug um ein Wesentliches höher ist als je beim Fallout von Tschernobyl. Irrational, weil gegen jede Wirtschaftlichkeit, gegen Versorgungssicherheit – ein weit unterschätztes Problem –, ist es in diesem Lande, bestimmte Techniken regenerativer Energien politisch vorschreiben zu wollen. Als der damalige Wirtschaftsminister Müller in einem Gutachten vorrechnete, dass die Erreichung der Klimaschutzziele mit alternativen Techniken die Energie bis 2020 um rund 500 Milliarden DM – 256 Milliarden € – verteuern würde, musste er sein Gutachten verschwinden lassen und den Mund halten. Heute plant die Branche der Regenerativen aber Investitionen in Höhe von 200 Milliarden Euro, so die „FAZ“ vor drei Tagen. Tatsächlich werden durch diese Investitionen Hunderttausende von Arbeitsplätzen in Deutschland gefährdet. Für die Windenergie – die in Deutschland übrigens dreimal so hoch subventioniert wird wie die Steinkohle – hat das Bremer Energieinstitut das einmal nachgerechnet. Fazit: Während ihres angenommenen 20-jährigen Betriebs vernichtet eine einzige Windkraftanlage per Saldo acht Arbeitsplätze.

Wenn Fritz Stern heute eine Fortsetzung seines Buches schreiben müsste, könnte er den Kulturpessimismus in seinem neuen grünen Gewand allgegenwärtig wiederentdecken.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Kulturpessimismus ist keine Skurrilität der Grünen mehr, seit er die SPD erfasst hat und dazu die PDS.Linkspartei. Die hatte, als sie noch SED hieß, kein Problem mit einer beispiellosen Verseuchung der Umwelt, schwimmt aber heute gern mit im angegrünten Mainstream, weil sie sich den Mantel höherer Moral umhängen und teilhaben will am großen Pathos der Menschheitserrettung, das sich so gut als Vehikel für vieles benutzen lässt.

Kulturpessimismus ist auch kein rein umweltpolitisches Problem mehr. Es ist ein allgemeines deutsches Problem und eine politische Gefahr. Die deutsche Linke fällt einem Irrationalismus anheim, der politische Grundentscheidungen beeinflusst, überlagert, blockiert.

[Beifall bei der FDP]

Diesen Irrationalismus aber kann sich unser Land nicht länger leisten und nicht länger erlauben. Wir verspielen unsere Zukunft, wenn wir weiter die wichtigen Aufgaben verdrängen und verkennen und wenn die Vernunft bei wesentlichen Grundfragen ausgeschaltet wird. Die Haltung zur Kernenergie ist ein klassisches Beispiel dafür, wie Irrationalismus, Hysterie und Panikmache zu kostspieligen, falschen politischen Entscheidungen führen, die die Lebensgrundlagen hierzulande nachhaltig verschlechtern werden –

[Beifall bei der FDP]

die ökonomischen zuerst und dann folgend die sozialen, gesundheitlichen und auch die ökologischen.

Der Journalist Dirk Maxeiner hat kürzlich in einem sehr lesenswerten Artikel „Von der Angstindustrie zur Erziehungsdiktatur“ den Katastrophenkonsens, die hysterische Form der Problemwahrnehmung, die blind macht, beklagt. Dafür steht der hier zur Diskussion stehende Antrag.

Tschernobyl war schlimm, keine Frage. Tschernobyl als GAU der Atomenergie aber war keine Menschheitskatastrophe, als was sie immer wieder fälschlich dargestellt wird. Tatsächlich starben von den 152 000 eingesetzten, völlig unzureichend geschützten Helfern 1986 31. 14 weitere erlagen bis 1993 den Strahlenfolgen.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das ist ja ungeheuerlich! Schämen Sie sich!]

Vor allem aber – das wissen im Grunde hier alle – ist keine auch nur im Ansatz ähnliche Katastrophe in deutschen Kernkraftwerken denkbar. So ist es irrational und unverantwortlich, die deutschen Kernkraftwerke, die sichersten der Welt, schließen zu wollen, und die Augen davor zu verschließen, dass die Kernenergie weltweit verstärkt genutzt wird.

[Beifall bei der FDP]

[Buchholz (SPD): Ein Unsinn! Es gibt 170 000 neue Arbeitsplätze!]