Denn die Anträge selbst – mit Verlaub, Frau RichterKotowski! – sind vom Inhalt her nicht so gewichtig, dass man sie um diese Uhrzeit noch besprechen müsste.
[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und der FDP – Doering (Linkspartei.PDS): Über Raucher müssen wir auch noch diskutieren!]
Die eigentliche Frage ist doch, wie Familien gestärkt und unterstützt werden können, und zwar möglichst frühzeitig. Wir haben heute über Kinderschutz diskutiert. Die Fälle von Kindesmisshandlung haben uns doch deutlich gezeigt, dass es in Berlin Familien gibt, die offensichtlich überfordert sind – mit ihrer Rolle als Familien und als Eltern.
Zwei Fragen müssen im Zentrum unserer familienpolitischen Debatte stehen, und zwar erstens: Vor welchen besonderen Herausforderungen stehen Eltern und Familien heute eigentlich? – Die Erziehung der Kinder stellt Mütter und Väter heute vor etwas andere Herausforderungen als noch zu Ihrer Zeit, Frau Müller! Die Eltern selbst stehen vor wachsenden beruflichen Herausforderungen und Anforderungen, und gleichzeitig sollen sie den Kindern möglichst viel an sozialen Kompetenzen, an Bildung und Werten vermitteln. Das sind riesige Aufgaben. Dafür brauchen Eltern Unterstützung von uns, aber nicht Familientage, an denen sie bunte Luftballons aufblasen, Frau Richter-Kotowski!
[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS und der FDP – Frau Senftleben (FDP): Sehr richtig!]
Zweitens müssen wir uns die Frage stellen, wie wir diese überforderten und teilweise auch belasteten Famili
Nun zu dem Antrag, in dem es um den Ausbau von Kitaplätzen für Unter-Dreijährige geht: Ich muss wiederholen, was meine Vorrednerin gesagt hat. Gerade Berlin hat ein hervorragendes Angebot. Das Problem besteht eher darin, dass der Zugang zu den Plätzen durch die Anmelderegelung noch nicht allen Eltern offen steht, obwohl unsere Berliner Regelung bereits über das Bundesrecht hinausgeht und in Berlin auch Über-Zweijährige in die Kita gehen können. Soziale, pädagogische und familiäre Gründe begründen einen Rechtsanspruch. Das ist gut, und das sollte man zur Kenntnis nehmen.
en erreichen und wie wir ihnen einen Unterstützung zukommen lassen. Wir müssen uns fragen, ob die bestehenden Angebote im Land Berlin zur Unterstützung von Familien auch diejenigen erreichen, die diese dringend nötig haben. Meine These ist, dass all diese guten Angebote, die wir haben, vor allem von Familien in Anspruch genommen werden, die sich in diesen Netzwerken auch auskennen. Das sind eher Mittelklassefamilien – so vermute ich – und eher deutsche Familien. Wir müssen aber gerade auch die anderen Familien erreichen, nämlich diejenigen, die den Weg in die Beratungsstellen nicht finden. Wir brauchen niedrigschwellige Angebote, wie es im Sozialarbeiterdeutsch heißt.
Wir schlagen deshalb vor, die Unterstützung und Beratung von Familien mit der Bildung und Betreuung ihrer Kinder zu verbinden. Denn wo erreicht man die Eltern besser als in der Kita ihrer Kinder?
Wir wollen deshalb die Kindertagesstätten zu Kinder- und Familienzentren weiterentwickeln und damit Kinderbetreuung mit Angeboten der Familienbildung, der Familienberatung und der Familienförderung verbinden. Das sind konkrete Vorschläge, meine lieben Herren und Damen von der CDU, aber so konkrete Vorschläge machen Sie nicht.
Und wenn es einmal konkret wird, dann schlagen Sie vor, die Verwaltungen zusammenzulegen und eine neue Verwaltung „Frauen, Familie und Jugend“ zu kreieren. Das zeigt, wes Geistes Kind Sie sind.
Das zeigt, dass Sie ideologische Politik machen – im schlimmsten Fall. Im besten Fall machen Sie Symbolpolitik wie mit diesen Anträgen, die Sie uns heute vorgelegt haben. Beides ist aber nicht besonders aufregend, muss ich Ihnen ehrlich sagen. – Danke!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren von der CDU! Ihre Anträge, zu denen heute die Beschlussempfehlung vorliegt, haben wir ausführlich im Rahmen einer Sondersitzung des Fachausschusses diskutiert. Ich habe gedacht, das hätte gereicht und Sie hätten die Worte deutlich verstanden, aber wenn wir heute Frau Richter-Kotowski mit der Debatte noch einmal glücklich machen können, dann machen wir das eben und kommen noch einmal zu den Anträgen zurück.
