Fritz Felgentreu
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein bisschen habe ich mich schon gefragt, was das Ganze eigentlich soll.
Es gibt eine Senatsvorlage, die verändert worden ist und über die wir heute einstimmig abstimmen. Sie haben nun fünf Minuten über etwas geredet, das gar nicht existiert. Alle Achtung, dass Sie dies fünf Minuten hinbekommen haben.
Wir können jedoch noch einmal ernsthaft darüber reden. Es gibt einen ernsten Kern in dieser Angelegenheit. Wir haben in der SPD-Fraktion über den Senatsvorstoß diskutiert, und wir haben ihm auch sachlich positive Aspekte abgewinnen können. Wir haben jedoch gesagt, dass es erstens nicht in die Zeit passt, einen solchen Vorstoß zu machen, und zweitens, wenn über Versorgungs- und Dienstbezüge geredet werden soll, dies nicht nur in einem einzelnen Punkt, sondern in einem Gesamtzusammenhang getan werden solle.
Das Gleiche gilt für Ihren Vorstoß zum Senatorengesetz. Aus dem gleichen Grund haben wir ihn abgelehnt und gesagt, eine Einzelregelung verändern wir nicht, weder im Positiven noch im Negativen, sondern werden Veränderungen nur in Form einer Gesamtrevision vornehmen. Aber auch das ist ein sachliches Argument, über das man sich austauschen kann.
Mich stört an dem gesamten Vorgang – dies ist aus Ihrem Beitrag deutlich geworden, Herr Schruoffeneger –, dass Sie die Dienstbezüge eines Staatssekretärs in Verbindung gesetzt haben zu unpopulären Entscheidungen, die wir in der schwierigen Situation als Haushaltsnotlageland treffen mussten. Das ist ein Spiel auf einer populistischen Klaviatur, das Ihnen nicht zusteht, nicht in dieser Situation und auch sonst nicht, liebe Kollegen von den Grünen.
Der gewachsenen Verantwortung des Chefs der Senatskanzlei im Rahmen der Neuregelung der Senatsbildung ist durch Anhebung der Besoldung Rechnung zu tragen.
Haben Sie allen Ernstes gedacht, Sie kommen damit durch?
Das ist reiner Populismus und der bisherige Höhepunkt einer von Wahlkampfmotiven geprägten Plenarsitzung.
Sie spielen mit einem Vorurteil, dem Vorurteil, dass Politiker überbezahlt seien, und daraus zieht man indirekt immer auch die Folgerung, Politiker seien gierig und faul, und das ist etwas, was uns allen schadet. Das schadet nicht allein dem Berufsstand der Politiker, es schadet auch der repräsentativen Demokratie. Solche Diskussionen sollten wir in diesem Haus nicht führen, es sei denn, man hätte einen konkreten Punkt, an dem man nachweisen könnte, dass das der Fall ist. Diesen Punkt gibt es in Berlin mit Sicherheit nicht.
Wir haben ein relativ schlecht bezahltes, relativ schlecht ausgestattetes Parlament. Wir haben im Bundesdurchschnitt die schlechtbezahltesten Staatssekretäre, und deswegen brauchen wir eine solche Diskussion auch nicht zu führen. Das sollte man bei der Gelegenheit noch einmal festhalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, lassen Sie diese verantwortungslose Zündelei, denn sie entbehrt jedes sachlichen Fundaments! Lassen Sie uns zu einer sachlichen Diskussion zurückkehren und diese Senatsvorlage, über die wir uns inhaltlich alle einig sind, auch hier einstimmig beschließen, wie wir dies bereits im Ausschuss getan haben! – Vielen Dank!
Lieber Kollege Henkel! Sie haben meine dicken Backen kritisiert. Ich habe Ihre Backen nicht wahrgenommen. Sie waren auch im Innenausschuss, obwohl Sie innenpolitischer Sprecher sind, nicht anwesend. Insofern habe ich auch Ihre Argumente nicht gehört. Mich interessiert auf Grund Ihrer Ausführungen, ob Sie nun für oder gegen die Senatsvorlage stimmen. Ihre Fraktion im Innenausschuss hat für sie gestimmt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, mit einem etwas längeren Zitat aus Berichten der Berliner Medien zu beginnen:
Im vergangenen Jahr wurde diese Serie zum ersten Mal mit einem fast störungsfreien Festtag unterbrochen. In diesem Jahr ist das zum zweiten Mal gelungen. Wir sind berechtigt, zu hoffen, dass eine neue Serie fröhlicher, angstfreier Maifeste in Kreuzberg begonnen hat. Kreuzberg ist befriedet. Das ist wahrlich ein Grund zur Freude und auch ein Grund zur Diskussion in diesem Hause. – Sie glauben es nicht, Herr Wansner? – Seien Sie da doch etwas großzügig, springen Sie über Ihren eigenen Schatten! Ihr Kollege Henkel ist da schon weiter und meint, dass es gut gelaufen ist am 1. Mai bei uns in Berlin. – Nein, meine Damen und Herren, das ist ein Grund zur Freude, das ist ein Grund zur Diskussion in diesem Hause und ein großer Erfolg für alle daran beteiligten Kräfte der Polizei, der Politik und der ganzen Stadt.
In unserer Bewertung dürfen wir weder unvorsichtig sein noch auf die Analyse des Erfolgs verzichten. Wir wissen noch nicht, ob der Frieden auch in den kommenden Jahren halten wird. Deshalb warne ich davor, in Selbstzufriedenheit und Bequemlichkeit zu verfallen. Vielmehr müssen wir uns sehr genau darüber klar werden, welchen Maßnahmen und Umständen wir die gute Botschaft des heutigen Tages verdanken. Ich sehe vor allem drei Gründe für die Befriedung Kreuzbergs in diesem Jahr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt an Hauptschulen in schwierigen Kiezen bundesweit Probleme mit Gewalt, mit der Autorität von Lehrerinnen und Lehrern und mit der Durchsetzung der Schulpflicht. Das wussten wir schon länger.
Und seit dem letzten Donnerstag wissen es alle.
Vielleicht ist das der Grund, dass in Berlin-Neukölln ein Mann herumläuft – Friedbert Pflüger heißt er –, dem seine Nebentätigkeit als Staatssekretär und Bundestagsabgeordneter noch jede Menge freie Zeit übrig lässt, um den Berlinerinnen und Berlinern zu erklären, was er täte, um die Probleme in den Griff zu bekommen.
Na, hören Sie einmal zu, was er machen will, Kollege! – Seine Rezepte heißen Videoüberwachung, Kurzarrest.
Schnupperknast sagt der brandenburgische Innenminister Schönbohm dazu.
Es geht noch weiter: geschlossene Heime, Fahrverbote, Meldepflicht und Abschiebung. – Man hat den Eindruck, unsere Hauptschulen werden in den Augen der CDU nur noch von Schwerverbrechern besucht.
Mit Schulpolitik hat das, was die CDU vorschlägt, jedenfalls nichts mehr zu tun,
mit Innen- und Rechtspolitik aber auch nicht. Ich habe Verständnis dafür, dass Herr Pflüger den Diskussions
Aber wir können und müssen auch über unkonventionelle Lösungen nachdenken. Auch dafür ein Beispiel: Wenn der Satz stimmt, dass die schwierigsten Kieze die besten Schulen brauchen, wie kann es dann passieren, dass sich auf eine Rektorenstelle in Neukölln 10 Jahre lang niemand bewirbt?
stand der Berliner Politik nicht kennt. Er ist ja Niedersachse. Aber Sie, Herr Steuer, und Sie, Herr Henkel, könnten ihm doch wenigstens ein, zwei Forderungen aufschreiben, die nicht so völlig an der Berliner Realität und den Anforderungen des Rechts vorbeigehen.
Sie kennen sich doch hier aus. Aber nehmen wir einmal an, dass es sich trotz allem um ernst gemeinte Vorschläge handelt. Dann sind sie entweder nicht zweckmäßig oder rechtswidrig. Beispiel geschlossene Heime: Sie sind deshalb abgeschafft worden, weil sie keine Sicherheit bieten – Entweichungen waren und sind dort, wo es sie gibt, an der Tagesordnung – und weil Jugendliche in geschlossenen Heimen zusammenkommen, die alles Mögliche voneinander lernen, aber nicht, wie man gewaltfrei und ehrlich seinen Lebensunterhalt verdient. Der Justizsenator von Hamburg, Herr Kusch von der CDU, ist gerade über die Tatsache gestürzt, dass die Wiedereinführung eines geschlossenen Heimes ein grandioses Fiasko geworden ist.
Beispiel Fahrverbote: Damit wird man Hauptschüler, die in der Regel unter 18 Jahre alt sind, sicher schwer beeindrucken,
mal abgesehen von der Tatsache, dass die CDU bisher jede Reform des Sanktionenrechts blockiert hat, die für Fahrverbote als eine allgemeine Strafmaßnahme die Voraussetzung wäre. Das ist alles sachfremder Unsinn.
Aber trotzdem muss man Schulen wie der RütliSchule helfen. Das kann man auch. Wir haben Beispiele für Hauptschulen im Kiez, an denen Lehrer und Schüler gut, kameradschaftlich und respektvoll miteinander umgehen
und wo die Schüler gerne kommen. Übrigens: Kein anderer Bezirk ist so erfolgreich darin, die Schulpflicht durchzusetzen und für den baulichen Zustand und die Sauberkeit der Schulen Sorge zu tragen, wie Neukölln.
Das ist nachweisbar, liebe Kollegen! Warum haben wir denn zusätzliche Mittel aus dem Schul- und Sportstättensanierungsprogramm bekommen? – Die erste Aufgabe heißt:
Regeln setzen und durchsetzen!
