Protokoll der Sitzung vom 06.04.2006

[Niedergesäß (CDU): Machen Sie doch mal!]

Das wird nicht von heute auf morgen zu haben sein. Jahrzehntelange Ignoranz gegenüber einer realen Einwanderungsgesellschaft haben uns hierher gebracht, und dafür tragen Sie die Verantwortung.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Beifall des Abg. Pape (SPD) – Niedergesäß (CDU): Oh! – Dr. Lindner (FDP): So ein Unsinn!]

Ich bezweifle, dass es sich unsere Gesellschaft weiterhin leisten kann, Kinder nach ihrer Herkunft zu sortieren und es jedem einzelnen Bundesland zu überlassen, ob es etwas dafür oder dagegen tut. Aber wie Frau Bundeskanzlerin Merkel anmerkte: Wer sich für Bildungspolitik interressiert, gehört nicht in den Bundestag. – Da waren Sie gestern irgendwie falsch, Herr Böger! Das ist ein schlechtes Zeugnis, wenn wir das als Gesellschaft hinnehmen. Da sollten wir null Toleranz üben. – Danke schön!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Vielen Dank, Frau Kollegin Seelig! – Als Nächstes kommt die CDU-Fraktion. Frau Kollegin Schultze-Berndt hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Böger! Wenn ich das gelang

weilte Gesicht Ihres Regierenden Bürgermeisters Wowereit betrachte,

[Zurufe von der Linkspartei.PDS]

wenn ich den müden Applaus – immerhin der SPD, von der PDS gab es, glaube ich, keinen – gehört habe,

[Zurufe von der Linkspartei.PDS]

so habe ich den Eindruck, das ist heute Ihre erste Abschiedsrede gewesen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

[Beifall bei der CDU – Gaebler (SPD): Was ist denn mit Seniorenmitwirkung?]

Mit Ihrem Maulkorberlass – den gibt es sehr wohl – hat sich kein Schulleiter, kein Lehrer, kein Schulpsychologe mehr öffentlich äußern dürfen. Im Schulausschuss hatten wir keine Möglichkeit, uns von den Fachleuten und Praktikern anzuhören, wie die Lage der Dinge ist. Wir haben ja Schulsenator Böger, und der weiß alles – so sagt er zumindest. Wenn man dann hört, dass Sie angeblich nichts davon gewusst haben, was in der Rütli-Schule vor sich gegangen ist, so staune ich. Sie müssen doch wissen, wie wenig besetzt die Schulleitungen sind, dass die Schulleiterin schon viel länger dauerkrank ist. Sie kennen die Statistik über Gewaltvorfälle. Sie reagieren, aber Sie agieren nicht.

[Beifall bei der CDU]

Sie kennen die Medienberichte, die sich seit längerem immer einmal wieder auch mit der Rütli-Schule beschäftigt haben. Wir begrüßen es, dass jetzt die Lehrer offen legen, was in unseren Schulen zurzeit vor sich geht. Wir fordern von Ihnen eine anständige Analyse, um dann grundlegend Probleme lösen zu können, und nicht diese Feuerwehreinsätze von Polizisten, die einmal schnell vor die Schule gestellt werden, von zwei Sozialarbeitern, die plötzlich da sind, von einem Interimsschulleiter. Grundsätzliche Probleme lösen Sie so nicht.

[Klemm (Linkspartei.PDS): Was schlagen Sie denn vor?]

Ich will Ihnen vier Punkte nennen, wo wir konkreten Handlungsbedarf sehen. Hören Sie nur zu! Den Kindern

Frau Kollegin! Sie sind wirklich weit drüber.

fehlt nämlich massiv die Sprachkenntnis. Sie loben Ihre Spracheingangskurse. An diesen Sprachförderkursen vor Schuleintritt nehmen in Berlin nicht einmal 600 Kinder teil, und auch nur die, die nicht schon einen Kindergarten besuchen.

[Zurufe von der Linkspartei.PDS]

Alle anderen werden es schon irgendwie lernen, haben zwar bei den Sprachtests nachgewiesen, dass die Kita es bislang nicht geschafft hat, ihnen Deutschkenntnisse zu vermitteln, aber irgendwie wird jetzt plötzlich gehen, weil Herr Böger das so wünscht. Die Kurse, die Sie dort veranlasst haben, zwei Stunden am Tag, vielleicht künftig auch drei, siebzehn Wochen lang, bedeuten – und das steht in Ihrem eigenen Bericht –, dass sich die Kinder an das schulische Umfeld gewöhnen, dass man erste Kontakte mit den Eltern aufnimmt. Eine fundierte Sprachkenntnis haben sie am Ende dieser Kurse nicht. Gerade das brauchen wir aber!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die CDU fordert, dass Sie bereits Vierjährige verbindlich auf ihre Sprachkenntnis testen, dass wir eine Vorschulpflicht von einem Jahr haben, wo die Kinder die Sprache lernen, dass sie nicht in Regelklassen eingeschult werden, solange sie nicht Deutsch können, damit sie ordentliche Chancen für ihre Zukunft haben.

