Es ist zu befürchten, dass aufgrund der immer noch zunehmenden Übernutzung der natürlichen Ressourcen viele hundert Millionen Menschen keine Grundlage für ein menschenwürdiges Leben in ihren Heimatländern sehen und die Welt daher mit einer neuen Völkerwanderung rechnen muss. Eine friedliche Integration von so großen Migrationswellen hat es in der menschlichen Geschichte bislang nicht gegeben. Die daraus erwachsenden Folgen für unsere wirtschaftliche und politische Entwicklung schön zu reden, wäre naiv und grob fahrlässig. So ist Entwicklungszusammenarbeit zugleich Weltinnen- und Friedenspolitik.
Die vorliegende Agenda spricht sich daher für eine Doppelstrategie aus, die die Menschen in ihren Heimatländern bei ihrer Entwicklung unterstützt und die hier lebenden Menschen integriert. Berlin hat einzigartige Voraussetzungen, um sich als weltoffene Metropole für die Perspektiven der Einen Welt einzusetzen: In keiner anderen Stadt in Deutschland gibt es so viele aktive Initiativen, Vereine, Nichtregierungsorganisationen, Netzwerke, Städtepartnerschaften, Migrant(inn)enorganisationen, Sprach- und Kulturvielfalt, eine internationale Studierendenschaft und ein sehr ausgeprägtes multikulturelles Leben. Hinzu kommen durch den
Hauptstadtumzug die Botschaften und Konsulate, politischen Stiftungen sowie nationale und internationale Institute und Wirtschaftsverbände. Dies alles sollte in seiner Gesamtheit als Bereicherung für die Stadt und als positives Potential angesehen und genutzt werden.
Dort, wo Entwicklungszusammenarbeit und internationale wirtschaftliche Kooperationen Berliner öffentlicher und privater Akteure stattfinden, sollen die internationalen ökonomischen, ökologischen und sozial-kulturellen Standards eingehalten werden (Standards der Vereinten Nationen). Die organisatorische und/oder finanzielle Unterstützung von Hilfsprojekten wird entsprechend der Berliner Möglichkeiten fortgeführt.
Die zukunftsfähige Gestaltung eines Gemeinwesens verlangt die Überwindung vieler arbeitsteilig organisierter Politikfelder. So sind die ökonomischen, ökologischen und sozial-kulturellen Dimensionen der Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe in allen Bereichen zu berücksi
Um die Ziele und Maßnahmen handhabbar zu halten, wurden für die Agenda Handlungsfelder ausgewählt, in denen Maßnahmen besonders dringlich erscheinen. Sie wurden von den Arbeiten des Agendaforums übernommen, ihre Gliederung wurde leicht modifiziert. Der Systematik und damit verbundener Übersicht halber erfolgt eine Orientierung an den vom Agendaforum entwickelten Themenbereichen „Die Umwelt erhalten“, „Das soziale Leben in der Stadt gestalten“, „Innovationen fördern, Beschäftigung sichern, Arbeitsplätze schaffen“ und „Bildung für die Zukunft“. Sie werden jedoch nicht gesondert aufgeführt. Vielmehr orientiert sich die Agenda an den Handlungsfeldern, da in diesen der Ist-Zustand und der Handlungsbedarf in Berlin konkretisiert und mit Zielen und Maßnahmen untermauert werden kann. Sie weisen Bezüge zur Agenda 21 von Rio sowie der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie auf. In den folgenden Handlungsfeldern kollidiert unsere Lebensweise am stärksten mit den Zielen nachhaltiger Entwicklung oder es besteht das größte Potenzial, in Berlin eine Entwicklung zur Nachhaltigkeit zu forcieren:
Diese Liste ist nicht vollständig. Im Abschnitt C Empfehlungen werden weitere Handlungsfelder genannt, die künftig ebenso im Rahmen einer Agenda zu behandeln sind.
Seit der Wiedervereinigung der Stadt ziehen einkommensstärkere Familien aus innerstädtischen Bezirken in städtische Randbereiche und das brandenburgische Umland (vgl. Kap. „Berlin in der märkischen Landschaft“). Zusätzlich kommt es durch Binnenbewegungen zu einer stärkeren Segregation sozialer Bevölkerungsschichten und Altersgruppen. Durch diese Veränderungen entstehen überforderte Nachbarschaften, die gekennzeichnet sind durch Arbeitslosigkeit, Armut, Überalterung und Desintegration von Migranten. Nachbarschaftlich tragende durchmischte Strukturen lösen sich auf, Selbsthilfekräfte und Verantwortungsübernahme für das Gemeinwesen geraten ins Hintertreffen.
Der Berliner Senat hat diese Probleme mit der Praxis der Nachbarschaftszentren und des Quartiersmanagements aufgegriffen. Durch das aktive Einbeziehen der Bürger bei der Gestaltung ihres Lebensumfeldes wurde ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl zum Kiez erreicht und das Engagement der Bewohner für ihr soziales Umfeld geweckt und gestärkt. Voraussetzung für eine erfolgreiche Beteiligung an der Stadtentwicklung sind umfassende Informationen über Ziele und Möglichkeiten der aktiven Beteiligung und eine effizientere Nutzung vorhandener Infrastrukturen.