Ein klares Nein zur Gewalt! Respektvoller Umgang mit Lehrerinnen und Lehrern und pünktliche Anwesenheit, jeden Tag, das ganze Jahr! Darum geht es.
Die Instrumente haben die Kollegin Tesch und der Bildungssenator genannt.
Warum regen Sie sich eigentlich so auf? – Sie kommen doch noch alle zum Zug. Sie dürfen doch noch alle etwas sagen, Herr Augstin!
Ich kann Ihnen sagen, wie eine Firma reagieren würde, wenn sie keine geeigneten Bewerbungen für eine freie Stelle erhält: Sie würde ein höheres Gehalt ausschreiben.
Nun lässt der Berliner Haushalt keine großen Sprünge zu. Dann muss man eben sehen, ob man den angemessenen Lohn für die schwierigere Aufgabe erwirtschaftet, indem man die leichtere und angenehmere Aufgabe ein bisschen weniger großzügig besoldet. Am Tarifrecht sollte ein solcher Wertausgleich in Zukunft nicht scheitern.
Der macht zum Beispiel ein neues Schulgesetz, was sehr gut ist.
Wenn mein Sohn auf die Rütli-Schule ginge, dann würde ich auf der Schulversammlung, auf der wir über Elterntraining, Anti-Gewalt-Training, Deutsch auf dem Schulhof und Ausbildungskooperation reden, auch das Thema einheitliche Schulkleidung ansprechen, um das Wir-Gefühl zu stärken und den Anreiz für Neid und in schlimmen Fällen für Diebstahl oder Raub zu nehmen. Aber so etwas muss die Schule selbst entscheiden, dann kommt auch etwas dabei heraus. Auch dafür, dass eine solche Entscheidung durch die Schulversammlung möglich ist, hat diese Koalition im neuen Schulgesetz die Voraussetzung geschaffen.
Gestatten Sie mir zum Schluss noch einen grundsätzlichen Gedanken: Wir können mit den Mitteln der Landespolitik vernünftige und wir können sogar gute Schulen aufbauen.
Aber das Grundübel unter den armen Leuten in unserer Stadt kann die Schule nicht auflösen.
Ist Ihnen entgangen, dass es in Neukölln einen Bürgermeister gibt, Herrn Buschkowsky, der nichts auslässt, seinen eigenen Bezirk an den Rand der Verzweiflung zu reden und diesen Bezirk deutschland- und europaweit kaputtzureden und als Neuköllner Bürgermeister nicht in der Lage war, die dort entstandenen Probleme zu lösen? Er hat überhaupt nicht angefangen, diese Probleme zu lösen.
Herr Felgentreu! Schämen Sie sich eigentlich nicht, der Opposition Dinge vorzuwerfen, während Sie alle Möglichkeiten hatten, dieses in den letzten Jahren zu ändern? Sie haben nichts geändert. Die Integration ist unter Ihrer Regierung zurückgefahren worden. Sie haben die Arbeitslosigkeit der Menschen nichtdeutscher Herkunft nach oben explodieren lassen. Sie haben das Ansteigen der Jugendarbeitslosigkeit hingenommen.
Sie haben sich nicht bemüht, mit den Berliner Firmen zu sprechen, insbesondere der Fachgemeinschaft Bau und den Industriebetrieben, damit die jungen Leuten, wenn sie die Schulen verlassen, wenigsten im Ansatz eine Chance bekommen, einen Beruf zu erlernen, damit sie lernen, pünktlich zu sein, überhaupt ernst genommen zu werden.
Nein, die gestatte ich nicht. Ich würde mich freuen, wenn die Kollegen mich ausreden ließen. Ich weiß gar nicht, was sie so aufregt.
Das Grundübel unter den armen Leuten unserer Stadt kann die Schule nicht auflösen. Die Schule ist dafür nicht das geeignete Instrument. Solange weiter ganze Stadtquartiere von 30- bis 40-prozentiger Arbeitslosigkeit geprägt sind, kann auch die beste Hauptschule ihren Kindern nicht genug Hoffnung schenken. Arbeit für Menschen ohne besondere Qualifikationen zu schaffen, das ist aus meiner Sicht die wichtigste gemeinsame Aufgabe abseits des Wahlkampfgetümmels, mit dem wir es jetzt zu tun haben.
Zukunftsweisende Integrationspolitik kann nicht darin bestehen, die Bundesmittel für Integrationsmaßnahmen um 40 Millionen € zu kürzen, wie Innenminister Schäuble das gerade plant.
Das lohnendste Ziel für einen bundesweiten Integrationsgipfel aller politischen Kräfte, der gerade vorgeschlagen wird, sehe ich darin, Lösungen für Integration durch Arbeit zu suchen. Dazu gehört auch ein Ende von Kettenduldungen, die manche Familien seit über 30 Jahren vom Arbeitsmarkt fernhalten.
Dazu gehört aber auch ein Konzept für Geringqualifizierte, egal ob sie Deutsche oder Einwanderer sind. Jeder, der wo auch immer mit anpacken kann, muss dazu in Zukunft auch die Chance haben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Wansner! Vielen Dank für diese gut vorgelesene „spontane“ Kurzintervention! Ich finde, Sie sollten Ihre Neidkomplexe gegenüber Herrn Buschkowsky nicht immer so öffentlich ausleben. Das bringt uns alle nicht weiter.
Wenn Sie ernsthaft glauben, dass Bezirkspolitik das Problem der Arbeitslosigkeit lösen könnte, dann wundert es mich, dass Ihre Fraktion Sie zum migrationspolitischen Sprecher gemacht hat. Aber das steht auf einem anderen Blatt.
Wir haben mit den Mitteln, die wir in der Bezirkspolitik beschicken können – das ist eigentlich ein Thema für die BVV –, das erreicht, was möglich ist, und das ist mehr als in manchen anderen Bezirken. Wir haben aus Bezirksmitteln ein ganzes Haus für Sprachkurse eingerichtet, damit wir diese bedarfsgerecht anbieten können, wir haben Schulstationen aus Bezirksmitteln bezahlt, und wir sind der erfolgreichste Bezirk im Bereich des Schul- und
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und zwar insbesondere für Konflikt- und Gewaltprävention. Gleichzeitig ist ein Umdenken in der Lehrerausbildung unausweichlich. Mehr Praxisanteile, individuelle Förderung, gezielte Vorbereitung auf Klassen in sozial benachteiligten Gebieten oder mit hohem Migrantenanteil und somit auch mehr interkulturelle Kompetenzen – das und vieles mehr muss als fester inhaltlicher Bestandteil in der Lehrerausbildung verankert werden.
Chancengerechtigkeit und Teilhabe aller an guter Bildung muss der Schwerpunkt aller Bildungseinrichtungen sein, denn gut ausgebildete junge Menschen mit Perspektive neigen weniger zu Extremismus und Gewalt. Wir müssen uns auch von dem Gedanken verabschieden, dass wir in manchen Bezirken eine soziale oder ethnische Durchmischung hinbekommen. Wir müssen uns damit abfinden, dass wir in manchen Quartieren mit herkömmlichen Unterrichtsmethoden – auch mit Frontalunterricht – nicht weiterkommen. Deshalb sind wir der Auffassung, dass sich Schulen öffnen müssen. Sie müssen sich hin zum Sozialraum und zur Nachbarschaft öffnen, und dabei müssen sie personell und finanziell unterstützt werden.
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Herr Böger! Aus diesem Grund brauchen wir mehr echte Ganztagsschulen – nicht nur Ganztagsschulen, die dieses Etikett tragen, sondern Ganztagsschulen, in denen Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher mehr Zeit haben und für jedes einzelne Kind da sein können. An diese Schule gehören auch Eltern, Künstler, Handwerker, Theaterpädagogen genauso wie Erzieher, Schulpsychologen, Sozialpädagogen und andere Professionen, wie meine Kollegin Klotz bereits angemahnt hat.
Sportstättensanierungsprogramms. Wir haben eine Städtepartnerschaft mit der Türkei geschaffen, und diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Das ist auch der Grund dafür, warum die Zählgemeinschaft mit den Grünen und der PDS in Neukölln tadellos funktioniert, weil wir nämlich gute und fundierte Integrationspolitik machen. Da werden Sie noch eine ganze Weile in der Opposition bleiben. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der vorliegenden Großen Anfrage beschäftigt uns letztlich ein altes Thema, Herr Ratzmann, und keines, das hochgekommen wäre, weil die Gelegenheit günstig schien. Es beschäftigt uns ein altes Thema – die CDU weiß hiervon auch ein Lied zu singen –, dem letztlich auch eine Glaubensfrage zu Grunde liegt.
Eine Grundthese der linken Kritik am Strafvollzug lautet: Mehr Haftplätze bedeuten auch mehr Gefangene, weil mehr Haftplätze den Druck wegnehmen, der den Verantwortlichen auch andere Lösungen nahe legt. – Diese These verdient es auch, ernst genommen zu werden. Aber als Ansatz für verantwortliche Politik greift sie in unserer Situation deutlich zu kurz.
Zunächst müssen wir die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass wir bei den Haftzahlen sei 10 Jahren mit jährlichen Steigerungsraten von 3 % konfrontiert sind.
Für diese Entwicklung gibt es verschiedene Gründe. Zunächst einmal – und vor allem – sehe ich sie als einen Ausdruck der gesellschaftlichen Probleme, die uns in allen Politikfeldern zu schaffen machen: Arbeitslosigkeit und ihre Folge soziale Desintegration sind eine Ursache für kriminelles Verhalten, aber übrigens kein Anlass und schon gar keine Entschuldigung, kriminell zu werden.
