Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich nicht nur das letzte Jahr Revue passieren lasse, sondern lassen Sie mich einen kurzen Ausflug über die letzten viereinhalb Jahre machen, da es in dieser Legislaturperiode meine letzte Gelegenheit ist, über die Arbeit unseres Ausschusses zu berichten.

Wir haben bis zum heutigen Tag 162 nichtöffentliche Sitzungen hinter uns gebracht. Während Sie sich wie wir alle auf den Wahlkampf vorbereiten und die letzten Sitzungen zählen, die Sie in dem einen oder anderen Fachausschuss noch absolvieren, wird der Petitionsausschuss seine Arbeit bis zur Konstituierung des neuen Parlaments weiterführen. Aus heutiger Sicht sind das mindestens noch 15 Sitzungen. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern, die ein Problem haben, schuldig. Denen ist es egal, ob wir Wahlen haben oder nicht. Ihre Anfragen müssen bearbeitet und beantwortet werden. Im letzten Jahr haben wir etwa 2 700 Petitionen bearbeitet, wobei

sich viele Petenten wiederholt an uns gewandt haben. Bis heute sind es insgesamt 10 500. Erfreulicherweise konnten wir davon 25 % positiv bescheiden. Etwa 2 500 Petenten erhielten von uns eine positive Antwort.

[Allgemeiner Beifall]

Das ist einen Applaus wert.

Heute morgen sprach mich die Presse auf mein Versprechen an, eine rote Laterne an ein Senatsmitglied zu vergeben, das – wie man so sagt – nicht so spurt. Ich musste heute Morgen nach längerem Nachdenken eingestehen: Ich kann so eine Laterne nicht vergeben,

[Was? von der CDU]

Das tut mir Leid für die Opposition, aber es ist so! – Die Zusammenarbeit mit der gesamten Senatsmannschaft ist von Vertrauen geprägt.

[Hoffmann (CDU): Da ist Ihnen Herr Sarrazin entfallen!]

Herr Hoffmann, zu Ihnen komme ich noch! – Es war zwar teilweise einmal anders, doch jetzt ist es so. Das heißt nicht, dass wir immer einer Meinung sind, überhaupt nicht! Aber auch die Argumente und Gegenargu

Lassen Sie uns abschließend ein ganz herzliches Dankeschön sagen für Ihre Unterstützung, Ihre Ausdauer und Ihren Einsatz. Wir wissen, dass wir ohne Ihre Hilfe nicht da wären, wo wir heute sind.

Auf Senatsebene haben wir kaum Probleme. Anders verhält es sich bei der Zusammenarbeit mit den Bezirken. Einige Punkte haben wir schon einmal angesprochen. Auch im Bezirk Tempelhof-Schöneberg gibt es immer noch Probleme bei der Bearbeitung von Wohngeldanträgen, die sich zeitweise über 6 Monate hinzieht. Aus dem Bereich von Frau Dr. Ziemer haben wir eine erneute Petition, bei der es um die Versagung einer Baugenehmigung geht. Wieder sind es dieselben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtplanungsamtes, gegen die sich unsere Kritik richtet.

mente und kurzfristig mögliche Terminvereinbarungen zeigen uns, dass die Zusammenarbeit in Ordnung ist.

Herr Dr. Sarrazin! Sie haben für mich heute eine beeindruckende Darstellung in Bezug auf die Anschlussförderung geboten. Das war wohl für alle ein Hochgenuss, Ihnen zuzuhören. Aus meiner persönlichen Sicht sind Sie für diese Stadt ein absoluter Gewinn. – Allerdings haben wir in einer der Abteilungen, für die Sie Verantwortung tragen, ein Mobbing-Problem. Darüber ist bereits gesprochen worden. Wir alle wissen, dass Mobbing verbreitet ist. Auch in der freien Wirtschaft ist es zu finden. Dort wird jedoch durch die Kündigung des Arbeitsvertrages das Problem relativ schnell geregelt. Das ist im öffentlichen Dienst bekannterweise nicht möglich. Welche Chance hat eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter, wenn er bei seinem Chef in Ungnade gefallen ist, wenn dieser Chef auch noch ein freundschaftliches Verhältnis mit der Senatsaufsichtsverwaltung und dem Personalrat hat? – Keine Chancen hat ein solcher Mitarbeiter.