Was war inhaltlich auf der Tagesordnung? – In Kürze noch einmal für Sie – auch für Sie von der CDU –: Der Berliner Familienbericht, den Sie einfordern, wird noch in dieser Legislaturperiode – Herr Böger sagte Ende Juni – vorgelegt. Damit war der erste Antrag erledigt.
Zweitens: Ein Familientag findet bereits am 15. Mai in Berlin statt. Der Senator hat Ihnen erklärt, dass es Abstimmungen zwischen Berlin und dem Bund gibt. Damit war der zweite Antrag erledigt.
Zum dritten Antrag, der sich mit dem Internetangebot für Familien beschäftigt: Frau Richter-Kotowski, Sie haben das nicht richtig verstanden. In der Ausschusssitzung wurde nachgewiesen, dass bereits sehr gute und auch gut angenommene Internetangebote speziell für Familien zur Verfügung stehen. Das muss man zur Kenntnis nehmen, auch wenn man eine andere Meinung dazu hat. Das, was Sie gesagt haben, reicht nicht aus.
Allerdings haben wir keinen Dissens bezüglich der Familienförderung, wenn es um echte Familienförderung geht. Dies setzt aber voraus, dass in Anträgen mehr Inhalte formuliert werden. Ich habe von Ihnen beispielsweise noch nicht viel zur Familienförderung im Hinblick auf Einkommensschwache gehört. Es betrifft insbesondere die 166 000 Minderjährigen, die von Alg II leben müssen. Betrachten wir die familienpolitische Offensive der CDUFamilienministerin unter diesem Blickwinkel: Zum Stichwort Elterngeld kann ich nur dem renommierten hessischen Sozialrichter Jürgen Borchert zustimmen, der heute in der „Berliner Zeitung“ zitiert wird:
Warum? – U. a., weil Steuerersparnis und Elterngeld eine Schlechterstellung von Geringverdienern, Arbeitslosen und Alleinerziehenden bedeuten. Diese Debatte habe ich am Dienstag bei „Klipp und klar“ konkret verfolgen können. Auch Frau Reiche konnte dort nicht erklären, wie es weitergeht. Wir wissen, dass Arbeitslose 300 € nur für 12 Monate bekommen sollen, während sie das Erziehungsgeld jetzt für 24 Monate erhalten. Das ist eine we
Neu ist das Konzept des Elterngeldes, und – siehe da – es wird diskutiert. Es wird da diskutiert, wo Kinder sind,
nämlich in den Familien. Das ist genau das Richtige. Das Elterngeld wird zum 1. Januar 2007 mit allen Konsequenzen eingeführt. Das bedeutet, dass es auch für den jeweiligen Partner Anreize gibt, Familienarbeit für einen Zeitraum zu übernehmen. Ich begrüße diesen Schritt ohne Wenn und Aber, denn ich fand immer – das kann ich auch auf Grund meiner eigenen Vita sagen –, dass zur Erziehungs- und Familienarbeit zwei gehören.
Aber eine zukunftsweisende Familienpolitik muss mehr leisten. Die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf muss gegeben sein, mehr Chancengerechtigkeit der Geschlechter im Berufsleben, und natürlich müssen wir auch klar sagen, dass unsere Gesellschaft mehr Menschen braucht, die sich zu Kindern und Familie bekennen. Ich zweifle daran, dass das Elterngeld das alles erreicht. An diesem Punkt müssen wir weiterdenken.
Eine wesentliche Frage ist, ob eine Infrastruktur vorhanden ist, die es Müttern und Vätern ermöglicht, mit ruhigem Gewissen ihrem Job nachzugehen. Ist dies nicht der Fall, ist das Elterngeld eine nette Finanzspritze für 12 bzw. 14 Monate, und dann sind es sicher wieder die Mütter, die Heim und Herd hüten.