Zum Zweiten sind gestiegene Haftzahlen – auch da hat Herr Ratzmann Recht – ein Ergebnis der Entwicklung von Strafgesetzgebung und Rechtsprechung. Die Strafrechtsnovellen der letzten 15 Jahre sehen härtere Strafen für Körperverletzungsdelikte, Wirtschaftsdelikte und Sexualdelikte vor. Außerdem ist die fortgesetzte öffentliche Debatte, die mehr Härte fordert, bei Straf- und Jugendrichtern nicht ohne Wirkung geblieben.
Dazu kommen Fortschritte bei der Strafverfolgung, zum Beispiel durch die Intensivtäterabteilung bei der Staatsanwaltschaft. Ich sage deutlich: Die SPD begrüßt diese Entwicklung. Sie war im Interesse der Sicherheit unserer Stadt notwendig.
Sie hat aber auch Konsequenzen für die Belegungszahlen. Mit diesen Konsequenzen müssen wir fertig werden. Das muss auch die CDU sehen. Dabei handelt es sich durch
aus um eine zentrale und spannende Aufgabe für die Rechtspolitik.
Das Beispiel der USA lehrt, dass eine höhere Zahl von Haftplätzen nicht mehr Sicherheit bringt, aber die Gefahr neuer Abhängigkeiten birgt. In einem Land, in dem inzwischen 2 % der erwachsenen Männer inhaftiert sind, wird der Justizvollzug auch zum Wirtschaftsfaktor. Eine solche Entwicklung wollen wir nicht, und es gilt, ihr rechtzeitig vorzubeugen. Das ist aber auch möglich.
Die Lösungsansätze sind vielfältig. Auf der Hand liegt dabei, dass wir die Möglichkeiten eines behandlungsorientierten Vollzugs voll ausschöpfen müssen. Wir brauchen eine optimale Vollzugsplanung, mit dem Ziel, möglichst viele Personen vorzeitig zu entlassen, die auf ein Leben in Freiheit ohne Straftaten auch vorbereitet sind. Der entscheidende Grund für diese Zielsetzung ist übrigens nicht die Haftvermeidung, sondern die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Es ist ungleich besser, einen Straftäter auf ein Leben ohne Verbrechen einzustellen, als ihn bis zum Entlassungstermin wegzusperren. Der reine Verwahrvollzug wird weder dem Sanktionsgedanken ausreichend gerecht, noch ist er erfolgreich bei der Prävention. Berlin hingegen ist erfolgreich auf dem Weg der Resozialisierungen. Der bundesweit höchste Anteil am offenen Vollzug ist eine Erfolgsbilanz, Frau Schubert.
Neben der ergebnisorientierten Anwendung des Strafvollzugsgesetzes geht es außerdem um die Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Haftvermeidung. Auch auf diesem Gebiet, Herr Ratzmann, arbeitet Berlin erfolgreich. Durch Programme wie „Schwitzen statt sitzen“ konnten im vergangenen Jahr knapp 400 Haftplätze eingespart werden. Dieses Ergebnis verdient Anerkennung. Es ist aber nicht beliebig auszuweiten. Nicht jeder eignet sich für solche Programme. Und schließlich dürfen wir nicht anstehen, auch gegenüber dem Bundesgesetzgeber – und das geht an die Adresse der CDU – das politisch Notwendige zu fordern. Herr Gram! Das deutsche Strafrecht braucht auch ein Korrektiv zu den Verschärfungstendenzen der vergangenen Jahre.
Wir müssen dringend den Strafrechtlern flexiblere Werkzeuge an die Hand geben, und zwar durch ein modernes Sanktionenrecht z. B. zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen. Es könnte dann bei Straftaten mit niedriger Straferwartung auch mit größerer individueller Wirkung bestraft werden. Der Verlust des Führerscheins trifft manchen härter als ein halbes Jahr hinter Gittern, und dann muss das auch möglich sein.
Die Initiative der Bundesregierung zu diesem Thema ist bisher aber immer an der CDU gescheitert. Ich rufe Sie also auf, Herr Gram, statt einfallslos mehr vergitterte Fenster in Berlin zu fordern, sich gemeinsam mit uns für eine Reform des Sanktionenrechts stark zu machen.
Kommen Sie mit ins Boot – öffentlich und auch auf Bundesebene!
Wenn sich aber herausstellt, dass alle diese Maßnahmen nicht ausreichen, dann wird die Schaffung zusätzlicher Haftplätze unumgänglich – im schlechtesten Fall auch durch einen Neubau. Die SPD hat kein Interesse an einem Gefängnisneubau. Wir wären glücklich über eine Möglichkeit, die anfallenden Millionenbeträge anderweitig zu verwenden. Wir halten den Neubau aber trotzdem für unumgänglich. Spätestens seitdem die Rechtssprechung Klarheit darüber hergestellt hat, dass eine dauerhafte Mehrfachbelegung von Hafträumen gegen die Menschenwürde verstößt, ist auch der Verzicht auf einen Neubau mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden. Berlin kann zurzeit nicht nachweisen, dass dauerhafte Mehrfachbelegungen mit den Bordmitteln, die die Senatsverwaltung für Justiz hat, zu vermeiden ist. Die Möglichkeiten zur Schaffung neuer Haftplätze im Bestand – z. B. durch den Umbau des alten Haftkrankenhauses in Moabit – und zur Haftvermeidung reichen nicht hin und nicht her.
Wir leben in der Gefahr, dass wir erhebliche Schadenersatzleistungen zahlen oder vorzeitige Entlassungen von Gefangenen vornehmen müssen, die wir nicht menschenwürdig unterbringen können. Diese Situation gilt es im Interesse der Berliner Justiz insgesamt zu vermeiden. Die Höhe von Schadenersatz ist nicht kalkulierbar, und öffentliche Debatten über verurteilte Straftäter auf freiem Fuß sind schädlich für den Strafvollzug und für das politische Klima insgesamt. Das gilt es zu vermeiden.
Die Große Anfrage der Grünen unterstellt hingegen, dass der Senat nicht alle bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft hat. Nun ist es das gute Recht der Opposition, die Regierung mit einer solchen Unterstellung zu konfrontieren. Die Verantwortung für die Sicherheit der Berlinerinnen und Berliner und für die Sicherheit des Strafvollzugs trägt aber nicht die Opposition, sondern der Senat. Die Fragen der Grünen und zum Teil auch der FDP im Rechtsausschuss und im Hauptausschuss haben wir mehrfach erörtert und allesamt beantwortet.
Der Hauptausschuss spielt dabei eine wichtige Rolle, denn es geht bekanntlich um erhebliche Summen. Die Fragen werden auch heute noch einmal erneut beantwortet. Geduld ist eine große Stärke dieser Senatsverwaltung, wie sie insbesondere gegenüber der CDU ein ums andere Mal unter Beweis stellt.
Herr Ratzmann! Es ist doch klar, dass wir ein weiteres Zuwarten nicht verantworten können. Schon die Berliner Gerichte werden angesichts rechtswidriger Überbelegung keine Erklärungen akzeptieren, die darauf hinauslaufen, man müsse erst einmal das Ergebnis neuer Studien, Erhebungen, Prognosen oder Umfragen abwarten. Wir müssen jetzt beweisen, dass wir alles Notwendige tun, um den
eingetretenen Missstand zu beheben und für die Zukunft Vorsorge zu treffen.
Wenn ein Gefängnisneubau zu diesen Notwendigkeiten gehört, dann wird die SPD-Fraktion ihrer Verantwortung gerecht werden und diese Entscheidung mittragen. Berlins Sicherheit ist das falsche Feld für Experimente. – Vielen Dank!
Danke, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:
1. Wie konnte der inhaftierte Ismail F. am 20. Oktober 2005 flüchten, und warum ist er bei der Ausführung nur von einer Sozialarbeiterin begleitet worden?
2. Welche Konsequenzen sind aus diesem Vorfall gezogen worden?
Verstehe ich Sie richtig, Frau Senatorin, dass auch künftig männliche Inhaftierte von weiblichen Vollzugsbediensteten bei Vollzugslockerungen begleitet werden?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die so genannten Schülergerichte oder – wie es im angelsächsischen Sprachraum heißt – teen courts sind sicherlich eine interessante Idee, mit der auseinanderzusetzen es sich auch in Berlin lohnt. Ich bin sicher, dass wir diese Idee im Rechtsausschuss sachgerecht und wohlwollend prüfen werden. Sie ist für Berlin zunächst
einmal neu, sie ist in gewisser Weise auch dem, was üblicherweise im deutschen Rechtssystem praktiziert wird, etwas fremd. Der amerikanisch-englische Gedanke, dass die sozial Gleichgestellten, die „peers“, sich an der Rechtsprechung beteiligen oder diese verantwortlich in die Hände nehmen, spielt sicherlich eine große Rolle. Das heißt aber nicht, dass sich so etwas nicht auch bei uns einführen ließe, wo es sinnvoll ist und gute Ergebnisse bringt.
Als Einrichtung könnten diese Schülergerichte – sowohl was Aufklärungs- und Aha-Effekte in Bezug auf das Rechtssystem angeht als auch bezüglich konkreter Ergebnisse – eine Lücke schließen zwischen den Jugendgerichtshäusern, von denen wir drei in Berlin haben und die eine ausgezeichnete Aufklärungsarbeit in der Jugendszene machen, und dem eigentlichen Strafverfahren, das dem Verständnis junger Menschen oft weitgehend enthoben ist. Trotzdem gilt es natürlich, dabei das notwendige Augenmaß einzuhalten. Bestimmte Dinge gehen nicht, und auch die Vorstellung, dass Schüler über Gleichaltrige richten, ist im eigentlichen Sinne nicht haltbar und funktioniert so ja auch in Bayern nicht, wie mir Herr Meyer sicherlich bestätigen wird.