Trotzdem konnten wir in einem Fall helfen. Eine Beamtin hat sich vertrauensvoll an uns gewandt, weil sie in der Beförderung nicht berücksichtigt wurde. Sie war in Ungnade gefallen. Wir fanden in der Aktenlage eindeutig, dass dies nicht mit ihren dienstlichen Fähigkeiten zu tun haben konnte, sondern dass etwas anderes dahinter stecken musste. Die Frau hatte sich zur Wahrung ihrer Rechte an das Gericht gewandt, so dass sowohl eine Klage als auch eine Petition lief. Das Problem dieser Beamtin war aber, dass sie vier Jahre vor der Pensionierung stand. Sie wissen, dass dann eine Beförderung nicht mehr möglich ist. Wie durch ein Wunder bekam sie eine Woche vor dem entscheidenden Geburtstag von der Verwaltung ein Vergleichsangebot: Der Beförderung wird entsprochen, wenn sie auf Klage und Petition verzichtet. – Wir haben ihr empfohlen. das zu tun, denn es geht ja letzten Endes nur um den Erfolg. Aber eines halte ich für wichtig, und ich möchte es hier noch einmal deutlich sagen: Wenn es völlig zu Recht ein Rotationsverfahren für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, das auch von Ihnen, Herr Senator, für bestimmte Finanzämter praktiziert wird, dann verstehen wir nicht, warum dieses Finanzamt bis heute davon ausgeschlossen ist.

[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und den Grünen – Brinsa (CDU): Rote Laterne!]

Das hat nichts mit roter Laterne zu tun!

Ein letzter Punkt, eine erfreuliche Petition: Wir haben im Ausschuss einen Antrag vorliegen, bei dem es um die außerschulische Betreuung von behinderten Kindern, die keinen Rechtsanspruch auf eine Betreuung haben, geht. Bezüglich der Änderung des Schulgesetzes in Erweiterung der Ganztagsschulen haben Sie vielleicht von dem Problem in Steglitz-Zehlendorf gehört, wo eine Gruppe von heute auf morgen den ihr per Gesetz zustehenden Anspruch auf Räumlichkeiten verlor, weil diese Zimmer für die Schule benötigt wurden. Langer Rede kurzer Sinn: Wir haben uns dort persönlich eingeschaltet und dank der

Mitarbeit der zuständigen Stadträtin Frau Otto von Bündnis 90/Die Grünen konnten wir ein positives Ergebnis erreichen. – Ich habe etwas sehr Schönes in der Hand, den Brief der Eltern der betroffenen behinderten Kinder. Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen den letzten Satz vorlese:

Was kann es Schöneres geben?

[Allgemeiner Beifall]

Ein anderer Fall – Herr Hoffmann, jetzt spreche ich Sie an, damit wir das auch gleichmäßig verteilen – erreicht uns aus dem Bezirk Treptow-Köpenick. Dort haben Mitglieder unseres Ausschusses einen Ortstermin wahrgenommen, um einem Petenten, einem Ofenbauer, zu helfen, der auf dem Gehweg eine Parkfläche für seine Fahrzeuge haben wollte, um so sein Gewerbe besser bedienen zu können. Obwohl alle dafür waren, sagte letztendlich der zuständige Stadtrat Dr. Schmitz von der SPD: Lassen wir das mal lieber sein, das war schon immer so, das soll auch so bleiben! – Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, so wie der Senat mit uns ein gutes Verhältnis pflegt, werden wir auch erreichen, dass das in den Bezirken in Zukunft besser wird. Das werden wir uns jedenfalls so nicht bieten lassen!

[Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP]

Zum Abschluss gestatten Sie mir eine Danksagung. Ich möchte mich vor allen Dingen bei den Mitgliedern unseres Ausschusses bedanken, die viele Jahre mitarbeiteten und die in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr dabei sein werden. Das sind einmal Frau Schaub und Frau Hopfmann von der Linkspartei.PDS, die sich um den Bildungsbereich kümmern; das sind von der Fraktion der CDU Herr Brinsa, der das schwierige Thema Ausländerwesen betreut, und Herr Prof. Stölzl, der hinter mir gerade als Präsident fungiert; das ist aus meiner Fraktion Frau Hertlein. Von der FDP kann ich leider keinen außer Herrn Lehmann nennen. Ich hoffe, Herr Lehmann – und ich wünsche es Ihnen von Herzen, weil unsere Zusammenarbeit so ausgezeichnet ist –, dass wir uns auch in der nächsten Legislaturperiode im Petitionsausschuss wiedertreffen. Allen Mitgliedern möchte ich danken und selbstverständlich auch meinem Büro. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Allgemeiner Beifall]

Vielen Dank, Herr Kollege Hillenberg, für den schriftlichen wie den mündlichen Bericht! – Dieser Dank für die geleistete Arbeit gilt allen Mitgliedern des Petitionsausschusses sowie – und das darf ich aus eigener Anschauung sagen – den hoch engagierten und sehr fachkundigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung des Abgeordnetenhauses.