Zweiter Punkt: Wir verlangen darüber hinaus, dass in den Grundschulen etwas passiert, dass man beim Deutschlernen und beim Entwickeln des Sozialverhaltens unterstützt, Respekt und Disziplin müssen gelernt werden. Die Lehrer müssen in der erzieherischen Arbeit unterstützt werden. Ganztagsschule kann nicht nur heißen: Die Kinder werden am Nachmittag verwahrt. – Hier muss konzeptionell etwas getan werden.

[Frau Senftleben (FDP): Alle Anträge der FDP wurden abgelehnt!]

Über die Hauptschule haben wir schon oft gesprochen. Sie bedarf der Profilierung. Wo Hauptschulen erfolgreich sind, sind es meist Schülerfirmen. Seien Sie endlich so mutig und gehen Sie den Schritt zu sagen: Nicht alle müssen das Gleiche lernen in allen Schulformen auf unterschiedlichem Niveau –, sondern legen Sie es nur auf den praktischen Unterricht aus, damit diese Schüler beruflich irgendwann auch ein Auskommen finden und eine Zukunft haben!

Frau Kollegin! Beachten Sie bitte die Redezeit!

Ja, ich bin gleich zu Ende!

Der vierte Punkt ist der Unterrichtsausfall. In einer Telefonaktion am Dienstag haben wir von Eltern gehört, dass 12 Stunden Unterrichtsausfall pro Woche kein Sonderfall sind. Stellen Sie endlich bedarfsgerecht Lehrer ein!

Die Union will, dass den Jugendlichen wie den Lehrern in der Rütli-Schule wie auch in anderen Schulen Berlins endlich geholfen wird. Wir wollen keine ideologische Debatte über den Fortbestand der Hauptschule. Wir wollen, dass endlich die wahren Probleme beim Namen genannt werden, dass mehr und geeignete Lehrer eingesetzt werden, Sozialpädagogen und Psychologen in den Schulen endlich arbeiten können und dass für Integration gesorgt wird –

– durch Sprachkenntnisse und Wertevermittlung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön! – Die SPDFraktion folgt. Das Wort hat Herr Kollege Dr. Felgentreu. Ich bitte, die Restzeiten zu beachten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt an Hauptschulen in schwierigen Kiezen bundesweit Probleme mit Gewalt, mit der Autorität von Lehrerinnen und Lehrern und mit der Durchsetzung der Schulpflicht. Das wussten wir schon länger.

[Dr. Lindner (FDP): Habt aber nichts gemacht!]

Und seit dem letzten Donnerstag wissen es alle.

Vielleicht ist das der Grund, dass in Berlin-Neukölln ein Mann herumläuft – Friedbert Pflüger heißt er –, dem seine Nebentätigkeit als Staatssekretär und Bundestagsabgeordneter noch jede Menge freie Zeit übrig lässt, um den Berlinerinnen und Berlinern zu erklären, was er täte, um die Probleme in den Griff zu bekommen.

[Niedergesäß (CDU): Und das ist auch gut so!]

Na, hören Sie einmal zu, was er machen will, Kollege! – Seine Rezepte heißen Videoüberwachung, Kurzarrest.

[Henkel (CDU): Sagen Sie lieber, was Sie machen wollen!]

Schnupperknast sagt der brandenburgische Innenminister Schönbohm dazu.

[Henkel (CDU): Recht hat er!]

Es geht noch weiter: geschlossene Heime, Fahrverbote, Meldepflicht und Abschiebung. – Man hat den Eindruck, unsere Hauptschulen werden in den Augen der CDU nur noch von Schwerverbrechern besucht.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Heiterkeit bei den Grünen]

Mit Schulpolitik hat das, was die CDU vorschlägt, jedenfalls nichts mehr zu tun,

[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und den Grünen]

mit Innen- und Rechtspolitik aber auch nicht. Ich habe Verständnis dafür, dass Herr Pflüger den Diskussions

Aber wir können und müssen auch über unkonventionelle Lösungen nachdenken. Auch dafür ein Beispiel: Wenn der Satz stimmt, dass die schwierigsten Kieze die besten Schulen brauchen, wie kann es dann passieren, dass sich auf eine Rektorenstelle in Neukölln 10 Jahre lang niemand bewirbt?

stand der Berliner Politik nicht kennt. Er ist ja Niedersachse. Aber Sie, Herr Steuer, und Sie, Herr Henkel, könnten ihm doch wenigstens ein, zwei Forderungen aufschreiben, die nicht so völlig an der Berliner Realität und den Anforderungen des Rechts vorbeigehen.