Es ist wohl klar, dass solche Schülergerichte einen echten Richter nicht ersetzen können, nicht ersetzen dürfen, sondern dass es darum geht, Bedingungen zu formulieren, unter denen solche Gerichte sich sinnvoll einbringen könnten. Dazu gehört, dass der Sachverhalt absolut klar sein muss – es kann nicht noch Ermittlungstätigkeit notwendig werden –, dazu gehört die Freiwilligkeit aller Beteiligten. Nicht nur die Schülerinnen und Schüler, die zu Gericht sitzen, sondern auch diejenigen, die sozusagen vor Gericht stehen, müssen mit den Ergebnissen und dem Verfahren an sich einverstanden sein, und es gehört unbedingt dazu, dass die Staatsanwaltschaft zu jedem Zeitpunkt die Hoheit über das Verfahren behält, denn nur die Staatsanwaltschaft kann entscheiden, ob die Ergebnisse dergestalt sind, dass sie nach der geltenden Rechtslage das Verfahren einstellen kann. Das sind Grundbedingungen, um die man nicht herumkommt.
Außerdem gilt zu prüfen, ob das Verfahren als solches besser geeignet ist als Verfahren, die wir in Berlin bereits praktizieren, insbesondere die Diversion, also der konkrete Zugriff auf den Straftäter mit einer bestimmten Auflage, mit einer bestimmten Wiedergutmachungsmaßnahme, die ebenfalls unter der Oberhoheit der Staatsanwaltschaft steht. Diese ist sicherlich auch ein geeignetes Mittel, und auch da gilt es im Einzelfall zu entscheiden, was das bessere Mittel wäre.
Schließlich müssen wir auch einen Blick auf die Kosten richten, Herr Meyer, da werden Sie mir zustimmen. Wir können kein System einrichten, das unvertretbar hohe neue Kosten für die Berliner Justiz produzieren würde.
Wenn alle diese Fragen geklärt sind – und wir werden sie im Ausschuss diskutieren –, kann ich mir vorstellen, dass wir in Berlin einen solchen Versuch wagen. Das
werden wir unter den Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitikern dieser Stadt zu entscheiden haben. Wenn wir der Auffassung sind, dass diese Ergänzung der Jugendgerichtshäuser und der Strafverfahren sinnvoll wäre, können die Schülergerichte etwas sein, von dem alle Beteiligten profitieren – sowohl diejenigen, die auf der Entscheiderseite daran beteiligt sind, weil sie ein tieferes Verständnis für ein Strafverfahren wie auch für die Ansprüche bekommen, die das Recht an alle Beteiligten stellt, und auch diejenigen, die vor Gericht stehen, weil sie möglicherweise das Gefühl haben, weniger ausgeliefert zu sein und ein Urteil von Personen zu erhalten, die die Dinge ähnlich wie sie selbst beurteilen. Wir werden das diskutieren, das ist eine interessante Anregung, ich bin selbst gespannt, was dabei herauskommt. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der FDP-Antrag lässt sich auf vier Forderungen zusammenfassen. Sie wollen eine Liste der Verwaltungsvorschriften, die stark vereinfacht werden oder wegfallen können; Sie wollen eine Liste entsprechender Gesetze; Sie wollen eine Expertenkommission zur Erstellung dieser Liste; Sie wollen eine bundes- und europarechtliche Initiative. – Den letzten Punkt lasse ich beiseite. Wenn die FDP auf Bundes- oder Europaebene etwas ändern will, dann bitte über die Länder, in denen sie mitregiert. Verschonen Sie uns hier mit Ihren Vorschlägen.
Weil nur schwer nachvollziehbar ist, dass die Berliner Wirtschaft so schrecklich unter der Vorschriftenlast und der Bürokratie leidet, wenn man sich klar macht, dass bei dem zuständigen Senator ein kleines, rotes Telefon steht, wo jeder anrufen kann, der sich belastet fühlt. Sie müssen die Gelegenheiten, die wir vorhalten, wahrnehmen!
Wir könnten es uns einfach machen und sagen: Dieses Abgeordnetenhaus hat die entsprechenden Vorschläge bereits abgearbeitet. Es gibt eine Liste aller in Kraft befindlicher Verwaltungsvorschriften, Drucksache 15/4147. Einfach nachlesen! In Bezug auf Gesetze hat der Verwaltungsreformausschuss eine sinnvolle Regelung im Geschäftsgang. Wir wollen nicht nur eine Folgenabschätzung, wie die FDP vorschlägt, sondern eine regelmäßige Evaluierung aller Gesetze. Die Grundlage ist übrigens ein FDP-Antrag, der im Verwaltungsreformausschuss geheilt werden konnte.
Im Hinblick auf Experten sind wir reich gesegnet. Wir haben angefangen mit der Scholz-Kommission, deren Vorschläge in vielen Bereichen Grundlage der Senatspolitik geworden sind. Und es gibt – von der Senatskanzlei eingesetzt – eine unabhängige Normprüfungskommission, die in den ersten zwei Jahren ihrer Existenz 70 Gesetze durchgearbeitet und außerordentlich sinnvolle Vorschläge gemacht hat. Wir haben also alles erledigt durch tätiges Handeln.
In Wirklichkeit geht es aber um etwas anderes. Die FDP begründet ihren Antrag im ersten Satz mit den Worten: „Berlin ist völlig überreguliert und dementsprechend überbürokratisiert.“ – Einen Beleg für diese These bleiben Sie schuldig. Das wäre auch schwierig zu belegen angesichts von allein sieben Gesetzen zur Aufhebung von Rechtsvorschriften – das letzte umfasst 97 Einzelpunk- te –, schwierig angesichts erheblicher Anstrengungen zum Bürokratieabbau, zur Verfahrensvereinfachung – zum Beispiel im Baurecht, zum Beispiel bei der Justiz, zum Beispiel in den Bezirken – und außerordentlich schwierig angesichts des massiven Stellenabbaus im öffentlichen Dienst; die Betroffenen müssen solche Formulierungen als blanken Hohn empfinden. Nein, Regelwerke, die letztlich nur dem Beharrungsvermögen der Bürokratie dienen, sind in Berlin schon weitgehend verschwunden.
Die Schwierigkeit der Belegbarkeit zeigt sich auch noch an einer ganz anderen Stelle, Sie haben eben darauf hingewiesen. Der zuständige Staatssekretär im Saarland, Herr Mühlenbach, hat im Verwaltungsreformausschuss stolz vorgetragen, das Saarland habe von 3 346 Verwaltungsvorschriften 2 229 aufgehoben. Verbleiben nach Adam Riese 1 117. Ich gebe zu, in Berlin sind seit Juli 1998, seit dem Zweiten Verwaltungsreformgesetz, nur 229 Vorschriften außer Kraft getreten. Die Frage ist, wie viele dann übrig bleiben. Wenn Sie sich die Liste durchlesen, die seit August auf dem Tisch liegt, können Sie feststellen, dass in Berlin exakt 362 Verwaltungsvorschriften in Kraft sind – 362 Verwaltungsvorschriften in einer 3,5Millionen-Einwohner-Stadt gegenüber 1 117 in dem 700 000-Einwohner-Land Saarland. Von Überregulierung und Überbürokratisierung kann da nun wirklich keine Rede sein. Ich rate Herrn Mühlenbach: Bleiben Sie im Saarland! Da ist noch viel zu tun!
Wenn man sich diese Verhältnisse vor Augen führt, dann kann man mit Fug und Recht sagen, der FDP-Antrag lässt sich letztlich reduzieren auf die staatsfeindliche Ideologie der FDP, mit der sie immer wieder vorstellig wird. Die SPD hat einen anderen Ansatz. Wir wollen den funktionierenden Rechtsstaat, und dazu gehören auch Regeln, die die Rechte der Betroffenen, die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, schützen. Dazu gehört auch, dass man diese Regeln regelmäßig überprüft und diejenigen, die nicht mehr tauglich sind, außer Kraft setzt. Genau das haben wir getan. Wir werden deshalb für die Fortsetzung einer Verwaltungsreform mit Augenmaß, mit einem Blick für die Rechte der Menschen, eintreten. Die FDP und ihr Antrag leisten dazu bedauerlicherweise keinen Beitrag.
Deswegen werden wir den Antrag ablehnen. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Frage richtet sich an Frau Senatorin Schubert. Frau Senatorin! Trifft es zu, dass es sich bei dem Täter, der in Zehlendorf einen siebenjährigen Jungen auf dem Gewissen hat, um einen jugendlichen Intensivtäter handelt? Wie beurteilt der Senat den Umstand, dass dieser Täter offenbar trotz Haftbefehls auf freiem Fuß war?
Man darf sich nicht wenige aussuchen und diese dann wiederum hochrechnen. Das ist keine solide Arbeit. Deshalb sage ich hier: Ich halte diese Zahlen nicht für nachvollziehbar.
Schönen Dank, Herr Präsident! – Lässt sich unter anderem an der Arbeit der Sonderabteilung bei der Staatsanwaltschaft ablesen, dass Berlin Fortschritte dabei gemacht hat, besonders gefährliche Straftäter möglichst effektiv aus dem Verkehr zu ziehen?
Danke, Herr Präsident! – Herr Senator Körting! Da die Opposition die Gefahren, die von dem Reiseschutzpassverfahren ausgehen, so deutlich profiliert in den Vordergrund stellt und dabei den Eindruck zu erwecken versucht, der Senat sei untätig, habe ich noch einmal eine Nachfrage zur Klarstellung: In welchem Umfang findet nach Ihrer Einschätzung heute noch Schleuserkriminalität auf Grundlage von Reiseschutzpässen statt? Ist der Kriminalitätsanfall aus Ihrer Sicht geeignet, die Einrichtung einer Sonderermittlungsgruppe beim LKA zu begründen?