Berlin ist eine tolerante weltoffene, zukunftsfähige, funktional und sozial gemischte Stadt. Berlin wird geprägt durch die Weltoffenheit seiner Bürgerinnen und Bürger. Interkulturelle Kontakte schaffen ständig aufs Neue eine funktionale und soziale Vielfalt in der Stadt und halten die „Integrationsmaschine Berlin“ in Bewegung. Maßnahmen für Bildung, Kultur und Arbeit verbessern die Startchancen ihrer Bewohner. So können sich alle in ihrem Quartier wohlfühlen und wollen dort wohnen bleiben.
In allen Teilräumen der Stadt werden sozialstrukturell stabile Stadtteile und Quartiere (Kieze) erhalten oder wieder hergestellt. Ziel ist ein funktionierendes Gemeinwesen. Dabei wird auf die Chancengleichheit aller Bewohner in allen Teilen Berlins hingewirkt. Besonderheiten werden erhalten, so dass die unterschiedlichen Quartiere mit ihren Potenzialen als „unverwechselbare Adressen“ werben können.
Dieses Leitbild wird durch die politisch Verantwortlichen auf der Landes- und Bezirksebene getragen. Bei den freien Trägern, der Wirtschaft, externen Sachverständigen sowie der Wohnungswirtschaft wird Unterstützung eingefordert oder dafür geworben.
Berlin ist wie viele Großstädte durch eine soziale Segregation geprägt. Diese führt für die Bewohner der einzelnen Kieze zu Lebensbedingungen unterschiedlicher Qualität sowie ungleich verteilten Chancen.
Qualitätsziele In allen Ortsteilen Berlins existieren zwar unterschiedliche, aber gleichwertige Lebens-, Wohn- und Umfeldverhältnisse. Alle Bürger haben unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen oder ethnischen Herkunft, unabhängig von Alter und Geschlecht, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit und unabhängig von einer Behinderung gleiche Chancen. (Konkretisierende Handlungsziele hierzu siehe auch in den Abschnitten Weiterentwicklung des Wissenschafts- und Bildungsstandortes VI 3.3 und Schaffung von Arbeitsplätzen durch Verteilung der Arbeit VI 3.4 sowie Neuer Stellenwert der Bildung VII 3.1.)
In den Nachbarschaften werden tragfähige gesellschaftliche Strukturen neu entwickelt bzw. erhalten. Akzeptanz und Toleranz unabhängig von Herkunft, sozialem Status, Alter oder Geschlecht bestimmen das nachbarschaftliche Miteinander in den Ortsteilen. Es herrschen gleichwertige Bildungschancen unabhängig von sozialer und kultureller Herkunft. Dies gilt für das ganze Stadtgebiet.
In den Kiezen gibt es Wohnungen unterschiedlicher Größe und Ausstattung. Dadurch leben Menschen unterschiedlicher Herkunft und sozialer Zugehörigkeit zusammen. Einkommensschwache, weniger mobile, nicht erwachsene Personen und Zugezogene werden in das soziale Leben im Quartier einbezogen und zur aktiven Gestaltung des Kiezlebens ermutigt.
• Senkung der Armutsquote in Berlin auf unter 10 %, in keiner statistischen Zelle des Sozialstrukturatlas liegt die Quote über 20 %.
• Angebot qualitativ hochwertiger Wohnungen durch Sanierung und Modernisierung sowie Verbesserung des Wohnumfeldes als Anreiz für stabilisierend wirkende Familien, in belasteten Quartieren zu bleiben oder hinzuziehen.
• Die Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften werden angehalten, lokale Angebote für altengerechtes, generationsübergreifendes Wohnen und Jugendwohngemeinschaften zu schaffen. Einrichtungen für ältere Menschen sollen gesichert werden.
• Die bestehenden Beratungs- und Informationsmöglichkeiten für Interessenten am gemeinschaftlichen, generationsübergreifenden Wohnen werden verbessert.
• Die Gründung einer Stiftung für Nachbarschaftsentwicklung mit Sponsorenmitteln wird unterstützt. Eine Beteiligung der städtischen und privaten Wohnungsunternehmen wird dabei angestrebt.
• Bestehende Angebote an Stadtteilzentren, Nachbarschaftshäusern, Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen sowie Beratungsmöglichkeiten werden gesichert und nach Möglichkeit ausgebaut; sie orientieren sich insbesondere an den Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und Familien und arbeiten generationsübergreifend.
• Die schulische Bildung wird weiter qualifiziert, die Einrichtung von Ganztagsschulen insbesondere in benachteiligten Quartieren gefördert und die Schulsozialarbeit durch eine auskömmliche Finanzierung gesichert und ausgebaut.
• Es werden umfassende Angebote für Spracherwerb- und -förderung, insbesondere für Jugendliche und Migranten erhalten bzw. geschaffen.