Die lfd. Nr. 17 steht als vertagt auf der Konsensliste.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 18:

Große Anfrage

Finanzierungskonzept für den Großflughafen Berlin Brandenburg International auf solide Grundlage stellen!

Große Anfrage der Grünen Drs 15/4806

Zur Begründung der Großen Anfrage erhält die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit einer Redezeit von bis zu fünf Minuten das Wort. – Bitte sehr, Frau Hämmerling!

Schönen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Bisher sind alle Berliner Großprojekte gescheitert, oder sie haben in die finanzielle Katastrophe geführt:

[Niedergesäß (CDU): Das ist ja Quatsch!]

Bankgesellschaft, Entwicklungsgebiete, Hochhauspläne am Alex oder das Tempodrom. Die Gründe liegen auf der Hand, Herr Niedergesäß: Politische Wünsche und nicht die wirtschaftliche Tragfähigkeit waren Motor für alle diese Projekte.

Kein privater Investor war bereit, BBI zu stemmen. Allein das muss Anlass sein, die Kalkulation auf den Prüfstand zu stellen. Das Projekt für einen internationalen Großflughafen, für das Luftdrehkreuz, entstand, als Berlin von der 5-Millionen-Metropole träumte und bevor die Flughäfen Leipzig und München fertig ausgebaut waren.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Heute steht fest: Der Flughafen Schönefeld wird kein internationales Luftdrehkreuz. Das Rennen hat Frankfurt gemacht. Schönefeld wird auch kein Luftfrachtzentrum, da hat Leipzig die Nase vorn. Mit dem Nachtflugverbot besteht auch keine Chance, die Entwicklung umzudrehen. Richtig ist, der Flughafen Schönefeld muss zu dem Flughafen der Region ausgebaut werden. Tempelhof und Tegel werden geschlossen. Das hat unsere volle Unterstützung.

Wir können nicht akzeptieren und unterstützen, dass das Geld wieder aus dem Fenster hinausgeworfen werden soll. Es darf nicht sein, dass wieder finanzielle Risiken auf die Zukunft in die nächste Legislaturperiode verschoben werden! Man muss nicht einmal so genau hinsehen, um die finanziellen Risiken erkennen zu können. Von den

2½ Milliarden € für Neubau und Schienenanbindung zahlt Berlin 189 Millionen €. Das sieht erst einmal nach nicht so viel Geld aus. Der Bund und Brandenburg und auch die Bahn sind in ähnlicher Weise beteiligt. Aber der Löwenanteil der 2 Milliarden € für den Flughafen wird durch die Flughafengesellschaft aufgebracht, und zwar durch Kredite. Für diese Kredite bürgt auch das Land Berlin, für diese Kredite haften die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Wir wollen wissen, für wie viel Geld das Land Berlin den Kopf hinhält und wie seriös die Planungen sind, dass sich diese Investitionssumme überwiegend durch die Einnahmen aus dem Fluggeschäft refinanzieren. Da machen doch mehrere Umstände stutzig: Wofür brauchen wir einen riesigen unterirdischen Bahnhof, wenn die Bahn schon jetzt den Flughafen komplett vom ICEVerkehr abgehängt hat und

[Zuruf des Abg. Matz (SPD)]

wenn unklar ist, wie der Bahnverkehr finanziert werden soll, weil die Regionalisierungsmittel gekürzt werden? Wer also soll den Bahnverkehr bezahlen, und was soll dafür im Gegenzug wegfallen? Woher nimmt der Senat den Optimismus, dass sich die Einnahmen mit Inbetriebnahme von BBI aus dem Luftfrachtgeschäft verzehnfachen, obwohl sie seit Jahren rückläufig sind? – Wir haben gerade mit der Fortschreibung des STEP Verkehr diese Information bekommen. – Noch einmal: Der Flughafen Leipzig ist Standort für die Luftfracht, er ist eine ICE-Stunde von Berlin entfernt, und der Flughafen hat kein Nachtflugverbot. Woher also stammt Ihr Optimismus? Woher stammt der Optimismus der Einnahmesteigerungen aus dem Passagiergeschäft, Herr Regierender Bürgermeister?