Vielen Dank! – Eine Frage an Herrn Senator Dr. Körting! – Wie beurteilt der Senat die Bedeutung der Festnahme des Mahmoud A., der sich selbst als „Präsident“ bezeichnet, für die Bekämpfung der Kriminalität in Berlin?
Die Nachfrage lautet: Warum war es in der Vergangenheit nicht möglich, Mahmoud A. nach seiner letzten Festnahme in die Türkei abzuschieben?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, gestatten Sie mir ein persönliches Wort: Es freut mich, dass gerade die SPD die Stellungnahme des Senats heute als ihre Priorität angemeldet hat. Es freut mich deshalb, weil es zum Ausdruck bringt, dass die SPD-Fraktion trotz oder gerade wegen gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten dem Datenschutz und der Informationsfreiheit eine große Bedeutung beimisst. Es freut mich, weil es mir die Gelegenheit gibt, einem Mann zu danken, der durch seinen jahrzehntelangen Einsatz für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Berlin die Grundrechtepolitik in unserer Stadt maßgeblich mit geprägt hat.
Herr Prof. Garstka, Sie sind für den Datenschutz ein Mann der ersten Stunde. Nach dem Volkszählungsurteil, mit dem das Bundesverfassungsgericht 1983 das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung definiert hat, haben Sie sechs Jahre lang den Datenschutz in Berlin mit aufgebaut, bis Sie 1989 selbst an die Spitze Ihres Hauses getreten sind. Seit 16 Jahren sind Ihre Mahnungen, aber auch Ihre konstruktiven Beiträge im Interesse der Bürgerrechte ein fester Bestandteil der Berliner Politik.
In Ihre Amtszeit fielen die großen Herausforderungen, die sich aus dem Zusammenwachsen Berlins ergaben. Es
Herr Garstka, für die Aufgaben, die vor Ihnen liegen, wünsche ich Ihnen Glück und Erfolg. Für dreieinhalb Jahre guter Zusammenarbeit danke ich Ihnen ganz persön
lich. Dass der Unterausschuss Datenschutz – abgesehen von gelegentlichen Grundsatzerklärungen der FDP, die der Ausschuss aber stets mit Wohlwollen zur Kenntnis nimmt –
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine SPD-typische Anekdote der Marke „neulich am Info-Stand“. Wir von der SPD lieben solche Geschichten, sie dokumentieren Volksnähe.
Warum erzähle ich das? – Der Satz zeigt zweierlei. Erstens, dass in der Bevölkerung vollkommen unrealistische Vorstellungen vom Einkommen von Politikerinnen und Politikern herrschen, und zweitens, dass vielfach unterstellt wird, Politiker hätten gar keine andere Motivation als die materielle. Ihre Vorlage, Herr Ratzmann, ist genau in demselben Geist geschrieben. Damit beginnt meine Kritik an Ihrem Ansatz.
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In Ihrer Begründung akzeptieren Sie die Vorurteile als Arbeitsgrundlage, anstatt ihnen entgegenzutreten und selbstbewusst auf den Wert der Arbeit zu bestehen, die wir leisten. Mutmaßungen, wie Sie in Ihrer Begründung schreiben, über Verflechtungen und Überlastungen, kann man auch durch noch so viel Transparenz nicht ausräumen.
winn und Verlust im letzten Jahr nicht beteiligt war. Ich werde dieses Jahr an Gewinn und Verlust beteiligt sein. Ich habe dieses Jahr schon 6 000 Euro aus meiner Kanzlei bekommen, und ich habe kein Problem damit, zu sagen, dass ich noch Anteile an einem Difa-Rentenfonds ungefähr in Höhe von 35 000 Euro habe und dass ich da auch noch ein paar Dividenden – –
Ja, was soll’s, wo ist das Problem? – Das kann doch jeder wissen! Natürlich stehen wir alle im Licht der Öffentlichkeit, und natürlich weiß jeder, was Herr Wowereit verdient. Da ist von Interesse, dass er an den Ku’damm zieht und nicht mehr in Lichterfelde wohnt.
Meinetwegen auch in Lichtenrade! – Das alles wird breit in der Öffentlichkeit diskutiert, da hat auch niemand ein Problem, seine Witzchen darüber zu machen, wie er sich auf irgendeiner Gala verhält und mit wem er dorthin geht. Aber wenn wir offen legen sollen, wie unser Bankkonto aussieht, dann wir es heikel; wenn es ans Portemonnaie geht, da soll niemand heran.
Deswegen sage ich: offen legen, Transparenz für alle, da schaut einmal jemand darauf, und dann hat er es auch ganz schnell wieder vergessen, aber jeder hat die Möglichkeit, nachzuvollziehen, für wen und für welche Interessen die Leute hier im Parlament sitzen und wie sie gebunden sind. Je offener wir das Ganze handhaben, um so weniger Missbrauch wird damit getrieben.
Um einem Argument vorzubeugen, das immer gern von Herrn Gaebler kommt, zum Datenschutz: Wir haben mit dem Datenschutzbeauftragten gesprochen, Herr Gaebler. Keiner hat ein Problem mit dem Datenschutz in diesem Bereich, alle sagen, das ist mit dem Datenschutz sehr wohl vereinbar, wenn Abgeordnete das offen legen und dazu verpflichtet werden, ihre Einkünfte zu offenbaren.
Das hat mit dem Steuergeheimnis nichts zu tun, lieber Herr Gaebler!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die mit dem Vorhaben verbundenen Fragen, ein Neutralitätsgesetz für Berlin zu schaffen, sind für eine detailreiche Feinschmeckerdebatte unter Staatsrechtlern wie geschaffen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Unterscheidung zwischen positiver und negativer Religionsfreiheit, die Fragen nach Beamtenrechten und -pflichten, die Unterscheidung zwischen Schmuck und weltanschaulichen Symbolen, die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Tätigkeit, all das lässt sich mit großem juristischem Scharfsinn lange, ausführlich und sehr wahrscheinlich ergebnislos diskutieren. Das ist nicht unser Ansatz!
Für die SPD-Fraktion ist der Streit um ein Neutralitätsgesetz, vulgo Kopftuchgesetz, vor allem der Ausdruck eines gesellschaftlichen Problems. Wie gehen wir damit um, dass in unserer Zeit erstmals deutsche Muslime in Berufe drängen, mit deren Auftrag die extremen Ideologien des so genannten politischen Islam unvereinbar sind? – Klar ist, eine Ideologie, die den Islam auf die Unterordnung der Frauen, die Unterordnung des Staates unter die Scharia und eine wortgetreue Auslegung des Koran reduziert, darf die Autorität des Staates nicht für sich in Anspruch nehmen.
Die Stadt Berlin, in der so viele Muslime leben, muss insbesondere diejenigen vor autoritärer Einflussnahme schützen, die im Fokus islamistischer Bestrebungen stehen: die einfachen Leute in den von Zuwanderungen geprägten Innenstadtquartieren, die Kinder und Jugendlichen gerade an Grund- und Hauptschulen. Klar ist auch, dass das, was wir tun, mit dem Grundgesetz und der Verfassung von Berlin in Einklang stehen muss.
Sen Böger
Aus diesem Grund sind wir als einziges Land mit Regierungsbeteiligung der SPD den unbequemen Weg gegangen, der erforderlich war. In kameradschaftlicher Atmosphäre, aber mit inhaltlicher Schärfe haben wir den Streit mit dem Koalitionspartner geführt. Auch haben wir uns nicht gescheut, die notwendige Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu ziehen, das für eine Dienstpflicht zu weltanschaulicher Neutralität im Auftreten die Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften voraussetzt. Dieser Punkt aber musste zwingend auch eine Auseinandersetzung mit der Kirche zur Folge haben.
Wir haben uns für den Diskussionsprozess über die gesellschaftliche Bedeutung der Debatte die notwendige Zeit gelassen. An ihrem Ende steht ein Gesetz mit einer klaren Aussage.
Ja, Herr Ritzmann, wir machen klare Aussagen. Wir machen keine Entschließungen, in denen wir sagen, dass wir Gesetze schlecht finden. Wenn wir sie schlecht finden, dann lehnen wir sie ab.
Wollen Sie jetzt grundsätzlich dazu übergehen, Ihre Wortbeiträge als Entschließungen einzubringen? – Sehr merkwürdiges Verfahren, Herr Ritzmann! –
Nein, unser Gesetz hat eine klare Aussage: Überall dort, wo Beamte und Angestellte des Landes Berlin – ausgestattet mit staatlicher Autorität – dem Bürger gegenübertreten, müssen sie in ihrem äußerlichen Auftreten weltanschauliche Neutralität wahren. Wir lassen dem Einzelnen aber einen Spielraum zu entscheiden, wann die Grenze zwischen zulässigem Schmuck und unzulässiger Bekundung überschritten ist.
Unsere Aufgabe ist es nicht, Herr Mutlu, mögliche Konflikte zwischen Dienstaufsicht und Mitarbeitern für jeden Einzelfall im voraus zu klären.
Von der Haltung der CDU unterscheiden wir uns nicht nur in unserem Anspruch, das Gleichbehandlungsgebot des Verfassungsgerichts ernst zu nehmen. Wir haben den Ehrgeiz, die Frage staatlicher Neutralität über den Bereich der Schule hinaus auch für Polizei und Justiz zu entscheiden. Ihr Vorschlag, Herr Henkel, das Kopftuchverbot des Schulgesetzes von Baden-Württemberg zu übernehmen, wird den Berliner Verhältnissen nicht gerecht. Der Berliner Staat steht – anders als Baden-Württemberg – nicht in der Tradition des Pietismus.