Ich könnte noch sehr viel sagen, beispielsweise zur Absenkung des Kindergeldes, zum 7. Familienbericht der Bundesregierung oder auch zum Bündnis für Erziehung, das Frau von der Leyen mit den christlichen Kirchen eingegangen ist. Dazu fehlt mir aber die Zeit. Deshalb belasse ich es dabei. Wir lehnen Ihre Anträge ab und bestätigen die Beschlussempfehlungen des Fachausschusses.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die demographische Entwicklung hat für unser Land nachhaltige Folgen. Eine Zahl: Ab dem Jahr 2030 sind mehr als 40 % der Bevölkerung älter als 60 Jahre. Dann sehen wir ganz schön alt aus. Es muss uns gelingen, diese Entwicklung zu stoppen. Eine Gesellschaft verändert dann ihr Gesicht nachhaltig, wenn Kinder nicht mehr alltäglich sind, wenn sie nicht mehr automatisch dazugehören. Das sehen wir auch in unserer Stadt. Berlin gilt als hip, als Stadt der Singles. Unsere Regierender Bürgermeister redet darüber, dass Berlin arm, aber wunderbar sexy sei. Aber das allein genügt nicht, um Berlin liebens- und lebenswert zu machen.
Im letzten halben Jahr ist etwas geschehen: Es gibt in Deutschland ein neues Problembewusstsein, das im Wesentlichen von allen Parteien und Fraktionen getragen wird. Das haben wie einerseits denen zu verdanken, die seit Jahren und Jahrzehnten nicht locker lassen und auf den demographischen Faktor hinweisen, nämlich Politiker wie Biedenkopf und Wissenschaftler wie Prof. Reinhard Miegel. Aber insbesondere haben wir es zwei Frauen zu verdanken, nämlich Renate Schmidt und Ursula von der Leyen. Sie haben es fertig gebracht, dass keiner mehr von „Gedöns“ redet, und sie haben nicht locker gelassen. Allein das zeichnet sie aus.
Die SPD könne ruhig klatschen, Herr Nolte. – Frau Schmidt hat es nämlich unter Rot-Grün – trotz Kanzler – geschafft, das Thema wieder salonfähig zu machen. Ihr Ziel war es, alle, insbesondere die Wirtschaft, für mehr Familienfreundlichkeit zu sensibilisieren. Das ist ihr gelungen, mehr leider nicht. Frau von der Leyen hat dieses Konzept dann konsequent auf die Agenda gesetzt und dann auch einen Erfolg für die große Koalition verbuchen können,
was allerdings bisher der einzige Erfolg der großen Koalition ist. Auch das muss man deutlich sagen.
Allerdings – mit Blick auf die CDU – sind wir in Berlin nicht so schlecht: Die Anzahl der Kitas stimmt. Die Qualität stimmt leider nicht immer, lieber Herr Böger. Bei den Öffnungszeiten gibt es Probleme. Sie müssen mehr auf den Arbeitsrhythmus der Erziehenden ausgerichtet werden. Bei der Betreuung der Unter-Dreijährigen, liebe Frau Barth, liebe Frau Müller, müssen wir nachlegen und diese nach Bedarf ausbauen. Das gilt auch für die Tagesmütter. Einrichtungen der Tagesmütter werden in einigen Bezirken schlicht abgelehnt und boykottiert, das wissen Sie. Das empfinde ich als einen Skandal.
Fazit: Ausbau der Angebote für die Unter-Dreijährigen, bessere Kitas. Hier besteht auch in Berlin akuter Handlungsbedarf.
Das Single-Image für Berlin allein reicht nicht. Berlin muss kinderfreundlicher werden. Auch das ist ein Standortfaktor. Dazu gehört ein Umdenken. Ich habe meine Zweifel daran, dass die Anträge der CDU dazu beitragen. Das Internetportal existiert bereits, über den FamilienTÜV kann man sicherlich diskutieren, und nun wollen Sie die Einführung eines Familientages. Wir haben ja schon den Muttertag, an dem Mutti das Geschenk vom Kind bekommt, und Vati macht das Frühstück – einmal im Jahr für Mutti. Mit dieser Art von Sondertagen habe ich es überhaupt nicht. Ich habe es auch meiner eigenen Familie immer vorgelebt: Es muss heißen, jeder Tag ist Familientag. Jeden Tag Frühstück machen, jeden Tag ein Schulbrot mitgeben, jeden Tag vorlesen und sich auch jeden Tag mit den pubertierenden Kindern auseinander setzen. Das ist nämlich Familie, und das macht Familie lebenswert und macht sie auch manchmal mühsam. Das ist aber