[Krüger (Linkspartei.PDS): Das ist doch alles unterirdisch, Frau Hämmerling!]

Berlin hat bereits 17 Millionen Fluggäste, ein Großteil davon sind Billigflieger. Weshalb sollen sich die Einnahmen so exorbitant steigern, nur weil 5 Millionen Fluggäste hinzu kommen? – Durch Gebührensteigerungen wird dies sicher nicht gelingen, denn die vertreiben die Billigflieger. Ich frage ganz bewusst nur nach den aktuell sichtbaren Risiken. Dass sich mittelfristig durch die Ölpreissteigerungen das Mobilitätsverhalten verändern wird und dass die Billigfliegerei endlich ist, spielt bei unseren Fragen heute gar keine Rolle.

Ein weiteres Kostenrisiko liegt bei den Akteuren selbst. Eine Entwicklungsgesellschaft arbeitet mit staatlichem Geld und ohne eigenes Risiko. Das kennen wir von den Entwicklungsgebieten. Dort haben die Gesellschaften mehr als 1 Milliarde € Defizit eingefahren. Gerkan, Marg und Partner sollen den Terminal und den Bahnhof bauen. Wie zuverlässig deren Kostenkalkulation ist, wissen wir spätestens seit dem Tempodrom. Ganz klar ist: Wenn diese Pläne verwirklicht werden, dann explodieren die Bausummen, dann ist auch sicher, dass die Refinanzierung über die Einnahmen scheitern wird. Dann bekommen wir keinen Großflughafen, sondern einen „Großfluchhafen“.

[Krüger (Linkspartei.PDS): Der Flughafen wird ein neues Tempodrom!]

Beim Großflughafen Berlin-Brandenburg International hat sich in den vergangenen Wochen bekanntlich viel getan. – Die Große Anfrage ist bereits älteren Datums. – Am 16. März 2006 hat das Bundesverwaltungsgericht grünes Licht für den Flughafenbau gegeben. Wir sind seither nicht untätig geblieben, sondern haben planmäßig und mit großem Engagement die Bauvorbereitung vorangetrieben. Unser Ziel ist und bleibt die Eröffnung des BBI am 1. November 2011 mit Beginn des Winterflugplans. Dafür tun wir alles, was notwendig ist. Jetzt zahlt sich besonders aus, dass wir bereits vor dem Leipziger Urteilsspruch die Planungen so weit vorangetrieben haben, wie es rechtlich möglich und zulässig war. Ich versichere Ihnen, dass wir seit dem 16. März die Zeit gewissenhaft genutzt haben. Die Finanzierung ist vorbereitet, die Planungen sind weitgehend abgeschlossen, und am letzten Montag haben wir das Modell des Terminals präsentiert. Im zweiten Halbjahr 2006 werden wir den ersten Spatenstich tun können, und zwar nicht nur symbolisch, sondern die Bauarbeiten werden dann richtig beginnen. Beim Bau werden wir genau so zügig verfahren wie bei der Planung. Wir haben einen ambitionierten Zeitplan, der aber nach unseren heutigen Erkenntnissen eingehalten werden kann.

Grundlage für die Planungen ist ein verlässliches und belastbares Finanzkonzept. Sie haben völlig Recht, die Erfahrungen mit öffentlichen Bauten besagen, dass häufig nachgebessert werden muss. Selbstverständlich ist das eine große Herausforderung bei dieser bedeutenden Investitionsmaßnahme, dem größten Infrastrukturprojekt in der Bundesrepublik Deutschland im Moment. Wir arbeiten deshalb von Anfang an mit Transparenz, weshalb wir Transparency International eingeschaltet und Controllingmechanismen eingebaut haben. Dies soll dazu beitragen, dass sich ihre Kassandrarufe nicht erfüllen, sondern dass wir Sie überzeugen, dass auch ein öffentliches Unternehmen in der Lage ist, solch ein großes Projekt innerhalb des Kostenrahmens zu verwirklichen.

Schön, dass Sie so sehr dafür sind, meine Herren von der PDS! – Wir fordern Sie auf, legen Sie die Kostenkalkulation offen! Stellen Sie diese Planungen vom Kopf auf die Füße,

[Krüger (Linkspartei.PDS): Wie war das jetzt, Frau Hämmerling!]