Wir knüpfen an die Tradition von Aufklärung und Toleranz an. Wo jeder nach seiner Façon selig werden darf, hat der Staat sich in Zurückhaltung zu üben.
Auch in diesem Sinne nehmen wir den Föderalismus ernst. Wir sind stolz auf die Werte, die der Verfassung von Berlin zu Grunde liegen: Aufklärung, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit.
Das von der Regierungskoalition formulierte Gesetz dient dem Schutz und der Ausgestaltung dieser Werte. Wir wünschen uns eine fortgesetzte Diskussion über die Kraft der Werte einer freiheitlichen Demokratie, über ihre Vielseitigkeit und ihre Verbindlichkeit in einer Zuwanderungsgesellschaft. Das hohe Gut der Religionsfreiheit werden wir nicht preisgeben. Wir verpflichten Berlins Lehrerinnen und Polizisten, Richterinnen und Staatsanwälte zu Zurückhaltung und Neutralität, um diese Freiheit zu schützen. Es wäre ein wichtiges Signal, wenn sich eine breite Mehrheit dieses Hauses für den von der SPD beschrittenen Weg entscheidet. Gehen Sie diesen Weg mit uns mit!
Den Berlinerinnen und Berlinern islamischen Glaubens möchte ich bei dieser Gelegenheit ein frohes und besinnliches Opferfest wünschen. Ihnen, meine Damen und Herren, danke ich für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Abgeordnetenhaus wird heute erstmals ein Gesetz verabschieden, das in seiner Konsequenz die Möglichkeit schafft, Vollzugspolizistinnen und -polizisten nicht als Beamte, sondern als Angestellte in den Landesdienst zu übernehmen. Die Einwände der Opposition gegen dieses Verfahren sind unterschiedlicher Natur. Neben verfassungsrechtlichen Bedenken wird eingewandt, die vorgesehene Teilzeitbeschäftigung sei unzumutbar und biete den betroffenen Anwärtern nicht die notwendige Sicherheit. Zum anderen wird vor dem Einstieg in eine Polizei zweiter Klasse gewarnt. Nur der letzte Einwand ist von allgemeinpolitischem Interesse. Ich möchte mich deshalb in diesem Kreis auf die originär politische Fragestellung konzentrieren.
Trotzdem sollen die erstgenannten Kritikpunkte nicht übergangen werden. Die SPD-Fraktion nimmt sie ernst.
Zum verfassungsrechtlichen Konflikt deshalb zunächst so viel: Artikel 33 des Grundgesetzes wäre verletzt, wenn die Beschäftigung der Angestellten nicht als Ausnahme, sondern als reguläres Verfahren anzusehen wäre. Wir gehen aber fest davon aus, dass erstens die geringe Zahl der Betroffenen, zweitens die feste Zusage der Übernahme in ein Beamtenverhältnis und drittens die Befristung der Rechtsgrundlage bis 2008 den Ausnahmecharakter ausreichend begründen. Wir sind deshalb überzeugt, dass unser Vorhaben dem Grundgesetz entspricht.
Was die Zumutbarkeit des Angebot betrifft, so stehen wir vor der einfachen Alternative: Übernehmen wir 300 Anwärterinnen und Anwärter, so wie es uns der Solidarpakt ermöglicht, in volle Stellen, oder übernehmen wir 450 von ihnen, die dann nur in Teilzeit als Angestellte tätig werden können? – Für die SPD-Fraktion ist die Antwort eindeutig: Wir sehen in der geplanten Übernahme eine Chance für 150 weitere junge Polizistinnen und Polizisten, in dem erlernten Beruf und in Berlin Dienst zu tun.
Die nahtlose Übernahme aus der Ausbildung heraus ist auch zu den eingeschränkten Bedingungen, die damit verbunden sind, dem Berufswechsel, dem Ortswechsel oder gar der Arbeitslosigkeit vorzuziehen. Wer diese Lösung ablehnt, muss auch zu der Konsequenz stehen, dass er 150 Anwärterinnen und Anwärtern der Berliner Polizei eine große Chance nehmen wird.
So bleibt eine Frage, die auch in der SPD-Fraktion eingehend diskutiert worden ist: Die Sorge, dass eine Regelung wie diese dem Einstieg in eine preiswertere, mit weniger Kompetenzen ausgestattete Polizei zweiter Klasse Vorschub leisten könnte, erscheint zunächst berechtigt.
Deshalb sage ich klipp und klar: Die SPD verfolgt kein solches Ziel. – Gerade um eine derartige Entwicklung auszuschließen, haben wir den bezirklichen Ordnungsdienst, anders als zum Beispiel in Frankfurt/Main, nicht mit polizeilichen Rechten ausgestattet. Im leider zurzeit schwarz-regierten Hessen können Ordnungsbeamte Haftbefehle vollstrecken. So etwas wollen wir nicht. Aus dem gleichen Grund haben wir eine maßgeschneiderte Lösung für den Ausbildungsjahrgang 2004 gesucht und gefunden. Deshalb wird die Abschaffung der Norm zum Jahresende 2008 in der ASOG-Änderung gleich mitgeregelt. Eine Billigpolizei, wie den schwarz-gelben Ordnungsdienst in Hessen, wird es mit uns nicht geben.
Deshalb zum Schluss ein Appell: Akzeptieren Sie die bestmögliche Lösung und helfen Sie uns, diese Chance zu nutzen – im Interesse von 150 jungen Polizistinnen und Polizisten und im Interesse der Sicherheit unserer Stadt. – Vielen Dank!
Nein, das gestatte ich jetzt nicht. – also mehrere Tage, bevor die Justizverwaltung damit an die Öffentlichkeit ging. Damit konnte Herr Braun dann doch überraschen, denn das war tatsächlich geradeheraus bewusst die Unwahrheit – und mitten hinein in das Wortprotokoll im Rechtsausschuss. Ich will wohlwollend bleiben: Wer so ungeschickt die Unwahrheit sagt, der ist auf seine Art auch schon wieder aufrichtig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Neigung, mich inhaltlich auf die abwegigen Vorwürfe der CDU einzulassen, ist außerordentlich gering.
Das Leben ist kurz. Kostbare Minuten auf diesen Antrag zu verwenden, ist da nur schwer zu rechtfertigen.
Zur Sache deshalb nur so viel: Generalstaatsanwalt Neumann hat bei seinem Auftritt vor dem Rechtsausschuss eine uneingeschränkte Ehrenerklärung für Karin Schubert abgegeben und ihre Haltung gegenüber der Staatsanwaltschaft ausdrücklich gelobt. Entgegen dem Wortlaut Ihrer Begründung halte ich fest: Zumindest ein in diesem Zusammenhang nicht ganz unmaßgeblicher Berliner hat auch weiterhin Vertrauen zur Senatorin für Justiz. Mir genügt das vollauf.
Ihnen hätte es auch genügen sollen.
Nein, Herr Zimmer, nicht Karin Schubert hat heute ein Problem, Sie haben ein Problem
mit einem Fraktionskollegen, dem Sie einmal mehr in eine Sackgasse gefolgt sind. Leider kann niemand sagen, Sie wären nicht gewarnt gewesen. Der Abgeordnete Braun hat schon so viele Beispiele seiner plumpen Dreistigkeit gegeben, dass Sie ihn längst hätten aus dem Verkehr ziehen sollen, anstatt ihn zum Schaden Ihrer Fraktion auch noch zum Weitermachen zu ermuntern.
Wenn Sie es vergessen haben sollten, dann darf ich Sie erinnern: Kein Vierteljahr ist es her, da hat Herr Braun die Wahl der Verfassungsrichterin Margret Diwell als ein „Beschäftigungsprogramm für einsame Ehefrauen prominenter Sozialdemokraten“ bezeichnet.
Gnädig hat Christine Richter in der „Berliner Zeitung“ diese Unverschämtheit als Blamage gewertet. Aber Sie, Herr Zimmer, lassen Ihrem Kettenhund jede noch so rabiate Geschmacklosigkeit durchgehen.
Nur wenig später dann eine besonders elegante Nummer des geschmeidigen Zehlendorfer Advokaten.
Kollege Braun ruft als besorgter Bürger kurz mal bei der Staatsanwaltschaft an, um anzufragen, ob man nicht gegen den Regierenden Bürgermeister ermitteln wolle. Aber
den Mut zu offener Denunziation hat er nicht. Und als ihn Staatssekretär Flügge hier im Haus auf sein merkwürdiges Verhalten anspricht, da wackelt ihm der Kopf, als wäre er ein Metronom. Ein billig denkender Mensch würde sagen, so eine hinterhältige Petzerei wäre selbst eines Grundschülers nicht würdig. Aber der Fraktionsvorsitzende der CDU denkt nur bewundernd: Toll, wie der Herr Braun seine Kontakte pflegt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Matz, Hochachtung! Das war Zivilcourage.
Und jetzt für Herrn Kaczmarek eine angstfreie Rede von einem Vertreter einer Regierungsfraktion.
Die Koalitionsfraktionen in Berlin gehen einen haushaltspolitischen Mittelweg. Der war von Anfang an schwierig und ist durch das Urteil des Verfassungsgerichtshofs über den Doppelhaushalt 2002/03 nicht leichter geworden. Vorher ging es darum, die Balance zu halten zwischen der Sanierung des Haushalts einerseits und dem Erhalt des sozialen Friedens und der Entwicklungsmöglichkeiten Berlins andererseits. Hinterher musste der Haushalt außerdem komplett neuen Kriterien für seine verfassungsgemäße Aufstellung gerecht werden. Dem Verfassungsgerichtshof gebührt dabei ein großes Lob. Durch sein ausgewogenes Urteil ist der Primat der Politik erhalten geblieben. Die Politik muss erklären und im Haushalt darstellen, wie Berlin seine durch die Landesverfassung definierten Aufgaben erfüllt. Wir begrüßen deshalb, dass die CDU die Herren Zimmer und Kaczmarek „zurückgepfiffen“ und zu einer verantwortungsvollen Haltung zurückgefunden hat. Ihr Kalkül, Herr Zimmer, war nicht unrealistisch. Die SPD ist zwar überzeugt, dass der Doppelhaushalt 2004/2005 der Verfassung entspricht,
aber bekanntlich kann man auf See und vor Gericht nie ganz sicher sein. Vielleicht hätte Ihre Klage doch noch einmal Erfolg gehabt.
Klagen kostet nichts. Und eine zweite Niederlage vor dem Verfassungsgerichtshof würde diese Koalition vielleicht nicht überstehen. Das wäre es doch! Es gäbe viel zu ge
winnen, und das ohne großes Risiko. Was kann eine Opposition sich Bequemeres wünschen?
Und trotzdem wäre eine Wiederholung des Vorgangs eine Katastrophe gewesen, und zwar für die ganze Stadt. Zu möglichen Auswirkungen auf unsere Klage in Karlsruhe haben Ralf Wieland und auch Herr Matz einiges gesagt. Diese Gefahren bestünden auch dann, wenn eine solche Klage scheiterte. Aber wenn sie Erfolg hätte, käme es zu drei verhängnisvollen Entwicklungen. Die erste ist rechtspolitischer Natur. Die zweite Aufhebung eines Landeshaushalts wäre mit einer extremen Einengung politischer Spielräume verbunden, und zwar für jede zukünftige Regierung. Wer diese Entwicklung vorantreibt, riskiert die Abtretung politischer Gestaltungshoheit an die Gerichte, die zur Gestaltung weder legitimiert noch kompetent sind. – Herr Zimmer! Auch für einen Juristen ist es ein Trugschluss, dass die Gerichte der natürliche Verbündete der Opposition sind. Das können und das wollen sie auch nicht sein.
Zum Zweiten hätte ein solches Vorgehen unabsehbare Folgen für die politische Kultur unserer Stadt. Die neuen Spielregeln, die Sie hier definieren, gelten doch für alle. Glauben Sie ernsthaft, die Vernünftigen in einer oppositionellen SPD könnten die Rachlüsternen bremsen? Jeder Haushalt würde auf absehbare Zeit vor dem Verfassungsgerichtshof landen. Eine solche Selbstkastration des Parlaments wäre ein würdeloses Schauspiel und die größte Gefahr für das Ansehen der Politik.
Die dritte und wichtigste Folge aber betrifft unsere gemeinsame Verantwortung für das Volk von Berlin. Diese Koalition ist angetreten, um den Haushalt zu sanieren und den sozialen Frieden und die Entwicklungsmöglichkeiten Berlins zu bewahren.
Wie schwierig es ist, diesem Ziel gerecht zu werden, zeigen die heftigen Auseinandersetzungen, mit denen wir konfrontiert sind und denen wir uns stellen – Auseinandersetzungen um Entscheidungen wie das Ende der Anschlussförderung, die neuen Hochschulverträge, den Abbau freiwilliger Leistungen und den Solidarpakt. Viele Entscheidungen haben wir schweren Herzens getroffen, aber stets aus Überzeugung von der Notwendigkeit. Deswegen sind wir trotz aller Konflikte auch zuversichtlich, dass – erstens – die überwiegende Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner unsere Einsicht in grundsätzliche Notwendigkeiten teilt, auch wenn sie im Detail nicht mit allem einverstanden sind, und dass – zweitens – unsere Maßnahmen dem eigenen Anspruch gerecht werden. Wir tun alles Notwendige, um bis 2007 belegbar nicht mehr auszugeben, als wir einnehmen, und um zugleich die Lebensqualität und den sozialen Frieden zu erhalten. Erzwungene Verschärfungen hingegen halten wir für unverantwortlich. Ich möchte nicht wissen, was in den sozial belasteten Stadtquartieren passiert, wenn wir die Mittel für Hilfen zur Erziehung und für das Quartiersmanage
ment radikal zusammenstreichen müssen. Was passiert, wenn wir Kitaplätze und Betreuungsplätze auf ein Minimum reduzieren müssen? Was passiert, wenn wir bei Polizei, Justiz und Schulen noch mehr Stellen streichen müssen, wie es der Finanzsenator ausführt hat? Was passiert, wenn Preise für Sozialmieten, Müllabfuhr, BVG und Wasser drastisch ansteigen? Das sind die Folgen einer Politik, wie Zimmer, Kaczmarek und Lindner sie sich vorstellen. Aus Sicht der SPD wäre sie nicht nur aus stadtpolitischen Gründen nicht zu verantworten; wir sind überzeugt, dass eine Regierung, die so handelt, auch gegen die Grundsätze unserer Verfassung verstößt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedauere ein bisschen, dass wir uns in der Koalition nicht vorher über das, was wir hier sagen wollen, abgesprochen haben. Herr Dr. Lederer hat so ziemlich alles gesagt, was ich mir selbst aufgeschrieben hatte. So etwas kann manchmal vorkommen.
Es geht uns auch noch um ein Zweites: Wir haben hier in Berlin eine politische Kultur, die unter anderem von Unterstellungen und Verdächtigungen gegen das Führungspersonal unserer eigenen Unternehmen lebt. Diesem
selbstzerstörerischen Teil unserer politischen Kultur wollen wir keinen Vorschub leisten, dem wollen wir einen Riegel vorschieben, indem wir Regularien treffen, die deutlich machen: Hier herrscht Klarheit, hier ist für jeden nachvollziehbar, was sich abspielt, und es gibt keinen Raum für derartige Verdächtigungen und Unterstellungen. Auch das soll unsere Vorlage bewirken.
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass an der einen oder anderen Stelle, Verbesserungen möglich sind. Ich selbst habe das Ganze aus rechtspolitischer Sicht betrachtet und betreut und bin durchaus gespannt auf die Beiträge, die dazu von den Wirtschaftspolitikern in der Diskussion darüber in den Ausschüssen kommen können. Insofern nehme ich Ihr Angebot einer sachbezogenen Diskussion gerne an. Sie haben am Ende angedeutet, dass Sie sich eine Lösung vorstellen können, die tragfähig ist, die auch für die CDU einen Ansatz bietet und die es möglicherweise zulässt, dass Sie sich einbeziehen lassen. Ich bin gespannt, wie das ausgeht und freue mich auf die Debatte in den Ausschüssen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wieland, es hat mich ein bisschen überrascht, dass Sie als künftiger Kandidat in Brandenburg zu diesem Thema gesprochen haben.
Es hat mich deswegen überrascht, weil es doch für Sie eine sehr schwierige Aufgabe war, hier die unterschiedlichen Interessenlagen zu bewältigen, die da in Brandenburg bestehen.
Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich damit keinen Gefallen getan haben. Vielleicht hat es etwas mit der erklärten Strategie der Grünen zu tun, nur im Speckgürtel nach Stimmen zu fischen. Aber ich bezweifle, dass das in der Brandenburger Presse sehr goutiert wird, was Sie da eben vorgetragen haben.
Ich möchte gerne mit Lob und mit Dank anfangen, und zwar mit Lob und Dank für die beteiligten Senatsverwaltungen und Ministerien in Brandenburg, insgesamt vier Verwaltungen, die diesen Staatsvertrag ausgearbeitet und vorgelegt haben, denn ich glaube, das ist ein Meilen
Berlin liegt eindeutig zentral, das wäre ideal gewesen, und damit hätten die Menschen in Pritzwalk und in der Uckermark leben können, das wäre für die ein kürzerer Weg. Aber, sehr merkwürdig, das Land Brandenburg hat sich dazu nicht bereit gefunden. Unsere Verhandlungspartner haben da eigene Vorstellungen entwickelt und haben gesagt: Aus bestimmten übergeordneten Gründen ist ihnen der Standort Cottbus so wichtig, dass sie unsere Einwilligung für diesen Standort zur Bedingung für alles Weitere machen. Wir haben Argumente vorgetragen, warum uns andere Standorte sinnvoller erscheinen. Aber für die Brandenburger war das der entscheidende Punkt. Um dann nicht in eine Blockade zu geraten, haben wir gesagt: Gut, wir wollen die Fusion der Obergerichte. Wir wollen diesen Schritt in die Richtung der Länderfusion tun, und das ist uns so wichtig, dass wir in dieser Detailfrage nachgeben und dem zustimmen, was Brandenburg von
vornherein vorgeschlagen hat. Ich halte diesen Schritt nach wie vor für absolut richtig und für die einzig verantwortungsvolle Art, mit der Gemengelage, mit der wir konfrontiert waren, umzugehen.
Ein Argument, das von der Opposition vorgetragen wird, akzeptiere ich überhaupt nicht – das Argument, Cottbus sei denjenigen nicht zumutbar, die sich auf den Weg in diese Stadt machen müssen. Das kann allein schon deswegen nicht stimmen, weil andere Bundesländer auf ganz ähnliche Lösungen gekommen sind. Ich verweise auf Hessen, das ein Finanzgericht in Kassel hat, an der äußersten Nordgrenze dieses Bundeslandes. Das heißt, die Menschen aus Frankfurt, die Menschen aus Darmstadt, die Menschen aus Südhessen müssen sich auf den weiten Weg nach Kassel machen, um dort vor dem Finanzgericht zu ihrem Recht zu kommen. Das findet kein Mensch in Hessen unzumutbar. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, meine Damen und Herren von der FDP, aber auch von den Grünen, sollten anfangen zu lernen, wie in einem Flächenstaat zu denken. Das ist ein Anspruch, den wir an uns stellen müssen, wenn wir es mit der Länderfusion ernst meinen.
stein auf dem Weg der beiden Länder Berlin und Brandenburg aufeinander zu.
Die Fusion der Obergerichte ist insgesamt eine sinnvolle Maßnahme. Sie wäre auch dann eine sinnvolle Maßnahme, wenn wir die Länderfusion nicht ins Auge gefasst hätten. Wir erhalten eine schlankere Organisation unserer Gerichtsbarkeit. Wir realisieren auf diesem Wege mögliche Einsparungen, erhalten aber gleichzeitig auch größere Fachgerichte, die es den einzelnen Senaten ermöglichen, sich weiter zu spezialisieren, so dass wir erwarten dürfen, dass die Qualität der Urteile steigt. All das sind Vorteile, die aus dieser Gerichtsfusion erwachsen.
Gleichzeitig aber – das wiederhole ich hier gerne noch einmal – ist es der bisher größte Schritt in Richtung Länderfusion, die die beiden Länder tun – vier gemeinsame Obergerichte. Das ist beispiellos in Deutschland, das finden Sie nirgendwo sonst, und das zeigt eine wirklich bewundernswerte Ernsthaftigkeit, dass wir meinen, was wir sagen: Wir wollen diese Fusion, und wir wollen diese gemeinsamen Gerichte.
Jetzt hören wir Kritik aus der Opposition, unter anderem auch von den Grünen, die dieses Projekt einmal mit angestoßen haben,
das Finanzgericht Cottbus sei eigentlich unmöglich zu ertragen, das könne man nicht mitmachen, und das sei ein Grund, warum man dieser Verfassungsänderung nicht zustimmen dürfe, die dafür notwendig ist. Ich will einmal sagen, was aus meiner Sicht wünschenswert wäre, aus Berliner Sicht, ich denke, da kann ich für uns alle sprechen: Natürlich können wir uns einen effektiveren Standort für das Finanzgericht vorstellen als Cottbus, und ich persönlich hätte sehr begrüßt, wenn alle vier Obergerichte nach Berlin gegangen wären.
Wir müssen bürgerfreundlich denken, wie es einem Flächenstaat angemessen ist – das ist der Punkt! Wie wollen Sie eigentlich mit der geradezu sprichwörtlichen Berliner Nonchalance – um kein schwerwiegenderes Wort zu erwähnen – den Menschen aus Pritzwalk und anderen Städten aus den Brandenburger Randlagen erklären, dass es ihnen zuzumuten ist, sich zu bewegen und zu reisen, den Berlinern aber nicht? Das ist doch völlig abwegig. So kann man mit dem Verhandlungspartner in Brandenburg nicht umgehen, und das wird dort auch nicht akzeptiert, das wird als Ausweis von Arroganz betrachtet.
Deswegen hier noch einmal mein Aufruf an Sie: Bitte überlegen Sie sich Ihre Position. Die Regierungsfraktionen – da, denke ich, kann ich sicher sein – sind hoch interessiert daran, dass wir diesen Staatsvertrag umsetzen können. Dafür brauchen wir die Kooperation der Opposition. Bitte verweigern Sie sich dieser Kooperation nicht, akzeptieren Sie die Ausgangsposition, unter der wir zu arbeiten hatten, und ermöglichen Sie diesen großen Schritt in Richtung auf die Länderfusion, damit wir keine Schlüsse ziehen müssen, wie es mit Ihrem Engagement für diese wichtige Zukunftsfrage der gesamten Region bestellt ist. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir behandeln heute insgesamt vier Anträge. Zwei sind von der CDU, zwei von den Grünen. Es handelt sich um eine recht komplexe Gemengelage, weil sich aus diesen vier Anträgen ganz unterschiedliche Zielrichtungen ablesen lassen. Das verbindende Element dieser vier Anträge ist der Bezug auf das ASOG, das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz. Die vier Themen sind: die Ausweitung der Videoüberwachung, die
Streichung des Straftatenkatalogs bei Straftaten von besonderer Bedeutung,
die Präzisierung der Rasterfahndung und schließlich die Abschaffung der Schleierfahndung. Man könnte über jeden dieser Punkte lange diskutieren. Ich werde versuchen, mich auf das Wesentliche zu beschränken.
Zum ersten Thema, zur Videoüberwachung, kann ich es am kürzesten machen: Wir sind als Koalition der festen Überzeugung, dass dieses Thema für diese Legislaturperiode ausdiskutiert ist. Wir ändern daran nichts mehr. Wir wollen besonders gefährdete Objekte in der Stadt überwachen. Wir wollen sie vor Vandalismus und vor Sachbeschädigung schützen. Darüber hinaus wollen wir keine flächendeckende Videoüberwachung in dieser Stadt zulassen.
Im Gegensatz zur CDU sind wir nicht der Auffassung, dass die Verdrängung von Kriminalität automatisch mehr Sicherheit bedeutet und es gerechtfertigt wäre, dafür die Bürgerrechte einzuschränken.
Zum zweiten Thema, den Straftaten von erheblicher Bedeutung: Das ASOG bildet die Rechtsgrundlage für präventive Observationsmaßnahmen und für die Datenerhebung bei Straftaten von erheblicher Bedeutung. Mit anderen Worten geht es hier um einen Grundrechtseingriff, der verhältnismäßig und begründet sein muss. Dieses Erfordernis begründet wiederum, dass wir die Straftaten von erheblicher Bedeutung definieren müssen. Wir haben über die Einführung des Straftatenkatalogs nach § 100 a StPO angefangen, das zu tun. Wir haben festgestellt, dass das zu eng ist. Die CDU will eine Generalklausel. Die ist uns zu beliebig, weil sie jedweden Eingriff rechtfertigen würde. Wir nehmen deshalb in den Straftatenkatalog Straftaten mit besonders schwerwiegenden Folgen für die Opfer auf: Dazu gehören Körperverletzungsdelikte, wie sie vor allem in der Hooliganszene und im Türstehermilieu vorkommen, Bandenkriminalität, Delikte des Menschenhandels und Delikte des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Wir halten all dies für sinnvoll, um präventive Observationsmaßnahmen zu ermöglichen.
Zum dritten Thema, der Rasterfahndung: Sie wurde nach dem 11. September in Berlin zu ersten Mal durchgeführt. Damals gab es im Verlauf der Rasterfahndung kleinere Verfahrensfehler, insbesondere im Genehmigungsbereich.
Herr Wieland ist da anderer Auffassung, aber das wird er Ihnen gleich noch begründen. – Wir haben diese kleineren Mängel evaluiert und kommen im Ergebnis zu bestimmten Präzisierungserfordernissen. Wir präzisieren, dass Gefahr im Verzug bei der Rasterfahndung eigentlich nicht möglich ist, weil das Genehmigungsverfahren im
mer einen gewissen Zeitraum in Anspruch nimmt. Wir verlangen deshalb in jedem Fall die richterliche Anordnung. Wir wollen die frühzeitige Einbeziehung des Datenschutzbeauftragten, der gegebenenfalls ein Auge darauf haben kann, dass alle Verfahrenserfordernisse erfüllt werden. Und wir wollen regeln, dass Daten, die nicht mehr benötigt werden, sofort gelöscht werden, und zwar nicht nur in Berlin, sondern auch bei den Behörden, denen wir diese Daten übermittelt haben. Wir denken, dass damit den Ergebnissen Rechnung getragen wurde, die die Evaluierung der ersten Rasterfahndung in Berlin ergeben hat. Das Instrument als solches halten wir weiterhin für sinnvoll und behalten uns vor, es bei gegebener Lage auch wieder anzuwenden.
Das letzte Thema ist die Schleierfahndung. Sie wurde in Bayern erfunden und soll dazu dienen, verdachtsunabhängig bzw. lagebildabhängig im grenznahen Bereich Kontrollen durchzuführen, um die grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen. Die Anschläge am 11. März in Spanien, Herr Henkel, sind keine Rechtfertigung für beliebige sicherheitspolitische Forderungen.
Terrorismusbekämpfung ist für uns ein wichtiges Thema, aber das ASOG sieht im § 21 Maßnahmen zur präventiven Terrorismusbekämpfung vor, und zwar in Form von Kontrollpunkten. Wir erweitern die Befugnisse des § 21 ASOG in der Form, dass mitgeführte Dinge in Augenschein genommen werden können, wie es bisher bei der Schleierfahndung vorgesehen war.
Die Schleierfahndung sieht in der Berliner Realität ganz anders aus. Sie wurde 1999 eingeführt und ist bis zum Jahr 2002 acht Mal durchgeführt worden. Ein Erfolg im Sinne dessen, wofür sie gedacht war, nämlich zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, war in keinem Fall feststellbar. Stattdessen gab es ein paar TiVs und ein paar FoFs.
Das ist so. – Trunkenheit im Verkehr und Fahren ohne Führerschein. Diese Delikte haben wir mit Hilfe der Schleierfahndung aufgeklärt. Schönen Dank! Dafür hätten wir sie nicht gebraucht.
Die Konsequenz ist klar: Dieser Senat ergreift beherzte Schritte zur Deregulierung. Eine Deregulierung ist an dieser Stelle erforderlich, denn wir haben eine Vorschrift, die ihren Zweck nicht erfüllt. Ich kann das auch einschlägiger formulieren und die Geschichte der Berliner Schleierfahndung in folgende Worte fassen – Herr Ritzmann kennt sie vielleicht schon –:
Grimmig mahnt der strenge Bayer: Keine Fahndung ohne Schleier! Nüchtern drob der Preuße spricht: Schleierfahndung taugt mir nicht!
Und er kommt zu diesem Schluss: dass man ab sie schaffen muss.